Folgefehler - ja oder nein?

  • Guten Morgen zusammen!


    In unserem Kollegium herrscht Uneinigkeit bei der Bewertung folgender Aufgabe in einer Englischarbeit:


    Die Schüler sollten in sechs Lücken die verneinte Form des "past perfect" einsetzen. Ein Schüler schreibt nun in jeder Lücke "haddn't + past participle", wobei das past participle stets korrekt gebildet ist.


    Ein Kollege würde hier statt einem Punkt 0,5 Punkte pro Lücke geben, ein anderer Kollege vertritt die Meinung, dass die Form jedes Mal als komplett falsch zu bewerten ist, da ein entscheidender Bestandteil nicht korrekt ist, wieder ein anderer Kollege schlägt vor, die erste Lücke als falsch anzusehen und die weiteren Lücken voll zu bepunkten, da es sich um einen immer wiederholten, minderschweren Orthographiefehler handelt...


    Wie lauten eure Einschätzungen? Vielen Dank!

  • ein anderer Kollege schlägt vor, die erste Lücke als falsch anzusehen und die weiteren Lücken voll zu bepunkten, da es sich um einen immer wiederholten, minderschweren Orthographiefehler handelt...

    So würde ich's machen.


    (Interessant übrigens mal wieder- Objektivität von Noten und so. Die Note ein und derselben Arbeit könnte man so wahrscheinlich zwischen 2 und 4 bewegen lassen...)

    • Offizieller Beitrag

    "die weiteren Lücken voll zu bepunkten" käme für mich niemals in Frage.
    Es hört sich ja nach einer Sek-I-Arbeit, wo ein Grammatikschwerpunkt genau diese Formen war. Und sorry: da muss man 2-3 Formen auswendig lernen (für das Hilfsverb). Wer das nicht kann, hat eben mit Punktabzug zu leben. So tragisch es in dem Moment ist.


    chili

    • Offizieller Beitrag

    wieder ein anderer Kollege schlägt vor, die erste Lücke als falsch anzusehen und die weiteren Lücken voll zu bepunkten, da es sich um einen immer wiederholten, minderschweren Orthographiefehler handelt...

    so würde ich es machen.
    Und ansonsten zukünftig nicht mehr solche Aufgaben stellen, wo der Schüler immer dasselbe machen muss und dadurch auch, wenn er nur konsequent ist, solche Folgefehler auftreten können.

  • War es nur ein RS - Fehler oder hätte auch einmal haven' t oder had oder have in die Lücken müssen?
    Wenn der Schüler jedes Mal hadn't + Partizip hätte einsetzen müssen, hat er die Form gewusst, sich nur in der RS vertan. Ich hätte, wenn alles sonst richtig gewesen wäre, auf die ganze Aufgabe einen Punkt Abzug gegeben, weil er sich die Rechtschreibung nicht gemerkt hat. Einen halben Punkt Abzug fände ich bei 6 Punkten zu wenig.
    Ansonsten wie Friesin schreibt, entweder die Aufgabe nicht mehr so stellen. Wenn hadn't verschieden falsch gewesen wäre, hätte ich auf jede neue falsche Schreibweise einen halben Punkt Abzug gegeben.

  • Wenn der Schüler die Form sonst jedes Mal völlig korrekt geschrieben hat, würde ich bei der ersten Lücke einen halben Punkt abziehen und es sonst als Folgefehler werten und nichts abziehen. Schließlich geht es hauptsächlich um Grammatik und nicht Rechtschreibung.

  • Ich sehe es wie chilipaprika: In einer reinen Grammatik-Einsetzübung gibt es keine Wiederholungsfehler. Dort steht entweder die richtige Form, oder eben nicht. Ich finde es daher richtig, keine Punkte für die falschen Formen zu geben. Gerade im Bereich Grammatik macht ein Buchstabe oft den Unterschied zwischen richtig und falsch aus, und die Schüler sollten über die Bewertung rückgemeldet bekommen, dass eine genaue Arbeitsweise (und Rechtschreibung) wichtig ist.
    Die "0,5 Punkte"-Variante finde ich auch noch akzeptabel, aber nur 1x einen Punkt abzuziehen finde ich nicht in Ordnung, denn die Form wurde nun einmal nirgendwo korrekt gebildet, das ist dann keine "fast sehr gute" (= die Erwartungen übertreffende) oder "gute" (= die Erwartungen voll erfüllende) Leistung.

    Wenn der Schüler jedes Mal hadn't + Partizip hätte einsetzen müssen, hat er die Form gewusst, sich nur in der RS vertan. Ich hätte, wenn alles sonst richtig gewesen wäre, auf die ganze Aufgabe einen Punkt Abzug gegeben, weil er sich die Rechtschreibung nicht gemerkt hat. [...] Wenn hadn't verschieden falsch gewesen wäre, hätte ich auf jede neue falsche Schreibweise einen halben Punkt Abzug gegeben.

    Das finde ich persönlich jetzt gar nicht nachvollziehbar. Schüler A schreibt in Lücke 1 "haddn't" und in Lücke 2 "haddn't", Schüler B schreibt "haddn't" und "hadnn't", es liegen also 4 falsche Lösungen vor. Und Schüler A soll dafür einen Punkt bekommen, Schülber B (bei selber Anzahl richtiger Lücken) aber keinen? Das finde ich wirklich fraglich.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Ich sehe es wie chilipaprika: In einer reinen Grammatik-Einsetzübung gibt es keine Wiederholungsfehler.

    Hab ich auch so gelernt und praktiziere ich auch so.
    Ich finde auch durchaus, dass Grammatik-Einsetzübungen ("pattern drills") in der Spracherwerbsphase durchaus ihre Berechtigung haben, deshalb finde ich auch den Hinweis, solche Aufgaben in Zukunft zu vermeiden, nur bedingt hilfreich. Sie müssen halt im Laufe der Spracherwerbsphase deutlich weniger werden.
    Abgesehen davon finde ich es auch aus Gründen der Arbeitsökonomie durchaus legitim, sich mit solchen Aufgaben die Korrektur zu erleichtern.

  • Übrigens habe ich gerade noch einmal in unser schulinternes Curriculum geschaut, dort ist es genau so geregelt wie ich es schrieb: Im Grammatikteil gibt es (im Gegensatz zum freien Schreibteil) keine Folgefehler, jede Lücke ist für sich auf richtig und falsch zu prüfen. Ich habe an dem Curriculum nicht mitgewirkt, da ich noch recht neu bei uns bin, finde das aber die einzig sinnvolle Verfahrensweise.


    In diesem Fall Punkte zu vergeben transportiert meiner Ansicht nach die Botschaft, dass es eigentlicht nicht so wichtig ist ob da "haddn't" oder "hadn't" steht und wird den Schüler nicht dazu ansporen, demnächst genauer zu lernen - eher im Gegenteil ("wozu der Aufwand, kostet ja eh maximal nen Punkt").

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Bei einem reinen Grammatikteil, in dem es genau um das Past Perfect geht, würde ich jedes Mal einen halben Punkt abziehen; einen halben deshalb, weil die zweite Komponente - das Past Participle - ja richtig gemacht wurde. Jetzt kann man zwar einwenden, dass der Fehler "ein Wiederholungsfehler" ist, aber ich denke nicht, dass in der Mathematik bei Aufgaben zu solch grundsätzlichen Fähigkeiten (z.B. Abprüfung des Einmal-eins) Wiederholungsfehler gegeben würden - und so sehe ich das hier auch.
    Bei einer solchen Aufgabe ist für mich bei der Bewertung dann eben auch die Botschaft, dass man genau lernen und arbeiten muss und es eben auch auf die Schreibweise ankommt - davon abgesehen sollte es bei der Schreibung von "hadn't" keine Probleme geben.

  • ...dass es eigentlicht nicht so wichtig ist ob da "haddn't" oder "hadn't" steht und wird den Schüler nicht dazu ansporen, demnächst genauer zu lernen - eher im Gegenteil ("wozu der Aufwand, kostet ja eh maximal nen Punkt").

    Hm, der/die Schülerin wird mit Eltern gelernt haben. Wenn man abgefragt wird, klingt hadn't halt wie haddn't. Daraus zu schließen, dem Schüler wäre alles egal und er würde sich nun zukünftig absichtlich nicht um Rechtschreibung bemühen ist doch etwas arg weit hergeholt.


    Ich will doch im Test wissen, wer was verstanden und sich gemerkt hat. Schüler X kann die grammatikalische Form korrekt anwenden.


    Was wäre, wenn die Aufgabe aus 15 Lücken bestanden hätte? wäre dann der Test "ungenügend"- Mängel auch in absehbarer Zeit nicht behebbar?

  • - zur korrekten Anwendung einer Form gehört für mich bei schriftlichen Arbeiten auch die korrekte Schreibung. Außerdem ... wenn nur immer die gleiche Form einzusetzen war, weiß ich ja nicht einmal, ob er die Form korrekt anwenden hätte können (aber das ist ein anderes Thema)
    - wie oben gesagt, ich würde jeweils einen halben Punkt abziehen, damit hätte der Schüler im Normalfall auf diesen Teil der Arbeit bei mir gerade noch ein "ausreichend" ... das fände ich nicht zu hart in Anbetracht der Tatsache, dass vorher wohl im Unterricht intensiv geübt, besprochen und geschrieben wurde - auch das hadn't ...

  • Wenn ich jedes Mal das als falsch betrachte, bestrafe ich ihn genauso wie den, der nur das Partizip schreibt oder komplette Fantasieformen. Klar hat er nicht richtig gelernt, aber der Muttersprachler versteht es, bes. wenn er es vorgelesen bekommt. Er schreibt ja immerhin „haddn‘t“ und nicht „hassn‘t“ oder „havvn‘t“.

  • Das ist sicherlich richtig. Aber bei einem Punkt pro Lücke enden halt irgendwann die Differenzierungsmöglichkeiten. Wobei ich bei komplett falschen Partizipien mir überlegen würde, ob mir das reine "hadn't" überhaupt einen halben Punkt wert wäre ...
    "Der Muttersprachler versteht es" ... ist das jetzt die angestrebte Qualitätsstufe des Fremdsprachenerwerbs? Ich versteht auch "Isch geh Aldi". "Der Muttersprachler versteht es, trotz Fehler" - das ist für mich eben "ausreichend".

  • Nee, aber ich muss mir überlegen, ob ich sage „lieber x, dein Lernen war quasi komplett für die Tonne, du hast zwar die anspruchsvolleren Partizipien korrekt gebildet, aber halt immer haddn‘t geschrieben. Schade. Ja, der y hat immer dein automatisch hadn‘t hingeschrieben, aber kein Partizip. Das ist genauso schlimm. Wenn mir ein Ausländer hinschreibt ‚ich habbe gegessen‘, sanktionier ich es einmal und dann stelle ich fest, dass es falsch eingeprägt wurde.

  • "Der Muttersprachler versteht es" ... ist das jetzt die angestrebte Qualitätsstufe des Fremdsprachenerwerbs? Ich versteht auch "Isch geh Aldi". "Der Muttersprachler versteht es, trotz Fehler" - das ist für mich eben "ausreichend".

    Ich weiß noch, dass bei meiner ehemaligen Französischlehrerin (selbst Muttersprachlerin) das damals auch Bewertungskriterium war - würde man es in Frankreich verstehen?


    Insofern es keine allgemeingültige Antwort gibt (früher gab es die in Hessen mal, aber das ist mit den neuen Vorgaben für die Bewertung von Aufsätzen in der Fremdsprache nicht mehr der Fall), würde ich schauen, dass ich eine für mich und gegenüber dem Schüler vertretbare Lösung finde. Wenn es pro Lücke einen Punkt gibt, würde ich einen halben Punkt auf grammatische Korrektheit und einen halben Punkt auf korrekte Rechtschreibung geben. Grammatische Korrektheit wäre aber in dem Fall Voraussetzung, um auch den anderen halben Punkt zu bekommen. Man kann natürlich nicht "apple" schreiben und sagen, dass "apple" richtig geschrieben sei, wenn "hadn't" gefordert wäre.
    Im vorliegenden Fall hätte ich also 0,5/1 gegeben.

  • Hm, der/die Schülerin wird mit Eltern gelernt haben. Wenn man abgefragt wird, klingt hadn't halt wie haddn't. Daraus zu schließen, dem Schüler wäre alles egal und er würde sich nun zukünftig absichtlich nicht um Rechtschreibung bemühen ist doch etwas arg weit hergeholt.
    Ich will doch im Test wissen, wer was verstanden und sich gemerkt hat. Schüler X kann die grammatikalische Form korrekt anwenden.


    Was wäre, wenn die Aufgabe aus 15 Lücken bestanden hätte? wäre dann der Test "ungenügend"- Mängel auch in absehbarer Zeit nicht behebbar?

    Mit dem Argument könnte man auch "haddn't dann" akzeptieren, "hadn't done" klingt doch genauso wenn man es mit den Eltern lernt. Rechtschreibung ist wichtig und gehört genauso gelernt wie die Aussprache des Wortes. Eine grammatikalische Form kann nur dann richtig gebildet sein, wenn sie auch richtig geschrieben ist (oder ist "copyed" etwa richtig?). Daher kann ich dem Satz "Schüler X kann die grammatikalische Form korrekt anwenden" nicht zustimmen.


    Und natürlich gibt es Schüler, die, wenn sie merken, dass sie sich mit irgendeiner Rechtschreibung durchflunkern können, beim Vokabellernen gerade noch so die ungefähre Aussprache wissen. Das ist nicht weit hergeholt, sondern direkt aus meinem Klassenzimmer genommen. Glücklicherweise gibt es natürlich auch andere.


    Wenn die negative Form des Past Perfect den Schwerpunkt der Arbeit ausgemacht hätte, ja, dann wäre sie eben verhauen. Ich gehe mal davon aus, dass sich der Lehrer hier überlegt hat, welche Aufgabe er wie gewichtet. Wenn ich in einem Test NUR diese einzige Form verlange und man die dann nicht bilden kann, dann ist das nicht mehr ausreichend. Wenn sie wie hier eine von mehreren Formen ist, die in einer von mehreren Aufgaben angewendet wird, dann verschlechtert sich die Note eben entsprechend der Gewichtung der Aufgabe bezogen auf die Gesamtpunktzahl.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Ähm ... halber Punkt pro Lücke ist nicht "komplett für die Tonne". "Y hat immer hadn't geschrieben, aber kein Partizip" ... dann hätte y bei mir wohl gar keinen Punkt auf die Lücke - also viel schlimmer.
    Und weil etwas falsch eingeprägt wurde wird es nicht mehr "sanktioniert"? Kann ich bei einem frei geschriebenen Text verstehen, aber nicht bei einer Grammatikaufgabe, wo es genau auf die Richtigkeit (aller) Grammatikteile ankommt.

  • Heißt also man sollte 3 Punkte für die Lücke geben. So kann man einen Punkt für das korrekte hadn‘t geben, 2 Punkte für das korrekte Partizip. Oder einen Punkt für had einen, für das Partizip und einen für Rechtschreibung...


    Gut, dass in der Oberstufe mittlerweile Kompetenzorientiert korrigiert wird.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

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