Hallo zusammen,
gleich vorne weg: es geht mir in diesem Thema nicht darum, ob man persönlich Nachteilsausgleich für eine gute oder schlechte Sache hält.
Es soll darum gehen zu beurteilen, ob oder inwiefern Nachteilsausgleich widersprüchlich zum Schulsystem ist.
Was mich irritiert:
Es gibt verschiedene Schularten mit verschiedenen Abschlüssen. Abgesehen von unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten, wie altsprachliches Gymnasium oder berufsbezogenheit, ist es vor allem das "Niveau"/"Schwierigkeit", wie auch immer man das nennen will, das sie unterscheidet. Man spricht von "höheren" oder "niedrigeren" Bildungsabschlüssen. Salopp gesagt: Wer heutzutage kann, der macht Abi, alle anderen eben den ihnen möglichen höchsten Abschluss. Bei manchen "reicht" es dann "nur" zur Hauptschule oder Sonderschule. Soweit zur Bestandsaufnahme.
Grundsätzlich gibt es an allen Schulen für Lehrer die Möglichkeit, einzelne Schüler individuell zu fördern. Bei manchen Schulen mehr, auch mit Sozialarbeitern, Nachhilfe usw., bei manchen weniger.
Nun gibt es den sog. "Nachteilsausgleich": die Leistungsmessung für einzelnen Schülern wird abgeändert, nicht nur bei Klassenarbeiten, sondern auch bei Prüfungen (mehr Zeit, andere/mehr Hilfsmittel, textoptimierte Aufgaben usw.).
Etw. pointiert ausgedrückt: "Für manche ist die Prüfung aus bestimmten Gründen zu schwer, daher machen wir es ihnen ein bisschen leichter!" Ist das die Maxime des Nachteilsausgleichs?
Aus der B.-W. Verwaltungsvorschrift zum Thema:
"Die Chancengleichheit ist eine Ausformung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich"). Dieser Satz verlangt nicht, bei allen Menschen die gleichen Handlungsmuster anzulegen. Der Gleichheitssatz bedeutet vielmehr, dass die Menschen vor dem Gesetz nach den gleichen Maximen zu behandeln sind, dass also Lebenssachverhalte, die von ihrem Wesen her gleich sind, auch rechtlich gleichgestellt werden müssen; der Gleichheitssatz bedeutet aber auch umgekehrt, dass bei Lebenssachverhalten, die von ihrem Wesen her ungleich sind, von Rechts wegen zu differenzieren ist. Insofern kann es auch rechtlich geboten sein, Nachteile von Schülern mit besonderem Förderbedarf oder mit Behinderungen auszugleichen.
Dieser auf dem Gleichheitssatz beruhende Anspruch zur Differenzierung muss aber - wiederum aus Gründen der Gleichbehandlung aller Schüler - eine Grenze finden: Die Anforderungen in der Sache selbst dürfen nicht eigens für einzelne Schüler herabgesetzt werden. Die Hilfestellungen für den Schüler ebnen ihm also Wege zu dem schulartgemäßen Niveau; dieses Niveau dann zu erreichen, kann aber auch Schülern mit besonderem Förderbedarf oder Behinderungen nicht erlassen werden.
Der Nachteilsausgleich für Schüler mit besonderem Förderbedarf oder für behinderte Schüler lässt daher das Anforderungsprofil unberührt und bezieht sich auf Hilfen, mit denen die Schüler in die Lage versetzt werden, diesem zu entsprechen. Die Art und Weise solcher Hilfen hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Zum einen können die allgemeinen Rahmenbedingungen auf die besonderen Probleme einzelner Schüler Rücksicht nehmen. Daneben sind auch besondere, nur auf einzelne Schüler bezogene Maßnahmen des Nachteilsausgleichs möglich, insbesondere durch eine Anpassung der Arbeitszeit oder durch die Nutzung von besonderen technischen oder didaktisch- methodischen Hilfen. Auch ist es möglich, die Gewichtung der schriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungen im Einzelfall anzupassen; allerdings muss jede dieser Leistungsarten eine hinreichende Gewichtung behalten. Im Rahmen des Nachteilsausgleiches ist es insoweit auch möglich von den äußeren Rahmenbedingungen einer Prüfung abzuweichen." (http://www.landesrecht-bw.de/j…bsbawueprod.psml&max=true)
Da dreht's mir beim Lesen mind. drei Mal den Kopf um. Mir erscheint das als einziger Widerspruch in sich. Wie seht Ihr das?
(Es sei nochmal daran erinnert, dass es nicht um die persönliche Meinung geht, sondern um die Beurteilung des Nachteilsausgleich in Bezug auf das Schulsystem)
Liebe Grüße