Was tun gegen Ferienreife und alles zu persönlich nehmen auf allen Seiten?

  • Ihr Lieben,
    ich muss zugeben, dass mein erster Post gleich mit Frust beginnt, aber dann haben wir es weg - hoffentlich! :)


    Ich bin nun im dritten Jahr nach dem Ref und bemerke nun auch zum zweiten Mal, wie "ferienreif" die Kollegen inklusive mir, sind. Man wird gereizter, nimmt Dinge persönlich, fängt an zu schludern...habt ihr Tipps für mich, wie ich diesem "Luftraus" Phänomen, dass sich wohl nun jährlich einstellt (basierend auf Gesprächen mit Kollegen) entgegen treten kann? Die ganz alteingesessenen Kolleginnen haben mir ernsthaft geraten, während des Jahres besser mit meiner Energie zu haushalten, indem ich mich lieber länger als nötig erholen soll in der Krankheitswelle, aber das kann es nicht sein. (Es erklärt aber, warum ich seit November so viel vertreten durfte...nett.)


    Gibt es da überhaupt spezielle Ratschläge oder hat das was mit der persönlichen work-life-Balance zu tun?
    Ich bilde mir ein, ein Kollege zu sein, der sich gerne engagiert, weil mir Vieles doch Spaß macht, auch wenn man es nicht mit der Stechuhr abrechnen kann. Umso mehr ärgern mich dann Situationen, in denen ich ungerechtfertigt für Schiefgelaufenes von der Sekretärin angemacht werde, weil diese dies als persönlichen Angriff wertete. Dazu muss ich sagen, dass ich eigentlich ein gutes Verhältnis zur Schulleitung und Sekretärin habe und z.B. bewusst nach 1 Jahr die Schule wechselte, weil mir das alte Kollegium zu kalt war. Diese persönliche Situation spielt sicherlich auch mit hinein, warum ich gerade sehr ungern zur Schule gehe. In meinen Klassen klappt alles, da arbeite ich gerne, und mit den Kollegen auch, aber da man sich bei uns morgens bei der Sekretärin "anmeldet", habe ich davor doch leicht Bauschmerzen. Vielleicht habt ihr für diese spezielle Problematik auch einen Tipp?


    Vielen Dank für's Lesen!

    • Offizieller Beitrag

    Mir geht es gerade genauso. In diesem Jahr noch viel schlimmer als in all den Jahren davor.
    Woran das liegt?
    Ich habe mit meiner Energie in diesem Schuljahr viel schlechter hausgehalten als in den vergangenen Jahren. Ich habe mich sehr für Schulentwicklung eingesetzt. Ich habe immer wieder Kollegen geholfen und gegeben und wenig bekommen, d.h. ich musste mein eigenes Zeug zusätzlich machen. (Die Folge ist, dass die Kollegen davon ausgehen, dass man dann auch jederzeit springt und alles weiß und hilft und sie rettet. Habe mich heute sehr unbeliebt gemacht deshalb.) Ich bin schnell wieder arbeiten gegangen, wenn ich krank war mit der Begründung "Ich kann jetzt nicht krank sein, ich muss noch..." Ich bin krank arbeiten gegangen. Und ich habe eine schwierige Klasse. Hinzu kommt, dass meine Arbeit von Seiten der Schulleitung nicht gesehen wird.
    Was ich dir raten kann:
    - Halte mit deinen Kräften besser haus im Laufe des Schuljahres.
    - Kuriere Krankheiten aus. Es dankt dir keiner, wenn du 4 Wochen vor Schuljahresende zusammenbrichst. (Ich meine nicht "krank feiern", sondern eben auskurieren, nicht halb krank wieder arbeiten gehen.)
    - Wenn dich jemand anmacht für Dinge, für die du nichts kannst: "Das liegt leider nicht in meiner Verantwortung. Da ist wohl was schiefgelaufen." - Sag das ruhig so und versuche es nicht persönlich zu nehmen.
    - Schokolade hebt den Serotoninspiegel im Gehirn, das ist unser Glückshormon. Wahlweise Kakao oder Schokoladeneis.
    - Sport, um die Kalorien wieder abzutrainieren (ich bevorzuge bei schönem Wetter die frische Luft und die Sonne).
    - Insgesamt etwas weniger einplanen zum Schuljahresende: Keine groß vorbereiteten kooperativen Lernmethoden, kein Stationslernen, keine individualisierten Wochenpläne. "Nehmt euch euer Arbeitsheft und schaut, welche Seiten noch frei sind bis S. 78. Sucht euch eine aus, die ihr selbstständig lösen könnt! Ihr dürft auch mit einem Partner zusammenarbeiten - denkt aber bitte an die Murmellautstärke." tut es auch - und die Kinder freuen sich da teilweise drüber.
    - Sei gnädiger mit dir selber und werfe dir nicht so viel vor.
    - Denke dran, dass es anderen auch so geht und manche auch deshalb nicht mehr herzlich und warm rüberkommen und vielleicht auch mal motzen.

  • Mache so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Du musst den Job 35-40 Jahre lang machen. Du hast einen Akku und der muss für ein Leben reichen.


    1. Du bist krank? Dann sei krank und bleib daheim.
    2. Du machst vie außerunterrichtliche Dinge? Okay, konzentriere dich auf eins. Ich z.B. gehe auf Stufienfahrten, die ich idR plane. Alles andere außer Unterricht interessiert mich nicht.
    3. Du schreibst doch keine Abschlussprüfungen. Also warum stresst du dich zum Ende des Jahres do sehr? Wir haben Sommer!
    4. Die Sekretärin stresst? Gibts immer wieder. Rechts rein, links raus. Und wenn Sie immer noch stresst, dann ab zum SL.

  • Das "Luft raus" Gefühl am Schuljahresende ist meines Erachtens vielfach "selbst gemacht".
    Die SuS erwarten nichts mehr und bekommen nichts mehr.
    Dann wird Kaffee getrunken, Eis gegessen, irgendwelche Spielstunden gemacht - aber nicht bei mir.


    Mein Rezept: Ich mach Unterricht. Bis zur letzten Minute der letzten Stunde.
    Ich lasse morgen (heute war Zeugniskonferenz) ein Kenntniskontrolle schreiben, die ich auch korrigiere - einfach um zu sehen, was von den Inhalten der letzten Stunde hängen geblieben ist.

  • Erst mal hier lesen und bisschen kichern:
    Ich weiß, dass ich ferienreif bin, wenn...


    Dann lernen, sich von Problemen anderer Leute abzugrenzen. Die Sekretärin meckert? Dann sag ihr, dass du a) nicht für die Situation verantwortlich bist oder b) dass es dir leid tut, dass... es jetzt aber nicht mehr zu ändern ist. Es ist ihre Laune, versuche sie nicht, zu deiner zu machen.


    Und die anderen habens schon erwähnt: der Arbeit nicht mehr Wichtigkeit beimessen, als ihr zusteht. Wenn du Spaß an Projekten hast: Go for it! Erwarte aber nicht, dass diese Begeisterung jeder teilt oder honoriert. Das kann auch frustrieren, aber letztlich muss jeder nach sich und seiner Gesundheit gucken.

  • Hallo zusammen,
    ich danke zunächst für diesen Beitrag! Du redest mir aus der Seele, mir geht es genau so!
    Es ist mein siebtes Jahr nun an der Hauptschule- und der ehemals als Traumberuf definierte Job fängt an, an allen Ressourcen zu nagen.
    Ich möchte diesen Beruf noch viele Jahre machen, daher habe ich beschlossen, ein Sabbat Jahr zu beantragen, auf welches ich mich schon richtig freue. Meine Kollegin, die diesen Sommer in den Ruhestand geht sieht einfach nur super aus. Sie sagte mir, dass sie regelmäßig ein Sabbatjahr eingelegt hat, um sich zu regenerieren. Das sieht man ihr auch an.
    Einfach mal ein Jahr weg und mit neuen Eindrücken zurückkehren. Ich denke so werde ich mit diesem Problem zurecht kommen.


    LG
    Whatsup

  • Danke für eure schnellen und erleichternden Antworten! Es tut gerade sehr gut zu wissen, dass ich gar nicht alleine damit bin. :)



    3. Du schreibst doch keine Abschlussprüfungen. Also warum stresst du dich zum Ende des Jahres do sehr? Wir haben Sommer!

    Weil es noch so viel Unbearbeitetes gibt stofflich. Aber ich weiß ja auch, dass ich so effizient wie möglich gearbeitet hatte und dass an einer Schule mit schwieriger Schülerschaft manchmal andere Dinge bearbeitet werden müssen, bevor Lernen möglich ist. Dennoch wurmt mich das sehr.


    Zur Sekretärin: die SL hat ihr alles organisatorische und logistische Wissen zu verdanken, zwischen die passt keine Meinungsverschiedenheit meinerseits und der Sekretärin. :/


    Das "Luft raus" Gefühl am Schuljahresende ist meines Erachtens vielfach "selbst gemacht".
    Die SuS erwarten nichts mehr und bekommen nichts mehr.
    Dann wird Kaffee getrunken, Eis gegessen, irgendwelche Spielstunden gemacht - aber nicht bei mir.

    Ganz im Gegenteil: die Kinder stöhnen, weil sie jetzt immer noch so viel machen müssen. Ich habe sie zwar mittlerweile so erzogen, dass sie das nicht mehr laut und vor mir machen, aber die Blicke zeige, dass sie auch durch sind. Wie gesagt, mit meinen Klassen läuft es echt gut, auch wenn bei denen teils die Luft raus ist. Was mir Bauchschmerzen bereitet sind wirklich die ferienreifen Erwachsenen. :)


    Erst mal hier lesen und bisschen kichern:
    Ich weiß, dass ich ferienreif bin, wenn...

    Das ist wirklich lustig!

  • ...die Schule wechselte, weil mir das alte Kollegium zu kalt war.

    Wenn du ein menschlich "warmes" Kollegium haben willst, musst du wohl damit leben, dass es ab und zu mal "menschelt".
    Hast du ein professionell-distanziertes Kollegium wird es auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen eher weniger "menscheln".

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • dafür ist es die restliche zeit furchtbar. und dass es da weniger menschelt, halte ich für ein gerücht. es wird höchstens nicht so offen und direkt ausgetragen. muss man mögen...

  • Wahlweise helfen auch Ereignisse, die einem vor Augen führen, wie kurz das Leben sein kann...


    Ein Kollege, Anfang 60, ist vor drei Wochen in Reha. Heute erfahren wir, dass er verstorben ist.


    Ich selbst bin mal ganz knapp einem Frontalcrash, beide Autos gut mit 100 Sachen unterwegs, entgangen...


    Da überlegt man sich, über was man sich aufregen muss und was nicht...

  • Mir geht es ähnlich wie MrsPace.
    Habe einen sehr schweren, gesundheitlichen Schicksalsschlag erleben müssen. Um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, genesen zu können, hört man von ganz alleine auf, sich so zu stressen wie Du!


    Eine gehörige Portion Gleichgültigkeit (nicht zu verwechseln mit Interessenlosigkeit) und das Konzentrieren auf ein Gut, das im Leben unbezahlbar ist - die Gesundheit- sind das, was mich den Alltag ohne Kollateralschaden überstehen lassen.


    Und manchmal wundere ich mich, warum ich das nicht schon früher erkannt habe!


    Take it easy - life is too short!

    • Offizieller Beitrag

    die übliche Wuseligkeit am Schulajhresende oder vor Weihnachten nervt mich nicht mehr, siet ich mir sage:
    Das war bislang jedes Jahr so, und IMMER hat dann doch alles geklappt.
    Jedes Jahr werden Zeugnisse geschrieben und pünktlich ausgeteilt.
    Jedes Jahr wird der Stoff geschafft (zumindest im großen und Ganzen, ist ne Frage der Planung unterm Schuljahr)
    Jedes Jahr hat jeder in der sehr großen Familie von mir seine Weihnachtsgeschenke bekommen
    Jedes Jahr.....


    gewisse Chaoszeiten gehören zu den meisten Berufen.
    Die kennt man nach einiger Zeit, und sich klarzumachen, dass trotzdem immer alles geklappt hat, finde ich beruhigend.
    Die Welt dreht sich tatsächlich weiter!


    Was mir übrigens außer einer guten Alltags-Organisisation, die ich jedes Jahr immer noch gerne optimiere, sehr geholfen hat:


    sich einfach mal zu sagen:


    "Nö. Ich will mich jetzt nicht ärgern."


    Klingt völlig bescheuert, hilft mir aber super!!

  • ...
    Ich bilde mir ein, ein Kollege zu sein, der sich gerne engagiert, weil mir Vieles doch Spaß macht, auch wenn man es nicht mit der Stechuhr abrechnen kann. Umso mehr ärgern mich dann Situationen, in denen ich ungerechtfertigt für Schiefgelaufenes von der Sekretärin angemacht werde, weil diese dies als persönlichen Angriff wertete. ...

    Wenn der TE ihre Arbeit Spaß macht, warum sollte sie dann ihrer Gesundheit zuliebe kürzer treten?


    Ich finde diese Nullbockhaltung mancher Kollegen zum Beispiel sehr hemmend und frustrierend. Wenn mir die Arbeit und die Kinder nicht wichtig wären, würde ich mir eine andere Stelle suchen. Deswegen muss ich noch lange nicht überarbeitet sein. Es gibt übrigens auch Boreout, nur mal so...


    Das Schwierige ist doch oft eher das Zwischenmenschliche. Konflikte konstruktiv austragen vs. Persönlichnehmen vs. jeder kocht sein eigenes Süppchen vs. Missgunst...

  • Wenn der TE ihre Arbeit Spaß macht, warum sollte sie dann ihrer Gesundheit zuliebe kürzer treten?
    Ich finde diese Nullbockhaltung mancher Kollegen zum Beispiel sehr hemmend und frustrierend. Wenn mir die Arbeit und die Kinder nicht wichtig wären, würde ich mir eine andere Stelle suchen. Deswegen muss ich noch lange nicht überarbeitet sein. Es gibt übrigens auch Boreout, nur mal so...


    Das Schwierige ist doch oft eher das Zwischenmenschliche. Konflikte konstruktiv austragen vs. Persönlichnehmen vs. jeder kocht sein eigenes Süppchen vs. Missgunst...

    Danke. Ich glaube, hier haben einige viel zu sehr reininterpretiert.

  • Ich habe früher oft die Wochen bis zu den Ferien gezählt und war doch ziemlich groggy. Inzwischen habe ich alles besser im Griff, freue mich zwar auch, wenn Ferien sind, habe aber nicht mehr das Gefühl, sonst zusammenbrechen zu müssen.


    Definitiv ist es ein Stressfaktor, wenn man alles persönlich nimmt. Das habe ich mir mehr oder weniger abgewöhnt. Ich ärgere mich vielleicht - aber es gibt auch beim Sichärgern unterschiedliche Tiefen, sozusagen. Auf beruflicher Ebene ist Ärger eben beruflicher Ärger und nicht persönlicher, der einen wirklich ankratzt. Aber dafür braucht es wohl ein paar Jahre Routine. Obwohl ich auch alteingesessene Kollegen erlebe, die sich über jeden Blödsinn aufregen können, wirklich, über die sprichwörtliche Fliege an der Wand. Denen ist wohl nicht zu helfen.


    Und ja: Sport und Draußensein sind natürlich wichtig für das Nervenkostüm. Und das das ganze Jahr über.

  • Zwar etwas pauschal und evtl auch nicht so hilfreich, aber man muss sich immer wieder klar machen, dass der Beruf Lehrer auch nur ein Beruf ist und so sehr man Idealist ist und den SuS helfen will, man einfach auf sich achten muss. Heißt sich feste Arbeitszeiten zu definieren und wenn die Stunde dann vlt nicht 100 % so vorbereitet ist wie man das gern hätte, es auch einfach mal gut sein lässt. Die perfekte Stunde gibt es nicht! Und vor allem bringt es niemanden was, wenn man mit seinem Idealismus und Engagement irgendwann so durch ist, dass man gar nicht mehr unterrichten kann. Daher so viel wie nötig, aber nicht mehr. Ja das ist gerade am Anfang mit all seinen Vorstellungen von gutem Unterricht schwierig, aber noch schwieriger wird es, wenn man sich aufarbeitet.

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