Hallo zusammen,
ich habe dieses Jahr mein Abitur über den zweiten Bildungsweg bestanden und mittlerweile meine beiden Wunschstudienplätze in Dortmund erhalten.
Nun tue ich mich allerdings mit der Entscheidung schwer, da es ja auch wirklich zwei grundlegend unterschiedliche Disziplinen sind und ich hoffe bei euch vielleicht die ein oder andere Anregung zu erhalten, die ich bei meiner Entscheidungsfindung noch nicht bedacht habe.
Vorweg bin ich familiär an die Bundesländer NRW und Niedersachsen (+Bremen und Hamburg) gebunden, weswegen eine Flexibilität in den Osten oder Süden nicht gegeben ist. Zudem habe ich zwei chronische Wehwehchen, wodurch mir wahrscheinlich eine Verbeamtung erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Aber nun zum hauptsächlichen Thema.
Die Vorteile an Grundschulen:
- wenn man gerne mit Kindern arbeitet, dann stellt man in der Grundschule die Weichen für den weiteren Berufs- und Lebensweg, was durchaus ein sehr befriedigendes Gefühl ist
- bei vielen Grundschülern ist noch kein Lehrerfeindbild vorhanden und sie gehen gerne zur Schule
- es gibt zwar keine offiziellen Männerquoten, jedoch reißen sich meiner Erfahrung nach Grundschulen um männliche Kollegen, was ein Bonus bei der Bewerbung sein kann?
Die Nachteile an Grundschulen:
- bei keiner Verbeamtung ein Gehalt in der Stufe E11 (Netto: 1909.72 €), was nach 5 Jahren Studium + 1,5 Jahren Ref eher mickrig ist
- sehr heterogene Klassen, die Inklusion überfordert das gesamte Schulsystem und vieles davon prallt an den Grundschulen ab und die Arbeit wirkt sich unter diesen Umständen weder zufriedenstellend noch positiv für die eigene Gesundheit auf Dauer aus (vielleicht irre ich mich ja?)
- die Elternarbeit kann ziemlich anstrengend werden, wenn Eltern einerseits ihre Erziehungsverantwortung auf die Schule übertragen, aber den Kindern andererseits abends einreden, dass sie sich nichts von den Lehrern sagen lassen sollen und wie Helikoptereltern alles an unserem Lehrerhandeln kontrollieren möchten
- Mein Unterrichtsfach wäre Sachunterricht, also nichts besonderes wie Musik oder Sport. Wird es damit wohl schwieriger sein an eine gute Schule zu kommen?
Die Vorteile an Berufsschulen:
- Die Fachrichtung Sozialpädagogik gehört laut meinen ehemaligen Berufsschullehrern und den Einstellungsprognosen in NRW + Niedersachsen zu den Fachrichtungen, die auch in Zukunft sehr gefragt sein werden
- falls es zum Angestelltenverhältnis kommen sollte, dann würde ich E13 anstatt E11 bekommen
- es gibt eine theoretische Distanz zum Inklusionschaos im Sozial- und Erziehungswesen. An der Berufsschule bildet man Erzieher dafür aus mit der Inklusion in KiTas und Schulen zu arbeiten und zurecht zu kommen, aber man selbst hat als Ausbildungslehrkraft nicht direkt etwas damit zu tun, da Schüler mit emotional-sozialem Förderschwerpunkt Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen kaum ergreifen, sondern eher dazu tendieren ins Handwerk gehen.
Die Nachteile an Berufsschulen:
- Mein Zweitfach wäre Psychologie. Dieses Fach existiert in NRW, aber nicht in Niedersachsen, weswegen mir die Anstellung möglicherweise verwehrt werden könnte? Ein Fach wie bspw. Deutsch möchte ich nicht wählen, da mich der Korrekturaufwand in der Sek II abschreckt und ich auch keine Begeistung für Literatur empfinde. Naturwissenschaften und Theologie kommen als Kompromiss nicht in Frage.
- Man steht als männliche Theorielehrkraft oftmals vor Klassen mit 80-100% Frauenanteil (ich war am Ende der Erzieherausbildung der einzige Mann in meinem Jahrgang). Das stelle ich mir ähnlich anstrengend und herausfordernd vor wie als weibliche Lehrkraft jahrzehntelang Technikerklassen voller Kerle zu unterrichten.
- Darüber hinaus fließen in die Sozialpädagogik neben den Erziehungswissenschaften mittlerweile auch Gender Studies und Migrationspolitik mit ein, was ich bereits in meinem Privatleben als sehr mühseelige Themen empfinde, welche ich nicht auch noch studieren und erst recht nicht später darüber Diskussionen mit heranwachsenden Schülern leiten möchte (eventuell eine Fehleinschätzung der beruflichen Fachrichtung SozPäd?)
Ich bin mir darüber bewusst, dass mir hier niemand diese Entscheidung abnehmen können wird, aber vielleicht hat jemand ja einen Einwand auf einen meiner Punkte oder weitere Anregungen und Impulse?
Vielen Dank für's Lesen und ich wünsche ein schönes Wochenende.