300,- Gewinnzulage für Brennpunktlehrer

  • Das habe ich an anderer Stelle gelesen (siehe Link). Das finde ich eigentlich gut.


    “Gewinnzulage an Brennpunktschulen


    Um Brennpunktschulen zu helfen, voll ausgebildete Lehrer zu bekommen, wird es eine Gewinnzulage geben: In Schulen ab 70 Prozent Schüleranteil aus Familien mit geringem Einkommen soll die Zulage 300 Euro betragen. Das würde rund 3650 Lehrkräfte betreffen.”


    http://www.tagesspiegel.de/ber…ins-schulen/20646796.html

    Aber ich habe doch ein paar Fragen dazu:


    1.) Wie verträgt sich das mit dem "gleichen Lohn für gleiche Arbeit"?


    2.) Wie verträgt sich das mit der Argumentation, Lehrer bekämen ihr Gehalt nach Ausbildung nicht nach Leistung/Einsatz usw.?


    3.) Inwiefern erleichtert das den Brennpunktlehrern (die meinen höchsten Respekt haben) die Arbeit? Oder soll es nur die individuelle Stundenreduzierung erleichtern (Teilzeit)?


    4.) Wird das nicht neue Ungerechtigkeits-Debatten hervorrufen, wenn es an der Schule "nur" 65% Eltern mit geringem Familieneinkommen gibt statt 70%? (Und was ist, wenn eine Familie umzieht und man dadurch unter die 70%-Grenze sinkt?)


    Ich glaube, Brennpunktlehrern hätte es besser gefallen und mehr geholfen, wenn sie statt der 300,- Euro Zulage eine Senkung ihrer Stundenverpflichtung (z.B. um 2-4 Stunden) und eine deutliche Senkung der Klassengrößen (z.B. auf 18 Kinder) und einen massiven Abbau der Bürokratie bekommen hätten, als dass sie künftig 5600,- statt 5300,- Euro brutto verdienen (Berlin, A 13, Erfahrungsstufe 5 bei Einstellung - wer's nicht glaubt, siehe Link).


    Gibt es hier "Brennpunktlehrer"? Was sagt ihr?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    Einmal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Zitat

    und einen massiven Abbau der Bürokratie bekommen hätten, als dass sie künftig 5600,- statt 5300,- Euro brutto verdienen (Berlin, A 13, Erfahrungsstufe 5 bei Einstellung - wer's nicht glaubt, siehe Link).


    Das ist nicht A 13, sondern E 13 (netto bleibt da natürlich weiterhin in Berlin weniger als beim Beamtengehalt A 13).


    Nuja, Erschwerniszulagen sind im öffentlichen Dienst in anderen Bereichen durchaus eingeführt (wenngleich bei Tarifbeschäftigten oftmals mit symbolischen Charakter). Aber im Schulbereich?


    Förderschulen und Hauptschulen müssten dann wohl generell darunter fallen - ich weiß nicht, eigentlich ist jede pädagogische Arbeit schwer (okay, wenn alle die Zulage kriegen würden..)

    • Offizieller Beitrag

    1.: Im Moment handelt es sich um Politiker-Luftschlösser. Ich glaube es, wenn ich es live sehe.


    2.: Dieses Argument ist derzeit am wanken, siehe E13/A13, daher gehe ich hier nicht drauf ein, die Debatte führt das Forum in einem anderen Thread.
    Es ist ein Versuch, überhaupt wieder ausgebildete Lehrer an Brennpunktschulen holen. Denn im Moment bilden die Lehrer, die eh schon am Limit / über dem Limit arbeiten, Quereinsteiger aus, lernen sie ein, betüddeln und bemuttern sie teilweise, damit diese dann zu einem schmerzhaften Prozentsatz aufgeben und wieder weg sind. Entlastung dafür gibt es nicht wirklich. Die Lehrer an Brennpunktschulen werden quasi doppelt gestraft. Immerhin zeigt es, dass das Problem mal wahrgenommen wurde. Eine gute Lösung ist es m.M.n. nicht.


    3.: Gar nicht. Es gibt einige, die auf Teilzeit gehen, weil sie es nicht mehr schaffen. Ich habe bereits drüber nachgedacht. Ja, es erleichtert den Schritt zum Teilzeitantrag. Nein, Erholung, Stressreduktion und Gesundheit kann man sich nur bedingt (bis nicht) kaufen.


    4.: Ja, natürlich. Zumal ungeklärt ist, was "geringes Familieneinkommen" ist. An meiner Schule haben z.B. unter 70% der Schüler (aber deutlich über 50%) Leistungen nach dem BUT-Gesetz. Schulbuchzuzahlungsbefreit sind - soweit ich es überblicke - 70 bis 75%. Es ist bislang ungeklärt was zählt.


    Senkung der Pflichtstundenzahl und der Klassengrößen: Ja, das wäre viel hilfreicher, als eine Zulage, von der ein gewisser Teil dann für die Steuerprogression draufgeht.

  • Vorweg: Ich bin kein (Berliner)-Brennpunktlehrer.


    zu 1) Sehe ich kein Problem, da die Arbeit nicht die gleiche ist.


    zu 2) Ich verstehe das Argument nicht.


    zu 3) Ich vermute es hilft mehr oder weniger gar nichts. Stundenentlastung + kleinere Klassen sind vermutlich sinnvoller.


    zu 4) Ja, aber auch da sehe ich kein Problem. Eine Grenze festlegen und fertig. Meinetwegen fließende Grenzen (Wie bei der Einkommenssteuer, ...). Solche "Ungerechtigkeiten" gibt es schon jetzt sehr viele und es ist unmöglich solche Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Man kann nicht alles gleich machen.

  • Als erster Schritt der Anerkennung der erschwerten Arbeitsbedingungen ist eine Gehaltserhöhung sicher eine nette Sache, aber langfristig sollte man eher daran arbeiten, dass der Anteil von Schülern aus Familien, die Transferleistungen erhalten, in dem Ausmaß sinkt, dass es auf absehbare Zeit schlichtweg keine Brennpunktschulen nach der vorgelegten Definition (also mit mindestens 70% Schülern aus Geringverdienerfamilien) mehr gibt. "arm aber sexy" hin oder her - ich finde es beschämend, dass die deutsche Hauptstadt (!) es nicht in den Griff zu bekommen scheint, sich der Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen in seinen Brennpunkten zu widmen. Die Problematik ist ja nicht erst seit gestern bekannt und scheint sich in den letzten paar Jahren eher verschlimmert statt verbessert zu haben. Dafür Geld bereitzustellen, wäre mal eine sinnvolle Investition, von der die Stadt Berlin auch langfristig etwas hätte, da es schließlich um die nächste Generation, die später mal maßgeblich den gesellschaftlichen Ton angeben wird, handelt.

  • Die Zulage geht schon einmal in die richtige Richtung, müsste aber viel höher sein. Für 300 Euro Brutto (=150 Euro netto für einen angestellten Lehrer) geht doch keiner freiwillig in eine "Brennpunktschule" und holt sich einen Burnout oder eine Depression. Will man da wirklich (gute) Leute gewinnen, müsste die Zulage VIEL höher sein, eher 30% als 300 Euro. 1500 Euro Miminum würde ich ansetzen. Wenn es die Bildungspolitik wirklich ernst meint, muss sie richtig Geld in die Hand nehmen. Aber es wird wohl wieder auf ein paar "Idealisten" (= Deppen) gehofft, die sich so etwas wegen der paar Kröten extra antun...t


    Gruß !

  • Deutsche Soldaten erhalten bei Auslandeinsätzen wesentlich höhere Zulagen, und das steuerfrei. Die Sicherheitslage in einer Berliner Brennpunktschule dürfte mit der in Kundus durchaus vergleichbar sein.

  • 4.: Ja, natürlich. Zumal ungeklärt ist, was "geringes Familieneinkommen" ist. An meiner Schule haben z.B. unter 70% der Schüler (aber deutlich über 50%) Leistungen nach dem BUT-Gesetz. Schulbuchzuzahlungsbefreit sind - soweit ich es überblicke - 70 bis 75%. Es ist bislang ungeklärt was zählt.

    Ist es nicht. Der Tagesspiegel drückt sich einfach nur sehr schwammig aus. Gemeint sie die lehrmittelbefreiten Elternhäuser, also die, die die Bücher von der Schule bekommen, keine Wandertage bezahlen müssen etc.

    • Offizieller Beitrag

    Ist es nicht. Der Tagesspiegel drückt sich einfach nur sehr schwammig aus. Gemeint sie die lehrmittelbefreiten Elternhäuser, also die, die die Bücher von der Schule bekommen, keine Wandertage bezahlen müssen etc.

    Ok, nochmal:
    Bei uns:
    Keine Wandertage bezahlen: ca. 50%
    Lehrmittelbefreit: ca. 70%

  • Ok, nochmal:Bei uns:
    Keine Wandertage bezahlen: ca. 50%
    Lehrmittelbefreit: ca. 70%

    Oh verstehe. Bei uns deckt sich das nämlich bzw. in den Klassen, mit denen ich diesbzgl. zu tun hatte. Ich denke dennoch, dass es sich um lehrmittelbefreite Kinder handeln wird. Denn ab 70% soll es die geben und allzu viele Schulen mit diesen 70% gibt es dann doch nicht also wäre das die günstigste Rechnung für den Senat. Frage mich dennoch, was die 300€ bringen sollen, denn das sind dann weniger als 150€ netto bei Angestellten, die ja doch in der Mehrzahl sind (?), durch das hohe Gesamtbrutto. Da müsste man, wie Foren-Trump es schriebt, schon mal richtig was als Gefahrenzulage in die Hand nehmen. Aber 1500€ sind utopisch für Berlin.


  • Man merkt: die Höhe des Verdiensts richtet sich nach Angebot und Nachfrage.


    So etwas wie einen "fairen Lohn" gibt es nicht.
    All die vermeintlichen Argumente wie "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", "Gehalt nach Ausbildung", "Leistungsgerechtigkeit" sind nur Alibis um höheren Verdienst zu fordern oder Verdienst zu senken.
    Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt - unter Arbeitnehmern um Arbeitsplätze - unter Arbeitgebern um Arbeitnehmer - die ist es, die festlegt wer warum wie viel verdient. Alles andere ist PR.

  • Die Zulage geht schon einmal in die richtige Richtung, müsste aber viel höher sein. Für 300 Euro Brutto (=150 Euro netto für einen angestellten Lehrer) geht doch keiner freiwillig in eine "Brennpunktschule" und holt sich einen Burnout oder eine Depression. Will man da wirklich (gute) Leute gewinnen, müsste die Zulage VIEL höher sein, eher 30% als 300 Euro. 1500 Euro Miminum würde ich ansetzen. Wenn es die Bildungspolitik wirklich ernst meint, muss sie richtig Geld in die Hand nehmen. Aber es wird wohl wieder auf ein paar "Idealisten" (= Deppen) gehofft, die sich so etwas wegen der paar Kröten extra antun...t


    Gruß !


    Ich gönne den Kollegen an Brennpunktschulen, die es wohl in jeder Großstadt gibt, wirklich jeden Cent mehr.


    Ich meine nur, mit mehr Geld wird ihnen der Arbeitsalltag kein bisschen leichter gemacht und das ist doch das, was gerade diese Kollegen brauchen, um den Schulalltag zu meistern (weniger Stundensoll, kleinere Klassen usw.-usf.)


    Was nützen theoretische 1500,- Euro Zulage, wenn sich an den Arbeitsbedingungen nichts verbessert? Dann geht man eben mit (vereinfacht) 6500,- brutto in den Burnout. Wem nützt das?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.


  • ...
    So etwas wie einen "fairen Lohn" gibt es nicht.
    All die vermeintlichen Argumente wie "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", "Gehalt nach Ausbildung", "Leistungsgerechtigkeit" sind nur Alibis um höheren Verdienst zu fordern oder Verdienst zu senken. ...


    Darin stimme ich dir zu.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Der Hartz IV Regelsatz wird ab 1.1. um 6 Euro erhöht - bei Alleinstehenden sogar um 7 Euro! Und jetzt auch noch Sonderzulagen für Brennpunktschulen! Verwöhnt der Staat die Armen in unserem Land nicht doch zu sehr?

  • Der Hartz IV Regelsatz wird ab 1.1. um 6 Euro erhöht - bei Alleinstehenden sogar um 7 Euro! Und jetzt auch noch Sonderzulagen für Brennpunktschulen! Verwöhnt der Staat die Armen in unserem Land nicht doch zu sehr?


    Danke für den Hinweis.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Kein Wunder, dass potentielle Leistungsträger nicht mehr Lehrer werden wollen, wenn einige die Lehrergehälter schon mit staatlichen Sozialleistungen gleichsetzen...


    Gruß !

  • Der Hartz IV Regelsatz wird ab 1.1. um 6 Euro erhöht - bei Alleinstehenden sogar um 7 Euro! Und jetzt auch noch Sonderzulagen für Brennpunktschulen! Verwöhnt der Staat die Armen in unserem Land nicht doch zu sehr?

    ...das zeigt vielmehr, wie realitätsfremd die Politik ist... der blanke Hohn, diese Möchtegernerhöhungen...
    ...ist euch in den letzten Tagen und Wochen zB mal beim Einkauf aufgefallen, wie sich die Preise bei den Milchprodukten entwickelt haben? Mal eben so 20% drauf - wieso? Die Ware ist doch dieselbe, und ich bezweifle ernsthaft, so irgendwelchen Bauern "faire Löhne" ausgeben zu können, das werden sich wieder andere einsacken...
    Nimm mal den Liter Milch, der von 65 Cent "mal eben" auf 78 Cent gestiegen ist. Wir reden von Grundnahrungsmitteln...
    Und dementsprechend... dieser "Bonus" für solche, die "freiwillig an Brennpunktschulen" gehen, ist vielleicht ein Hilfeschrei, denn diese Schulen haben immer mehr Lehrerausfälle, und natürlich will da niemand hin, wo tagtäglich mehrmals Polizei und RTW aufschlagen... vielleicht sollte man mal was an den Schulen ändern... oder eher am Publikum... aber dazu gabs ja schon andere Threads.
    "Brennpunkt" hat nicht zwingend etwas mit geringem Einkommen und/oder Migrationshintergrund zu tun, aber oftmals trifft es sich eben da und potenziert sich noch. Mehr Personal für weniger SuS wäre schon mal ein möglicher Ansatz...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

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