• Nicht nur zum Lehrerrat, auch schriftlich (!) bei der Schulleitung remonstrieren, ansonsten bist du schadensersatzpflichtig und ggf. auch strafrechtlich verantwortlich (im von dir angesprochenen Brandfall: fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung).

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Danke, hab's begriffen und bereits den Weg zum Lehrerrat gefunden, der bei uns eigentlich nur für die Geschenke zu runden Geburtstagen und dem Lehrerausflug aktiv wird. Man hat mir zugesichert, sich der Sache anzunehmen, für eine der nächsten Konferenzen nach juristischer Beratung eine entsprechende schriftliche Note aufzusetzen und dies nach Abstimmung im Kollegium der SL zu überreichen. Traurig, dass man im eigenen Laden mit gezielten Halb- und Unwahrheiten gefüttert wird.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

  • https://www.gew-nrw.de/schullexikon/aufsicht.html



    ..."Nach Artikel 34 des Grundgesetzes haftet grundsätzlich der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst die Lehrkraft tätig ist. Liegt weder eine vorsätzliche noch grobfahrlässige Aufsichtspflichtverletzung vor, kann eine Lehrkraft nicht zur Haftung herangezogen werden. Im Einzelfall mag es schwierig sein, die Grenze zwischen fahrlässig und grobfahrlässig genau zu definieren...."


    ..."Schulische Maßnahmen beziehungsweise dienstliche Verrichtungen, bei denen erkennbar vorgegebene Aufsichtsanforderungen nicht erfüllt sind oder bei denen ernsthafte Zweifel an der Sicherstellung einer ausreichenden Aufsicht bestehen, dürfen nicht ausgeführt werden. Lehrer*innen können nicht gezwungen werden, eine Handlung vorzunehmen, die nach eigener Einschätzung eine akute Gefährdung von Schüler*innen beinhaltet (Näheres siehe Stichwort „Remonstration“)."

    "grobfahrlässig" ist eher sowas, wie "betrunken einen Schüler im Auto mitnehmen" und eher nicht "eine elfte Klasse im Nebenraum beaufsichtigen". SchülerInnen müssen sich lediglich beaufsichtigt fühlen, und altersentsprechend/ geistiger Entwicklung entsprechend behandelt werden. "Akute Gefährdung" ist halt auch wieder sowas Dehnbares...
    Als Dauerzustand ist das natürlich trotzdem nichts, das ist klar: Überlastungsanzeige schreiben wäre noch eine Möglichkeit, wenn du bei dieser Art Unterricht deine und/ oder die Gesundheit der SchülerInnen gefährdest. Dann muss der SL ebenfalls handeln.

  • Zwei Klassen gleichzeitig beaufsichtigen zu wollen ist ungefähr genau die Definition von grob fahrlässig. Trunkenheit am Steuer ist in aller Regel eine Vorsatztat (sonst macht §316 StGB Absatz 2 wenig Sinn), die daraus resultierenden Konsequenzen sind in der Regel grob fahrlässig (weil du auch betrunken nur selten vorhast jemanden umzufahren).


    Fahrlässig heißt, dass du die erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hast. Grob fahrlässig liegt dann vor, wenn du bereits einfachste Überlegungen nicht angestellt oder Dinge nicht beachtet hast, die jedem einleuchten hätten müssen. Aufsicht in zwei Räumen ist unmöglich, das sollte jedem normal denkenden Menschen klar sein. Es liegt eine grob fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung vor, das heißt im Zweifel bist du der Dumme der dafür zivil- und strafrechtlich geradestehen muss und das steht auch in deiner "wir tun so als wären wir eine Gewerkschaft"-Handreichung (Satz 2).

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    • Offizieller Beitrag

    Zwei Klassen gleichzeitig beaufsichtigen zu wollen ist ungefähr genau die Definition von grob fahrlässig.

    Nach dem hessischen Aufsichtserlass ist das aber genau möglich, wenn alters- und entwicklungsangemessen!

  • Beim Punkt alters- und entwicklungsangemessen kann man aus der groben Fahrlässigkeit in bestimmten Fällen raus, in Oberstufenkursen oder an Berufsschulen zum Beispiel kann man erwarten, dass das auch funktioniert, wenn nicht die ganze Zeit ein Lehrer drin ist. In der Sek I und in der Grundschule gilt hier nur das beliebte: Schön dass ihr einen Erlass habt, dass der rechtsgültig ist, ist aber keineswegs sicher (Bsp: Fahrtkostenerstattung für Lehrer bei Klassenfahrten). Der entscheidende Bonus für euch ist dann aber folgender: Dadurch dass es einen Erlass gibt, steht ihr gemeinsam mit dem Dienstherrn vor Gericht wenn was passiert und der wird euch sicher zu 100% bescheinigen, dass eure Entscheidung in Bezug auf Alters- und Entwicklungsangemessenheit zu 100% zutreffend gewesen ist, damit er allein in der Haftung steht.


    Ich zitiere mal unseren NRW-Guru zu solchen Problemen:

    Zitat

    Tresselt - Vertretungsstunden
    Was ist aber zu tun, wenn die Schulleitung die Mitbeaufsichtigung einer Klasse anordnet? Zunächst einmal muss die betreffende Lehrkraft der Schulleitung gegenüber deutlich machen, dass sie keinesfalls gleichzeitig vor zwei Klassen stehen kann und dadurch auch nicht die Aufsicht gewährleisten kann. Das ist als Remonstration gegen die Anordnung zu werten. Sie kann das untermauern, indem sie auf das Urteil des Bundesgerichtshofs verweist, der bereits 1972 es für unzulässig erklärt hat, dass ein Schulleiter eine Lehrkraft beauftragt, gleichzeitig vor zwei Klassen zu stehen (BGH 19.6.1972 Az. III ZR 80/70). Man kann auch die Schulleitung darauf aufmerksam machen, dass sie bereits ihrer Fürsorgepflicht nicht genügt, wenn sie anordnet, dass eine Klasse zeitweise unbeaufsichtigt ist. Das ist sie nämlich, wenn der Lehrer oder die Lehrerin sich mit seiner oder ihrer Klasse beschäftigen muss. Da hilft es auch nicht, wenn die Bezirksregierung Düsseldorf im Mai 2017 an die Schulen eine Mail geschickt hat, dass die Mitaufsicht grundsätzlich unter Beachtung der sonstigen rechtlichen und fachlichen Vorgaben zulässig sei. Die Bezirksregierung schützt leider keine Lehrkraft bei einem Strafverfahren und einer Schadenersatzklage von Eltern oder einer Versicherung.
    Ich würde jedem Kollegen oder jeder Kollegin empfehlen, sich von der Schulleitung die Remonstration und die Dienstanweisung schriftlich bestätigen zu lassen, damit man im Schadensfall eine beweisbare Grundlage besitzt. Der Lehrerrat kann ja ein Formblatt dazu entwickeln, sodass nur noch eine Unterschrift nötig ist.

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  • Ich halte es zwar für ausgeschlossen, dass ein Oberstufenkollege morgens vorm Vertretungsplan seinen Schulleiter darum bittet, seine Remonstration schriftlich bescheinigen zu lassen, aber der allerallerrechtssicherste Weg ist das sicher :aufgepasst:


    Die Trunkenheit am Steuer war ein Beispiel des Schulamtsjuristen in unserer Fortbildung. Sollte heißen: grobe Fahrlässigkeit = mit gesundem Meschenverstand nicht nachvollziehbares Verhalten, in etwa nach Hause gehen und Kaffee trinken, während Kinder am Flussufer spielen. Leider schwammig, schützt uns aber auch. Denn anders (alle Eventualitäten abdeckend) könnten wir unserer Arbeit nicht mehr nachgehen.


    Ich schätze: Wenn der TE eine verhaltensauffällige dritte Klasse nebenan hätte, bei denen immer mal einer aus dem Fenster fällt, würde er vermutlich von ganz allein auf die Idee kommen, dass er die nicht nebenher betreut und ab und an mal nachsieht.

    • Offizieller Beitrag

    Ich zitiere mal unseren NRW-Guru zu solchen Problemen:

    Man könnte da aber auch durchaus auf die Idee kommen, dass sich in den letzten 45 Jahren sowohl Rechtsvorschriften als auch pädagogische Wertungen geändert haben. Das Urteil hier zum Beispiel stammt aus einer Zeit, als man 18jährigen noch kein Wahlrecht zutraute und solche Dinge wie selbst-organisiertes Lernen noch unbekannt waren. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert!

    • Offizieller Beitrag

    Wir sprechen hier von Aufsicht und nicht Überwachung. Aufsicht bedeutet nicht, dass der Lehrer alle Schüler zu jeder Sekunde im Blick hat. Aufsicht bedeutet vor allem, dass sich die Schüler beaufsichtigt fühlen (vgl. Hoegg). Wenn ich also zwei Klassen in nebeneinander liegenden Räumen betreuen muss, dann sind beide Türen auf und ich bewege mich regelmäßig vom einen in den anderen Raum.
    Die Schüler wissen, dass eine Lehrkraft da ist und dass diese jederzeit wieder in den Raum kommen kann.
    Das muss letztlich straffrei bleiben, weil die Schulen sonst bei erhöhtem Krankheitsstand die Schüler nicht nach Hause schicken können.

  • Ich würde das ja selber auch gerne so beurteilen wie Bolzbold. Der BGH, ich empfehle hierzu wirklich dem weiter o.g. Link zur Urteilsbegründung einmal zu folgen, hat das ganz anders beurteilt. Dies steht nach wie vor im Raum und ist nicht aufgehoben. Insoweit kann ich nur empfehlen zu demonstrieren. Der Staatsanwalt klopft dann schon Mal eine Tür weiter

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

    • Offizieller Beitrag

    Nach dem hessischen Aufsichtserlass ist das aber genau möglich, wenn alters- und entwicklungsangemessen!

    Was einen zwar nicht freut, weil die bessere Variante natürlich genügend Personal wäre, aber das ist Fakt. Die Juristen, die den Erlass geschrieben haben haben ihn dem HPR in allen lustigen Einzelheiten erläutert, und es gab schon einige Witzigkeiten - wie zB. Aufsicht an Haltestellen und Bahnhöfen, was sich die Verkehrbetriebe herzlich dankend verbeten haben :D - aber in Hessen wirste nicht belangt, nur weil du die Mitaufsicht angetreten hast, auch nicht, wenn während der Mitaufsicht was passiert. Eher erwischt es den Chef, wenn der ganz blöde Sachen anordnet: Aufsicht in diametral entgegengesetzten Räumen des Gebäudes mit 150 Meter Abstand oder über drei Stockwerke hinweg. Hat's auch schon gegeben.


    Aber das heißt auch nicht, dass einem nichts passieren kann:
    Grobe Fahrlässigkeit bezieht sich in diesem Kontext nicht auf den Tabestand, die Mitaufsicht gemacht/angetreten zu haben selber. Wenn was passiert und Eltern klagen, gucken die bei Gericht nach dem genauen Ablauf. Zum Beispiel, ob es Anzeichen dafür gab, dass im anderen Raum was schief geht - Geschrei oder so - oder wenn dort von der Lehrkraft Geräte ungesichert angeschaltet wurden oder Beschwerden von Schülern über Chaos nicht ernst genommen wurden. Eine "generalisiserte Aufischtspflichtverletzung per se" gibt es in der Praxis nicht. Leider kann man genauso wenig Aufsichtspflicht generalisiert zurück weisen und remonstrieren. Remonstrieren kann man, wenn eine Anordnung klar gegen eine Rechtsnorm verstößt. Mitaufsicht verstößt in Hessen nicht gegen eine solche, sie ist explizit zugelassen. Man kann also nicht gegen die dienstliche Anweisung an sich vorgehen, sondern es muss Konkreta angeben: Also: "Ich kann DIESE Mitaufsicht nicht führen, weil ich mich außerstande sehe, in einem Chemieraum/Computer/Klassenraum, in welchem folgende Gegebenheiten vorliegen, xyz sicher zu stellen, wenn ich den Raum verlasse, weil...wegen (können auch auffällige Schüler sein, oder solche, die man noch nicht einschätzen kann, weil neu usw)."
    Die Verantwortung für das eigene Handeln oder Nichthandeln kann in der Praxis nicht qua Remonstration immer einfach zurück auf den Schulleiter übertragen werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, nicht mit zu haften, dadurch erhöht werden kann(!), man sollte also in Beratungen zu Aufsichtsfragen bitte den Satz "bist du auf der sicheren Seite" vermeiden. Gleichzeitig kann man dienstliche Anwesiungen auch nicht generalisiert zurück weisen ("ich mache nie Mitaufsicht").


    Nein ich habe keine finale individuelle Lösung für diesen Dilemma. Außer vielleicht den §13 der Dienstordnung: "Machen Sie's doch selber!" :D

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Im Falle der "Mitaufsicht" muss man sich halt auf die Aufsicht konzentrieren und nicht auf das Unterrichten. Wenn diese Verschlechterung der Bildungsqualität per Erlass politisch gewollt ist, dann ist das halt so. Man muss ja nicht jeden bildungspolitischen Murks per heldenhaftem Einsatz an der Front zu reparieren versuchen...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Tresselt bezieht sich auf die Entwicklung in NRW im Jahre 2017, die zugehörigen Paragraphen des BGB (§832 ist seit der Einführung 1896 unverändert) und StGB (hier wurde die obere Begrenzung der Geldstrafe aufgehoben) haben in dieser Zeit keine wesentliche Veränderung erfahren. Fahrlässigkeit/Sorgfaltspflichtverletzung ist eins der fünf Tatbestandsmerkmale von fahrlässiger Körperverletzung, die anderen wären Erfolg (jemand ist verletzt worden), Tathandlung (der Lehrer hat nicht nur darüber nachgedacht, sondern gehandelt), Kausalität (wäre der Lehrer anwesend gewesen, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu der Verletzung gekommen) und objektive Zurechnung (das Geschehen hätte vorhergesehen und vermieden werden können). Ich bin echt gespannt wie eure Juristen irgendeinen Lehrer da raus holen wollen, wenn der in zwei Räumen Aufsicht geführt hat, man könnte eventuell über die Schuldhaftigkeit gehen und den schwarzen Peter nach oben durchreichen oder versuchen auf normale Fahrlässigkeit zu bestehen (was ich für unwahrscheinlich halte...Fahrlässigkeit ist ein unbewusster Fehler (z.B. wenn du vergisst ein Fenster abzuschließen und eine Stunde später fällt ein Schüler raus), grobe Fahrlässigkeit ist quasi immer gegeben sobald du denkst "hoffentlich passiert nichts" (Hoegg))


    Die Argumentation von bolzbold könnte auch von einem Politiker kommen: Finanznot rechtfertigt nicht die Einstellung staatlicher Pflichtaufgaben und wenn der Staat die Schulpflicht fordert, dann hat er sicherzustellen, dass die Kinder da gut aufgehoben sind.

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