Sind wir zu lasch bei der Disziplin?

  • Ich bin der Meinung, dass man Schulen und Lehrern zu wenig hilft. Sei es von Seiten des Jugendamtes oder auch der Polizei. Wenn man mit beiden Kontakt aufnimmt heißt es nur: keine Zeit, wir haben wichtigeres zu tun.
    Und wenn es etwas gravierendes ist, sind die bürokratischen Hürden so groß, dass man beim x–ten Fall irgendwann keinen Bock mehr hat.
    Da muss sich dringend etwas ändern, wenn man das System Schule irgendwann wieder auf die Reihe bekommen will. Denn so wird das nicht mehr lange funktioniert, auch wenn die Darstellung aus dem Saarland schon sehr spektakulär klingt.


  • Ich meine, das liegt eben auch daran, weil Lehrer heutzutage zu lasch mit Störungen umgehen und vieles verniedlichen oder sich nicht trauen, konsequent dagegen vorzugehen, auch weil sie den entsprechenden Rückhalt vermissen / nicht haben.


    Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.


    In den oberen Klassen müssen wir es ausbaden - nur dann ist es oft zu spät !!!

    Ich finde das jetzt etwas kurz gedacht (oder auch ziemlich frech), dass man den schwarzen Peter den (Grundschul-)Lehrern zuschiebt: Grundschullehrer sind zu lasch, also haben die nachfolgenden Schulen das Problem. Wenn ich sehe, mit welchem Schülerklientel die Lehrerin meines Sohnes hier in der Kleinstadt im Vorort umgehen muss, dann frage ich mich, was für Löwendompteure in den Großstädten oder auch Brennpunkten oder wie man es auch immer nennen mag, arbeiten sollen. Hier ist das Elternhaus massiv in der Pflicht. Aber wenn zuhause der Tonus ist: Die Lehrerin ist doof, dann kann die Lehrerin (fast) machen was sie will. Sie wird die Schüler nicht mehr erreichen. Ich glaube einfach, dass die teilweise gegen Windmühlen kämpfen, weil zuhause die grundlegenden Prinzipien nicht mehr vermittelt werden. Und da das teilweise auch bei "gut situierten" Elternhäusern der Fall ist, kann die Grundschule einfach nicht mehr ausrichten.
    Lest mal das Buch: "Mein Sohn hat Geburtstag, verschieben Sie die Deutscharbeit" Das sagt vieles. Kommen dann noch unterschiedliche Kulturkreise dazu wie im oben zitierten Artikel, ist das eine explosive Mischung.

  • Lest mal das Buch: "Mein Sohn hat Geburtstag, verschieben Sie die Deutscharbeit" Das sagt vieles. Kommen dann noch unterschiedliche Kulturkreise dazu wie im oben zitierten Artikel, ist das eine explosive Mischung.

    Bei dem Titel brauche ich das gar nicht zu lesen.


    Das Gegenbeispiel davon habe ich aber selber im Urlaub kennengelernt. Ich war in Melbourne (Australien) in einem Museum bzw. genauer auf dem Außengelände zwischen den Hallen mit den verschiedenen Ausstellungen.


    Vor mir liefen zwei Knirpse von geschätzt 10 Jahren rum, einer davon auf dem Rasen (und eben nicht auf dem gepflasterten Weg) und der andere balancierte über die 30cm hohe Mauer des Hochbeets. Beide trugen sie Schuluniform, auch wenn diese nur aus einem Polo-Shirt bestand, auf dem "Primary School ... Darwin" aufgedruckt war.
    Der Lehrer (Soviel zum Thema "Männer in der Grundschule") hat daraufhin beide zusammengefaltet und zwar in einer Lautstärke, daß es auch bloß alle anderen Besucher rundum vernehmen konnten. Und ja, mein Englisch ist gut genug, um auch noch den Aussie-Slang nachzuvollziehen. Da ging es gleich darum, ob er zumindest den, der auf der Mauer balancierte, gleich alleine in den Flieger zurück nach Darwin setzen solle. Für die übrigen Besucher war eine so harte Ansage eher noch ein Grund, um Beifall zu klatschen.


    Diese eine Situation zeigte mir, warum das bei uns mit der Disziplin nichts wird.


    Fazit:

    • Bei uns schaffen es die Schüler mit 10 Jahren gerade mal zur Klassenfahrt in den Nachbarort, selbst mit den 16 jährigen darf man nicht weiter als 300km und in der Oberstufe werden generell Klassenfahrten abgesagt, wenn irgendwo in Europa ein Bombe hochgeht. Wie sollen die da selbstständig werden, wenn es an Herausforderungen mangelt?
    • Das gesellschaftliche Verständnis, wie man sich zu verhalten hat, fehlt bei uns schon vollkommen.
    • Die Lehrer haben in D gar nicht die Mittel um sich durchzusetzen. Allein schon wenn ich das hier lese, daß das Jugendamt etc. gerade keine Zeit hat. Wir müßten sowas auch selber schaffen, unsere Vorgänger haben es ja auch geschafft bei Klassen mit 80 Schülern. Nur damals hatten sie rein rechtlich natürlich ganz andere Möglichkeiten im Extremfall wirklich durchzugreifen.
  • Ich finde das jetzt etwas kurz gedacht (oder auch ziemlich frech), dass man den schwarzen Peter den (Grundschul-)Lehrern zuschiebt: ...

    Allerdings!


    Und es hängt auch viel vom Schulleiter ab. Wenn der Angst vor Konflikten mit Eltern und Behörden hat und seinen Kollegen in den Rücken fällt, können die sich noch so verkämpfen. Die Ordnungsmassnahmen, die Schule hat, müssen bei manchen SchülerInnen auch dringend ausgeschöpft werden. Wenn man da konsequent ist, bewirkt es viel.



    ...
    Der Lehrer (Soviel zum Thema "Männer in der Grundschule") hat daraufhin beide zusammengefaltet und zwar in einer Lautstärke, daß es auch bloß alle anderen Besucher rundum vernehmen konnten...

    Das ist aber Gewohnheitssache. Je nach Schülerschaft gewöhnst du dir einen anderen Ton an: wenn ich meine Schüler gerade darauf hingewiesen habe, auf dem Weg zu bleiben und es latscht wieder einer über die Wiese, setzts auch was. Allerdings sind meiner Erfahrung nach manche Kinder tatsächlich von zu Hause auch ne gewisse „Sprachintensität“ gewöhnt, da dringt man nicht anders durch.

  • Ich finde das jetzt etwas kurz gedacht (oder auch ziemlich frech), dass man den schwarzen Peter den (Grundschul-)Lehrern zuschiebt: Grundschullehrer sind zu lasch, also haben die nachfolgenden Schulen das Problem. ...


    Ich denke, das ist ein Teil des Problems und betrifft natürlich nicht alle, sondern nur jene, die zu lasch sind. (Du ja vielleicht gar nicht.) Das Nicht-Wertlegen und weitestmögliche Durchsetzen eines bestimmten Arbeits- und Sozialverhaltens verschiebt diese Probleme in doppelter und dreifacher Stärke an die weiterführenden Schulen. Doch, das meine ich schon so ganz vereinfacht und grundsätzlich.


    (Oje, ich weiß, damit setze ich mich mal wieder in die Nesseln bei euch. Aber wir sind ja hier, um miteinander zu reden.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Darin stimme ich dir zu !

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Die Lehrer haben in D gar nicht die Mittel um sich durchzusetzen. Allein schon wenn ich das hier lese, daß das Jugendamt etc. gerade keine Zeit hat. Wir müßten sowas auch selber schaffen, unsere Vorgänger haben es ja auch geschafft bei Klassen mit 80 Schülern. Nur damals hatten sie rein rechtlich natürlich ganz andere Möglichkeiten im Extremfall wirklich durchzugreifen.

    Doch haben sie und wenn man die zur Verfügung stehenden Mittel auch konsequent nutzt, reichen diese vollkommen aus. An welche anderen Mittel denkst du denn? Prügelstrafen? Ich denke, wir kommen ganz gut ohne diese aus.


    Neben den klassischen Erziehungsmitteln und Ordnungsmaßnahmen zur Begegnung schulischer Vorfälle darf bei entsprechend schwerwiegenden Problemen auch gerne die Polizei einbezogen werden. Wir haben dafür z.B. direkt einen Kontaktbeamten bei der Polizei, der sofort involviert wird, wenn wir es mit Körperverletzung, schwerem (Cyber-)Mobbing u.ä. zu tun haben. Die konsequente Umsetzung geeigneter Maßnahmen macht natürlich zunächst Arbeit und nervt, langfristig erspart man sich dadurch viel Ärger. Ich kann dabei nur unterstreichen, was Krabappel bereits angemerkt hat:

    Und es hängt auch viel vom Schulleiter ab. Wenn der Angst vor Konflikten mit Eltern und Behörden hat und seinen Kollegen in den Rücken fällt, können die sich noch so verkämpfen.

  • Wieder was Passendes gefunden:




    " ... Der Bonner Kinderpsychiater bemängelt nicht nur die fehlende Anleitung der Eltern, sondern auch den Laissez-faire Stil in Schulen und Kindergärten. „Für mich als Psychiater stellt es eine Katastrophe dar, dass wir unser Bildungswesen vor 15 Jahren umgestellt haben. Seitdem gilt in Kindergarten wie Schule: alles offen, alles frei. Das Kind soll alles von alleine machen, alles von alleine erkennen. Und dabei hat man gar nicht gesehen, dass sich so niemals die Psyche entwickeln kann. Kinder brauchen dringend einen Unterricht,der auf den Lehrer bezogen ist. Sie müssen lernen, dass es Personen gibt, die besser sind als sie. Sie müssen lernen, was Frust bedeutet“, sagt Winterhoff im Interview mit der "Welt".
    Ändert sich in Zukunft nichts daran, sieht Winterhoff schwarz: „Immer mehr Heranwachsende sind nach Schulabschluss nicht im herkömmlichen Sinne arbeitsfähig. Es fehlt ihnen an Arbeitshaltung, Sinn für Pünktlichkeit, Akzeptanz von Strukturen und Abläufen. Wenn das so weitergeht, steuern wir auf einen riesigen Fachkräftemangel zu – und die Situation, dass wir in ein paar Jahren jede Menge Menschen haben, die dem Staat auf der Tasche liegen. ...“


    https://www.focus.de/familie/i…rgebnisse_id_7726559.html


    Das ist auch mein Eindruck.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • "Sie müssen lernen, dass es Personen gibt, die besser sind als sie."


    Ernsthaft????

    "Besser" ist da das falsche Wort. Treffender wäre "höher gestellt" im Sinne eines hierarchisch organisierten Arbeitsverhältnisses, wie es bereits in der Grundschule der Fall ist.


    Die Kritik im 2. Absatz des Zitats kann ich aber völlig unterstützen und sehe darin ebenfalls ein großes Problem.

  • "Laissez-faire Stil in Schulen"
    "Seitdem gilt in Kindergarten wie Schule: alles offen, alles frei"
    "Das Kind soll alles von alleine machen, alles von alleine erkennen."


    Für mich ist vor allem klar, dass jemand der diese Behauptungen aufstellt, sehr lange keine Schule mehr von innen gesehen hat.



    Verblüffend finde ich auch diese Aussage:


    "dass wir unser Bildungswesen vor 15 Jahren umgestellt haben"


    Wer genau hat da auf welchem Wege, wo genau, was genau umgestellt? Wer ist "wir"???

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich muss dem Herrn in allen Punkten recht geben. Er beschreibt das sehr gut.


    Das selbstorganisierte Lernen ist für mich für den ganz großen Teil der Schüler eine viel zu große Überforderung. Egal ob in der Grundschule oder der weiterführenden Schule.

  • Das mit dem "alles" ist eben eine gängige Fehlinterpretation des SOL-Konzepts. Junge Menschen müssen zum selbstorganisierten Lernen angeleitet werden, natürlich können sie nicht "einfach so" und "alles" von alleine. Und doch ja, ich finde, junge Menschen müssen auch lernen, dass es immer jemanden im Leben gibt, der Dinge besser kann und da meine ich jetzt wirklich "besser" und nicht "höhergestellt". Dieses Ding ... man kann alles, wenn man nur will ... das geht mir echt entsetzlich auf die Nerven weil es halt einfach gelogen ist.

  • Natürlich kann man sie anleiten. Ändert aber nix daran, dass bei 25 Schülern im Idealfall 5 Schüler (eher mehr) das aber nicht können. Auch trotz Anleitung, daneben stehen, ermahnen, drohen und und und.


    Das mag bei Oberstufen Schülern funktionieren. Für Grundschüler und auch für 5.-8. Klässler ist es für mich einfach eine Überforderung.

  • Das mag bei Oberstufen Schülern funktionieren.

    Nein, natürlich auch nicht bei allen. Denen gilt es aber in dem Zusammenhang dann auch zu zeigen, dass sie (noch) nicht studierfähig sind.

  • ich finde, junge Menschen müssen auch lernen, dass es immer jemanden im Leben gibt, der Dinge besser kann

    Ja genau: "besser kann!!!!"
    Das ist aber was komplett anderes, als dass jemand besser ist.
    Natürlich kann ich als Erwachsener Dinge besser und weiß mehr. Und natürlich bin ich in der Schule der "Bestimmer" und leite die Schüler an, einfach auch, weil ich die Verantwortung trage, aber: ich bin mit Sicherheit nicht "besser" als die Kinder!

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Wieder was Passendes gefunden...

    herzlichen Glückwunsch.


    Ich kann den Artikel nicht lesen, müsste dafür irgendwas runterladen. Aber ich bin sicher: wenn einer mit einzelnen psychisch Kranken in seiner Praxis arbeitet, hat er bestimmt die ganze Gesellschaft im Blick.


    Was ist eigentlich mit dem Problem der fehlenden Azubis? Sind die alle nur unhöflich und undiszipliniert, weil alle Grundschullehrer und Eltern alles falsch machen? Ach nee, da gibt's ja ganz andere Missstände:


    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=394698

  • oder der weiterführenden Schule

    Vor allem sollen mir die ganzen Verfechter dieses entdeckenden Lernens mal erkllären, wie man das in der Realität umsetzen soll. Ich bin als normaler Lehrer nicht so genial, daß ich die Probleme, für dessen Lösung Wissenschaftler ihr ganzes Leben aufgewendet und den Nobelpreis bekommen haben, so aufbereiten kann, daß Schüler binnen 15 Minuten die Lösung selber erkennen und anwenden können.


    Außerdem ist es bei mir in vielen Feldern so, daß man bestimmte Fehler nur einmal macht, weil man sie nicht überlebt. Da kann ich die Schüler doch nicht entdeckend in die Falle laufen lassen, auch wenn die Seminarleiter oder sonst wer das so sehen wollen.
    Bsp.: Sicherheitsregeln beim Arbeiten an Elektroanlagen. Der Stromschlag könnte durchaus tödlich sein.

  • Dieses Ding ... man kann alles, wenn man nur will ... das geht mir echt entsetzlich auf die Nerven weil es halt einfach gelogen ist.

    Also ich stehe hinter dem Satz: "Man kann alles, wenn man nur will." Aber man sollte ihn dahingehend erweitern, daß der Wille dann auch dazu führen muß, daß man entsprechend in die Matherie einsteigt. Vom Willen alleine kommt man nicht zur Lösung. Niemand kann mit dem bloßen Willen ein Flugzeug fliegen. Aber wenn der Wille dazu führt, daß man in die Flugschule geht, oder in einen Verein, weil dort die Ausbildung mittels Arbeitsstunden abgegolten wird, dann kann man mit dem Willen schon alles erreichen.


    Nur welcher Schüler hat schon wirklich den Willen, um das Erreichen eines Ziels willens, sich wirklich 2 oder gar 3 Jahre regelmäßig ins Zeug zu legen?

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