Neues von den Inklusions-Apologeten: Auf den Lehrer kommt es an!

  • ...Ich stimmte mit Dir überein: Die Idee, wie Du sie im letzten Absatz des Zitats schilderst, stimmt so nicht mit den Gegebenheiten in unserer Gesellschaft überein. Trotzdem bin ich von der Dreigliedrigkeit unseres Schulsystems überzeugt. Ich unterrichte an einem Gymnasium und für mich ist und bleibt das eine Leistungsschule deren primäre Aufgabe es ist, auf die allgemeine Hochschulreife vorzubereiten. ..

    Du hast ja Recht, genau das ist auch aktuell die Aufgabe von GymnasiallehrerInnen. Deswegen frage ich (bzw. der Artikel im Ausgangspost): was müssen wir tun, damit möglichst alle Kinder möglichst lange zusammen zur Schule gehen können, an der Gesellschaft teilhaben können, so wie es sich die UN vorstellt?


    Vielleicht wäre ein 2- oder 3-jähriger Vorbereitungskurs auf die Uni sinnvoll? Wissenschaftliches Arbeiten in all seinen Facetten für die, die tatsächlich studieren wollen. Was muss schon in Klasse 3 entschieden werden, wer welche Beruflaufbahn nimmt?

  • Wer sagt denn, dass es überhaupt Ziel ist, dass "Kinder möglichst lange zusammen zur Schule gehen" sollen? Es gibt durchaus Kinder, die einen gewissen Wissensdurst haben und diese freuen sich natürlich darauf, auf das Gymnasium gehen und entsprechend gefordert werden zu können. Auf der anderen Seite gibt es Schüler, die bereits zu Beginn ihrer Schulkarriere mit Überforderung durch Qualität und Quantität des Stoffes zu kämpfen haben (vermutlich eher deine Klientel) und die sind natürlich dankbar, wenn etwas Tempo aus dem Schulalltag herausgenommen wird. Aber das ist wohl eine Grundsatzdebatte "Gesamt- vs. mehrgliedriges Schulsystem", bei der die Fronten entsprechend verhärtet sind wie bei "Förderschule ja/nein".
    Selbst wenn man mal die fachlichen Anforderungen herausnimmt und es auf die sozialen Aspekte beschränkt: Was ist so schlimm an einem gegliederten Schulsystem? Man muss ja nicht auf Teufel komm raus jahrelang mit den selben Leuten gleichzeitig beschult werden. Das ist für jüngere Schüler (also Grundschulalter) wichtig, aber mit der Zeit erweitert sich eh der Kosmos der jungen Menschen und sie knüpfen auch außerhalb der eigenen Klasse Freundschaften. Es ist ja nicht so, als ob Kinder plötzlich nicht mehr miteinander befreundet sind, nur weil Kind A auf die Realschule und Kind B auf die Hauptschule geht.
    Lange Beschulung hat auch nichts mit "an der Gesellschaft teilhaben" zu tun. Es gibt genug Schüler, die es einfach nicht so mit lernen haben und die froh sind, wenn die Schule rum ist und sie in einem Beruf praktisch arbeiten können. Sind die dann nicht Teil der Gesellschaft?


    Gibt es denn so viele Schüler, die in der Sek I plötzlich eine 180 Grad-Drehung machen und vom 3er- zum Musterschüler werden? Das dürfte eher die Ausnahme sein. Und selbst für diese bietet das Schulsystem genug Möglichkeiten, doch noch zu höherer Bildung zu kommen. Die Entscheidung für die weiterführende Schulform begründet sich ja nicht durch das Ergebnis eines einzelnen Tests, sondern ist auf Basis verschiedener Faktoren über 4 Jahre hinweg und dadurch durchaus repräsentativ.

    Einmal editiert, zuletzt von Lindbergh ()

  • Was muss schon in Klasse 3 entschieden werden, wer welche Beruflaufbahn nimmt?

    Je früher man die Guten gezielt in eine leistungsförderliche Umgebung bringt, desto stärker können sie ihr Potential ausnutzen. Im Sport wird das schon lange so gemacht, dass man gezielt junge Talente in Stützpunkten ausbildet und dort eben auch entsprechend fordert und fördert. Mal ganz ehrlich, ein Sportler wird nicht Bundesliga spielen, wenn er den größten Teil seiner Jugend nur mit mittelklassigen Jugendlichen spielt / trainiert.
    Und wenn man eben wirklich gute Studenten, Professoren, Wissenschaftler usw. haben möchte, dann macht es Sinn, dass die potentiellen Kandidaten möglichst in jungen Jahren, während der sensiblen Phasen (!), schon zusammengeführt werden. Das ermöglicht dann ein schnelleres Lerntempo zu fahren (man muss ja nicht so viel doppelt erklären, kann einen höheren Abstraktionsgrad wählen usw.), größere kognitive Anreize zu schaffen und natürlich auch ein höheres Niveau zu erreichen. Natürlich muss so ein System in beide Richtungen durchlässig sein, aber je eher man die Guten auch wirklich zusammenstecken kann, desto besser.
    Ein gutes Beispiel habe ich gerade in der Klasse sitzen, das Mädel ist extrem begabt (Hochbegabungstests laufen) und hat aber nie wirklich gelernt zu lernen. Warum nicht? Weil sie sich in der Grundschule mega gelangweilt hat, weil die Klassenkameraden so schlecht waren und sie immer alles gleich verstand. Trotz Differenzierungsversuchen der Lehrerinnen (kein Vorwurf) war das Niveau einfach zu niedrig um sie zu fordern, weil der Rest der Klasse eben auch sehr viele Schlechte enthielt. Sie übersprang dann eine Klassenstufe und danach wurde es wohl geringfügig besser.
    Wenn ich mir vorstelle dieses Mädchen wäre nicht ans Gymnasium gekommen sondern müsste bis zur 6. Klasse mit den ganzen Hauptschülern zusammen unterrichtet werden, na dann gute Nacht!

  • Gibt es denn so viele Schüler, die in der Sek I plötzlich eine 180 Grad-Drehung machen und vom 3er- zum Musterschüler werden? Das dürfte eher die Ausnahme sein.

    Keine Ausnahme, im Gegenteil. Meiner Meinung nach sogar eher die Regel.
    Allerdings nicht in der von dir genannten Richtung.
    An der Hauptschule machen viele Schüler in der Sek1 plötzlich eine 180°-Drehung vom passablen Schüler zum Schulversager mit der Begründung:
    "Was wollen Sie von mir - ich kapiere das sowieso nicht - ich bin doch Hauptschüler".


    Ich rede hier nicht einer "Gesamtschule" das Wort, in der ein Lehrer alle Niveaus von der geistigen Behinderung bis zur Hochbegabtenförderung in einer Klasse zu leisten hat. Dass unser fünf-gliedriges Schulsystem der Weisheit letzter Schluss sein soll, sehe ich auch nicht - im Gegenteil.
    Eine Separierung, die "Self-fullfilling-prophecies" erzeugt und die Fähigkeiten der Kinder nicht fördert, ist eine Katastrophe.


    Waldorfschulen sind ein Beispiel dafür, dass eine gemeinsame Beschulung funktionieren kann und begabten Schülern durchaus den Weg zum Abitur und Studium ermöglicht. Da ich kein Freund der (bei vielen Waldorfschulen) implementierten Ideologie bin, kann diese Schulart imho jedoch niemals eine Blaupause für ein öffentlich-rechtliches System darstellen. Das pädagogisch-organisatorische Prinzip der Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg könnte sich zu einer Alternative entwickeln - so man diese mit Ressourcen ausstattet, die einem modernen Bildungssystem angemessen sind.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Vielleicht wäre ein 2- oder 3-jähriger Vorbereitungskurs auf die Uni sinnvoll? Wissenschaftliches Arbeiten in all seinen Facetten für die, die tatsächlich studieren wollen. Was muss schon in Klasse 3 entschieden werden, wer welche Beruflaufbahn nimmt?

    Das nennt sich "gymnasiale Oberstufe" oder auch "Einführungs- und Qualifikationsphase". ;)


    À+

  • Je früher man die Guten gezielt in eine leistungsförderliche Umgebung bringt, desto stärker können sie ihr Potential ausnutzen.

    Dass hierfür eine Selektion nach der vierten Klasse nötig ist, meinen aber nun Mal fast nur die Deutschen. In den meisten Ländern gehen die Schüler entweder die gesamte Schulzeit gemeinsam in die Schule oder werden erst wesentlich später getrennt. Ein kleiner Blick über den Tellerrand kann manchmal nicht schaden.
    Es liegt einzig am Unterricht, ob Schüler ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Nicht an der äußeren Differenzierung. Auch Montessori-Schulen unterrichten alle Schüler gemeinsam und deren Schüler erzielen gute Leistungen. Ich selber habe die letzten Jahre an einer internationalen Schule gearbeitet, die angelehnt an das amerikanische Schulsystem ebenfalls eingliedrig war. Die Herausforderung ist es, alle Schüler zu fordern und zu fördern. Und es dort gab keine Schüler, die sich über mangelnde Herausforderung beklagten.
    Und der Vergleich mit Fußballspielern hinkt gewaltig. Der Trainer des kleinen Fußballvereins um die Ecke hat vielleicht mal in der Jugend selber ein wenig gespielt und trainiert nun ein paar lokale Spieler. Was ja auch okay ist, aber für wirkliche Talente aufgrund seines mangelnden Wissens und Könnens sicherlich nicht ausreicht. Im Gegensatz zu Trainern, die dies ehrenamtlich in ihrer Freizeit machen, sind Lehrer für ihre Arbeit ausgebildet (ebenso wie Trainer, die Jugendliche auf eine Bundesligakarriere vorbereiten).

  • Immer wird das berufliche Schulwesen vergessen, wo Schüler von der Hauptschule auch das Abitur erreichen können.


    Und ich bin Verfechter des dreigliedrigen Schulsystems; sowohl als Lehrer als auch als Vater. Und glücklicherweise ist das Gymnasium eine Grenze, an die sich auch grüne Politiker nicht herantrauen.


    Allerdings, wenn man das Gymnasium nicht als Institution abschaffen kann, dann muss man es von innen verändern. Und die Veränderungen der Bildungspläne und der weiteren Reformen zielen leider daraufhin. Ich kann nur hoffen, dass der Widerstand der Gymnasialkollegen gegen eine Schwächung des Niveaus nicht bröckelt. Es gäbe für mich kein größerer Gau im deutschen Schulwesen, als wenn das Gymnasium seinen guten Ruf verlieren würde.

  • Es liegt einzig am Unterricht, ob Schüler ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Nicht an der äußeren Differenzierung. ... Ich selber habe die letzten Jahre an einer internationalen Schule gearbeitet, die angelehnt an das amerikanische Schulsystem ebenfalls eingliedrig war. Die Herausforderung ist es, alle Schüler zu fordern und zu fördern.

    Es liegt also nur am Unterricht und nicht an der äußeren Differenzierung?


    Dass gerade "Internationale Schulen" als Privatschulen Schulgebühren von bis zu 1000€ PRO MONAT nehmen, ist natürlich keine Selektion..


    Und wenn einer Schule effektiv dreimal soviel Geld pro Schüler zur Verfügung steht wie einer öffentlichen Schule (Ersatzschulen bekommen vom Staat bekanntermaßen 90% der durchschnittlichen Kosten eines Schülers auf öffentlichen Schulen erstattet), lässt es sich sicherlich viel entspannter "fordern und fördern"...


    Liegt alles immer nur am Lehrer, klar...


    Allerdings, wenn man das Gymnasium nicht als Institution abschaffen kann, dann muss man es von innen verändern. Und die Veränderungen der Bildungspläne und der weiteren Reformen zielen leider daraufhin. Ich kann nur hoffen, dass der Widerstand der Gymnasialkollegen gegen eine Schwächung des Niveaus nicht bröckelt. Es gäbe für mich kein größerer Gau im deutschen Schulwesen, als wenn das Gymnasium seinen guten Ruf verlieren würde.

    Überall wo Rot-Grün an der Regierung ist, geschieht doch genau das: Absenkung der Bildungsstandards, Zugang zum Gymnasium ohne Schullaufbahnempfehlung, ggf. Abschaffung des Sitzenbleibens. Wenn man das Gymnasium schon nicht abschaffen kann, macht man es einfach zur neuen Gesamtschule. Die Privatschulen wird es freuen. Und wer sich dann die bis zu 1000 Euro pro Monat nicht leisten kann (s.o.), der ist selber schuld.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • An der Hauptschule machen viele Schüler in der Sek1 plötzlich eine 180°-Drehung vom passablen Schüler zum Schulversager mit der Begründung:"Was wollen Sie von mir - ich kapiere das sowieso nicht - ich bin doch Hauptschüler".

    Dann sehe ich das Problem aber an anderer Stelle, nämlich vor allem bei den Hauptschullehrern, teilweise auch bei den abgebenden Grundschullehrern. Ich vermute, dass diesen Schülern gar nicht klar ist, was es überhaupt mit dem gegliederten Schulsystem auf sich hat, nämlich dass es nicht um die Bewertung der Person geht, sondern dass die Einteilung entsprechend Leistungsfähigkeit und -bereitschaft erfolgt und als Ziel die bestmögliche Förderung und Forderung zwecks der bereits vorhandenen kognitiven Ressourcen hat. Forderung heißt dann z.B. in der Hauptschule "Du tust dir vlt. mit X schwer, das trainieren wir dann aber solange, bis du es beherrscht.". Und das muss den Hauptschullehrern klar sein: Das Ziel ist, vom Nichtkönnen zum Können zu kommen und das entsprechend zu kommunieren.


    Klar ist es einfach zu sagen "Ich bin doch Hauptschüler", aber es geht zum einen darum, dass die Schüler ein gewisses Erfolgserlebnis haben (Reduzierung des Unterrichtstempos = Schüler kommt gut mit und kann die Inhalte verinnerlichen = gesichterter Kompetenzaufbau = gute Noten) und im Anschluss die Schüler zu motivieren, in der Schule Gas zu geben, sodass sie im Anschluss an die Schule beruflichen Erfolg haben oder eine höhere Schulform besuchen können. Das muss Hauptschule leisten und dann hat sie auch ihren Zweck innerhalb eines mehrgliedrigen Schulsystems erfüllt.

  • Dieses Argument


    fällt in dem Moment in sich zusammen, wenn man sich mit dem Begriff "peergroup" mal näher auseinandersetzt. Die Wikipedia-Definition lautet: "Als Peergroup (auch Peer-group; englisch peer group, kurz peers, Singular peer, dt: Gleichrangige) bezeichnet man eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Interessen (Soziale Homophilie), Alter, Herkunft oder sozialem Status mit einer wechselseitigen Beziehung zwischen Individuum und Gruppe." Ja nun ... geistig-behinderte und nicht-geistig-behinderte Jugendliche sind eben keine peergroup. Also per Definition und völlig wertfrei sind sie es nicht.


    Wenn man den Artikel weiter liest ...


    Der Begriff Peergroup wird auch gleichbedeutend für „Interessengruppe“ verwendet. Teilnehmer einer Ausbildungs-, Lern- oder Arbeitsgruppe (Peer-Education) werden oft als Peergroup bezeichnet, sie praktizieren das peer learning. Sie können sozial durchaus unterschiedlichen Gruppen angehören, sind aber für eine bestimmte Zeit durch gleiche Interessen miteinander verbunden. In der Lerndidaktik (handlungsorientiertes Lernen) haben Peergroups einen besonderen Stellenwert, weil ähnliche Interessen eine lernfördernde Gruppendynamik erzeugen.


    Die Wikipedia-Definition ist doch auch passend, denn im Unterricht ist ja das Ziel, ein "gemeinsames Interesse" an einem gemeinsamen Lerngegenstand zu wecken, der dann über verschiedene Zugänge und Wege mit unterschiedlichen Zielen erschlossen werden kann. Das "gemeinsame Interesse" aus der Definition ist also in einer Unterrichtssituation gegeben.
    Darüber hinaus können Menschen mit geistiger Behinderung selbstverständlich auch zu einem Freundeskreis als peer group gehören.

  • Das pädagogisch-organisatorische Prinzip der Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg könnte sich zu einer Alternative entwickeln - so man diese mit Ressourcen ausstattet, die einem modernen Bildungssystem angemessen sind.

    Hauptschulen sind (nach den Förderschulen) die zweitteuerste Schulform in Deutschland. Wie wäre es,wenn ihr an den Hauptschulen die überdurchschnittlich vorhandenen finanziellen Mittel erst einmal effizienter nutzt, anstatt noch mehr Geld und eine neue Schulform zu fordern? Eure Probleme liegen sicherlich nicht darin begründet, dass ihr zuwenig "Ressourcen" bekommt...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Was muss schon in Klasse 3 entschieden werden, wer welche Beruflaufbahn nimmt?

    Das ist in der Tat ein Punkt, der mich auch sehr stört. Ich wäre sofort dafür, die Grundschulzeit bundesweit auf 6 Jahre zu verlängern. Ich fände es auch sinnvoll, für alle nach der Sek I noch einmal eine verbindliche Entscheidung zu treffen, wie es weitergehen soll. Am besten sogar an einen erneuten Wechsel des Schulhauses geknüpft, damit eine wirklich bewusste Entscheidung getroffen wird. Weg von diesem ... ach, wo wir schon mal am Gym sind, sitzen wir jetzt halt auch die Oberstufe noch ab. Vielleicht würde das die Abi-Quote wieder auf ein gesünderes Maß nach unten drücken. Aber halt ... das ist ja nicht gewünscht ;)

  • Die Wikipedia-Definition ist doch auch passend, denn im Unterricht ist ja das Ziel, ein "gemeinsames Interesse" an einem gemeinsamen Lerngegenstand zu wecken, der dann über verschiedene Zugänge und Wege mit unterschiedlichen Zielen erschlossen werden kann. Das "gemeinsame Interesse" aus der Definition ist also in einer Unterrichtssituation gegeben.
    Darüber hinaus können Menschen mit geistiger Behinderung selbstverständlich auch zu einem Freundeskreis als peer group gehören.

    Vielleicht liegt es daran, dass Du selbst an einer Grundschule unterrichtest, dass Du an dieser Stelle das Problem nicht erkennst? Jugendliche treten vor allem während der Pubertät in einen sehr ausgeprägten Konkurrenzkampf zueinander. Es geht die ganze Zeit nur noch ums Coolsein, um Statussymbole, um Likes und Levels ... Das "gemeinsame Interesse" ist während dieser Zeit auf gar keinen Fall ein Lerngegenstand im Unterricht ;) Da wird ein Jugendlicher mit geistiger Behinderung im besten Fall wahrscheinlich ignoriert. Mitmachen kann er bei der Show jedenfalls nicht.

  • @Tequila: In Berlin und Brandenburg dauert die Grundschulzeit doch bereits 6 Jahre. Die Kollegen von dort können doch berichten, ob das System dort soviel besser ist. Ein Nachteil der Grundschulzeit nach 6 Jahren, der mir zunächst einfällt, wäre, dass der Schulwechsel mit der Pubertät zusammenfallen würde, was auch für die Kinder eine gleichzeitige doppelte Herausforderung darstellen könnte. Bei dem aktuellen System hätten sie wenigstens die 5. und 6. Klasse, in denen sie sich an das System weiterführende Schule (neue Fächer, neue Lehrer, neue Schule, evtl. auch erste Begegnung mit dem Bus, da die Schule nicht mehr im selben Ort ist) gewöhnen können, ehe die Pubertät kommt. Auf der anderen Seite: Brauchen Lehrer und Schüler wirklich noch einmal 2 weitere Jahre, um zu ermitteln, welche weiterführende Schulform die richtige sein könnte? Nach 4 Jahren Schulerfahrung kann man sein eigenes Lernverhalten doch inzwischen einschätzen: Ob man immer der Erste ist, der fertig ist und dann Zusatz- und Knobelaufgaben bekommt, oder ob man dann doch etwas öfter beim Klassenlehrer um Hilfe fragen muss. Das können die Schule und die Lehrer sollten es durch ihre pädagogische Expertise erst recht können.
    Es gab ja früher mal die Orientierungsstufe, in der die Schüler noch einmal in Klasse 5 und 6 gemeinsam unterrichtet wurden. Anscheinend ist man mit der Zeit davon weggegangen - was warren dafür die Gründe?
    Die Sache mit den getrennten Schulhäusern ist sicher keine schlechte Idee mit dem von dir genannten Hintergrund. Auf der anderen Seite... Ich war in der Sek II in der selbe Schule wie an der Sek I und habe natürlich durchaus davon profitiert, dass ich, im Gegensatz zu den Schülern, die erst neu an die Schule wechselten, schon alles kannte: die räumliche Organisation wie den einen oder anderen Lehrer ;) . War das so schlimm, dass ich mich nicht noch einmal neu orientieren musste? Und ja: Es gibt natürlich die Bequemlichkeitsoberstufenschüler, aber, wenn ich mich richtig erinnere, wird man nicht automatisch in die Oberstufe versetzt, sondern muss sich entsprechend hierfür anmelden. Da macht es ja auch keien Unterschied, ob man das an der eigenen Schule X macht oder an der Schule Y im Nachbarort. Wenn es die besagten Oberstufenschüler bis zum Abitur schaffen sollten, haben sie sich wohl auch das Abitur verdient. Ansonsten müssen die Lehrer die Schüler auch entsprechend benoten, sodass kein Schüler die allgemeine Hochschulreife trotz eigentlicher Unreife erhält ;) .

  • Dann sehe ich das Problem aber an anderer Stelle, nämlich vor allem bei den Hauptschullehrern, teilweise auch bei den abgebenden Grundschullehrern. Ich vermute, dass diesen Schülern gar nicht klar ist, was es überhaupt mit dem gegliederten Schulsystem auf sich hat, nämlich dass es nicht um die Bewertung der Person geht, sondern dass die Einteilung entsprechend Leistungsfähigkeit und -bereitschaft erfolgt und als Ziel die bestmögliche Förderung und Forderung zwecks der bereits vorhandenen kognitiven Ressourcen hat. Forderung heißt dann z.B. in der Hauptschule "Du tust dir vlt. mit X schwer, das trainieren wir dann aber solange, bis du es beherrscht.". Und das muss den Hauptschullehrern klar sein: Das Ziel ist, vom Nichtkönnen zum Können zu kommen und das entsprechend zu kommunieren.
    Klar ist es einfach zu sagen "Ich bin doch Hauptschüler", aber es geht zum einen darum, dass die Schüler ein gewisses Erfolgserlebnis haben (Reduzierung des Unterrichtstempos = Schüler kommt gut mit und kann die Inhalte verinnerlichen = gesichterter Kompetenzaufbau = gute Noten) und im Anschluss die Schüler zu motivieren, in der Schule Gas zu geben, sodass sie im Anschluss an die Schule beruflichen Erfolg haben oder eine höhere Schulform besuchen können. Das muss Hauptschule leisten und dann hat sie auch ihren Zweck innerhalb eines mehrgliedrigen Schulsystems erfüllt.

    Mit dir hatte ich es ja schon mal... Ganz ehrlich. Komm du mal in der Schulwelt an.


    Denkst du, wir Hauptschullehrer (die es in Baden-Württemberg nicht mehr gibt) sind so beschränkt, dass wir Tipps von einem Studenten brauchen wie wir die Schüler anzupacken haben. Ernsthaft?
    An der Werkrealschule und meist auch an der Gemeinschaftsschule sitzen mittlerweile Förderschüler. Eben die Schüler, dir früher an der Förderschule unterrichtet wurden. Man nennt sie auch lernbehindert. Die kommen in Klasse 5 ohne 1x1 an, können nicht lesen und schreiben. Und schaffen dies teilweise auch nicht bis Klasse 9.
    Es geht auch nicht darum dass WIR Ihnen nix beibringen, sondern dass die Schüler nicht wollen. Sie lernen nicht zu rechnen, den Satz des Pythagoras oder die Hauptstädte der Bundesländer. Warum? Weil sie keinen Bock haben. Weil kein Elternhaus hintendran steht und den Schülern auf die Füße tritt, weil die Schüler oftmals massive Probleme haben die es ihnen nicht möglich macht sich auf die Schule zu konzentrieren.


    Sei mir nicht böse, aber das was du so von dir gibst könnte unsere Schulrätin auch so gesagt haben. Theorie ja, der Alltag ist ein anderer.

  • Vielleicht liegt es daran, dass Du selbst an einer Grundschule unterrichtest, dass Du an dieser Stelle das Problem nicht erkennst? Jugendliche treten vor allem während der Pubertät in einen sehr ausgeprägten Konkurrenzkampf zueinander. Es geht die ganze Zeit nur noch ums Coolsein, um Statussymbole, um Likes und Levels ... Das "gemeinsame Interesse" ist während dieser Zeit auf gar keinen Fall ein Lerngegenstand im Unterricht ;) Da wird ein Jugendlicher mit geistiger Behinderung im besten Fall wahrscheinlich ignoriert. Mitmachen kann er bei der Show jedenfalls nicht.

    Ohne Frage, das ist ein Hindernis. Wie ich finde aber nicht unüberwindbar. Dazu kommt, dass es erstmal kein spezifisches Problem der geistigen Behinderung ist, sondern dieser pubertäre Mechanismus wohl in den meisten Klassen irgendeine Gruppe oder eine einzelne Person trifft.


    Achja, es ist tatsächlich so, dass ich eher in Bezug auf die Grundschule argumentiere. Mit den anderen Schulformen kenne ich mich nicht so gut bezüglich des Themas aus, als dass ich mir da ein endgültiges Urteil erlauben will.

  • Lies richtig, dann können wir auch gerne diskutieren. Ich habe vorher geschrieben, dass in den meisten Ländern nicht äußerlich differenziert wird und wenn, dann erst wesentlich später. Aber darauf geht natürlich kein Gymnasiallehrer ein, da dies ja bedeuten könnte, dass es auch anders geht .....

  • Nach 4 Jahren Schulerfahrung kann man sein eigenes Lernverhalten doch inzwischen einschätzen: Ob man immer der Erste ist, der fertig ist und dann Zusatz- und Knobelaufgaben bekommt, oder ob man dann doch etwas öfter beim Klassenlehrer um Hilfe fragen muss. Das können die Schule und die Lehrer sollten es durch ihre pädagogische Expertise erst recht können.

    Die meisten meiner Jugendlichen können ihr eigenes Lernverhalten nach 10 Jahren noch nicht einschätzen ;) Im fraglichen Alter (also Grundschule) ist ein Jahr mehr oder weniger in vielen Fällen ein ganz enormer Unterschied.


    Es haben Dich ja schon wirklich viele hier im Forum drauf hingewiesen: Du hast echt (noch) keine Ahnung von Schule. Also zumindest nicht aus der Lehrerperspektive.

  • @Nordseekrabbe:
    Du hast doch das Beispiel der "Internationalen Schule" gebracht, an der du gearbeitet hättest, und wo das doch alles so wunderbar funktioniert mit dem "Fordern und Fördern".


    Ich zitiere hier einmal von der Webseite der "Frankfurt International School":

    http://www.fis.edu/page.cfm?p=945



    Alleine schon der finanzielle Aufwand, der in solchen "Internationalen Schulen" betrieben wird, verbietet einen Vergleich mit dem öffentlichen Schulsystem -> Deine Erfahrungen sind für öffentliche Schulen in dieser Hinsicht meines Erachtens nach völlig irrelevant.




    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • An der Werkrealschule und meist auch an der Gemeinschaftsschule sitzen mittlerweile Förderschüler. Eben die Schüler, dir früher an der Förderschule unterrichtet wurden. Man nennt sie auch lernbehindert. Die kommen in Klasse 5 ohne 1x1 an, können nicht lesen und schreiben. Und schaffen dies teilweise auch nicht bis Klasse 9.
    Es geht auch nicht darum dass WIR Ihnen nix beibringen, sondern dass die Schüler nicht wollen.

    Genau... und die Typen landen dann, wenn sie bei Euch durch sind bei mir im BVJ, BGJ, AV oder wie immer man das Kind auch nennen mag und sitzen da mehr oder minder ihre Schulpflicht ab. Am Ende müssen wir uns dann rechtfertigen, warum von einer ganzen Klasse an der Stelle nicht einer die FOR attestiert bekommt.


    In NRW in der AV-Klasse, in der solche Schüler ihre Schulpflicht absitzen, sieht es mituner so aus, daß von 30 Schülern jeden Tag nur 5 da sind. Aber glaubt nicht, daß zur 4. Stunde die gleichen 5 Schüler anwemsend sind, die auch morgens zur 1. Stunde da waren. Das sind wieder andere. Nicht umsonst haben unsere Klassenbücher vorne bei der Anwesenheit schon Felder für jede einzelne Stunde und ich muß zu jeder Stunde erneut die Anwesenheit feststellen. Einfach durchzuzählen und mit den Einträgen der vorherigen Stunde zu vergleichen reicht nicht.


    Vielleicht wär es sinnvoller die Schüler auf den Fußballplatz zu schicken und wenn sie dann doch mal mitbekommen haben, daß es Sinn macht sich für irgendetwas aufzuraffen, erst mit dem Unterrichten anzufangen. Also wenn sie dann irgendwann Mitte 20 sind und ihre Freunde dann das erste eigene Auto haben oder der Bausparvertrag ausgezahlt wird und diese ausziehen, während sie selber immer noch schwarz mit der Bahn fahren und bei Muttern rumsitzen.

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