Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin inzwischen nun schon ein paar Jährchen als Lehrerin tätig und liebe meinen Beruf sehr.
Ursprünglich wollte ja ich einmal "Lieblingslehrerin" werden - die tolle, motivierte, stets empathische und von allen Schülern geliebte, einfach beste Lehrerin aller Zeiten.
Dieses hehre Ziel habe ich allerdings inzwischen über Bord geworfen...
Das Thema aber beschäftigt mich immer noch, denn ich habe es täglich mit "Lieblingslehrern" zu tun: Kolleginnen und Kollegen, die 15 Minuten vor Stundenende den Unterricht beenden, die Schüler im Unterricht essen und Musik hören lassen, die Schüler während des Unterrichts Baseballmützen tragen lassen (sind bei uns laut Hausordnung verboten), die nochmal ein Auge zudrücken, wenn Schüler unentschuldigt bei Leistungsfeststellungen fehlen, die Einsen für minimale Leistungen verteilen bzw. deren Notenspektrum nur von 1 bis 2 geht, die nicht eingehaltene Fristen (z.B. bei der Abgabe von Entschuldigungen) "übersehen", die nach Klassenfahrten verschmitzt lächelnd im Lehrerzimmer von Hasischwolken in den Fluren der Jugendherberge erzählen, die zu einer Schulausschluss-Konferenz nicht kommen und eine SMS schicken "Bin gegen einen Schulausschluss!" ohne eine Alternativlösung vorzuschlagen, die auf Täuschungshandlungen mit Erklärungsversuchen reagieren, um dem Schüler doch keine 6 geben zu müssen, und so weiter.
Tatsächlich sind die eben genannten Kollegen bei den Schülern sehr beliebt, ich mag die meisten übrigens auch sehr.
Trotzdem frage ich mich, ob wir unseren Schülerinnen und Schülern mit dem oben Genannten etwas Gutes tun. Lernen sie dann nicht, dass Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden, dass es immer irgendwie eine Chance (und noch eine letzte und noch eine allerletzte und dann aber auf jeden Fall eine allerallerletzte) gibt und man eigentlich machen kann, was man will?!?
Das widerstrebt mir so!!
Ich wäre eigentlich auch gerne Lieblingslehrerin und würde gerne von allen geliebt werden. Aber ist das nicht egoistisch??
Wenn ich für einen Schüler wieder und wieder die Grenzen verwässere und "lieb" bin - tut das dann nicht in Wirklichkeit mir als Lehrer am besten? Ich kann mich dann in dem wohligen Gefühl suhlen, gemocht zu werden.
Kurzfristig mag ich auch meinen Schülern was Gutes tun.
Aber langfristig schade ich ihnen doch nur.
Oder??
Was meint ihr?