Engagement und Rückzug

  • Hallo zusammen!


    Mich würde mal interessieren, wo ihr so ungefähr den Maßstab seht, was man als "durchschnittlicher" Kollege so machen sollte. Im Schuldienst ist es ja leider so, dass viele Aufgaben "da sind" und "gemacht werden müssen", selten aber gibt es dafür (wie in der freien Wirtschaft) eine entsprechende Anerkennung. Daher rührt es wohl auch, dass viele Kollegen sich mit den Jahren zurückziehen und die Aufgaben an junge Kollegen übergeben. - Das muss natürlich nicht so sein, Ausnahmen bestätigen die Regel.


    In meinem ganz persönlichen Fall ist es so, dass ich seit meinem Eintritt in den Schuldienst sehr engagiert war, bzw. engagiert wurde, was auch völlig in Ordnung war. Nun stehen aber neue Entscheidungen an und ich muss - auch aus privaten/familiären Gründen - feststellen, dass ich nicht mehr bereit und willens bin, mich so sehr reinzuhängen wie bisher.


    Mal konkret: ich bin etwas weniger als 10 Jahre im Dienst und habe fast jedes Jahr zwei Klassenfahrten unternommen (davon eine selber organisiert), teilweise waren es sogar drei. Ich war und bin im Personalrat, dadurch war ich oft auf Fortbildungen (also wieder unterwegs). Teilweise kam ich mir eher wie ein Topmanager vor, der von Hotel zu Hotel reist, denn als Lehrer. Wie gesagt, das war für die letzten Jahre völlig okay und von mir auch so gewollt. Allerdings mache ich Unterricht auch sehr gerne und fand es bisweilen ärgerlich, dass wegen der Fehlzeiten (aufgrund meiner häufigen außerschulischen Termine) einiges an Unterricht "wegbrach" (Vertretungen sind bei unserer Schule eher die Ausnahme, was aber ein anderes Thema ist).
    Krank war und bin ich zum Glück so gut wie nie.
    Dazu kommen und kamen selbstverständlich verschiedene andere Ämter und Gremien, wie schulinternes "Wir machen da mal ein Projekt" usw., von denen ich gut und gerne auch zwei/drei (vier)? mein Eigen nennen kann.


    Nun bin ich an einem Punkt, an dem ich merke, dass ich das einfach nicht mehr will. Ich möchte mich schon auch über den Unterricht hinaus engagieren, aber auch eine deutliche(!) Reduzierung dessen, wofür man sonst immer den Kaiserhof fragen konnte.


    Das alles müsste ich in der nächsten Zeit (wenn die Anfragen kommen) entsprechend kommunizieren.


    Was denkt ihr? Und wie gehe ich am besten vor?

  • Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als einfach "nein" zu sagen. "Nein, ich habe keine Kapazitäten mehr frei", "Nein, ich mache schon etwas anderes", "Nein, ich bin ausgelastet" ... "NEIN, ich mag das nicht, das interessiert mich nicht".

  • Ich bin wohl etwa so lange (ok... so kurz :) )im Dienst wie Du und habe ein paar Leitlinien für mich aufgestellt. Natürlich höchst subjektiv, andere sehen das mit Sicherheit anders, aber vielleicht hilft's Dir bei der Eingrenzung:


    1. Ich mache ausschließlich Dinge freiwillig, die mir (soweit man das für einen Beruf sagen kann) Spaß machen bzw. die ich für sinnvoll halte.
    2. Dinge, die unter Punkt 1 fallen sind prinzipiell solche, die den Schülern, dem Unterricht oder dem Kollegium zu Gute kommen. Manchmal auch "der Schule" an sich (wir haben ein dermaßen gutes Klima, dass man da WIRKLICH gern mal mehr macht).
    3. Aus 1 und 2 ergibt sich, dass ich in keinem offiziellen Gremium mitarbeite. Das ist in meinen Augen Zeitverschwendung. Wenn man was sinnvolles tun will, passiert das an der "Front".
    4. Fortbildungen wähle ich selbst aus. Die Vorschläge "von oben" drehen sich meist um methodischen Kram. Den halte ich aber nicht wesentlich für einen guten Unterricht, so dass ich eher auf fachliche Fortbildungen fahre. Werden auch immer genehmigt.
    5. Das Land, das mir per se misstraut und meine Kollegen und mich öfter mal unter Generalverdacht stellt, weil einzelne Kollegen an anderen Schulformen am anderen Ende des Landes Mist gebaut haben, bekommt von mir - im Gegensatz zu Schule, Schülern, Kollegium - einen Sch... geschenkt.
    6. Auch Dinge, mit denen sich der Schulträger schmücken kann ("Social Days" am Wochenende und so Scherze), der es nicht einmal schafft, unser Gebäude soweit in Schuss zu halten, dass im Winter in allen Klassenräumen mehr als 10° herrschen, unterstütze ich nicht mehr.


    Das funktioniert ganz gut. Ich habe tatsächlich Spaß an der Arbeit und gehe die allermeiste Zeit mit dem Gefühl heim, etwas sinnvolles getan zu haben. Das ist eigentlich nur dann anders, wenn von oben etwas aufgedrückt wurde, was nicht unter diese Punkte fällt (kommt aber bei uns selten vor, Gremien usw. werden bei uns wirklich ohne Zwang besetzt).


    Allerdings ist mir vollkommen klar, dass ich mir vor allem wegen Punkt 3 einen beruflichen Aufstieg abschminken kann. Sollte ich also irgendwann mal auf die Wahnsinnige Idee kommen, mehr als Studienrat werden zu wollen, muss ich das ändern. Da mein Geld aber auch so langt, und ich auf irgendwelche Titel keinen Wert lege habe ich auf unbestimmte Zeit sowieso jegliche Karriereambitionen auf Eis gelegt.


    Gruß,
    DpB


    PS: Da sich das jetzt überschnitten hat: Eigentlich kann man zusammenfassen: Ich halt mich an Dead Poets letzten Satz :)

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt ja in einigen (allen?) BL die Form der Mitarbeiter(Personalentwicklungs)gespräche. Also Gespräche, die Dienststellenleitungen mit Mitarbeitern zwecks persönlicher Entwicklung führen sollen. Die sind nicht nur dazu gedacht, die persönliche Karriereplanung (A14,15, 16) zu eröffenen, sondern auch dazu, die passende persönliche Nische zu finden, oder eben multiple Belastungen zu besprechen und durch besseren Fokus zu minimieren. In Hessen steht es in der DO, dass diese nur auf Wunsch des Mitarbeiters geführt werden, andere BL haben eventuell andere Sitten.

    Zitat

    Das Mitarbeitergespräch dient der persönlichen Aussprache zwischen Schulleiter/in oder der stellvertretenden Schulleitung und derLehrkraft oder einer weiteren an der Schule beteiligten Person.
    Im Mittelpunkt eines Mitarbeitergesprächs stehen die berufliche Entwicklung und die Arbeitszufriedenheit der einzelnen Mitarbeiter.
    Das Gespräch dient neben dem Austausch von Gedanken, Meinungen und Informationen ebenso der Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht und verstärkt die Kommunikation und Kooperation zwischen der Schulleitung und den Lehrkräften.
    Denn nur mit motivierten und zufriedenen Mitarbeitern lassen sich die Anforderungen an die Schule bewältigen und die Qualität von Schule und Unterricht nachhaltig sichern.

    Wenn du eine SL hast, die ansprechbar ist, könntest du ein solches Gespräch beantragen und deine Situation schildern: i.w., dass du dich engegeieren aber nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig ein bisschen tanzen möchtest. Gemeinsam kann man dann entwickeln, in welche Richtung es in welchen Schritten gehen kann.
    Immer nur "nein" sagen hilft auf Dauer auch nicht weiter - denn weder sind die Dauerneinsager für eine gute Schule förderlich (man kann ja durch Engagement auch für sich selbst Arbeitszufriedenheit und für alle mehr Qualität erreichen), noch ist dauerndes Jasagen zieführend, weil Arbeitszeit und Fokus zerfleddern und man nie irgendwas richtig macht, trotz ausufernder Arbeitszeiten.
    Gut wäre es natürlich, selbst schon Ideen oder gar einen Plan zu haben, wo es für dich hingehen soll: hast du bestimmte Interessen, für die du dich engagieren willst? Gibt es eine Zielrichtung?

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Danke für eure Rückmeldung.


    Deadpoet: klar und konsequent.


    DpB: Gute Herangehensweise. Ich habe mich dahingehend entschieden, dass ich nach Bedenkzeit tatsächlich immer(?) zugesagt habe, wenn ich gefragt wurde. Ganz pragmatisch und unaufgeregt und frei nach dem Motto: ausprobieren.
    Mittlerweile habe ich einen sehr großen Fundus an Wissen, - das möchte ich nicht missen.
    Aber ich merke auch dass mir manche Dinge mittlerweile besser gefallen als andere.


    Unser Kollegium ist in Ordnung, aber wir haben auch viele Jammerer und Beschwerer und keinen kleinen Teil an Kollegen, die Dienstbesprechungen und Konferenzen oft fernbleiben und über ihr Klassenlehrerdasein + Fachkonferenzen nicht engagiert sind.


    Meike: Personalentwicklungsgespräche ... gibt es bei uns offiziell nicht, inoffiziell aber schon. Ich könnte mit meinem Chef direkt sprechen, ja. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht.



    Also ich werde dann erstmal "Nein" sagen und im zweiten Schritt ggf. das Gespräch suchen und eigene Vorschläge für´s Engagement machen.
    Und falls mir jemand quer kommt, kann ich ja ganz pragmatisch auflisten, was ich so alles gemacht habe. Und einfach mal fragen, wie es denn selber so aussieht.


    Ich glaube, das passt ganz gut.

  • Von Personalentwicklungsgesprächen kann man bei uns auch nur träumen.

    Wieso? Personalentwicklung ist in NRW rechtlich vorgesehen:



  • Bei uns gibt es für einige Erlesene sowas wie Personalgespräche, für den Rest Mitteilungen über getroffene Entscheidungen (man soll „Rücksprache nehmen“), Fortbildungen werden allenfalls zähneknirschend genehmigt
    (wenn nicht zu viel Unterricht ausfällt) und gerne wieder gecancelt.

  • Bei uns gibt es für einige Erlesene sowas wie Personalgespräche, für den Rest Mitteilungen über getroffene Entscheidungen (man soll „Rücksprache nehmen“), Fortbildungen werden allenfalls zähneknirschend genehmigt
    (wenn nicht zu viel Unterricht ausfällt) und gerne wieder gecancelt.

    Dann geh mit dem Beamtengesetz in der Hand zur Schulleitung und fordere es ein. Oder, wenn der Wunsch bei einem Großteil des Kollegiums besteht, schick den PR zum Schulleiter, der das im großen Stil einfordern soll. In so einem Gespräch kann dann auch ein individuelles Fortbildungskonzept für dich selbst festgelegt werden, auf das du dann verweisen kannst, wenn die SL eine Fortbildung nicht genehmigen oder wieder streichen will.

  • Ich war auch recht engagiert, weil an meiner Schule einfach viele Dinge abseits des Unterrichts sehr unprofessionell laufen und je mehr ich gegen die Wand gelaufen bin, desto mehr habe ich mich zurück gezogen und den Leuten durchaus auch die Gründe dafür genannt.
    Aktuellstes Beispiel: ich habe Vorlagen erstellt*, die bei der Schüleraktenwirtschaft behilflich sein könnten, weil das Kollegium insgesamt Akten nicht gut führt. Weil ich nett sein wollte, habe ich die an die Pinnwand geheftet, damit die Kollegen drauf aufmerksam werden und sie ebenso nutzen können. Keine zwei Tage später hat das Sekretariat sie eingezogen, weil da das Schullogo drauf war und die SL die Formulare nicht genehmigt hätte und einige Punkte darauf wären so nicht möglich in puncto Verbindlichkeiten (was ich für sorry, Bullshit, halte). Ich glaube, dass sich mal wieder jemand auf den Schlips getreten fühlte, weil eine einfache Lehrerin wohl unwissentlich mal wieder ihren Zuständigkeitsbereich überschritten hat. *augenroll*
    Dabei bin ich prinzipiell jemand, der offen für Verbesserungsideen ist - aber es kam nichts dazu. Und dann sag ich mir: gut, dann macht euren Scheiss alleine.


    Ich mache Dinge für die Schulorganisation, die sich organisch ergeben und werde ausgebremst. Je öfter das passiert, desto mehr kann ich die erfahrenen Kollegen verstehen, die absolut nichts mehr außerhalb ihrer Unterrichtsverpflichtung machen.


    Deshalb: kein schlechtes Gewissen haben und ganz klar sagen: "ich mache ab sofort nur noch X Y und Z." Oder halt nur X.


    *War einer der Tipps hier in meinen letzten Threads.

  • Mir selbst ergeht es auch so, dass ich viel Spaß am zusätzlichen Engagement in der Schule habe. Allerdings erkläre ich mich im Prinzip nur für folgende Aufgaben bereit:


    - Sie müssen mir Spaß machen.
    - Sie müssen mir ein wichtiges Anliegen sein. (Ich möchte etwas verändern.)


    Selten habe ich mich auch schon einmal für Dinge gemeldet, wo sich keiner bereit erklärte und ich das nicht unbedingt haben musste. Doch das war mir dann wegen der Außenwirkung wichtig.


    Wichtig finde ich bei allem außerunterrichtlichem Engagement, dass man ein Gefühl dafür bekommt, ob es zeitlich noch gut drin ist und ob die obigen Kriterien eine Rolle spielen. Man sollte sich gut fühlen dabei, was man macht und nicht überlastet.
    Gerade Leute, die sich viel engagieren, sollten auch einmal "nein" sagen, sonst besteht die Gefahr, dass sie ausgenutzt werden sowohl von der Schulleitung als auch von einem Teil des Kollegiums, indem die Leute einem allzu gerne die Arbeit überlassen.


    Letztendlich ist meine Meinung, dass anstehende Dinge auf allen Schultern möglichst gleichmäßig verteilt werden müssen unter Berücksichtigung Teilzeit, Vollzeit und familiären Ausnahmesituationen. Auch von diesem Aspekt her sollte man öfter mal "nein" sagen.

  • Thema Fortbildungen:
    Ja, es ist ungünstig, wenn deswegen Unterricht öfter ausfallen muss. Da würde ich mir auch überlegen, ob ich Aufgaben annehme, wo viele Fortbildungen nötig sind.
    Bei mir hat sich das bisher nie überschnitten. Das ist in der Grundschule einfacher, sofern man nicht im Ganztag arbeitet. Da fallen die wenigen Pflichtfortbildungen auf den Nachmittag. Freiwillige FBs können schon einmal auch am Vormittag sein, doch das hat man selbst in der Hand, ob man sich dafür meldet oder nicht.

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