Einmal Lehrer - immer Lehrer?

  • Guten Abend!


    Ich habe mich in diesem Forum angemeldet, da ich in letzter Zeit immer wieder private Probleme habe, die aber mit dem Beruf zusammenhängen.
    Vielleicht weiß jemand Rat.


    Zur Vorgeschichte: Ich hatte, nennen wir es "Glück", dass ich nach dem Referendariat eine Stelle, wenn auch nur als KV, an einer Schule in der Nähe meines
    Wohnortes bekommen habe. Diese Stelle war auf ein Jahr befristet. Die Fächerkombination und das Bundesland sind für das folgende Problem nicht wichtig.


    Jedenfalls habe ich dort schnell gemerkt, dass ich mich in den meisten Klassen nicht richtig durchsetzen konnte. Im Gegenteil.
    Mir hat sogar mal eine Großmutter am Telefon die Hölle heiß gemacht, was mir einfallen würde, ihrem Enkel eine Strafarbeit zu geben.
    Solche Geschichten habe ich haufenweise erlebt. Wenn ich nicht streng genug war, haben mir die Schüler auf der Nase herumgetanzt. Wenn ich streng sein wollte, auch.
    Wenn ich noch strenger wurde, gab es prompt Beschwerden von den Eltern an die Schulleitung und an den jeweiligen Klassenlehrer.
    Von besagten Personen bekam ich also regelmäßig Vorträge darüber, dass mein Verhalten nicht tragbar sei.


    Das haben natürlich auch die Schüler gemerkt, dass ihnen nie etwas "passiert". Sie brauchten sich nur beim Klassenlehrer zu beschweren, daraufhin wurde ich gemaßregelt und die Schüler "durften" mir weiter auf der Nase herumtanzen. Wenn die Schüler über Tische und Bänke gehen, ist stets der Lehrer Schuld, der sich dann leider Gottes nicht durchsetzen konnte. Das sehen die Schüler so (wurde mir auch so von manchen gesagt), die Eltern sehen das so, die Kollegen, die Schulleitung.
    Mein Argument, dass ich von Haus aus ein gutes Verhalten erwarte, wurde von allen Beteiligten mit Füßen getreten. Die Eltern sagten: "Mein Gott, es sind halt mal Kinder" und die Kollegen meinten, dass gute Verhalten sei heute nicht mehr selbstverständlich, man müsse sich eben durchsetzen und sich Respekt erarbeiten.
    Wer das nicht kann, hat eben Pech.


    Im Referendariat war es nicht so tragisch. Dort gab es auch problematische Klassen, aber vielleicht waren meine Prüfungklassen zufällig sehr angenehme.
    Die KV-Zeit hat mir jedoch gezeigt, dass ich keine Lust habe, mich die nächsten 35 Jahre lang durch hunderte von Klassen zu kämpfen, tausende Schüler, tausende Eltern.
    Jeden Tag immer wieder kämpfen müssen. Das wollte ich nicht. Das ist nun 2 Jahre her.


    Kurzum, ich habe mich trotz eines nicht schlechten Referendariats nach der KV-Zeit nicht auf eine Festanstellung beworben, sondern arbeite heute etwas anderes.


    Diese Arbeit ist jedoch in der gleichen Stadt wie die Schule, an der ich vor 2 Jahren tätig war. Auch wenn nicht arbeite, bin ich regelmäßig in dieser Stadt,
    sei es zum Einkaufen oder für Behördengänge etc.


    Nun kommt es öfters vor, dass mir ehemalige Schüler dieser Schule in der Stadt oder im Supermarkt über den Weg laufen.
    Sie begrüßen mich nicht, sondern fangen sofort an zu lachen, wenn sie mich sehen.
    Letztens habe ich in einem Elektronikmarkt einen Schüler mit seiner Mutter gesehen. Ich kannte den Schüler nicht mehr, er war ja nun auch älter,
    aber er mich. Er schaute aus einer gewissen Entfernung zu mir, drehte sich zu seiner Mutter um und hat ihr etwas zugeflüstert.
    Daraufhin drehten sich beide erneut in meine Richtung und lachten nun beide, schauten sich wieder an, drehten sich wieder zu mir gingen lachend weiter.


    An einem anderen Tag traf ich eine Gruppe von Schülern im Supermarkt.
    Diese fingen fast an zu gröhlen als sie mich sahen und rannten schnell mit lautem Gelächter an mir vorbei.
    Die anderen Kunden haben die Situation nicht verstanden, aber ich wusste, dass es mir galt.
    Einer hatte mich zuerst "entdeckt" und rannte daraufhin zu seinen Kumpels um ihnen zu sagen, dass hinter dem Regal der ehemalige Lehrer steht.


    Wieder ein paar Tage später lief ich zu meiner Arbeitsstelle und musste dafür ein Stück zu Fuß laufen. Es überholten mich zwei ehemalige Schüler, einer sagte dabei etwas Unverständliches zum anderen, daraufhin drehten sie sich so oft zu mir um, bis sie selbst außer Sichtweite waren.


    Das waren nur Beispiele, aber es passiert immer wieder. Auch nach zwei Jahren wird auf offener Straße über mich gelacht, man schaut mir nach, man flüstert sich etwas zu und lacht dann noch mehr, letztens lacht sogar wie gesagt die Mutter zusammen mit ihrem Sohn.


    Die häufigen Scherzanrufe habe ich durch die Unterstützung des Telefonanbieters abgestellt, diese kamen auch regelmäßig, vor allem in den Ferien oder an Feiertagen (wohl aus Langeweile).


    Ich weiß keinen Rat mehr. Angesprochen habe ich noch niemanden darauf, aber ich weiß nicht, ob das nützlich wäre.
    Was sollte ich auch sagen? "Hört bitte auf zu lachen?" Dann würde es erst recht weitergehen.


    Auch das gute alte "Ignorieren" ist keine richtige Lösung. Wenn ich mich wegdrehe, hört das Gelächter auch nicht auf.


    Mich verletzt das so sehr, dass diese ehemaligen Schüler sich so verhalten. Ich kann nicht in den Supermarkt, zur Tankstelle oder in die Metzgerei,
    ohne befürchten zu müssen, dass ich heute wieder einmal auf offener Straße ausgelacht werde oder zumindest angeschaut werde, als wäre ich von einem anderen Stern.


    Ich möchte jedoch auch nicht alles in einer anderen Stadt erledigen, da ich dadurch große Umwege hätte und ich mir meinen Alltag auch nicht von ehemaligen Schülern
    vorschreiben lassen möchte. Schließlich arbeite ich auch dort.


    Nach über 2 Jahren immer noch "nachzutreten" empfinde ich als riesige Unverschämtheit und es bestätigt mir die Richtigkeit meiner Entscheidung,
    nicht länger in diesem Beruf zu arbeiten.


    Doch was tun? Haben welche von euch ähnliche Erfahrungen, unabhängig davon ob ihr aktiv im Schuldienst seid oder in Rente.
    Was tut ihr dagegen?


    Ich bin keineswegs paranoid, diese Vorfälle sind real. Sobald ich ehemaligen Schülern begegne, geht der Zirkus los ...


    Danke für euren Rat!

  • Da du ja nicht mehr als Lehrer arbeitest, solltest du dir einen Job in einer anderen Stadt suchen. Die Situation ist doch momentan günstig (Arbeitslosigkeit auf extrem niedrigen Niveau). Statt dir Gedanken zu machen und dich noch eventuell jahrelang zu ärgern, solltest du einfach die Stadt wechseln. Was hindert dich daran? "Ankämpfen" kannst du in dieser Situation gegen das "Mobbing" nicht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Da du ja nicht mehr als Lehrer arbeitest, solltest du dir einen Job in einer anderen Stadt suchen.

    Ganz so einfach ist es dann nicht. Meinen Job, der mir jetzt Spaß macht, kündigen, um den Halbstarken aus dem Weg zu gehen?
    Soweit gehe ich auf keinen Fall. Dann dürfte ich auch in dieser Stadt die nächsten Jahre nicht mehr einkaufen,
    niemanden mehr im Krankenhaus besuchen, kein Geld abheben ...


    Trotzdem traurig, dass man überhaupt in Erwägung ziehen muss, die Stadt zu wechseln.
    In welcher Zeit leben wird denn, wo normale Leute vor ehemaligen Schülern fast fliehen müssen,
    weil man auf der Straße mehr oder weniger gemobbt wird.

  • Faktisch kannst du gegen dieses "Mobbing" nichts tun. Willst du eine Anzeige in der Zeitung schalten? Die Polizei einschalten? Wahrscheinlich würde dich niemand ernst nehmen, weil niemand (außerhalb der Schule) deine Situation nachvollziehen kann. ("Der kommt ja nicht einmal mit ein paar Kindern klar.") Man würde dir warscheinlich raten, zum Psychologen zu gehen...


    Du wolltest einen Ratschlag, den habe ich dir gegeben.

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • a) das sind kinder. du bist erwachsen. was kratzt dich die meinung von kindern? da kann und muss man drüber stehen. nicht böse sein, aber wenn das für dich wirklich so schlimm ist, hilft vielleicht eine therapie? an sowas kann man ja arbeiten.


    b) in ein paar jahren hat sich das problem biologisch gelöst. die kinder werden erwachsen, und damit interessiert sie das wohl immer weniger.


    c) lehrer sein ist in kleineren gemeinden freilich eine öffentliche position. insorern könnte umzug durchaus auch eine option sein. variante a) erscheint mit aber sinnvoller.

    • Offizieller Beitrag

    ich fürchte auch, dass du nichts dagegen wirst machen können.


    Einzige Möglichkeit: dir ein dickes Fell zulegen
    sei es in Form von autogenem Training, sei es tief durchzuatmen und innerlich bis 30 zählen.


    Du unterrichtest diese Jugendlichen nicht mehr, also könne sie dir nichts mehr anhaben.


    Und immer wieder überlegen:
    war die Reaktion jetzt wirklich auf mich gemünzt? Bin ich vll überempfindlich?


    Du warst nur ein Lehrer von vielen in ihrem Schülerdasein, irgendwann werden sie dich vergessen ahben.


    Warum nicht zurückgrinsen, dabei denkend: Euch bin ich los--hurra!


    Was "nützt" es denen, wenn du dich jetzt noch über sie ärgerst?


    Du schadest einzig und allein dir selbst.


    Überlasse ihnen nicht so viel Macht, dir denTag zu verderben.

  • Tja, der TE hat nur die Wahl, die Situation jahrelang zu ertragen, ggf. mit Hilfe eines Psychologen, oder umzuziehen.


    vego22: Jobs, die "Spaß machen" findest du auch woanders.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Du hast ein Jahr lang als Lehrkraft gearbeitet.
    Wenn du eine volle Stelle hattest und etwa 25 Stunden gegeben hast (da kommt es dann doch aufs Fach an), hast du zwischen 7 und 13 Klassen unterrichtet.
    Wenn wir von 10 vollen Klassen im Mittel ausgehen sind das 300 Sus.


    Es werden sich nicht alle ehemaligen Sus so benehmen, sagen wir, der Arschnasenanteil liegt bei 5%.
    Das wären dann 15 Sus.


    Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie groß die Stadt ist.
    Ich wohne in einem Dorf und 8 derzeitige Schüler wohnen auch hier.
    In den drei Jahren, seitdem ich diese Sus unterrichte, hatte ich sage und schreibe 10 Schülerbegegnungen mit den aktuellen Klassen.
    Also höchst selten.
    Ich glaube nicht, dass du umziehen musst. Schau einfach weg, ignorier sie. Je nach Alter der Sus ist das bald vorbei.
    Es tut mir leid, dass du so darunter leidest und das tut sicher auch weh.
    Aber: das kann dir überall passieren, eine Freundin von mir wird von fremden Leuten ausgelacht und beschimpft, weil sie dick ist.
    Da hilft wirklich nur ein dickes Fell.


    Viel Erfolg dabei.

  • Hallo TE,


    erst einmal tut es mir natuerlich leid, dass du so von deinen Mitmenschen behandelt wirst. Keiner moechte gerne ausgelacht, erniedrigt und verletzt werden. Leider sind das heute Attribute von vielen Menschen, die anderen mit ihrem Verhalten schaden moechten.


    Dir gefaellt deine jetzige Stelle und du moechtest sie behalten: Dann mach das doch! Keiner zwingt dich die Stadt zu verlassen. Ich persoenlich wuerde mir Taetigkeiten / Hobbys suchen, die mein Selbstwertgefuehl und auch mein Selbstvertrauen steigern. Ich glaube genau hier sollte man bei dir ansetzen und glaub mir: Das kann jeder erlernen. Respekt wird dir nicht einfach "gegeben" es wird erarbeitet durch viele unterschiedliche Aspekte deines Wesens.


    Schau nach Moeglichkeiten fuer dich um dich mental zu staerken. Sachen, die dir Spaß machen wuerden und frueher oder spaeter werden dich irgendwelche Gelaechter von Kindern nicht mehr interessieren. In solchen konkreten Situationen, wo Elternteile sogar ueber mich lachen wuerde ich vermutlich auf diese zugehen und mal nachfragen, was denn so lustig ist. Die meisten Leute reagieren sehr verschreckt, wenn man sie direkt darauf anspricht und beim naechsten mal werden sie es sich ueberlegen dich auszulachen, da sie dann automatisch Angst vor einer Konfrontation mit dir haben. Weich einfach nicht mehr zurueck und sei stark in solchen Situationen.


    Gruß
    dererwin

  • Ich frage mich, wieso du dir das so zu Herzen nimmst. Zum einen Ohr rein, zum anderen raus.


    Das kann dir doch auf gut Deutsch am A*** vorbeigehen. Wenn es das nicht tut, gäbe es vielleicht deinerseits Handlungsbedarf?


    Umziehen würde ich deswegen nicht. Zumal es immer weniger Schüler an der Schule geben wird, die dich noch kennen.

  • Ich habe herausgelesen, dass du in deiner Stadt weiter leben willst und dass dich die Situation belastet, dass über dich geredet wird oder geredet werden könnte.



    Es ist bestimmt wichtig, dass du dich sicherer und gewappnet fühlst, auf so etwas zu reagieren. Mein Tipp, such dir einen Coach, der mit dir die Situation durchgeht und mit dir einübt, wie du in einem solchen Fall reagieren kannst. Coaching ist zwar recht teuer, doch sehr intensiv und sucht konstruktiv nach Lösungen.


    flip

  • Hallo Vego,


    deine Erfahrungen finde ich schon extrem. Die Verhältnisse an deiner ehemaligen Schule kommen mir komisch vor, selbst wenn du ein zurückhaltender Mensch sein solltest. Du bist als Neuling in schwierige Klassen gesteckt und nicht unterstützt worden. Es würde mich wundern, wenn du der erste und einzige wärst, dem es an dieser Schule so ergangen ist. Du bist im Ref ja gut zurecht gekommen. Woanders hättest du wahrscheinlich ganz andere Erfahrungen gemacht und würdest jetzt womöglich gerne und gut unterrichten. Wenn du gemobbt worden bist, wovon ich ausgehe, liegt es an den Strukturen dort und nicht an deiner Persönlichkeit. Du bist angegriffen worden, weil du neu warst.
    Jetzt bist du aber nicht mehr da. Was ehemalige Schüler oder deren Mütter über dich denken, kann dir schnurzegal sein. Vielleicht ist es noch ein paarmal unangenehm, aber eine Rolle spielt es für dich nicht mehr. Außerdem dauert auch deren Pubertät ja nicht ewig.
    Du hast Pech gehabt, aber dein Leben läuft gut weiter. Du hast einen Job, der dir Spaß macht. Dir geht es jetzt gut.


    Rata

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