Woher kommt die Beliebhteit der Kombination "Deutsch/Geschichte"?

  • Ich habe am Ende der Reihe die Wissenschaften einsortiert, die du zuvor kritisiert hast, aber ich bin froh festzustellen, dass du anscheinend nicht nur Probleme hast fremde Texte sinnentnehmend zu lesen, sondern dich auch an deine eigenen kaum erinnerst. Wird Zeit für die Osterferien. :P


    Nehmen wir deine Kritik an Hattie mal auseinander:


    Mir würde es reichen, wenn Hattie und Co. diese "Forschungsmethode" methodisch und statistisch "bei all ihren Problemen" kennen würden.
    --> kein Argument, da kein Nachweis. Hast du die Studie mal im Original gelesen und gelesen wie sich Hattie mit den Beschränkungen der Meta-Analyse auseinandersetzt? Vermutlich eher nicht, oder? Ansonsten wäre ich aber auf eine Erklärung gespannt, warum eine in diversen Forschungsfeldern (insb. der Medizin in der Risikobewertung) eingesetzte Methode deiner Meinung nach bei psychologischen Fragestellungen nicht angewandt werden darf.


    Über die Probleme der Hattie-Studie kannst du überall nachlesen.
    --> Ross und Reiter? Ich kann auch überall nachlesen dass Impfungen Autismus verursachen. Ist nachgewiesener Blödsinn...


    Einfaches Googlen reicht.
    --> ich bemerke die qualitativ hochwertige Recherche...


    Aber auch so sagt der gesunde Menschenverstand, dass, wenn man über alle möglichen Rahmenbedingungen (institutionell, rechtlich, sozial usw.) hinwegmittelt, als einzige verlässliche Einflussgröße derjenige übrigbleibt, der direkt vor der Klasse steht.
    --> also wenn man über die Rahmenbedingungen hinwegmittelt verschwinden diese, wenn man über die Lehrer hinwegmittelt, dann bleibt ihr Effekt bestehen. Hast du einen Erklärungsansatz für diese wunderliche statistische Interpretation?


    Insofern hätte es für das "Ergbnis" der Studie ("Auf den Lehrer kommt es an.") gar keine "Metaanalyse" gebraucht. Aber solche wissenschaftlich verbrämten Simplifizierungen der komplexen Realität sind ja heutzutage en vogue. Und verkaufen sich besser.
    --> das ist die Standardkritik von Leuten die jeden empirischen Zugang zur Bildungsforschung verneinen, in Deutschland namentlich Terhart und Brügelmann. Nur haben diese Leute üblicherweise das, was ich schon an deinem Beitrag kritisiert habe: Weder methodische, noch statistische Kompetenz.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    • Offizieller Beitrag

    Wer macht das denn hier in diesem Thread? Diskutier doch einfach nicht mit, wenn es Dir nicht passt. Ich sehe keinen Grund hier moderierend einzugreifen, es gibt doch überhaupt keine Anfeindungen.

    Ich moderiere hier überhaupt nicht sondern habe mich an dieser Diskussion als "gemeiner User" beteiligt. Die Hierarchisierung wird im Grunde schon durch den Threadtitel suggeriert. Andere Threads zum Thema Naturwissenschaften haben ebenfalls eine starke Tendenz dazu gehabt, Fächergruppen oder einzelne Fächer zu hierarchisieren.

  • Andere Threads zum Thema Naturwissenschaften haben ebenfalls eine starke Tendenz dazu gehabt, Fächergruppen oder einzelne Fächer zu hierarchisieren.

    Mag sein, dieser Thread tut es aber nicht. Es geht um die Frage, was von Schülern als "einfach" oder eher "schwierig" empfunden wird. "Empfinden" ist was Subjektives und muss nicht zwangsläufig mit der z. B. in Noten ausgedrückten Realität korrelieren. Für einige Fächer trifft das aber zu und da finde ich es eben schon spannend sich zu überlegen, warum das wohl so sein mag. Vielleicht kann man die Dinge als Lehrer ja positiv beeinflussen, wenn man den Ursachen auf den Grund geht? Man kann sich rumgedreht als z. B. Geschichtslehrer auch einfach freuen, dass Schüler dort tendenziell eher bessere Leistungen erbringen als in Mathe ohne gleich Minderwertigkeitskomplexe zu schieben.


    Das hier



    Es gibt halt verschiedene Wissengebiete, die sind unterschiedlich zugänglich für einen Anfänger. Einen Roman lesen und irgendwas dazu sagen kann, jeder- aber das ist ja keine Germanistik; bei einer chemischen Formel guckt man als Anfänger erstmal dumm, obwohl sie vll. weit weniger komplex ist als eine fachgerechte Analyse eines Romans- Der Zugang zu der Formel ist halt anfänglich von der Alltagswelt weiter entfernt als zum Text

    scheint mir bei der ganzen Diskussion ein ganz wichtiger Punkt zu sein. Sag ich auch meinen Schülern immer so wenn sie heulen, dass ihnen in der Chemie irgendwas zu kompliziert ist. Sie sollen mal versuchen sich zu erinnern, wie das in der 1. Primar mit dem Schreiben und den vier Grundrechenarten war. Das können sie dann halt (hoffentlich) schon, wenn sie zu uns kommen und haben vergessen, wie unglaublich mühsam das am Anfang eben auch war.

  • Ich habe am Ende der Reihe die Wissenschaften einsortiert, die du zuvor kritisiert hast, aber ich bin froh festzustellen, dass du anscheinend nicht nur Probleme hast fremde Texte sinnentnehmend zu lesen, sondern dich auch an deine eigenen kaum erinnerst.

    Und du hast anscheinend Probleme damit, Texte so zu formulieren, dass andere in der Lage sind zu verstehen, was du eigentlich meinst. Oder sollen wir immer raten, was du uns eigentlich mitteilen willst?


    Zitat

    --> kein Argument, da kein Nachweis. Hast du die Studie mal im Original gelesen und gelesen wie sich Hattie mit den Beschränkungen der Meta-Analyse auseinandersetzt? Vermutlich eher nicht, oder? Ansonsten wäre ich aber auf eine Erklärung gespannt, warum eine in diversen Forschungsfeldern (insb. der Medizin in der Risikobewertung) eingesetzte Methode deiner Meinung nach bei psychologischen Fragestellungen nicht angewandt werden darf.

    Haha. Gerade die Medizin als Beispiel zu benennen ist schon lächerlich, lies mal das hier: http://www.zeit.de/2017/25/med…aindustrie-john-ioannidis


    Zitat

    --> also wenn man über die Rahmenbedingungen hinwegmittelt verschwinden diese, wenn man über die Lehrer hinwegmittelt, dann bleibt ihr Effekt bestehen.

    Die "Erkenntnis", dass es auf den Lehrer ankommt ist so trivial, dass es eigentlich peinlich sein sollte, so etwas als zentrales Ergebnis eine "Meta"studie darzustellen. Denn der Lehrer steht schließlich in jeder Klasse. Wenn er keinen entscheidenden Einfluss hätte, könnte man ja auf ihn verzichten. Also: Was hat die Studie gebracht, außer Forschungsgelder zu verschwenden?


    Zitat

    --> das ist die Standardkritik von Leuten die jeden empirischen Zugang zur Bildungsforschung verneinen, in Deutschland namentlich Terhart und Brügelmann. Nur haben diese Leute üblicherweise das, was ich schon an deinem Beitrag kritisiert habe: Weder methodische, noch statistische Kompetenz.

    Nur weil man etwas mathematisch untersucht, heißt das noch lange nicht, dass die Untersuchung sinnvoll ist. Oder ist Mathematik der neue Religionsersatz? Früher hat man den kryptischen Worten der Priester gelauscht, heute denen der Mathematiker... Pädagogik ist keine exakte Wissenschaft, die Mathematik suggeriert hier eine Genauigkeit, die es einfach nicht gibt. Leider lassen sich zu viele zu oft durch schöne Formeln blenden, die im Problemkontext keinen Sinn ergeben.

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()


  • Hallo state_of_Trance,


    dass Deutsch als Fach besonders beliebt sein soll, ist mir eher neu. Ich habe im Referendariat in Deutsch wie Geschichte hauptsächlich damit zu tun, unmotivierte Klientel davon zu überzeugen, dass Geschichte auch spannend und erhellend sein kann, außerdem Deutsch mehr ist als nur lästige Schreibaufgaben abzuarbeiten.


    Ich fürchte, dass nicht wenige Kollegen und Kolleginnen die genannten Fächer nicht unbedingt maximal anregend unterrichten; jedenfalls hatte ich als Schüler nur wenige Lehrer/innen, die diese Fächer lebendig vermitteln konnten. Geschichte als Schaubildabschreiberei und Deutsch als nettes Plauderstündchen - wer kennt das nicht. Genauso hatte ich aber öden Mathe- u. Physikunterricht zur Genüge, mit Lehrpersonen, die nicht Schüler/innen, sondern primär ihre Fächer unterrichteten. Welcher Mensch mit notorischen Verständnisschwierigkeiten kennt sie nicht, diejenigen Mathelehrer/innen, die einen am Ende regelrecht hassen, nur weil man ihr blödes Fach nicht auf die Reihe bekommt.


    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich fand Mathe und auch Physik (sogar Chemie!) immer sehr interessant, nur leider reduzierte sich das auf den privaten Bereich, da ich schulisch einfach nicht schnell genug folgen konnte und die meiste Zeit abgehängt war. Außerdem werden diese Fächer in der Schule vorwiegend theoretisch betrieben (was natürlich auch auf alle anderen zutrifft und ich nicht kritisieren möchte), so dass mein Desinteresse eher struktureller (spezifisch schulischer) Natur war und nicht so viel mit prinzipiellem Desinteresse meinerseits zu tun hatte. Ich habe mir z.B. viele Dinge später selbst beigebracht (bin Hobby-Astronom).


    Deutsch/Geschichte zu studieren lag von daher in meinem Fall nahe, habe hier im Abi Preise bekommen und denke auch, dass ich das Zeug dazu habe, meine Begeisterung für Sprache und Geschichte(n) an Dritte zu vermitteln. Aber ich werde nicht Lehrer, um explizit diese Fächer zu unterrichten - es hat sich eben einfach so ergeben, da anderes für mich nicht recht gepasst hätte.


    Auch habe ich gezielt Lehramt studiert und auch von Anfang an mit dem besonderen pädagogischen Interesse, also nicht gymnasiales Lehramt, sondern ausgerichtet auf all jene Schüler/innen, die vielleicht etwas mehr Hilfestellung und Zeit benötigen, um ihre Potentiale entfalten zu können.


    Übrigens glaube ich nicht, dass Deutsch und Geschichte schlecht vermittelbar ist; jedenfalls nicht zur Zeit und in meiner Schulart. Immerhin ist Deutsch Hauptfach und Geschichte wird nach wie vor viel zu oft fachfremd unterrichtet. Die Idee, dass Geschichte jeder kann, ist schlicht naiv. Klar kann jeder Arbeitsblätter austeilen und Schaubilder an die Tafel malen - aber das trifft nun auch auf jedes x-beliebige Fach zu und der betreffende Unterricht ist stets weit davon entfernt, den Anforderungen des Faches aus fachdidaktischer Sicht zu genügen.


    der Buntflieger

  • Ich habe im Referendariat in [...] Geschichte hauptsächlich damit zu tun, unmotivierte Klientel davon zu überzeugen, dass Geschichte auch spannend und erhellend sein kann

    Moin,


    also als Schüler bin ich damals in Geschichte ausgestiegen, als es um das 3. Reich ging und welch wahnsinnige Schuld wir alle auf uns geladen hätten. Was kann ich dafür, daß ich mit einem deutschen Paß geboren wurde und das die Generation meiner Großeltern im Namen einer Regierung, die die Gerneation meiner Ur-Großeltern zur Macht verholfen hat, in den Kreig ziehen mußte? Sippenhaft qua Staatsangehörigkeit?


    Ähnlich ging es mir in SowI und Religion aber auch. Da wurde thematisiert, wie schlimm doch im Zusammenhang mit dem Krieg die Vergewaltigungen und die hohe Anzahl an getöteten Zivilisten war. Die Anzahl getöteter Soldaten war hingegen irgendwie nebensächlich. Warum das so ist, erschließt sich mir heute noch nicht. Soldat wird doch niemand freiwillig. Da hat Mann nur die Alternative zu kämpfen und vom Feind erschossen zu werden oder sich zu weigern und von den eigenen Feldjägern standrechtlich exekutiert zu werden. Das Ergebnis ist das Gleiche. Im ersten Weltkrieg ist auch niemand freiwillig aus dem Graben geklettert und in das feindliche Maschinengewehr-Feuer gestürmt. Die wußten alle ganz genau, daß sie nur eine kleine Chance haben zu überleben, wenn sie stürmen. Wenn sie nicht stürmen, werden sie von der eigenen Grabenpolizei erschossen.


    In Religion habe ich es damals wohl reichlich provokant auf den Punkt gebracht: "Warum regen sich alle über die Vergewaltigungen überhaupt auf? Die Frauen hatten doch immerhin das Glück und durften weiterleben. Die Männer wurden einfach erschossen." Da konnte dann auch der Religions-Pauker nicht mehr antworten.


    Aber kann auch sein, daß das Thema in den 1990ern einfach viel zu intensiv im Hinblick auf die Schuldfrage und die "Kultur des Erinnerns" abgeklopft wurde. Da müßten wir jetzt mal die Geschichts-Kollegen hier fragen, ob sich da was geändert hat.


    Ich war jedenfalls froh, als ich im Ausland erfahren habe, daß ich als Deutscher tunlichst nicht so in Sack und Asche gehen solle von wegen "Erinnerungskultur", wie sie es mir in der Schule in praktisch allen Fächern über 3 Jahre lang eingetrichtert haben. :)


    Ach ja, dieses Video hier habe ich das erste Mal in einem neuseeländischen Museum gesehen. Vielleicht wäre das ja was für den Geschichtsunterricht:
    --> https://www.youtube.com/watch?v=DwKPFT-RioU


  • Hallo blattyplus,


    es kann ja im Geschichtsunterricht nicht darum gehen, irgendwelche Schuldzuweisungen/Verantwortlichkeiten zuzuschieben bzw. zu klären, sondern wahrzunehmen, dass unsere Vorfahren in ein historisches Ereignis verwickelt waren, das ganz bestimmte Folgen nach sich zog, weshalb eine eingehende Auseinandersetzung damit lohnenswert ist.


    Warum redeten unsere Großeltern häufig nicht (oder nicht gerne) über diese Zeit? Weshalb lernten viele von uns ihre Großeltern bzw. Großväter vielleicht gar nicht erst kennen? Woran liegt es, dass fast alle Städte noch heute vom Wiederaufbau geprägt sind und es kaum erhaltene historische Bausubstanz gibt? Warum ist die Politik hierzulande gegenüber nationalen Interessen und der Bekundung nationaler Identität anders eingestellt als in vielen Nachbarländern?


    Solche Fragen sind es, die wir an die Vergangenheit stellen können und die auch zeigen, weshalb wir in Deutschland anders auf diese Vergangenheit zugreifen müssen, als dies z.B. in Großbritannien oder Australien oder in der Mongolei etc. der Fall wäre. Die Betroffenheit ist viel unmittelbarer bzw. anders geartet, das hat aber - wie schon gesagt - nichts mit plumpen Schuldzuweisungen oder gar "Sippenhaft" zu tun, sondern mit der Tatsache, dass wir nicht geschichtslos im Raum stehen, sondern Produkt einer Kette von Ereignissen sind - um es vereinfacht auszudrücken.


    Was die Zahlenspielerei betrifft, die du am Ende anführst: Im Geschichtsunterricht würde ich beispielsweise versuchen, meine Schüler/innen diese Darstellungen kritisch betrachten zu lassen; woher können wir diese exakten Zahlenwerte überhaupt wissen, was ist vielleicht problematisch daran, die Zahlen der Gefallenen von Schlachten der Antike mit denen heutiger kriegerischer Konflikte zu vergleichen? Was könnte das Interesse sein, das solche Darstellungen verfolgen und was könnte man dem argumentativ entgegen stellen?


    Das ist Geschichte und eben nicht eine beliebige (oder/und gezielt manipulative) Zusammenstellung von "Fakten", die wir dann einseitig aus gegenwärtiger Perspektive wahrnehmen und die Rekonstruktion einer vergangenen dabei vergessen bzw. gar nicht erst versuchen.


    der Buntflieger

  • Ich denke (und hoffe), dass plattyplus da einen nicht repräsentativen Geschichtsunterricht erlebt hat. Es geht nicht um persönliche Schuldgefühle, es geht darum, dass man sich bewusst ist, was in der Vergangenheit passiert ist - und damit auch sein eigenes Handeln in der Gegenwart zu reflektieren. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, muss sich im Klaren sein, dass es kein normaler Scherz ist, in Israel seine Hotelrechnung mit "Adolf Hitler" zu unterschreiben ... und das unabhängig von persönlicher Schuld oder Unschuld.

  • Ich habe 3 Typen von Geschichtsunterricht kennen gelernt:
    1. Anektdotische Geschichten aus Antike, Mittelalter und von der (europäischen) Kolonisierung Nordamerikas.
    2. Schuld- und Gesinnungsunterricht zum 3. Reich in allen Fächern, wo das möglich war, wie bei plattypus. (Auch 90er Schüler ;) )
    3. Einen Geschichtszwangskurs zur Märzrevolution und zu den Monaten vor dem ersten Weltkrieg und zu dessen Entstehung.


    Lediglich in dem Geschichtszwangskurs wurden geschichtliche Mechanismen untersucht und vor allem ein Fokus darauf gelegt, was man aus dem damaligen Geschehen lernen kann und ob und inwieweit es uns heute noch beeinflußt. Die Tragig dabei ist für mich, dass lediglich der Zwangskurs das geleistet hat, was das Fach Geschichte überhaupt legitimiert, nämlich Mechanismenverständnis und Transfer zur heutigen Zeit.


    Wenn ich mir meine aktuelle Klasse angucke und was die so aus dem Geschichtsunterricht erzählen, dann sind die gerade im Bereich der anektdotischen Geschichten... O_o
    ...aber ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Fach sich inzwischen auch professionalisiert hat.

  • Führt hier vom Thema weg ... aber da kodi und plattyplus beide als Bundesland NRW angeben ... war das auch das Bundesland der Schulzeit? Da würde mich mal eine Studie interessieren, ob / inwieweit sich Geschichtsunterricht in den Bundesländern unterscheidet (auch bzgl. dieses "Schuldunterrichts"). Mir war in meiner Schulzeit (80er) der Geschichtsunterricht bzgl. des Nationalsozialismus eher zu verharmlosend ("saubere" Wehrmacht, Verbrechen lediglich von einer kleinen Clique fanatischer Nazis ...) ... aber das kann auch nur in der Person des Lehrers liegen, der mich unterrichtete (oder daran, dass ich als Jugendlicher schon Eugen Kogons NS-Staat gelesen habe, von daher evtl. auch nicht ganz "normal" war ...).

  • Die Tragig dabei ist für mich, dass lediglich der Zwangskurs das geleistet hat, was das Fach Geschichte überhaupt legitimiert, nämlich Mechanismenverständnis und Transfer zur heutigen Zeit.


    Wenn ich mir meine aktuelle Klasse angucke und was die so aus dem Geschichtsunterricht erzählen, dann sind die gerade im Bereich der anektdotischen Geschichten... O_o
    ...aber ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Fach sich inzwischen auch professionalisiert hat.


    Hallo kodi,


    was den Gegenwartsbezug anbetrifft, kann ich dich beruhigen: Ohne diesen besteht man im Fach Geschichte heute keine Lehrprobe mehr. Auch eine klare Problemfrage wird vorausgesetzt, bloßes "Geschichtenerzählen" (obwohl auch dieses durchaus gekonnt sein will und ab und an didaktischen Sinn machen kann) reicht bei Weitem nicht.


    Du könntest ja durchaus mal in die einschlägigen Fachdidaktiken reinschauen ("Praxis Geschichte" ist z.B. eine sehr gute Zeitschrift, Peter Gautschi wäre z.B. ein beachtenswerter moderner Geschichtsdidaktiker), wenn du dir in Sachen Professionalität tatsächlich ernsthafte Sorgen um deine Kolleg/innen machst.


    der Buntflieger

  • @DeadPoet Geschichtsunterricht in den bayrischen 90ern war zumindest bei mir auch nicht besser. Ehrlich gesagt kenne ich niemanden, der aus dieser Zeit was anderes erzählt. Das wäre doch ein arger Zufall, sollten das alles nur Einzelfälle sein.

  • Ich habe 3 Typen von Geschichtsunterricht kennen gelernt:
    1. Anektdotische Geschichten aus Antike, Mittelalter und von der (europäischen) Kolonisierung Nordamerikas.
    2. Schuld- und Gesinnungsunterricht zum 3. Reich in allen Fächern, wo das möglich war, wie bei plattypus. (Auch 90er Schüler )
    3. Einen Geschichtszwangskurs zur Märzrevolution und zu den Monaten vor dem ersten Weltkrieg und dessen Entstehung.

    Ich habe es genauso kennengelernt. Muß wohl doch am Lehrplan in NRW liegen.


    Chronologischer Gechichtsunterricht von Klasse 5-9 durch die tiefste Steinzeit bis in die 1920er. Dann in Klasse 10 und 11 das 3. Reich und die Judenverfolgung, wobei die Judenverfolgung geschätzt 80% der Zeit einnahm. Da wurden wirklich alle Facetten beleuchtet und zwar sowohl in Geschichte als auch in SoWi/Politik, Religion (in Ethik wohl auch), Deutsch und Kunst. Alles, was man irgendwie an das Thema dranhängen konnte, wurde da auch drangehängt. Damals hat dann irgendwann bei uns in der Oberstufe die komplette Stufe gemeutert und gesagt haben, daß wir von diesem "Schuldunterricht" nichts mehr hören wollen. Unsere Haltung konnte kein Pauker verstehen und so gab es noch einen Vortrag vom Schulleiter von wegen Israel, der bei uns noch viel weniger ankam.


    In der 13 gab es dann den Geschichts-Strafkurs für alle, die dann irgendwann mal Geschichte abgewählt hatten. Da kamen dann die Zusammenhänge, die von Kodi beschrieben wurden, also vom Auslöser des 1. Weltkriegs über den Versailer-Vertrag, die Ruhrbesetzung und den 2. Weltkrieg als logische Folge aus dem 1. Weltkrieg und der Staatsfinanzierung auf Schuldenbasis in der NS-Zeit. Auf eigenen Wunsch haben wir das dann noch verlängert um die Berlinblockade, den Aufstand in der DDR 1953, die Deutsche Teilung und den Prager Frühling. Damals merkte der Pauker aber ausdrücklich an, daß die Geschichte nach 1945 in den Lehrplänen nicht vorgesehen ist.


    Ist das heute immer noch so, daß der Geschichtsunterricht mit dem 3. Reich endet oder kommt die Geschichte nach 1945 inzw. auch in den Lehrplänen vor?

  • Ist das heute immer noch so, daß der Geschichtsunterricht mit dem 3. Reich endet oder kommt die Geschichte nach 1945 inzw. auch in den Lehrplänen vor?


    Hallo battyplus,


    ich zitiere mal aus dem aktuellen Bildungsplan 2016 für Geschichte (Baden-Württemberg):


    "Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen – Klasse 10
    Bildungsplan 2016 – Sekundarstufe I
    Geschichte
    Die Schülerinnen und Schüler können den Ausbau der Europäischen Gemeinschaft zur EU nach dem Mauerfall darstellen sowie Chancen und Risiken der EU beurteilen."


    Damit dürfte deine Frage beantwortet sein. Bildungspläne sind i.d.R. in der heutigen Zeit problemlos jederzeit einsehbar - nur so als Tipp am Rande.


    der Buntflieger

  • Kann das für Geschichte NRW 80er/90er (Abi 93) bestätigen. Ich habe - mal abgesehen vom allerersten Jahr (Quinta), wo mir Geschichte richtig Spaß gemacht hatte, Geschichte geradezu gehasst - lag einerseits an den (ab dem zweiten Jahr) absolut unfähigen, langweiligen Lehrkräften und nachher auch an den Themen.
    Der ganze NS-"Scheiss" kam auch in anderen Fächern immer wieder hoch, so bspw. durch Deutschlektüren wie "Der gelbe Vogel" - an sich kein schlechtes Buch, aber direkt wieder in die Kerbe. Mich hats erst recht genervt, weil man einerseits da bei mir offene Türen einrennt, ich mich eh von diesem ganzen rechten Schmutz schon distanziert hatte, und dann auch noch das... (und ja, das wurde natürlich auch noch Theaterstück, und klar, wer spielt wohl Naomi, traut sich ja sonst keine...) der "Zwangskurs" in der Oberstufe bestand dann aus zweimal die Woche 7. Stunde "Videogucken", um das mal schnoddrig zu erklären.
    und - Geschichte nach WW II? Das schien dann unter "Politik" zu fallen. Oder vielleicht SoWi - da haben wir zumindest mal (und das sogar interessant vermittelt) das Phänomen RAF durchgenommen. Und Religion... bin ich zum Glück frühstmöglich losgeworden und hatte nachher zum Glück Philosophie.
    Zum Glück gab es ja noch Erdkunde, um den Bereich Gesellschaftswissenschaften abzudecken... da habe ich dann sogar eine ziemliche Pfeife als Lehrer hingenommen, aber da waren die Themen interessanter.


    Geschichte an sich ist ein sehr interessantes Thema - finde ich. Nur habe ich als Schülerin das kaum erlebt, eher das Gegenteil. Es wurde massiv vermurkst, der Unterricht war größtenteils langweiliges Runtergeleiere, und wirklich interessante Themen wurden oft ausgelassen, dafür langweilige extrem aufgebläht... da hat man dann ja so richtig Lust drauf...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Der ganze NS-"Scheiss" kam auch in anderen Fächern immer wieder hoch, so bspw. durch Deutschlektüren wie "Der gelbe Vogel" - an sich kein schlechtes Buch, aber direkt wieder in die Kerbe. Mich hats erst recht genervt, weil man einerseits da bei mir offene Türen einrennt, ich mich eh von diesem ganzen rechten Schmutz schon distanziert hatte, und dann auch noch das...


    Hallo Miss Jones,


    es ist halt nicht eben einfach, die hiesige Vergangenheit vom "NS-Scheiss", wie du schreibst, zu bereinigen, ohne dabei zugleich Geschichtsfälschung zu betreiben. Auch wenn es einem nicht schmeckt, das Thema ist eben da und wer mit offenen Augen durch die Welt spaziert, wird zwangsläufig überall darauf treffen. Es wäre insofern ziemlich lebensfremd von der Institution Schule, die Konfrontation damit zu scheuen bzw. es als Teil nur eines Faches anzusehen und aus den anderen - zur Schonung der Schülerschaft - herauszufiltern.


    Ich kann mich aber auch daran erinnern, dass es eine Phase bei mir und vielen anderen Mitschüler/innen gab, in der wir im Chor "oh nein, nicht schon wieder!" seufzten, wenn es eben wieder mal soweit war und in irgend einer Form zum Thema wurde. Aber das lag aus heutiger Sicht an mangelnder Reife und auch sicherlich zum Teil daran, dass man sich doch persönlich betroffen und irgendwie evtl. auch davon angegriffen fühlte.


    Später konnte ich von dem Thema gar nicht mehr genug bekommen. Es ist schlicht zu naheliegend; wer sich für Geschichte interessiert, stößt halt permanent darauf. Nicht deshalb, weil es in vielen Büchern steht oder der Lehrer es einem abverlangt, sondern weil sie uns buchstäblich vor den Füßen liegt.


    der Buntflieger

  • Aber das lag aus heutiger Sicht an mangelnder Reife und auch sicherlich zum Teil daran, dass man sich doch persönlich betroffen und irgendwie evtl. auch davon angegriffen fühlte.

    Ich bin heute auch sehr geschichtsinteressiert würde aber trotzdem behaupten, dass es nicht nur an mangelnder Reife gelegen hat. Es war wirklich inflationär. Bei uns ging es soweit, dass sich ein paar Jungs aus purem Protest die Haare abrasierten, sich Bomberjacken anzogen und sich weisse Schnürsenkel in die Springerstiefel fädelten. Das wiederum wurde dann irgendwie nicht mehr thematisiert ...

  • Es wäre insofern ziemlich lebensfremd von der Institution Schule, die Konfrontation damit zu scheuen bzw. es als Teil nur eines Faches anzusehen und aus den anderen - zur Schonung der Schülerschaft - herauszufiltern.

    Und wo ist die Konfrontation mit dem DDR-Unrecht und der SED/PDS/Linke?
    Und wo ist die Konfrontation mit den ganzen anderen Ungerechtigkeiten der Welt, die wir Deutsche mal nicht verursacht haben?

  • Die DDR ist durchaus ein Thema im Lehrplan in Bayern. Ebenso der Imperialismus (vor allem England/Frankreich/Belgien) ... allerdings denke sich schon, dass man sich mit der Geschichte seines eigenen Landes besonders beschäftigen sollte.

  • Ich bin heute auch sehr geschichtsinteressiert würde aber trotzdem behaupten, dass es nicht nur an mangelnder Reife gelegen hat. Es war wirklich inflationär. Bei uns ging es soweit, dass sich ein paar Jungs aus purem Protest die Haare abrasierten, sich Bomberjacken anzogen und sich weisse Schnürsenkel in die Springerstiefel fädelten. Das wiederum wurde dann irgendwie nicht mehr thematisiert ...

    Hallo Wollsocken80,


    sei mir nicht bös, aber genau das meinte ich mit "mangelnder Reife".


    Ich glaube auch mich daran zu erinnern, dass zumindest ein Lehrer unsere Abwehrhaltung an einer Stelle thematisierte. Ob das was gebracht hat - es ist zu lange her. Ich glaube nicht, wir fühlten uns - wie in dem Alter wohl typisch - wahrscheinlich im Recht und haben geblockt (bzw. gebockt).


    Die Aussage einer Mitschülerin habe ich bis heute nicht vergessen, weil ich sie damals schon reichlich doof fand: "Geschichte finde ich unnötig, was interessieren mich die ganzen Leute, die sind doch alle schon längst tot!"


    Nein, als Geschichtslehrer ist es wirklich nicht immer leicht. Wenn man dann noch an die ganzen Eltern denkt, die ihre einseitigen Erinnerungen an die subjektiv so empfundenen negativen Aspekte des Faches dem Nachwuchs sozusagen als "Spezial-Motivation" mit auf den Schulweg geben, dann wundern mich manch grundlos verschränkte Schüler/innen-Arme nicht.


    der Buntflieger

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