Gute Schule braucht Zeit

  • Ich sehe dahinter eher Kollegen, denen das Geld nicht das Wichtigste ist und/oder die meinen, es reiche ihnen auch, was sie in Teilzeit verdienen.

    An meiner Schule arbeiten geschätzt überhaupt nur 10 - 20 % Vollzeit (mich im Moment eingeschlossen), also ich habe auch eine Menge männlicher Kollegen, die nur 70 - 80 % arbeiten. Ich habe z. B. eigentlich nur ein 86 % Pensum (das sind 19 Wochenlektionen Unterricht), damit ich einen Tag die Woche frei habe. Und mit frei meine ich auch frei und nicht, dass ich an diesem Tag Dinge abarbeiten muss, die ich bei einer 100 % Anstellung nicht schaffen würde. Da ich einige deutsche Lehrer im Freundeskreis habe und daher weiss, was die verdienen, wage ich zu bezweifeln, dass das bei euch so viele machen, weil sie auf das Geld verzichten können. Vor allem, wenn jemand mit diesem Geld eine Familie versorgen soll, wird es mit 70 % oder so doch eher knapp.


    Ehrlich ... ich würde bei einer Unterrichtsverpflichtung von 24 - 26 Lektionen pro Woche, wie es bei euch in den meisten Bundesländern üblich ist, einfach kotzen. Ich habe in diesem Semester im Schnitt etwa 25 Lektionen pro Woche unterrichtet, was ich aber lange vorher gewusst habe, dass das so sein wird und dass das auch wieder vorbei gehen wird. Entsprechend habe ich in den Sommerferien schon vorbereitet. Mit dem Aufwand, den ich für meine Vor- und Nachbereitung betreibe, könnte ich das aber nicht langfristig durchhalten. Selbstverständlich verbessert sich also die Qualität des Unterrichts, wenn die Unterrichtsverpflichtung bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit reduziert wird.


  • Ich halte derlei Petitionen für verfehlt.
    Arbeitgeber wollen die Lohnkosten so gering wie möglich halten.
    Wenn einzelne Bundesländer höhere Gehälter beschließen, dann tun sie es aus ihren eigenen Interessen heraus und nicht wg. den Interessen der Arbeiter ("A13 für alle!").


    Es ist erstens naiv zu glauben, dass ein Arbeitgeber irgendein moralisches Interesse am Wohlergehen seiner Arbeiter hätte - das Wohlergehen der Arbeiter ist dann und nur dann von Interesse, wenn es sich auf die Produktivität auswirkt.
    Zweitens ist es vermessen zu glauben, dass man seinem Arbeitgeber erklären könne, wie sein Laden doch viel Effizienter laufen würde. Das weiß der schon selbst am besten. Dieses Missverständnis kommt meist daher, dass man seine eigenen Interessen - z.B. was hier unter "gute Schule" zusammengefasst wird - für die Interessen des Arbeitgebers hält. Leider sind die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gleich, sondern gegensätzlich.


    Also: Diejenigen, die dieses Bildungsystem nach ihren Interessen so gestalten wie es ist, ausgerechnet die, zum Adressat für solche Bitten zu machen... das find ich schon ironisch! Wozu soll das führen?
    Das scheint mir diese häufig anzutreffende Vorstellung über Politiker vorzuliegen, dass es der Job der Politik sei "Probleme zu lösen", als müsste man als Bürger doch nur Bescheid sagen wo der Schuh drückt, und dann wird sich gekümmert, als ob das jemand einfach nicht auf dem Schirm hatte.


    "Gute Schule"... Überlegt doch mal warum das Schulsystem so ist, wie es ist. Das hat doch einen Grund. Da liegen Interessen vor.


    In der Petition steht:
    "Die Umsetzung der Vielzahl bildungspolitischer Aufgaben hat zu einer spürbaren Arbeitsverdichtung geführt."


    Ausgerechnet Arbeitsverdichtung soll für einen Arbeitgeber ein Problem sein? Das ist sein Ziel! Sein Interesse!

  • Dieses Missverständnis kommt meist daher, dass man seine eigenen Interessen - z.B. was hier unter "gute Schule" zusammengefasst wird - für die Interessen des Arbeitgebers hält. Leider sind die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gleich, sondern gegensätzlich.

    Und das ist es auch, was ich insbesondere der GEW vorwerfe:


    Die bejubeln erst einmal alle "Bildungsreformen" wie Inklusion, Abschaffung der Förderschulen, Einheitslehrer, "eine Schule für alle" usw. (weil sie meinen, das hat etwas mit "sozialer Gerechtigkeit" zu tun), befürworten die schnelle Einführung und hoffen anschließend darauf, dass der Arbeitgeber ein Erbarmen mit den nun überlasteten Lehrkräften hat und die Bedingungen verbessert, indem er nach der Einführung gnädigerweise mehr Lehrkräfte und Sozialpädagogen einstellt, die räumliche und technische Ausstattung verbessert usw. Dass die Arbeitgeber überhaupt gar kein Interesse haben, hier etwas zu "verbessern", denn "es läuft doch irgendwie", dass kommt GEW und Co. überhaupt nicht in den Sinn. Die werden laufend von den Bildungsministerien am Nasenring durch die Manege gezogen und merken es vor "sozialer Gerechtigkeitsduselei" nicht einmal...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Ich halte derlei Petitionen für verfehlt.
    Arbeitgeber wollen ...

    Und? Arbeitnehmer wollen auch was. Ich finde die Petition jedenfalls sinnvoller, als wortreiches, zielloses Leiden in Foren.

  • Ich halte derlei Petitionen für verfehlt.
    Arbeitgeber wollen die Lohnkosten so gering wie möglich halten.
    Wenn einzelne Bundesländer höhere Gehälter beschließen, dann tun sie es aus ihren eigenen Interessen heraus und nicht wg. den Interessen der Arbeiter ("A13 für alle!").

    Ja natürlich. Und was soll ich dazu inhaltlich äußern? Ich bin nicht die Arbeitgebervertretung.


    Es ist erstens naiv zu glauben, dass ein Arbeitgeber irgendein moralisches Interesse am Wohlergehen seiner Arbeiter hätte - das Wohlergehen der Arbeiter ist dann und nur dann von Interesse, wenn es sich auf die Produktivität auswirkt.

    Wieso Moral, wenn Kollegen einen anderen Regelstundensatz fordern? Was ist daran naiv, seinem Vorgesetzten und den zuständigen Behörden mitzuteilen, warum man welche Forderungen hat? Es ist das gute Recht eines jeden Bürgers.


    Wikipedia: "Eine Petition ... ist ein Schreiben (eine Bittschrift, ein Ersuchen, eine Beschwerde) an eine zuständige Stelle, zum Beispiel eine Behörde oder Volksvertretung... Die Zulässigkeit von Petitionen ist ein allgemein anerkannter Bestandteil der demokratischenGrundrechte eines jeden Bürgers."


    ...
    Zweitens ist es vermessen zu glauben, dass man seinem Arbeitgeber erklären könne, wie sein Laden doch viel Effizienter laufen würde. Das weiß der schon selbst am besten. Dieses Missverständnis kommt meist daher, dass man seine eigenen Interessen - z.B. was hier unter "gute Schule" zusammengefasst wird - für die Interessen des Arbeitgebers hält. Leider sind die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gleich, sondern gegensätzlich.
    ...

    Wieso ist es vermessen, dem Arbeitgeber zu sagen, welche Arbeitsbedingungen man für wünschenswert hielte, um seine Arbeitskraft dauerhaft zu erhalten? Wen interessieren die Interessen dessen, an den man die Petition richtet? Man steht für seine eigenen Interessen ein. Hier bittet doch niemand Omi um mehr Geld und jemand findet das persönlich "vermessen", weil die Omi schon so viel für ihn getan hat oder ihre Rente selber braucht.



    ...
    Das scheint mir diese häufig anzutreffende Vorstellung über Politiker vorzuliegen, dass es der Job der Politik sei "Probleme zu lösen", als müsste man als Bürger doch nur Bescheid sagen wo der Schuh drückt, und dann wird sich gekümmert, als ob das jemand einfach nicht auf dem Schirm hatte.
    ...

    Ja stimmt, ich habe die Aufgabe von Politikern auch darin gesehen, dass sie sich um Probleme ihres Ressorts kümmern und Interessen der Bürger vertreten. Wie würdest du deren Aufgabe zusammenfassen?


    ...


    "Gute Schule"... Überlegt doch mal warum das Schulsystem so ist, wie es ist. Das hat doch einen Grund. Da liegen Interessen vor.


    ...

    Natürlich will z.B. der eine Geld sparen und der andere mehr verdienen. Das ist doch keine Begründung für "wir dürfen uns nicht dazu äußern." Oder kennst du einen besseren Weg, um Öffentlichkeit zu erreichen?

  • Kann vllt. mal jemand meine Frage beantworten :gruss: Für wen gelten jetzt die 21 Stunden. Wieder für alle außer Grundschullehrer? Oder? Wären immerhin 7 Stunden weniger....

  • Danke für die inhaltliche Antwort!


    Ich halte es für naiv um mehr Lohn zu bitten (ich schreibe jetzt absichtlich nicht "fordern") weil dies dem Interesse des Arbeitgebers entgegen steht. (Es sei denn, er verspricht sich davon mehr Rendite - dann kommt er auf diese Idee allerdings schon von ganz alleine und muss darum nicht gebeten werden.)
    Mich interessieren die Interessen, weil ich bei jemand, der mir weniger bezahlen will, nicht nach mehr bitten brauche. Es ist schlicht aussichtslos!


    Wenn diese Bitte allerdings ein Mittel zum Zweck ist um die Öffentlichkeit zu erreichen (wie Du ja selbst schreibst) ist das etwas anderes.
    (Aber auch hier stellt sich die Frage, ob man sich davon etwas erhofft und wenn ja, was.)


    Versteh mich nicht falsch: ich bin sehr dafür, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen! In Berlin gab es ja in der Vergangenheit Streiks - das ist ein Mittel des Arbeitskampfes.
    Eine Petition halte ich für sich allein für eine aussichtslose Bitte und kein Mittel des Arbeitskampfes.


    Zu Petitionen allgemein etwas polemischer: Dass der Staat den Bürgern die Erlaubnis erteilt eine Bittschrift vorzubringen scheint mir kein Grund zum Feiern. Zumal sie sogar schon laut Grundgesetz eingeschränkt werden kann.


    Was ist die Aufgabe der Politiker? Auch ich teile den Wunsch, dass Politiker die "Interessen der Bürger" vertreten. Meiner persönlichen Meinung nach ist das aber nicht der Fall, denn sonst wäre der Reichtum der Gesellschaft ganz sicher nicht so aufgeteilt, wie er es tatsächlich ist. (Stichwort "Schere".) Wenn ich das tatsächliche Handeln der Politiker beobachte, scheinen mir dort ganz andere Interessen vorzuliegen.


    Um Öffentlichkeit zu erreichen halte ich einen Streik bzw. "Dienst nach Vorschrift" für die beste Methode.
    Mit einer Petition kann man natürlich auch Öffentlichkeit erreichen - wenn über sie berichtet wird in den Massenmedien. Ob/was diese "Öffentlichkeit" dann was bringt, ist eine andere Frage.

  • Kann vllt. mal jemand meine Frage beantworten Für wen gelten jetzt die 21 Stunden. Wieder für alle außer Grundschullehrer?

    Na ja, erstmal ist das ja eh nur ein Wunsch und so wie ich das verstehe, ist das nicht weiter nach Schulstufen differenziert und meint die Grundschullehrer natürlich mit (weshalb auch nicht?).
    Es gibt auf der Petitionsseite aber auch die Möglichkeit, Fragen an die Initiatoren zu stellen. Da könntest du genauer nachfragen.


    @ Morse
    grundsätzlich hast du ja (leider) recht, wenn es darum geht wie aussichtstreich das ganze ist. Ich verspreche mir da auch wenig unmittelbaren Effekt (gerade jetzt, wo wir hier akuten Lehrermangel haben...). Trotzdem finde ich es wichtig, seine Meinung immer und immer wieder kundzutun, auch wenn es keiner hören will. Zumindest macht man es den Veratnwortlichen damit schwerer zu behaupten, es wäre doch alles gut und den Lehrern ginge es glänzend. Wir machen eh viel zu viel kommentarlos mit. Klar ist so eine Petition nicht wahnsinnig öffentlichkeitswirksam, aber meine Kollegin hat das ganze z.B. auch an die Eltern weitergeleitet. Und natürlich wird das bei einigen auch wieder nur auf Unverständnis stoßen, aber den ein oder anderern holt man vielleicht doch "mit ins Boot". Wem es vielleicht auch den Rücken stärkt sind die Schulleitungen, die ja mit ihren Wünschen und Kritikpunkten auch gerne mal abgebügelt werden. Je mehr Lehrer öffentlich kundtun: "ich bin überlastet und kann für die Unterrichtsqualitär so nicht mehr garantieren", desto schwieriger wird es, den schwarzen Peter einzelnen Schulen oder gar Personen zuzuschieben. Da denke ich z.B. auch an die Kollegen / Kollegien, die tatsächlich mal Überlastungsanzeigen schreiben und da auch haarsträubende Reaktionen bekommen, die das Problem gerne als persönliche Befindlichkeit und letztlich Unfähigkeit abtun. Es ist also vielleicht nicht die optimalste aller Möglichkeiten aber doch immer noch besser als: ich kann eh nix ändern, also beschwere ich mich erst gar nicht.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • @ Morsegrundsätzlich hast du ja (leider) recht, wenn es darum geht wie aussichtstreich das ganze ist. Ich verspreche mir da auch wenig unmittelbaren Effekt (gerade jetzt, wo wir hier akuten Lehrermangel haben...). Trotzdem finde ich es wichtig, seine Meinung immer und immer wieder kundzutun, auch wenn es keiner hören will. Zumindest macht man es den Veratnwortlichen damit schwerer zu behaupten, es wäre doch alles gut und den Lehrern ginge es glänzend. Wir machen eh viel zu viel kommentarlos mit. Klar ist so eine Petition nicht wahnsinnig öffentlichkeitswirksam, aber meine Kollegin hat das ganze z.B. auch an die Eltern weitergeleitet. Und natürlich wird das bei einigen auch wieder nur auf Unverständnis stoßen, aber den ein oder anderern holt man vielleicht doch "mit ins Boot". Wem es vielleicht auch den Rücken stärkt sind die Schulleitungen, die ja mit ihren Wünschen und Kritikpunkten auch gerne mal abgebügelt werden. Je mehr Lehrer öffentlich kundtun: "ich bin überlastet und kann für die Unterrichtsqualitär so nicht mehr garantieren", desto schwieriger wird es, den schwarzen Peter einzelnen Schulen oder gar Personen zuzuschieben. Da denke ich z.B. auch an die Kollegen / Kollegien, die tatsächlich mal Überlastungsanzeigen schreiben und da auch haarsträubende Reaktionen bekommen, die das Problem gerne als persönliche Befindlichkeit und letztlich Unfähigkeit abtun. Es ist also vielleicht nicht die optimalste aller Möglichkeiten aber doch immer noch besser als: ich kann eh nix ändern, also beschwere ich mich erst gar nicht.

    Ich finde das ist eine sehr gute Haltung zu einer Petition! Da kann (sogar ;-)) ich mich anschließen.


    Für mich drückt Deine Beschreibung den Wunsch bzw. das Bestreben nach einer Verbundenheit aus; das zur Geltung bringen der gemeinsamen Interessen der Lehrer und Eltern (gegen das Interesse des Arbeitgebers).

  • Für mich drückt Deine Beschreibung den Wunsch bzw. das Bestreben nach einer Verbundenheit aus; das zur Geltung bringen der gemeinsamen Interessen der Lehrer und Eltern (gegen das Interesse des Arbeitgebers).

    Genau das! Danke für diese zusammenfassenden Worte :)

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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