Schwindende Lesekompetenz und Wohneigentum

  • Hallo an alle!
    Ich bin neu hier.... ich würde mich gerne austauschen über die Frage, wie Ihr/Sie die Lesekompetenzen der gegenwärtigen SuS einschätzt. Ich habe in den 80er Jahren mein Referendariat in der SekundarstufeI am Gymnasium und an der Hauptschule gemacht. Nun unterrichte ich zum ersten Mal wieder Deutsch - diesmal in der Sekundarstufe II FOS. Die Lesekompetenz meiner SuS schätze ich ähnlich ein wie "damals" die meiner Hauptschülerinnen und -schüler. Ich frage mich gerade verzweifelt, was ich falsch mache, denn meine SuS sind nicht in der Lage, einen Zeitungskommentar von einer Dreiviertelseite inhaltlich zu verstehen und wiederzugeben. Da frage ich mich natürlich, wie wir die weiteren Aufgaben - Sprach- und Argumentationsanalyse - schaffen sollen. Ich bin für jeden Kommentar und Hinweis dankbar. Die Schulbücher, die ich vorfinde, sind voller Texte, die diese SuS absolut überfordern...

  • Hacken Sie die Texte klein auf SMS- oder Twitter-Format, dann gehts wieder. :pfeifen:

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • ok -... ich bin scheinbar nicht die Einzige, die das so sieht.... bin mir nur nicht sicher, ob ich meine Rente einer Generation überlassen möchte, deren Horizont nicht über die Länge eines Satzes hinausreicht...
    genau das ist das Problem - sie sind (z.T.) nicht in der Lage, den Sinn eines Satzes für das Verständnis des gesamten Textes abzuspeichern...

  • Man kann mit solchen "Lese"kompetenzen doch sogar US-Präsident werden. Was sind dagegen schon Rentenbescheide...

    Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. (Salman Rushdie)

  • Aber im Ernst. Ich sehe das Jahr für Jahr, den Schülern - auch den bemühten - fällt es immer schwerer, längere Texte zu erfassen. Und die mündliche Wiedergabe des Inhalts oder gar eine Textanalyse ist oft unmöglich oder das Ergebnis unverständlich.

    Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. (Salman Rushdie)

  • Sorry, aber dabei handelt es sich um meinen.... :)
    Ich weiß aber genau, was Manfred Spitzer - zugegebenermaßen ethnozentristisch - dazu sagen würde: Wenn das so weitergeht, nähen wir bald für Billiglöhne die T-Shirts für die Chinesen...

  • Ja, danke - deine zweite Antwort hilft mir sehr ... genauso erlebe ich es zurzeit ... es ist, als würden sie in einem anderen Universum leben... eine Referendarin bei mir in der Schule zieht ein drastisches Training durch... da wird Satz für Satz gearbeitet und analysiert.... ob das der Sinn der Sache ist??!

  • ...Wenn das so weitergeht, nähen wir bald für Billiglöhne die T-Shirts für die Chinesen...

    Warum nicht? ausgleichende Gerechtigkeit und so.



    ...eine Referendarin bei mir in der Schule zieht ein drastisches Training durch... da wird Satz für Satz gearbeitet und analysiert.... ob das der Sinn der Sache ist??!

    Man kann nur mit dem arbeiten, was da ist. Oder aufgeben- aber da du gerade erst wieder anfängst, wär das doch ein bisschen schade.

  • Mein Gedanke:


    Diese Unsitte des "Schreibens nach Gehör" kommt so langsam auch in der Fachoberschule an und das mangelnde Leseverstädnnis ist die Folge des verfehlten Ansatzes in der Grundschule. Es dauert ja grob 10 Jahre, bis die ersten Schüler, die so eben nicht das Schreiben und Lesen erlernt haben, bei uns ankommen.


    Was die Lese- und Schreibkompetenz angeht, ist es aber so, daß nicht nur wir einen Mangel feststellen sondern auch die Universitäten und Fachhochschulen. Sogar die Studienseminare (äh, heute heißen die bei uns ja "Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung") beschweren sich, daß die angehenden Lehrer nicht mehr richtig lesen und schreiben können.


    Fazit: Weg mit dem ganzen modernen Müll und zurück zu den traditionellen Mitteln. Jedenfalls ist bei uns an der Schule die überwiegende Anzahl der Kollegen der Meinung, daß wir auf den Stand von 1980 oder 1985 zurück sollten, was die Anforderungen, Methoden und Verordnungen angeht.


    Ach ja: Bei uns staunen die Schüler immer Bauklötze, wenn sie ihre ersten Noten bekommen. Ich habe gerade heute für die Zeugniskonferenz morgen die Noten einer Klasse eingegeben. 2/3 der Schüler stehen bei mir 5 oder 6, und nein, ich mache es mir nicht leicht solche Noten zu vergeben, aber sie wollen von mir die Fachhochschulreife haben und sind einfach bei weitem nicht gut genug dafür. Kuschelkurs wie in der Gesamtschule ist vorbei.

  • Die Methode heißt Lesen durch Schreiben und war vor 25 Jahren vielerorts mehr im Einsatz als heute. Sie wird nur noch zu 3% noch eingesetzt deutschlandweit. War ja klar, dass die Grundschullehrer wieder Schuld sind.


    Nein, wir merken es in der Grundschule auch, dass die Kinder sich mit allem schwerer tun. Ich frage immer meine SuS: Es wird viel weniger vorgelesen. Und es gibt noch andere Gründe: Die stillenden Mütter richten z.B. ihren Blick oft lieber aufs Handy anstatt auf die auf Augenkontakt suchenden Säuglinge, aber ich halte mich jetzt lieber hier zurück.


    An anderen Stellen vieeeel diskutiert. Die einzige Lösung liegt im Abschaffen der LdS-Methode, die aber sehr wenige nur verwenden.


    In NRW aber ist die Methode noch mehr verbreitet, da muss ich plattyplus Recht geben. Woanders nicht. Wahrscheinlich sind das die 3 %.


    Ansonsten, die NRWler sind die Nettesten. Und LdS ist nicht Schuld.

  • Zugegeben, mein Stand ist von vor ca. einem Jahr, aber da waren in NRW noch mehr als die Hälfte der Grundschulen mit der LdS-Methode unterwegs, zumindest in den ersten beiden Schuljahren. Im 3. Jahr kam dann der große Hammer, daß es auf einmal auf die Rechtschreibung ankam und da sind wohl viele Schüler ausgestiegen.


    LdS kann funktionieren, wenn die Schüler daheim viel üben, aber wer macht das schon? Wie lamaison2 schon sagte, ist den Eltern das Handy wichtiger.

  • Die Methode heißt Lesen durch Schreiben und war vor 25 Jahren vielerorts mehr im Einsatz als heute. Sie wird nur noch zu 3% noch eingesetzt deutschlandweit. War ja klar, dass die Grundschullehrer wieder Schuld sind.

    Sicher, dass Du die gleiche meinst wie plattyplus (dem ich im vorbeigehen übrigens mal wieder ziemlich komplett zustimme)? Er redet, wenn ich ihn richtig verstehe, davon:
    http://www.faz.net/aktuell/pol…r-kehren-ab-15138342.html


    Eine Grundschullehrerin aus dem sehr engen Familienkreis hat mir vor etwa 4-5 Jahren auf meine sehr verdutzte Nachfrage hin auch bestätigt, dass das wohl aktuell (nicht vor 25 Jahren) der große "Hype" sei (EDIT: wie üblich: in unserem Bundesland, ich nehme an die Bayern bspw. lachen sich darüber kaputt).


    Das heißt nicht, dass "Ihr" dran Schuld seid. Die jungen GSler machen wohl auch nur das, was Ihnen während des Studiums und Refs als supertolle neue Methode eingetrichtert wird.



    Gruß,
    DpB

    • ...Ich bin für jeden Kommentar und Hinweis dankbar. Die Schulbücher, die ich vorfinde, sind voller Texte, die diese SuS absolut überfordern...

    vielleicht kommen wir mal wieder darauf zurück? ob Handys, Mütter, Väter, Uni oder Grundschullehrer Schuld sind, ist doch ziemlich durchgekaut und unerheblich. (wenn die Beobachtung denn überhaupt stimmt)


    Ich würde Lesestrategien anwenden bis zum Abwinken. Überschrift- Erwartung an den Text. 1. Durchlesen- Fremdwörter klären. 2. Durchlesen- Sinnabschnitte/Überschriften für jeden Abschnitt. 3. Fragen an den Text formulieren. 4. Fragen beantworten etc.pp.


    z.B. so:
    https://www.iqesonline.net/ind…17-6203-6018-1ece1dda3052


    Und Hausaufgabe: üben, üben, üben. Jeder bestellt ein Tageszeitungsprobeabo. Jeder bereitet einen Artikel vor. Tag für Tag... dann Bücher ausleihen lassen und vorstellen. Woche für Woche...

  • Ich frage mich gerade verzweifelt, was ich falsch mache, denn meine SuS sind nicht in der Lage, einen Zeitungskommentar von einer Dreiviertelseite inhaltlich zu verstehen und wiederzugeben.

    Du stellst einfach zu hohe Ansprüche. Du kannst nicht einfach mit "Zeitungskommentaren" ankommen. Mache es einfach wie unsere Bundesregierung und stelle Texte auf folgende Art und Weise bereit, dann klappt es auch mit der "Lesekompetenz":
    https://www.bundesregierung.de…/leichteSprache_node.html


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Fazit: Weg mit dem ganzen modernen Müll und zurück zu den traditionellen Mitteln. Jedenfalls ist bei uns an der Schule die überwiegende Anzahl der Kollegen der Meinung, daß wir auf den Stand von 1980 oder 1985 zurück sollten, was die Anforderungen, Methoden und Verordnungen angeht.
    Ach ja: Bei uns staunen die Schüler immer Bauklötze, wenn sie ihre ersten Noten bekommen. Ich habe gerade heute für die Zeugniskonferenz morgen die Noten einer Klasse eingegeben. 2/3 der Schüler stehen bei mir 5 oder 6, [...]


    Toll, dass ihr euch da überwiegend einig seid! Das wünsche ich mir auch für meine Schule.


    Wie kam es dazu? Ist das bei Euch ein richtiges Thema, über das direkt gesprochen wurde, oder hat sich das einfach von selbst aus den Persönlichkeiten so ergeben?

  • Mikael: Da wären wir bei meinem Thread von letztens und der Frage: An wen richtet sich "leichte Sprache" und ist sie wirklich sinnvoll zur Vermittlung von literarischen und Lesekompetenzen? Die Threaderstellerin arbeitet schließlich in der Sek II.

  • vielleicht kommen wir mal wieder darauf zurück? ob Handys, Mütter, Väter, Uni oder Grundschullehrer Schuld sind, ist doch ziemlich durchgekaut und unerheblich. (wenn die Beobachtung denn überhaupt stimmt)
    Ich würde Lesestrategien anwenden bis zum Abwinken. Überschrift- Erwartung an den Text. 1. Durchlesen- Fremdwörter klären. 2. Durchlesen- Sinnabschnitte/Überschriften für jeden Abschnitt. 3. Fragen an den Text formulieren. 4. Fragen beantworten etc.pp.


    z.B. so:
    https://www.iqesonline.net/ind…17-6203-6018-1ece1dda3052


    Und Hausaufgabe: üben, üben, üben. Jeder bestellt ein Tageszeitungsprobeabo. Jeder bereitet einen Artikel vor. Tag für Tag... dann Bücher ausleihen lassen und vorstellen. Woche für Woche...

    Unterrichte seit Jahren fachfremd Deutsch (was ich schon sehr kritisch sehe). Dazu gehört auch die zentrale Abschlussprüfung. Habe nun in den letzten Jahren immer mehr Förderkinder im Unterricht. Diese Lesestrategien funktionieren nun nicht mehr. Es wird einfach nicht kapiert, was im Text steht. Dies hat aber auch viel mit der veränderten bzw. nicht mehr vorhandenen Lebenserfahrung zu tun. Beispiel: ZAP-Text über einen Imker (ich glaube von 2011). Die Schüler wussten nicht was das ist und obwohl ein Bildchen eines Imkers neben dem Text abgebildet war wurde da kein Zusammenhang hergestellt. Und der Leseprozess selbst beansprucht die volle Aufmerksamkeit, da merkt man sich nicht mehr was man liest.

  • Mikael: Da wären wir bei meinem Thread von letztens und der Frage: An wen richtet sich "leichte Sprache" und ist sie wirklich sinnvoll zur Vermittlung von literarischen und Lesekompetenzen? Die Threaderstellerin arbeitet schließlich in der Sek II.

    Leichte Sprache ist die Zukunft. Du willst dich der Zukunft widersetzen. Das ist schlecht. Vertraue auf unsere Bundesregierung. Das ist gut.


    Gruß !

  • Die Methode wird überall fälschlich Schreiben nach Gehör genannt und ist aber eine Methode, um Lesen zu lernen und nicht rechtschreiben. Durch das Schreiben mit einer Tabelle sollen die Schüler Lesen lernen und richtig heißt sie daher : LESEN DURCH SCHREIBEN


    http://herder.philol.uni-leipz…/alpha/frames/main5.3.htm


    Die Methode wurde in den 1970er Jahren entwickelt und schon in den 80ern verwendet.

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