Wer hat Erfahrung mit Entfristung?

  • Hallo,
    ich arbeite seit 10 Jahren als befristete Lehrkraft. Da meine Promotion in Fremdsprachpädagogik aus den USA nicht in Deutschland dem Staatsexamen gleichgestellt wird, habe ich keine Möglichkeit den "normalen" Weg als Lehrerin zu gehen. Die ersten Jahre war ich über einen Kooperationsvertrag zwischen dem Schulamt und meiner eigenen Sprachschule als Vertretungslehrerin tätig. Jetzt bin ich im 5. Jahr als angestellte Lehrerin tätig. Die letzten 4 Jahre war ich an einer Schule und ich musste zu diesem Schuljahr die Schule wechseln. Ich hatte in den letzten drei Jahren immer Jahresverträge, alle Ferien wurden bezahlt.
    Inoffiziell hat mein frührer Schulleiter gesagt, dass ich nach 5 Jahren auf Entfristung klagen kann. Da das Minsterium Klagen vermeiden will, stehen die Chancen wohl gut, entfristet werden ohne klagen zu müssen.
    Wer hat dazu Tipps, Erfahrungen oder alles weitere, was mir helfen könnte? An wen muss ich wenden? Ab wann kann ich das tun? Muss ich werten, bis die 5 Jahre voll sind oder ginge das vielleicht schon jetzt, wei der Vertrag ja bis zum 31.7. 18 geht?
    Vielleicht ist jemand schon diesen Weg gegangen.
    Susa

  • Hallo Shams,


    wie schön, ein erster Beitrag :)


    Seit 10 Jahren Vertretungslehrer? Das ist lange. Mein lieber Schwan. Wie lange laufen Deine Verträge jeweils?
    Ich arbeite gerade daran, mein 2. Jahr zu vervollständigen (immer Verträge über 1/2 Schuljahr). Leider habe ich keinerlei Erfahrung, was eine Entfristung betrifft. Ich persönlich wage noch gar nicht, daran zu denken. Man ist ja schon froh, wenn es überhaupt weiter geht.


    Mal sehen, ob hier jemand etwas dazu beisteuern kann. Eine Entfristung ist für Vertretungslehrer wahrscheinlich die GRETCHENFRAGE an jeden Schulleiter...

    • Offizieller Beitrag

    ich habe keine Ahnung von Schleswig-Holstein, aber nur so als Richtwert.
    Bei uns (NRW) haben sich einige KollegInnen entfristen lassen. Eine Kollegin kam auf 12 nahtlose (das war ein seeeehr wichtiges Kriterium!) Jahre und entscheidend war vor Gericht aber insbesondere, dass sie zum Teil 3-Tage-Verträge bekommen hatte.
    Ein anderer Kollege ist auch nach ca. 10 Jahre entfristet worden.


    5 Jahre sind vielleicht also nicht unbedingt viel im Vergleich.
    Dein Abschluss könnte auch eine Rolle spielen. Hast du ein 1. Staatsexamen und nur kein Ref gemacht?
    chili

  • Das ist zwar schon alt hier, aber für alle die in einer ähnlichen Lage sind:


    Diese Woche einen Fall im Freundeskreis:


    Vor dem Gerichtstermin hat das Land klein beigegeben (NRW) bei 15 Verträgen in 6 Jahren, es war weder mittelbare noch unmittelbare Vertretung erkennbar, viele Tätigkeiten in den 6 Jahren die auf Dauerbedarf schliessen lassen.


    Nun auf 28 Std unbefristet.


    LG und für alle, die Überlegen: mit einem guten Anwalt klappt es schon! Schulämter und Personalräte haben erst eine Abwehrhaltung aber müssen sich dem Recht dann beugen ;)

  • Wenn sich die Bedingungen in den letzten Jahren für NRW nicht geändert haben, ist auch der Zeitpunkt der Klage nicht unwichtig: Wenn man auf Entfristung klagt und der aktuelle Arbeitsvertrag sieht bspw. nur 50% der Wochenstunden vor, ist man ggf. auch nur für eine halbe Stelle entfristet. Dann kommt man nicht so ohne Weiteres auf eine volle Stelle.

  • Das stimmt, allerdings ist es nicht schwer, an Grund -

    Oder Sek 1 Schulen Vertretungsstellen mit voller Stundenzahl zu finden. Die Person verdient jetzt inklusive Sonderzahlung immerhin 2600 netto, da geht zwar mehr, aber ohne Studium und Ref ist es okay.


    Die Angst war immer da, dass irgendwann das Schulamt keinen neuen Vertrag mehr anbietet. Aber der Mangel ist so gross und zur Not nimmt man ne neue Stelle beim nächsten Schulamt, die wissen nichts voneinander. Zack vergehen 6 Jahre…

  • ALLE Vertretungslehrkräfte könnten (sollten) nach rechtlicher Beratung klagen, sofern nicht besondere Gründe* dagegen sprechen.


    Warum? Weil in nahezu jedem Vertrag und jeder Konstellation Sachfehler stecken, die gerichtlich zur Entfristung und Festanstellung führen. Minimale Stundenplanänderung in Abweichung vom Vertrag, Vertretungsbereitschaft, Pausenaufsicht usw usw


    Meine Erfahrung für Hamburg: Fast jede Klage wird im Sinne des Arbeitnehmers entschieden. Und da Arbeitsrecht Bundesrecht ist, müsste es andernorts genauso sein.



    * Was könnte dagegen sprechen? z.B. Lehramt-Studierende mit Lehrauftrag, die im selben Bundesland in den Schuldienst wollen, sollten natürlich einen Eintrag auf einer imaginären " Roten Liste" vermeiden.

  • ????


    Zitat


    Weil in nahezu jedem Vertrag und jeder Konstellation Sachfehler stecken, die gerichtlich zur Entfristung und Festanstellung führen.


    Äh, nein.

  • Die Arbeitsgerichte bestehen auf einer exakten Darstellung der Tätigkeit und einer genauen Zuordnung zum Sachgrund der Befristung. Sprich: Stundenplan. Und dieser muss ohne jegliche Aufsicht und Vertretungsbereitschaft auskommen. Es darf auch keine Mischung von zwei Sachgründen vorliegen.

    Jede minimale Änderung bedarf eines vollen Änderungsvertrags.

    Da passieren, gerade bei Kettenverträgen, derart viele Ungenauigkeiten, dass die Chancen, sich einklagen zu können, sehr hoch sind. Natürlich Bedarf es vorheriger Prüfung einer Fachperson, zB GEW.


    Wenn in deinem Bundesland die Arbeitsgerichte noch nicht so klar pro Arbeitnehmer agieren, dann möge doch der jeweilige Rechtsbeistand sich bei Hamburger Kolleg_innen ein paar entsprechend zitierfähige Entscheidungen besorgen. Die gibt es hier, auch vom LAG.

  • Die deutsche Rechtsprechung kennt keine Präzedenzfälle, deswegen ist das kein zielführender Ansatz. Oder in Hamburg habt ihr einfach ein paar sehr kreative Richter. Ich erinnere mich gut daran, dass in den 90ern fast alle Urheberrechtsklagen in Hamburg eingereicht wurden, weil das dortige LG völlig einen weg hatte und Urteile aus Hamburg regelmäßig vom dortigen OLG oder vom BGH kassiert wurde. Zweite Alternative wäre, dass eure Landesverwaltung einen weg hat und keine ordentlichen Arbeitsverträge erstellt.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Valerianus

    Die Variante mit "eine Weg" gefällt mir sehr gut und ist auch gar nicht so selten:autsch:

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Äh, nein.

    Äh, doch. Schon mal den Vertreter einer Behörde vor Gericht erlebt? Das erste Wort aus dem oben zitierten dürfte in solchen Situationen der meistbenutzte Ausdruck sein. Übrigens sind auch Versäumnisurteile in solchen Verfahren nicht selten.

    Die deutsche Rechtsprechung kennt keine Präzedenzfälle, deswegen ist das kein zielführender Ansatz.

    De jure gibt es natürlich keine Präzedenzfälle. De facto orientieren sich Richter schon ganz gern an dem, was höherrangige Kollegen rechtskräftig entschieden haben. Wenn ich eine Lektüre lesen lasse, schaue ich ja auch in die entsprechenden Unterrichtshilfen.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Wo steht das?

    In der ständigen Rechtsprechung. Dass in Gesetzestexten alles haarklein geregelt sein müsse, ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Wenn dem so wäre, bräuchten wir keine Richter.

    Im vorliegenden Fall geht die von dir zitierte Aussage auf den Grundsatz zurück, dass an die Befristung von Arbeitsverträgen strenge Maßstäbe angelegt werden, vor allem an die Schriftlichkeit aller Vereinbarungen. Das bedeutet, dass im Prinzip jede Abweichung von dem, was explizit arbeitsvertraglich vereinbart ist, den vorliegenden (schriftlichen, befristeten) Arbeitsvertrag durch einen neuen, mündlich abgeschlossenen (und damit per se unbefristeten) Arbeitsvertrag ersetzt.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ja, an die Befristung werden strenge Maßstäbe gelegt. Ich müsste jetzt in einer alten Vertrag schauen, wie dort die Formulierung war. Aber seit wann muss z.B. Pausenaufsicht explizit schriftlich aufgeführt werden? Das ist doch normaler Bestandteil der üblichen Lehrer-Arbeitstätigkeit. In keinem Arbeitsvertrag wird detailliert jede einzelne Teilaufgabe aufgelistet.


    Natürlich wird in Gesetzestexten nicht alles haarklein geregelt. Aber wenn eine Sache fehlerhaft sein soll (z.B. die Übernahme von Pausenaufsichten), dann muss sich zumindest aus der Auslegung ergeben, dass diese Tätigkeit nicht üblicher Bestandteil der Arbeit ist - und somit anfechtbar ist. Und auch die Auslegung muss sich in irgend einer Art und Weise auf gesetzliche Grundlagen beziehen.


    Ich fänd es ja sehr interessant, wenn man sich allein wegen der (stundenplanmäßigen) Ableistung einer Pausenaufsicht einklagen könnte - allein, ich glaube nicht daran. Also: Welche Rechtsgrundlage gilt hier?


    (Ich habe schon viele Vertretungslehrer kennengelernt, aber noch keinen, der nicht auch ein oder mehrere Pausenaufsichten macht, und das lt. seinem Stundenplan. Deutschlandweit gibt es sicher Tausende. Sollten die sich alle mit positivem Ausgang einklagen können? Nein, ich denke nicht.)

  • Aufsichten sind (in NRW) in der ADO festgehalten als Dienstpflicht und selbstverständlich haben auch befristet angestellte Lehrkräfte alle Dienstpflichten zu erfüllen. Die angeordnete Mehrarbeit kann (!) ein Entfristungsgrund sein, wenn dadurch die vertraglich festgelegte Arbeitszeit überschritten wird. Aber Mehrarbeit allein ist kein Entfristungsgrund, weil alle befristeten Arbeitsverträge (in NRW) Bezug auf die ADO und den TV-L nehmen und da steht drin was man zu tun hat als Lehrer. :)


    Wenn es einen Fall gäbe, bei dem sich jemand wegen Pausenaufsichten eingeklagt hätte, dann stünde der definitiv online.


    Quelle zur Mehrarbeit (da geht es darum, wenn die Vertretungsstunden nicht ausgeglichen werden, d.h. man arbeitet nachher tatsächlich mehr als im Vertrag steht)

    If you look for the light, you can often find it.
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  • Das sehe ich genauso, aber weiter oben (User qamqam) wurde es anders formuliert. Und zwar so, dass allein das Vorhandensein (ohne Angabe des Umfangs) von Aufsichten etc. zur Entfristung führen könnten.

    • Offizieller Beitrag

    Vermutlich liegt es daran, dass der Begriff "Aufsichten" für die Hofaufsichten als auch für "Vertretungen ohne Vertretung" à la "ich passe auf, dass keine*r sich umbringt, muss die ganze Stunde im Klassenraum sein, mache aber keinen Mathe-Unterricht" verwendet wird. Solche Mehrarbeit auf dem Vertretungsplan verstösst gegen einen befristeten Teilzeitvertrag, es ist ja Mehrarbeit und nicht Teil der Dienstpflichten.

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