Warum braucht es so viele Sonderpädagogen für die Inklusion?

  • Ich darf am Gymnasium immerhin nur drei Inklusionsschüler (und "nur" mit dem Schwerpunkt LE) irgendwie mitziehen in einer Klasse mit nur 25 anderen Kindern (und ja, das ist schon Luxus). Von diesen 25 ist eines diagnositiziert hochbegabt, mindestens drei haben zu Hause große familiäre Probleme, zwei weitere stehen gewaltig auf der Kippe, es am Gymnasium nicht zu schaffen und die anderen haben auch alle ihre kleinen Wehwehchen und Sorgen und Anrecht auf meine Aufmerksamkeit. Und ich habe eigentlich den Anspruch, allen bestmöglich gerecht zu werden. Und das klappt hinten und vorne nicht. Damit die Inklusionskinder hier auch nur ansatzweise mitkommen, müsste ich regelmäßig das Deutschbuch umschreiben - wenn sie nämlich ganz andere Themen machen, sind sie auch frustriert, wenn die drei immer in der Ecke sitzen und an anderen Themen arbeiten als der Rest der Klasse. Wobei ich am Gymnasium ja eh z.B. jetzt bei Grammatik sehr tief in die Materie einsteige, dass ist für meine I-Kinder locker 5 Welten zu hoch.
    Davon mal abgesehen, dass ich ja nun mal nicht nur diese Klasse unterrichte, sondern noch 6 bis 7 weitere, dazu einige Oberstufenkurse, deren Klausuren ich erstellen (kostet locker 3 - 4 Stunden) und korrigieren (kostet im Schnitt 45 - 60 Minuten pro Klausur) muss. Bei einer Schule im Ganztagesbetrieb. Wann ich also das Deutschbuch umschreiben soll, weiß ich auch nicht.
    Ich erstelle immerhin drei verschiedene Versionen meiner Klassenarbeiten: 1 für zwei der I-Kinder, die relativ ähnlich arbeiten, 1 für den dritten, der sogar meilenweit hinter den beiden ist, und eben 1 für die 25 andere (und dabei wird der Höhe um so deutlicher, dass diese 25 ebenfalls sehr unterschiedlichen Kinder aber dennoch alle das gleiche zur gleichen Zeit können müssen...)


    Aber selbst wenn ich die Zeit habe, Material für die I-Kinder anzupassen - und immer wieder schaffe ich das auch mal: Die Inklusion setzt voraus, dass die Kinder eigenständig arbeiten können, eigenständig korrigieren können - und gerade die Schwachen können das nicht. Insbesondere eines der I-Kinder arbeitet eigentlich nur, wenn man direkt neben ihm sitzt und alles schrittweise gemeinsam macht (und zwar nicht nur im Regelunterricht, sondern auch beim Förderlehrer, den wir zum Glück haben und der die wenigstens 5-6 Stunden in der Woche individueller fördern kann). Das kann ich nicht leisten. Denn die anderen Kinder haben auch Schwierigkeiten, Probleme, haben Fragen - oder die Leistungsstarken haben auch ein Anrecht darauf, dass ich sie weiter fördere.


    Und momentan sind wir in Klasse 6. Das Problem, dass der Stoff des Gymnasiums Welten über dem liegt, was die LE-Kinder leisten können, verstärkt sich ja nur in den nächsten Jahrgängen. Unsere ältesten I-Kinder (Jahrgang 9) sind eigentlich fast komplett aus dem Regelunterricht raus, denn wie sollen sie denn in den Fächern der Regelkinder mithalten, wenn ihr Leistungsvermögen locker 4 Jahre unter dem der anderen Kinder liegt?
    Sie sind also eh separiert.


    Und mein problematisches I-Kind wird, wenn wir den Vater nicht irgendwie davon überzeugen können, dass der Junge an der Förderschule besser aufgehoben ist, nach 6 Jahren bei uns so gut wie nichts gelernt haben, um Längen weniger, als es an der Förderschule möglich gewesen wäre. Und das ist so unfassbar frustrierend, denn auch Gymnasiallehrer sehen es ungern, wenn Kinder vor die Hunde gehen - auch wenn uns gerne nachgesagt wird, wir wollen die Schüler loswerden, damit wir homogene Klassen und leichteres Arbeiten haben.
    Es tut mir in der Seele weh zuzusehen, wie Kinder sich abrackern und dennoch nur 4er und 5er kassieren und dann irgendwann nach zwei, drei Jahren in Klasse 8 den Rückschluss ziehen, dass sie wohl zu dumm sind und dann eben aufgeben. Denen wünsche ich eine Schule, an der sie Erfolgserlebnisse machen, ihr Selbstwertgefühl aufbauen können und dann ihren Weg gehen.
    Und das ist bei den I-Kindern noch mal drei Stufen schlimmer.


    Deswegen wünsche ich mir Experten als Kollegen in den Klassenraum. Und für mache der Kinder definitiv noch Förderschulen, weil sie mitunter beispielsweise schlicht mit der Größe der Schule, der Masse an Schülern überfordert sind.


    Aber gut, bei uns in der Stadt gibt es zwei Gymnasien, eine Gesamtschule, eine Realschule - die gerade auch in Gefahr ist, geschlossen zu werden... was ein Irrsinn...

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

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