Vertretung durch Studenten im Praktium

  • Hallo Forum,


    ich habe mich neulich mit einigen Kommilitonen über die Praktika und ihre Inhalte unterhalten. Dabei haben wir festgesellt, dass unsere Praktika bisher recht unterschiedlich verlaufen sind. Meine Kommilitonen haben schon um ein Vielfaches mehr unterrichtet als ich. Ursächlich ist, dass sie oft als Vertretung in Klassen eingesetzt worden sind, weil sie keinen Mentor hatten (Klassenfahrt, Fortbildung, ...) oder, weil der Mentor das so wollte. Das heißt, sie haben über Wochen eigenverantwortlichen Unterricht gegeben, ohne, dass sie jemand dabei betreut hat. Ich war darüber recht erschrocken, weil ich dachte, dass ist nicht erlaubt bzw. nicht Sinn dieser ersten Praktika.
    In meinen Praktika hingegen habe viel hospitiert, mit den Lehrern über Fachliches und Schulisches gesprochen, war in den Klassen 1-10 zu Besuch, habe einen Ausflug begleitet, habe CM kennengelernt, habe einen Inklusionsschüler betreut, durfte Arbeiten korrigieren (und habe festgestellt, wie verdammt anstrengend das ist ^^), habe Teilstunden übernommen und natürlich auch ein paar ganze Stunden abgehalten. Jeweils mit intensiver Vor-und Nachbetreuung. Jetzt fühle ich mich schon ein wenig doof, weil ich so wenig unterrichtet habe ...


    Jetzt habe ich zwei Fragen:


    Wie findet ihr es so, dass Studenten im Praktikum vollständig eigenständig unterrichten?


    Normalerweise darf man doch eine Vertretungsstelle außerhalb eines Praktikums erst mit dem 1. Staatsexamen oder einem Masterabschluss annehmen, oder?

  • Wir findet ihr es so, dass Studenten im Praktikum vollständig eigenständig unterrichten?

    Nicht gut. So wie es dort geschildert ist, wird es auch nie passiert sein. Die erzählen irgendwelche Märchen. Das wird keine Schule machen.


    Normalerweise darf man doch eine Vertretungsstelle außerhalb eines Praktikums erst mit dem 1. Staatsexamen oder einem Maserabschluss annehmen, oder?

    Gibt keine festen Regelungen.


  • Normalerweise darf man doch eine Vertretungsstelle außerhalb eines Praktikums erst mit dem 1. Staatsexamen oder einem Maserabschluss annehmen, oder?

    Wie kommst du denn darauf. Dann wäre das Schulsystem in Berlin schon zusammen gebrochen, denn die meisten PKB-Kräfte haben dies nicht.

  • Nicht gut. So wie es dort geschildert ist, wird es auch nie passiert sein. Die erzählen irgendwelche Märchen. Das wird keine Schule machen.

    Wieso sollte dies nicht passiert sein, das passiert sogar sehr häufig, dass die so genutzt werden. Einzig und alleine die Frage der Haftung und der Aufsichtspflicht wird dann etwas heikel.

  • Normalerweise darf man doch eine Vertretungsstelle außerhalb eines Praktikums erst mit dem 1. Staatsexamen oder einem Maserabschluss annehmen, oder?

    Da ich selbst noch vor meinem 1. Staatsexamen (wenn auch gegen Ende des Hauptstudiums) mit einem TV-H-Vertrag (hessische Version vom TV-L) unterrichtet habe, und zwar unter anderem ein ganzes Schuljahr in der Oberstufe (dort nur Einführungsphase) sowie ein halbes Jahr in Unter- und Mittelstufe, würde ich dem widersprechen. Damit bin ich auch kein Einzelfall, da kenne ich mehrere, wobei das tatsächlich in allen Fällen erst im Hauptstudium passiert ist. Im Unterricht besucht wurde ich dabei von der Schulleitung tatsächlich nur ein einziges Mal. Fairerweise muss man dazusagen, dass die Oberstufengeschichte auch an meiner ehemaligen Schule war, an der mich noch relativ viele Kollegen kannten.


    Die Sache mit den Praktikanten ist aber etwas anderes. Sinn eines Schulpraktikums ist natürlich, eigene Unterrichtserfahrung zu sammeln, aber doch bitte mit Rückmeldung durch die betreuenden Lehrkräfte. Dass es sich in einer einzelnen Stunde mal ergibt, dass man kurzfristig allein mit einer Klasse ist - von mir aus. Aber längerfristig, mehrere Wochen lang, geplant? Das ist ein Unding. Ich habe auch schon Praktikanten betreut (der Jüngste war 20, und das im Unterricht der Oberstufe!) und teilweise die gesamte Liste der Anfängerfehler in einer Stunde abgehakt. Wenn ich das mit denen im Anschluss nicht besprochen hätte, wäre die Lerngruppe denen in der nächsten Stunde an die Gurgel gegangen. Allein? Auf gar keinen Fall. Das ist unprofessionell und unfair.

  • Nicht gut. So wie es dort geschildert ist, wird es auch nie passiert sein. Die erzählen irgendwelche Märchen. Das wird keine Schule machen.

    Zumindest in einem Fall habe ich es selbst miterlebt, das ist kein Scherz. Und ich unterstelle meinen anderen Kommilitonen, dass sie darin nicht übertreiben. Warum sollten sie?





    Wie kommst du denn darauf. Dann wäre das Schulsystem in Berlin schon zusammen gebrochen, denn die meisten PKB-Kräfte haben dies nicht.

    Ich hatte das bisher immer als Voraussetzung in den Ausschreibungen gelesen, daher meine Annahmen :) Danke für die Aufklärung!

  • Zumindest in einem Fall habe ich es selbst miterlebt, das ist kein Scherz. Und ich unterstelle meinen anderen Kommilitonen, dass sie darin nicht übertreiben. Warum sollten sie?




    Ich hatte das bisher immer als Voraussetzung in den Ausschreibungen gelesen, daher meine Annahmen :)

    Das ist vermutlich bundeslandabhängig, in Berlin ist Voraussetzung nur, dass du an einer Uni immatrikuliert bist, welches Semester, welcher Studiengang usw. ist uninteressant.

  • Die Sache mit den Praktikanten ist aber etwas anderes. Sinn eines Schulpraktikums ist natürlich, eigene Unterrichtserfahrung zu sammeln, aber doch bitte mit Rückmeldung durch die betreuenden Lehrkräfte. Dass es sich in einer einzelnen Stunde mal ergibt, dass man kurzfristig allein mit einer Klasse ist - von mir aus. Aber längerfristig, mehrere Wochen lang, geplant? Das ist ein Unding. Ich habe auch schon Praktikanten betreut (der Jüngste war 20, und das im Unterricht der Oberstufe!) und teilweise die gesamte Liste der Anfängerfehler in einer Stunde abgehakt. Wenn ich das mit denen im Anschluss nicht besprochen hätte, wäre die Lerngruppe denen in der nächsten Stunde an die Gurgel gegangen. Allein? Auf gar keinen Fall. Das ist unprofessionell und unfair.

    Ich habe meinen Kommilitonen gegenüber ähnlich argumentiert, aber die einstimmige Antwort war, dass es doch gut sei, wenn niemand einen beobachte und, dass man so viel besser eigene Erfahrungen sammeln könne. Gleichzeitig haben sie davon berichtet, dass ihnen mehrmals die Klassen durchgedreht seien, aber da müsse jeder Anfänger eben durch. Das Verhalten der Schüler hat sich dann wohl entweder gebessert, oder nicht. Von einer Kommilitonin weiß ich, dass sie deswegen im 1. Semester ihr Studium abgebrochen hat, da sie meinte, nicht für den Beruf geeignet zu sein.

  • ... aber die einstimmige Antwort war, dass es doch gut sei, wenn niemand einen beobachte und, dass man so viel besser eigene Erfahrungen sammeln könne. Gleichzeitig haben sie davon berichtet, dass ihnen mehrmals die Klassen durchgedreht seien, aber da müsse jeder Anfänger eben durch. Das Verhalten der Schüler hat sich dann wohl entweder gebessert, oder nicht.

    Die wenigsten Lehrer werden gerne (kritisch) beobachtet. Im Alltag sind wir fast immer allein mit unseren Lerngruppen. Ich finde es ganz spannend, als Mentor bei Referendaren (mit im UB) zu sitzen, nicht nur, um ihnen eine persönliche Rückmeldung geben zu können, sondern auch, um mich selbst zu hinterfragen - mache ich das auch so? Hätte ich das grade anders gemacht? Wo sind meine Macken? Ich finde, dass wir insgesamt viel zu selten kollegiale Hospitationen nutzen, um einfach mal eine Rückmeldung zu uns selbst zu bekommen. Ich glaube aber auch, dass viele gewissermaßen "Angst" vor so einer Rückmeldung haben.


    Und ich finde es den Schülern gegenüber unfair, komplette Anfänger (und das dürften die meisten Praktikanten sein) stundenlang alleine mit ihnen zu lassen. Natürlich kann das funktionieren. Aber wenn die Klassen mehrfach "durchdrehen", dann läuft sehr wahrscheinlich etwas schief. Je nach Jahrgangsstufe tolerieren Schüler verschiedene Sachen unterschiedlich oder stecken Patzer auch unterschiedlich gut weg (man vergleiche mal anfänglichen Sprachunterricht in der 5 z.B. mit einer Textanalyse in der 11).


    Und die Sache mit dem abgebrochenen Studium im ersten Semester... entweder hat sie für sich gemerkt, dass sie vor einer Gruppe garnicht klar kommt - dann ist das halt so, das ist ein sehr deutliches Zeichen und zu Beginn eines Studiums bestimmt besser als am Ende. Aber gerade in so einem Fall wäre es meiner Meinung nach fatal, so jemanden stundenlang mit den Schülern alleine zu lassen. Wenn die erste Stunde schief läuft, kann ein Mentor korrigieren, beraten, unterstützen, und Mut machen. Wobei ich Praktika im ersten Semester sowieso sehr kritisch gegenüberstehe. Das finde ich zu früh, vor allem, wenn das eigene Abi vielleicht grade ein Jahr vorbei ist.

  • Ich habe eines meiner Pflichtpraktika im Master statt am Block über ein Semester immer an einem bestimmten Wochentag an einer Schule abgeleistet. In diesem Praktikum habe ich ebenfalls komplett eigenverantwortlich einen PPL-Kurs (Klasse 5) übernommen. Es hat sich ergeben, weil in der zweiten Woche meines Praktikums ein Philosophie-Lehrer dauerhaft erkrankt ist und sie absolut keine Reserven mehr hatten die Stunden aufzufangen (und damit meine ich: Auch keine Reli- oder SoWi-Lehrer, die den Kurs fachfremd hätten leiten können, wie es dort leider Usus war). Hätte ich den Kurs nicht übernommen, hätte der den Parallelkurs unterrichtende Kollege beide Kurse zeitgleich schaukeln müssen - zusammen mehr als 50 Schüler. Ein absolutes No-Go. Also wurde ich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte*. Am nächsten Tag habe ich zugesagt. Ich fand es toll, einen eigenen Kurs zu haben und so mal wirklich ins Lehrerdasein reinzuschnuppern (wenn auch nur mit 2 Stunden pro Woche). Dass das absolut illegal war, war mir bewusst. Mein Didaktik-Prof, den ich um Rat fragte, sagte mir aber im Vertrauen, dass wenn etwas passiere, die Schule "dran" sei, da sie die Aufsichtspflicht verletzt hätten, nicht ich. Also hatte ich aus meiner damaligen Sicht nichts zu verlieren aber viel zu gewinnen. Es gab nur eine problematische Situation, nämlich eine Schülerin, die überhaupt nicht am Unterricht teilnahm. Ich hätte ihr eigentlich eine 5 setzen müssen, habe das aber nicht getan, weil ich nicht riskieren wollte, dass jemand wegen der Note Ärger macht. Schließlich wollte ich weder mir noch der Schule Scherereien bereiten.


    Für mich war das damals toll, trotzdem finde ich die Praxis nicht in Ordnung. Ich war genauso (un)qualifiziert wie offiziell angestellte Vertretungslehrkräfte ohne Staatsexamen, der Unterschied lag im finanziellen Bereich: ich kostete genau 0€. Dass Geld eingespart wird indem man Praktikanten als Vertretungslehrer einsetzt darf sich aber nicht etablieren. Damit zerstört man den Stellenmarkt für qualifizierteres Personal, das keine Stelle bekommt weil es so dreist ist für seine Arbeit bezahlt werden zu wollen.



    *Hintergrundinfo: Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits ein Praktikum dort absolviert und hatte seit diesem kontinuierlich 1x die Woche Nachhilfe in meinem Zweitfach im Rahmen von deren Ganztagsangebot gegeben, war also nicht ganz unbekannt an der Schule.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Wieso sollte dies nicht passiert sein, das passiert sogar sehr häufig, dass die so genutzt werden. Einzig und alleine die Frage der Haftung und der Aufsichtspflicht wird dann etwas heikel.

    Ganz einfach. Tür auflassen, ebenso der nebenan unterrichtende Lehrer.
    Oder die Hausmeisterin (!) oder ein Kollege guckt im 15-Minuten-Takt mal kurz rein!


    Wird so bei uns gemacht!!!

  • Die wenigsten Lehrer werden gerne (kritisch) beobachtet. Im Alltag sind wir fast immer allein mit unseren Lerngruppen. Ich finde es ganz spannend, als Mentor bei Referendaren (mit im UB) zu sitzen, nicht nur, um ihnen eine persönliche Rückmeldung geben zu können, sondern auch, um mich selbst zu hinterfragen - mache ich das auch so? Hätte ich das grade anders gemacht? Wo sind meine Macken? Ich finde, dass wir insgesamt viel zu selten kollegiale Hospitationen nutzen, um einfach mal eine Rückmeldung zu uns selbst zu bekommen. Ich glaube aber auch, dass viele gewissermaßen "Angst" vor so einer Rückmeldung haben.


    [...]


    Und die Sache mit dem abgebrochenen Studium im ersten Semester... entweder hat sie für sich gemerkt, dass sie vor einer Gruppe garnicht klar kommt - dann ist das halt so, das ist ein sehr deutliches Zeichen und zu Beginn eines Studiums bestimmt besser als am Ende. Aber gerade in so einem Fall wäre es meiner Meinung nach fatal, so jemanden stundenlang mit den Schülern alleine zu lassen. Wenn die erste Stunde schief läuft, kann ein Mentor korrigieren, beraten, unterstützen, und Mut machen. Wobei ich Praktika im ersten Semester sowieso sehr kritisch gegenüberstehe. Das finde ich zu früh, vor allem, wenn das eigene Abi vielleicht grade ein Jahr vorbei ist.

    Ich verstehe, warum man sich nicht gern beobachten lässt, sehe darin jedoch keinen wirklichen Nachteil. Erst recht nicht während der Ausbildung zum Lehrer. Zumindest an unserer Uni wird uns Kollegiale Hospitation nahegelegt und ich hatte bereits mehrere Seminare dazu. Zudem werden unsere Unterrichtsentwürfe sowohl vom Dozenten (der in der Regel bei diesen Seminaren selbst Lehrer war und an die Uni berufen wurde - ich denke, dass nennt man so) als auch von den anderen Studenten kritisch bewertet. Ja, das ist manchmal nicht angenehm, aber ich habe gelernt, Kritik zunächst anzunehmen, dann drüber nachzudenken und zu überlegen, was ich davon annehmen und umsetzten möchte. Nachteil ist nur, dass alles auf theoretischer Basis passiert, also die Stunden nicht gehalten werden.


    Zur Kommilitonin, die abgebrochen hat, kann ich sagen, dass es nicht wegen eines "Vor-der-Klasse-stehen-Problems" war. Falls es jemanden interessiert, warum, dann kann er mir gerne privat schreiben, ansonsten belasse ich es dabei.
    Ich finde es sehr interessant, dass du ein Praktikum im ersten Semester als zu früh ansiehst. Ich würde dir einerseits zustimmen, was Alter und Erfahrung angeht, andererseits liegt der Vorteil solch früher Praktika darin, dass man nicht erst so viel Zeit mit dem Studium verliert und, dass man bereits einen kleinen Eindruck vom Lehreralltag gewinnt.

    Es ist gut, dass deine Erfahrungen so positiv verlaufen sind! Dennoch finde ich es nicht gut, dass es doch an vielen Schulen so gehandhabt wird. Da du schreibst, dass du bereits im Master warst, weise ich an dieser Stelle darauf hin, dass sich die Gespräche mit meinen Kommilitonen auf die Praktika im 1./2. Semester und 3./4. Semester beziehen :) Im Master finde ich das ehrlich gesagt deutlich weniger verwerflich.

  • Wah, da rollen sich mir die Fußnägel auf, wenn ich so etwas lese. In NRW ist es nicht zulässig, Praktikanten alleine als Aufsichtspersonen einzusetzen. Das ist rechtlich so, als würden die Schüler gar nicht beaufsichtigt.
    Das ist immer nur so lange ok, wie nix passiert ...
    (Oder haben Sie Dir einen Vertretungsvertrag für die Stunden gegeben? Dann ist rechtlich alles in Ordung.)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • (Oder haben Sie Dir einen Vertretungsvertrag für die Stunden gegeben? Dann ist rechtlich alles in Ordung.)

    Nein, solche Vertretungsverträge waren nicht ausgestellt worden, da die Studenten offiziell als Praktikanten tätig waren (mit Praktikumsvertrag zwischen Schule, Uni und Student, worin kein Wort über den Einsatz als Vertretung verloren wurde).

  • In enger Absprache mit der Praktikantin, den nebenan unterrichtenden Kolleginnen und der Schulleitung kommt es mal vor, dass "meine" Praktikantinnen eine Doppelstunde alleine unterrichten, wenn ich auf Fortbildung bin und weiß, dass es insgesamt gut läuft.
    Als dauerhafte Praxis halte ich das für unmöglich und völlig verfehlt.
    Meine aktuelle Praktikantin wird übermorgen auch mal wieder alleine vor der Klasse stehen, weil sie das "ausprobieren" will. Ich bin aber im Teamraum nebenan und jederzeit per digitales Medium zu Hilfe zu holen.

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