Entscheidungsfindung

  • Hallo zusammen,


    ich studiere L3 Bio Englisch im 1. Semester und habe seit Wochen Schlafstörungen, weil ich mir den Kopf zerbreche ob das das richtige für mich ist. Ich habe Spaß am Umgang mit Menschen explizit mit Kindern und habe Bio und Englisch in der Schule auch ganz gern gemacht. Leider macht mir das Studium nicht wirklich Spaß und ich frage mich ob ich wirklich geeignet bin, weil ich zugegebenermaßen die flexiblen Arbeitszeiten, die Arbeitsbedigungen und die gute Bezahlung als Hauptmotivationsgründe sehe. Ich möchte nicht gleich mein Studium schmeißen, andererseits merke ich bereits dass ich jetzt schon große Defizite in den Fächern habe, die ich nur mit einem hohen Arbeitsaufwand beheben könnte. Die Frage ist: Lohnt es sich? Tu ich das richtige? Oder wäre ich in der Wirtschaft besser aufgehoben. Gibt es Möglichkeiten für mich praxisnah herauszufinden ob der Lehrerberuf wirklich meine Leidenschaft ist oder nur eine Laune? Ich hatte bereits ein 2 monatiges Praktikum im Kinderheim, leider hat mir das bei der Beantwortung meiner Fragen nicht wirklich weiter geholfen. Ich hoffe auf Hilfe ich bin wirklich verzweifelt. :(

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Truhnie,


    Du musst zwischen dem Studium und dem, was Du in ein paar Jahren wirklich als Lehrer machen wirst, unterscheiden. Im Studium geht es selten um Spaß sondern darum, sich auszubilden bzw. ausbilden zu lassen für den Beruf, den man später ausüben möchte. Da gehören Durststrecken dazu. Wenn Du gerade im ersten Semester bist, solltest Du den Spaßfaktor wirklich ignorieren. Man wirft wegen fehlendem Spaß nicht das Handtuch.


    Das Schulsystem attestiert mit der "Allgemeinen Hochschulreife" mittlerweile nur noch die Studierberechtigung, oft aber eben nicht die -fähigkeit. Möglicherweise bist Du eine derjenigen, die hier eben fachliche Defizite hat - die aber aufarbeitbar sein sollten.


    Was Deine Motivation Lehrerin zu werden angeht, so dürfen diese genannten Gründe sicherlich auch Gründe sein, aber nicht die Hauptmotive. Man wird Lehrer, weil man mit Kindern arbeiten möchte (und kann) und weil man Freude an der Vermittlung seiner Fächer hat. Natürlich darf man auch auf den Beamtenstatus und die Besoldung schielen. Wer das aber primär tut, wird in diesem Beruf nicht glücklich werden und womöglich einer der Kollegen werden, die wir alle nicht mögen, weil sie unengagiert, lustlos, willkürlich etc. sind.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Erstmal Zustimmung zu Bolzbold. Ich habe die ersten drei Semester auch SEHR gekämpft, danach lief's dann einigermaßen. Allerdings hatte ich trotz allem immer Spaß am Fach (was m.E. sowohl im Studium als auch im Beruf auch das wichtigste ist).


    Zur Motivation:
    - Den Geldteil kann ich nachvollziehen. Sowohl das Gehalt als auch der Beamtenstatus sind nicht übel ;)


    -Die Flexibilität schon weniger. Klar, halbe Stellen und so gibt's wohl nur bei uns und Sabbatjahre scheinen mir im Lehramt auch einfacher durchzusetzen als anderswo. Auf der anderen Seite können aber Stundenpläne SEHR fies sein. Vergiss nicht, dass Du ggf. auch mal abends im "Teilzeitgymnasium" oder ähnlichen Schulformen unterrichten wirst!
    Ich hatte damals im Studium die Technikerausbildung, die mir jetzt zwei bis dreimal die Woche Schultage bis 20 Uhr beschert, auch nicht auf dem Plan (macht zwar Spaß, aber am Tag drauf bin ich eine Art Zombie). Da hat sich's dann mit flexibel.


    - Von welchen guten Arbeitsbedingungen sprichst Du denn? Schulen in öffentlicher Trägerschaft sind soweit ich das überblicken kann bis auf ein paar Ausnahmen völlig heruntergekommen, die Geldhähne der Kommunen als Schulträger sind ständig zugedreht. Wir arbeiten zum Teil unter baulichen Bedingungen, unter denen jeder normal Betrieb wegen nichteinhaltung der Arbeitsschutzgesetze dicht gemacht würde.
    Und Du bist bis zu einem gewissen Grad der Schulleitung "ausgeliefert", weil wir - gerade als Beamte - bei all unseren Voteilen auch etwas weniger Rechte als normale Arbeitnehmer haben (disclaimer: Absichtlich allgemein gehalten, unsere aktuelle SL ist super). Schau Dich diesbezüglich mal hier im Forum um.


    Zur Möglichkeit, herauszufinden, ob Du das richtige tust:
    Müsst Ihr nicht heutzutage sowieso recht lange Praktika machen? Bei mir waren's damals nur vier Wochen. Bereits in diesen vier Wochen habe ich drei oder viermal selbst unterrichtet - einmal zum ausprobieren unter Lehrprobenbedingungen - und mehrmals "vertreten" (was man eigentlich nicht durfte.) Leg dir doch einfach eins Eurer vermutlich viel längeren Praktika möglichst weit nach vorne und probier aus, ob's Dir gefällt!
    Ein Praktikum im Kinderheim dürfte mit dem in einem Gymnasium nicht so wirklich vergleichbar sein.



    Gruß,
    DpB

  • Hallo Truhnie,


    um Praxiserfahrung zu bekommen, könntest du eine Zeit lang als Aushilfelehrer arbeiten. Vielleicht findest du eine Vertretungsstelle, die besetzt werden muss.


    Sei dir aber bewusst, dass die unterrichtlichen Fähigkeiten, die du aus dem Studium mitbekommen hast, vermutlich nicht sehr ausgeprägt sind. Wie man richtig Stunden plant und durchführt, lernt man eigentlich erst im Referendariat und den Jahren danach.


    An meiner Schule ist in diesem Schuljahr ein geschätzter Kollege, der gerade mit dem Studium fertig geworden ist. Er ist jetzt ein Jahr lang als Angestellter bei uns. Der Kulturschock ist erst einmal enorm, wie gesagt ist er ja auch für das Unterrichten an sich noch gar nicht wirklich ausgebildet (fachlich ist er sehr fit). Für einen Einblick in die Arbeit ist das aber sicher eine tolle Möglichkeit. Auch für ein eventuelles späteres Referendariat ist diese Erfahrung sicher sehr nützlich, weil man die teilweise sehr unrealistischen Erwartungen des Refs viel besser mit der Realität vergleichen kann.


    Wenn du eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen solltest, würde ich dir empfehlen, danach aber wirklich ehrlich zu dir zur sein. Lieber jetzt gemerkt, dass etwas nicht für dich geeignet ist, als dann in 10 Jahren.


    Viel Glück


    Basti

  • ...Die Frage ist: Lohnt es sich? Tu ich das richtige? Oder wäre ich in der Wirtschaft besser aufgehoben. ...

    Weil ... man da nichts lernen muss? Was ist denn für dich „Wirtschaft“?


    Und wie wärs mit einer Ausbildung? Man muss nicht mit Gewalt studieren.

  • Hallo Truhnie,


    aus deinem Beitrag sehe deute ich viel Unsicherheit. Du scheinst dir das Studium viel einfacher vorgestellt zu haben. Auch machst du mir den Eindruck zu vermitteln, dass du dir noch gar nicht richtig im Klaren bist, was du eigentlich wirklich willst. Ich kann dir eigentlich den Rat geben, dass du nun die vorlesungsfreie Zeit nutzt, ernsthaft nachzudenken, wo du dich in fünf oder zehn Jahren siehst. Das das Fachstudium kein leichtes sein wird, ist klar. Aber man kann auch nicht immer gleich bei jedem Hindernis aufgeben.

  • Leider macht mir das Studium nicht wirklich Spaß und ich frage mich ob ich wirklich geeignet bin

    Den Glauben, dass alles im Leben "Spaß" machen muss, halte ich persönlich für sehr gefährlich... Im Studium qualifizierst du dich für deinen späteren Beruf, der dir vor allem eines einbringen soll: Kohle um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten! (Um dann damit Dinge zu finanzieren, die dir Spaß machen. ;))


    Spaß, Selbstverwirklichung, etc. sind alles keine Dinge, die man im Berufsleben suchen sollte, sondern in der Freizeit. Meiner Meinung nach zumindest.


    Anders sieht es bei der Motivation aus. Ich denke der Glücksfall, dass man den Großteil seiner Motivation aus sich selbst heraus bezieht (intrinsische Motivation), dürfte heutzutage nur noch sehr selten gegeben sein. Deswegen fände ich das schon ein bisschen viel verlangt. ABER wenn dieses hier:

    weil ich zugegebenermaßen die flexiblen Arbeitszeiten, die Arbeitsbedigungen und die gute Bezahlung als Hauptmotivationsgründe sehe

    wirklich deine hauptsächlichen Gründe sind, den Lehrberuf anzustreben, finde ich das doch etwas dünn... Zumal ich aus der Praxis alle drei Punkte nur sehr eingeschränkt als Vorteile erkennen kann.


    Flexible Arbeitszeiten ja... Was aber auch bedeutet, dass sich die Arbeitszeit aus rein organisatorischen Gründen, auch mal auf den späteren Abend oder aufs Wochenende bzw. in die Ferien verlagern kann... Also nichts mit: Ich bin vormittags in der Schule, kann mir nachmittags die Zeit frei einteilen und habe am Wochenende und in den 12 Wochen Ferien komplett frei.


    Dass du grundsätzlich gute Arbeitsbedingungen vorfindest... Wo hast du das her? Bzw. was meinst du damit? Es kommt sicher drauf an, aber ich denke, wenige Kollegen können behaupten, dass sie an ihrer Schule "gute" Arbeitsbedingungen vorfinden. Man guckt halt, was "im Angebot" ist und versucht dann das beste daraus zu machen und sich nicht allzu sehr über die Missstände aufzuregen. :pfeifen:


    Gute Bezahlung, nun ja. Kommt auch darauf an, mit was man sich da vergleicht. Mein Mann hat nahezu das gleiche Studium wie ich gemacht und verdient halt netto einen Tausender mehr im Monat... In der "freien Wirtschaft". Gut, er hat auch in der Regel jede Woche deutlich mehr als 40,5 Stunden auf der Uhr... Also insofern gleicht sich das vielleicht aus... Wobei er die Überstunden natürlich abfeiern oder sich ausbezahlen lassen kann...

    andererseits merke ich bereits dass ich jetzt schon große Defizite in den Fächern habe, die ich nur mit einem hohen Arbeitsaufwand beheben könnte.

    Da würde ich mich als erstes fragen, woher die Defizite kommen und was unter "hohem Arbeitsaufwand" zu verstehen ist... Schon zu meiner Zeit gab es solche und solche Studenten. Die, die sich mit Fleiß und Ehrgeiz ihren Studium gewidmet haben, jede Vorlesung vor- und nachbereitet haben, etc. Und ja, die anderen eben. Und naja, wenn man keine Energie reinsteckt, kann man auch nicht davon ausgehen, dass da irgendwas außer "4 gewinnt" bei rum kommt.


    Ich habe selbst Englisch studiert und fand das damals schon eher weniger anspruchsvoll (im Vergleich zu meinem Mathematik-Studium). Ohne großen Aufwand habe ich da immer mindestens die 2 und öfter auch mal die 1 vor dem Komma gehabt... Heute dürften die Ansprüche nochmals gesunken sein... Zu Bio kann ich leider nichts sagen.

    Oder wäre ich in der Wirtschaft besser aufgehoben.

    Das kommt drauf an... Hier hat keiner eine Glaskugel. Gäbe es denn einen Ausbildungsberuf, für den du irgendwie intrinsische Motivation finden könntest? Falls ja, wärst du da sicher besser aufgehoben.


    Falls du jetzt keinen Alternativplan hast, würde ich erstmal das weiter machen, das du angefangen hast.


    Wobei es sich ja, da du Englisch studierst, durchaus anbieten könnte, ein Gap Year zu machen. Ein Jahr Pause. Ab ins englischsprachige Ausland. Work and Travel könnte sich anbieten. Eventuell stößt du "zufällig" auf einen Job, der dir Spaß macht? Kannst ja da auch durchaus gucken, ob du nochmal sechs bis acht Wochen nen Job im Bildungssektor machst.

    Gibt es Möglichkeiten für mich praxisnah herauszufinden ob der Lehrerberuf wirklich meine Leidenschaft ist oder nur eine Laune?

    Außer das Work and Travel würden sich natürlich Schulpraktika in den Semesterferien anbieten...



    Generell möchte ich dir noch mit auf den Weg geben, dass der Lehrerberuf ein sehr vielfältiger Beruf ist. Du wirst später, innerhalb deines Berufsfeldes, noch viele Möglichkeiten haben, dich "weiterzuentwickeln". Mir geht es im Moment auch so (nach sieben Jahren im Beruf), dass ich langsam meine Fühler nach "Veränderung" ausstrecke... (Ich bin an berufsbildenden Schulen und da wiederholt sich alles sehr schnell.)


    Man muss dann halt gucken, was man gut kann und wo man reinpasst und dann konsequent darauf zuarbeiten. Zu glauben, hier bin ich und die Welt liegt mir zu Füßen, ist auch nicht realistisch. Man steht ja auch nicht auf dem Mount Everest kaum dass man sich die Wanderstiefel geschnürt hat... ;)

  • "Spaß, Selbstverwirklichung, etc. sind alles keine Dinge, die man im Berufsleben suchen sollte, sondern in der Freizeit. Meiner Meinung nach zumindest." nicht dein ernst....
    also, wenn mir meine Arbeit keinen Spaß machen würde, dann wüsste ich ehrlich nicht, wo ich jeden Tag die Motivation hernehmen sollte, zu meinem Job zu fahren.


    Aber wie heißt es so schön: "Jeder Jeck ist anders."

  • "Spaß, Selbstverwirklichung, etc. sind alles keine Dinge, die man im Berufsleben suchen sollte, sondern in der Freizeit. Meiner Meinung nach zumindest." nicht dein ernst....
    also, wenn mir meine Arbeit keinen Spaß machen würde, dann wüsste ich ehrlich nicht, wo ich jeden Tag die Motivation hernehmen sollte, zu meinem Job zu fahren.


    Aber wie heißt es so schön: "Jeder Jeck ist anders."

    Wenn ich die Motivation für meinen Beruf an die Erwartungshaltung knüpfen würde, dass er unbedingt "Spaß" machen müsste, hätte ich vermutlich mittlerweile schon das dritte Mal den Job gewechselt. Ich habe auch nirgends gesagt, dass es verwerflich ist, wenn man "Spaß" an seinem Job hat. Im Gegenteil, wenn man daraus seine Motivation ziehen kann, bitte. Ich beziehe MEINE Motivation für meinen Beruf aus anderen "Quellen". Was nicht heißt, dass ich meinen Beruf nicht gerne machen würde. Im Gegenteil. Ich bin gerne Lehrerin.


    Aber "Spaß" ist für mich halt etwas Anderes und allein der Freizeit vorbehalten. Ich trenne das auch so strikt wie es in unserem Beruf eben möglich ist.


    Bei uns gibt es auch Kollegen, denen ihr Beruf "Spaß" macht und ich finde deren Verhalten oftmals grenzwertig bis hochgradig unprofessionell. Womit ich jetzt natürlich nicht Jedem, der Spaß am Lehrerjob hat Unprofessionalität (gibt es dieses Wort?) unterstellen möchte.


    Und ich finde es eben gefährlich, wenn jungen Menschen laufend eingebläut wird, alles müsste "Spaß" machen. Das kann meines Erachtens nur zu Unzufriedenheit führen. Es gibt in jedem Beruf Teilbereiche, die macht man halt, weil sie gemacht werden müssen. Aber besonders gerne macht man sie nicht, auch wenn man vielleicht sogar gut darin ist. Und wenn dann eben die eigene Anspruchshaltung ist "Das muss Spaß machen." frage ich mich ernsthaft, wie lange man dann den Job (bzw. irgendeinen Job) noch macht. Weil: Irgendwann nutzt sich alles irgendwie ab... Ich könnte für MEIN (noch relativ kurzes) Leben eine einzige Konstante benennen... Eine.


    Ich bewundere Menschen, die wirklich Jahr ein Jahr aus das Gleiche machen. Kollegen von mir unterrichten mit Unterrichtsmaterialien aus den 70er Jahren... Das denen das nicht irgendwann zum Hals raushängt... Ich bin jetzt erst acht Jahre dabei und erstelle laufend neue Klausuren weil ich nie gleich unterrichte... Und daher die Klausuren auch nicht ein zweites Mal verwenden kann... Und das in Mathe...

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