Formelableitverfahrens - allgemeine Betrachtungen

  • EDIT: Nicht Off-Topic-Antworten bitte in folgenden Thread: Urheber des Formelableitverfahrens gesucht (direkt zum Thema)
    Allgemeine Betrachtungen zur Proportionalität sowie zu meiner fürchterlichen didaktischen Reduktion gerne weiter hier. Ist mir egal.


    Hallo zusammen,
    wir verwenden an unserer Schule das "Formelableitverfahren", um aus Versuchen (einfache) Formeln zu entwickeln. Ich find das super, denn auch die mathematisch schwächeren Schüler können es zumindest nachvollziehen.
    Es basiert darauf, dass man aus beobachteten proportionalen und umgekehrten Proportionalen Zusammenhängen folgende Überlegungen ableitet:
    - "x ist proportional zu a" wird zu "x= a"
    -"x ist umgekehrt proportional zu b" wird zu "x= 1/b"
    - Ein UND zwischen zwei Zusammenhängen wird zu "mal" (Also im Beispiel: x=a mal 1/b)
    - Es kommt immer noch "mal Konstante" dazu. (--> x= k mal a mal 1/b)


    Nun muss mein Referendar ja in Lehrproben Quellen für die didaktische Struktur angeben, und uns ist aufgefallen, dass NIEMAND eine Ahnung hat, wo dieses Vefahren denn beschrieben ist, obwohl manche auch in anderen Bundesländern das Ref absolviert haben, es kann also nicht seminarspezifisch sein. Google hilft auch nicht, und die einzige Fundstelle die ich (leider nur noch im Kopf) habe, ist das selbsterstellte Skript unseres Fachdidaktikers an der Uni.


    Also, hat jemand eine Ahnung,
    a) ... welcher Didaktiker dieses Verfahren mal zitierfähig beschrieben hat?
    b) ... ob das ggf. einen ganz anderen Namen hat, und sich nur bei uns in der Gegend der Name "Formelableitverfahren" durchgesetzt hat? Auch hier wäre eine zitierfähige Quelle super.


    Danke und Gruß,
    DpB

    Einmal editiert, zuletzt von DePaelzerBu ()

  • Kann a) und b) leider nicht beantworten.


    Nur mal so also Frage:
    Ich nutze das oben beschriebene Formelableitverfahren:


    Aufgabe:
    Eltern und Kinder gehen in Museum. Ein Erwachsener muss 5€ zahlen, ein Kind 2€. Wie viel muss eine Familie zahlen?


    Preis für Eltern: "PreisEltern ist proportional zur AnzahlEltern. Also x=a.
    Es kommt immer noch eine Konstante dazu. Also x=5a.


    Preis für Kinder: "PreisKinder ist proportional zur AnzahlKindern. Also y=b.
    Es kommt immer noch eine Konstante dazu. Also y=2b.


    Wie viel müssen Eltern und Kinder insgesamt zahlen? "Ein UND zwischen zwei Zusammenhängen wird zu "mal"".
    Also Gesamtpreis = 5a*2b

  • @Volker_D:
    Das ist immerhin ein Verfahren, das meine Jungs zum größten Teil verstehen(das Thema mathematische Vorkenntnisse von Jungs, die sich mathelastige Berufe aussuchen, hatten wir ja an anderer Stelle schon öfter).


    Ich mach das allerdings beim ersten mal auch SEHR langsam und SEHR bunt an der Tafel mit dem ohmschen Gesetz, bei dem gilt k=1. Deshalb ignoriere ich da die Konstante zunächst und führe sie dann erst bei der zweiten Anwendung ein (meist der Leiterwiderstand).


    Vielen wird an diesem Verfahren auch erst klar "wenn das Ergebnis größer wird --> Größe AUF den Bruchstrich" usw...


    Allerdings fällt bei uns Dein Teil mit "zweite Konstante" weg, weil das in den relevanten Formeln so gut wie immer eine Materialkonstante ist. Mit Anzahlabhängigen Größen haben wir eher wenig zu tun.


    Aber eine Gegenfrage: Weißt Du eine weniger komplizierte Variante? Gerne her damit, je einfacher desto besser :)


    Gruß,
    DpB

  • Großes Handbuch der Mathematik 1967.
    Text ist scannend:
    Zur Geschichte. Die Lehre von den Proportionen hat in der älteren Mathematik eine zentrale Stellung eingenommen, da die vielfältigsten Aufgaben auf Proportionen führen.
    Die griechische Mathematik bestimmte die vierte Proportionale geometrisch, mit den Methoden der geometrischen Algebra. Die rechnerische Behandlung der Proportionen und der Kalkül des Dreisatzes wurden indessen in Europa erst in der Zeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert durch - gebildet, insbesondere im Zusammenhang mit dem kaufmännischen Rechnen. Derartige Aufgaben bilden einen Hauptbestandteil der weitverbreiteten Rechenbücher und den hauptsächlichen Lehrgegenstand der Rechenmeister und Cossisten. Von ihnen ist in Deutschland besonders Adam Ries (1492—1559) bekannt geworden.
    Proportionen spielten auch eine große Rolle in der darstellenden und in der bildenden Kunst der Renaissance. Gebäude und Darstellungen von Menschen (Gemälde und Plastiken) mussten, um als schön zu gelten, noch einem besonderen „Kanon“ aufgebaut sein, d. h., Teile des Ganzen mussten in bestimmten Größenverhältnissen stehen; z. B. Kopf : Körperlänge =1:8; Kopf : Gesicht = 5:4; Rumpf : Oberschenkel = Oberschenkel : Unterschenkel; Höhe eines Gebäudes : Breite = 3 : 7 u. a. Eine große Rolle spielte hier auch der Goldene Schnitt (vgl. Hauptabschnitt Plani­metrie). Noch heute verwendet man das Wort „wohlproportioniert“ im Sinne von „dem Schönheitsgefühl genügend“. In der bildenden Kunst haben auf diesem Gebiet in der Renaissance insbesondere Leonardo da Vinci (1452—1519) und Albrecht Dürer (1471 — 1528) gearbeitet (vgl. Bildtafel 18).

  • Hat mit Sicherheit nicht so schöne einfache Regeln wie bei dir, aber wenn ich eine Formel nicht mehr genau kenne, dann denke ich über den "Sinn" folgendermaßen nach.


    Beispiel:
    R=Widerstand, I=Stromstärke, U= Spannung


    Angenommen bei gleicher Spannung wird die Stromstärke plötzlich dopplet so groß. Was ist wohl mit dem Widerstand passiert? (Für die nicht-Physiker in etwa: Angenommen die Elektronen werden genau so stark wie immer gedrückt, aber jetzt fließen plötzlich doppelt so viele Elektronen (weil es leichter geworden ist). Der Widerstand muss wohl kleiner geworden sein. (Ob jetzt antiproportional oder nicht sei erstmal dahingestellt, habe ich noch nicht geprüft.)


    Nun überlege ich, welche Formeln es sein könnte:
    1. R=U+I
    geht nicht, da unterschiedliche Einheiten sich nicht addieren lassen
    2. R=U-I
    siehe 1
    3. R=I-U
    siehe 1
    4. R=U*I
    geht nicht, da hier der Widerstand größer geworden wäre (Mit einfachen Zahlenbeispiel prüfen!). Widerspruch zu meiner Überlegung vom Anfang.
    5. R=I/U
    geht nicht, da hier der Widerstand größer geworden wäre (Mit einfachen Zahlenbeispiel prüfen!). Widerspruch zu meiner Überlegung vom Anfang.
    6. R=U/i
    könnte sein. Macht zumindest mit oberer Überlegung Sinn und von den EInheiten spricht erstmal nichts dagegen.


    Es könnte also vielleicht Formel 6 sein.
    Eine andere Variante war es, die Formel anhand der gesuchten Größe (EInheit) zu sehen. Geht beim Widerstand zugegebenermaßen nicht, wenn man ihn ihn Ohm (statt Volt/Ampere) angibt. Aber der Trick funktioniert oft bei anderen Dingen (Dichte, ...)


    Das Verfahren ist nicht so schön einfach wie bei dir, aber es würde auch bei dem Museumsbeispiel funktionieren.
    Ich muss allerdings zugeben, dass man unter Umständen viele falsche Dinge ausschließen muss und evtl. nur eher ein "könnte sein" erhält.
    Vom Prinzip "rate" ich also die Formel und überprüfe, ob sie von "der Geschichte"/"den Begriffen" sinn macht und ob die EInheiten sinn machen.
    Ist natürtlich kein Beweis für eine Formel. Ist mir auch klar.

  • Was spricht denn gegen:


    x ist proportional zu a => x~a
    x ist umgekehrt proportional zu b => x~1/b
    Beide Beziehungen lassen sich mit Mal verknüpfen => x~a*1/b bzw. x~a/b
    Die eventuelle Konstante führt zu einer Gleichung => x=k*a/b


    Das wäre etwas weniger falsch.

  • Was ist denn deiner Meinung nach an dieser Vorgehensweise überhaupt "falsch"? Das "Verknüpfen mit Mal" wirkt jetzt auf den ersten Blick nicht so ganz sauber, aber es ist doch richtig, dass aus x~a und x~1/b auch x~a/b folgt. Woraus sich der letzte Schritt doch wieder definitionsgemäß ergibt.

  • Was ist denn deiner Meinung nach an dieser Vorgehensweise überhaupt "falsch"? Das "Verknüpfen mit Mal" wirkt jetzt auf den ersten Blick nicht so ganz sauber, aber es ist doch richtig, dass aus x~a und x~1/b auch x~a/b folgt. Woraus sich der letzte Schritt doch wieder definitionsgemäß ergibt.

    Warum nicht die Konstante gleich einführen? Dann hat man keine Proportionalitäten mehr, sondern Gleichungen.


    Aber die Voraussetzungen für dieses Verfahren müssen auf jeden Fall geklärt werden, sonst bildet sich möglicherweise die Fehlvorstellung, man könne alle proportionalen Sachverhalte so modellieren ("verknüpfen mit Mal") - siehe das Museumsbeispiel von Volker_D.

  • Warum nicht die Konstante gleich einführen? Dann hat man keine Proportionalitäten mehr, sondern Gleichungen.
    Aber die Voraussetzungen für dieses Verfahren müssen auf jeden Fall geklärt werden, sonst bildet sich möglicherweise die Fehlvorstellung, man könne alle proportionalen Sachverhalte so modellieren ("verknüpfen mit Mal") - siehe das Museumsbeispiel von Volker_D.


    @SwinginPhone: Ich seh ehrlich gesagt nicht den Unterschied zwischen unseren Varianten. Ich hab das oben vielleicht etwas umständlich formuliert, ein Tafelbild kann ich hier ja nicht wirklich einbinden ;) Aber genau so mach ich's, nur eben mit "UND wird zu mal" anstatt "wir verknüpfen das zu mal", dann hab ich auch gleich einen Anknüpfungspunkt für die später, wenn wir in der Digitaltechnik Schaltfunktionen behandeln.


    @Philio: Wenn ich die Konstante an meinem Erst-Beispiel "ohmsches Gesetz" einführe, muss ich's den Schülern sagen, und sie kommen (vermutlich) drauf, dass man "mal 1" hier auch einfach weglassen kann. So wie ich meine Pappenheimer kenne, werden sie sich genau eins merken: "Das kann man auch weglassen".


    Wenn ich sie erst beim Leiterwiderstand einführe, können sie selbst darauf kommen, dass das bisherige Verfahren eben nicht für alle Formeln gilt, sondern noch erweitert werden muss (es steht dann kurz eine falsche Gleichung an der Tafel, die dann bedeutungsschwanger durchgestrichen bzw. ergänzt wird). Sie können dann die Konstante gleich noch berechnen und mit den Werten im Tabellenbuch vergleichen. Juchuu, Erfolgserlebnis, die sind ja gleich :)


    Die vorgehensweise hat also didaktische Gründe.


    Gruß,
    DpB

  • Ich seh ehrlich gesagt nicht den Unterschied zwischen unseren Varianten.

    Nun, ob etwas falsch oder richtig ist, ist schon ein Unterschied. Man sollte es sich einfach machen und "proportional" schreiben, wenn man "proportional" meint. Gleicheit und Propotionalität sind zweierlei (auch wenn wir das eine als Spezialfall vom anderen auffassen können). Da sollte man dann auch unterschiedliche Schreibweisen verwenden.


    Dann macht es auch Sinn, dass aus Proportionalität "Gleichheit mit Konstante" wird. D.h. es gibt überhaupt erst einen Grund, eine Konstante einzuführen, damit man an eine Gleichheit kommt. Wenn schon $x=a$ gilt, bin ich fertig und muss mir keinen Kopp um eine Konstante machen.



    Die vorgehensweise hat also didaktische Gründe.

    Die Didaktik rechtfertigt Reduktion, keine Fehler.


    Aber die Voraussetzungen für dieses Verfahren müssen auf jeden Fall geklärt werden, sonst bildet sich möglicherweise die Fehlvorstellung, man könne alle proportionalen Sachverhalte so modellieren ("verknüpfen mit Mal")

    Ich glaube der Irrtum ist eher, dass man vermuten könnte, alles sei proportional und deshalb könne man alles so modellieren.



    iehe das Museumsbeispiel von Volker_D.

    ..., in dem er Gesamtpreis weder proportional zur Zahl der Erwachsenen noch zur Zahl der Kinder ist. Daran scheitert die Methode.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Also Gesamtpreis = 5a*2b

    Verstehe ich nicht.


    Muss es nicht heißen:
    GP = 5€ * a + 2€ * b ?
    Mit GP = Gesamtpreis, a = Anzahl der Erwachsenen und b = Anzahl der Kinder.


    Bei GP = 5€ * a * 2€ * b würde doch auch Quadrateuro als Einheit rauskommen...


    Statt so ein halbgares Verfahren für die Formelherleitung zu benutzen, würde ich doch eher mal mit Einheiten rechnen lassen.
    Da fällt dann ganz schnell auf, wenn eine Formel falsch ist (Indikator: Einheit stimmt nicht).

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Das zitierte Beispiel, sollte ein Gegenbeispiel sein.
    Ich finde die Methode allerdings immer noch gut, und sie stimmt ja auch. Es werden ja zwei unterschiedliche Größen miteinander verknüpft in dem Fall, deshalb passt es nicht.


    Ich glaube übrigens, dass für schwache Schüler direkt mit Konstante etc. anzukommen kontraproduktiv ist.

  • Das zitierte Beispiel, sollte ein Gegenbeispiel sein.

    Ach.



    Ich finde die Methode allerdings immer noch gut, und sie stimmt ja auch.

    Ich halte das Verfahren nicht für korrekt, wenn man es nicht auch korrekt aufschreibt/aufschreiben kann.



    PS: ich wollte in einer Lehrprobe nicht mit einem fachlichen Fehler auflaufen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    2 Mal editiert, zuletzt von O. Meier ()

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