Je älter, je ungeduldiger

  • Heute hab ich so im Schulhaus rumgebrüllt, dass ich hoffe, es folgt kein Gespräch mit der SL :angst:
    Okay, ich muss ausholen. Unsere Klientel ist nicht einfach und es bedarf einer grooooßen Portion Strenge, Geduld, Kosequenz, Deutlichkeit, Ruhe und Humor um sich durchsetzen zu können. Inzwischen hab ich das gelernt, sonst könnte ich dort auch dort gar nicht überleben. Mein Problem ist aber, dass ich immer schneller bei Nichtigkeiten platzen könnte. Nun ist das generell mein Problem, ihr kennt mich ja... aber es ist einfach nicht angemessen, Kinder anzubrüllen.


    Meine eigene Klasse ist ein eingespieltes Team, dort gehts lustig zu und alle benehmen sich. Aber Klassen, in denen der Klassenlehrer sich für meinen Geschmack zu viel bieten lässt, die können mich auf die Palme bringen. Es geht dann v.a. um widersprechen, pampig rumnölen ("woher soll ichn das wissen!") und Dinge tun, die gerade schon ermahnt wurden, Teeniekäse halt. Also wenn ich sage, xy solle nach vorne schauen, weil ich etwas demonstrieren will und 1,5 sec. später kichert xy mit seinem Nachbar, dann könnt ich ausflippen. Wenn dann noch einer wagt "ey Alter" zu quäken, dann is Sense.


    Die momentan asozialste Gruppe ist wirklich auf verlorenem Posten, weil sie so viel Klassenlehrerwechsel hatte. Aber wenn dort einer, der aus allerbestem Grund Schulausschluss hatte, es wagt, noch ein einziges Mal seine freche Klappe aufzureißen, platzt mir der Kragen. Nun ist dann tatsächlich auch Ruhe, aber Gewalt ist ja nun wirklich etwas, wovon unsere Schülerschaft genug hatte in ihrem Leben. Ich ERWARTE aber "absoluten Gehorsam" und angemessenen Umgangston. Die Kinder können ausrasten oder heulen oder nix verstehen... ihr echter Frust bringt mich nie aus der Ruhe. Aber unverschämte Erwartungshaltung an den Tag legen, dass alle ihnen den Arsch hinterherzutragen haben etc., da setzt bei mir was aus.


    Wer kennt das noch und hat eine Lösung gefunden?


    Und wenn irgendein dahergelaufener Nichtlehrer es wagen sollte, irgendeinen Klugscheisserkommentar hier zu hinterlassen, dann weiß ich, wo sein Auto steht :sauer:

  • Im Bereich der Förderschulen kann ich nichts aus eigener Praxis beitragen, aber unterm Strich hilft nur, sich selbst zu reflektieren.
    Die Situation heute haben die schüler vielleicht gar nicht so schlimm wahrgenommen? Wenn das nicht dein normaler Ton ist, werden sie das betimmt wegstecken können. Ich hatte mal eine ähnliche Situation, die ich am nächsten Tag aufgegriffen habe. Ich habe den Schülern gesagt, dass ich inhaltlich zu allems tehe, was ich gesagt habe. Dass der Ton nicht angemesen war, habe ich auch gesagt. Da waren wir dann mitten im Gespräch darüber, wie man miteinander umgehen sollte.
    Wie gesagt: Das war eine andere Klientel, aber vielleicht ist das ein Weg. Ich bin in meinen Aussagen darüber, wenn mit etwas nicht passt, auch immer sehr deutlich. War bisher nie ein Problem, da ich umgekehrt auch deutlich bin, wenn etwas gut läuft.

  • ich habe an das verhalten der schüler ähnliche ansprüche. andere kollegen, die ich für sehr fähig halte, sind sehr viel laxer. letztlich ist das eine frage der persönlichen präferenz imo - die sus kommen mit allem klar, solange die beziehung stimmt und die situation für sie berechenbar ist. sie passen sich an die erwartungshaltungen der einzelnen kollegen an und nehmen das in keiner weise übel.


    ich werde nicht laut, das liegt mir weniger. ich werde aber durchaus wütend bzw. sehr ungehalten, gerade bei sowas wie "talking back", wenn sich das kind gerade zum x-ten mal in derselben form daneben benimmt innerhalb von drei minuten (pubertierendes kind x ende klasse 6 labert mit kind y, wobei kind y aufpassen will und es dringend nötig hat, aber sich zu leicht von kind x ablenken lässt; ich habe kind x gefühlt eine milliarde mal gesagt, es möge jetzt mal ruhig sein in zig verschiedenen varianten, schließlich gehe ich nochmal vorbei während einer partnerarbeit und sage leise, dass wir bei nochmaligem reden eine konsequenz haben/wir uns nach der stunde kurz für ein gespräch zusammensetzen - kind pampt mir ein "aaaaalles klar" halblaut hinterher... sowas halt) unterricht.


    meine häufigste spontanreaktion: einzelgespräch, sofort, vor der angelehnten tür, leise und deutlich, über mein und kind-verhalten von eben, warum das kind-verhalten auf mich sehr respektlos wirkt und warum das für kind x, mich und die ganze klasse nicht gut ist... oder so, wobei das kind die hauptredeanteile hat). ziel: nicht bloßstellen, gesicht des kindes wahren, aber *sehr* deutlich machen, dass das verhalten (! nicht das kind) so nicht geht, warum das nicht geht, daher abgestellt werden muss und abgestellt werden wird.


    ich muss auch sagen - ich habe das eher selten (1x pro halbjahr?), es sind kinder, die bei anderen kollegen extrem negativ auffallen, und unsere klientel ist mit deiner wohl kaum vergleichbar (geldige kinder, gepampert, oft emotional etwas verwahrlost, kognitiv sehr überfordert, sozial-emotional ab und an verzögert; nicht alle, nicht mal viele, aber die paar wenigen fallen extrem negativ auf). manchmal bringt das was, manchmal bringt es gar nichts (das sind aber dann kinder, die durchaus auch gegangen werden, weil es zu mobbing/tätlichkeiten/diebstählen etc. kommt oder - am häufigsten - die noten nicht mehr passen), aber auf jeden fall ist es für mich persönlich und meine psycho-hygiene besser als brüllen oder gar-nichts-tun (damit runterschrauben meiner standards) oder öffentliche predigt, die ja doch nur das kind bloßstellt, es in der negativen rolle festnagelt und dem ganzen schmarrn wieder eine bühne bietet, anstatt den unterricht im fokus zu halten.

    • Offizieller Beitrag

    Schantalle,


    Du hast die Lösung doch schon präsentiert. Du hast das Ganze reflektiert, Du hast Dein Verhalten zum Teil als falsch erachtet und dies eingesehen, Du hast aber auch Grenzen aufgestellt, die Du relativ konsequent durchsetzt.


    Was willst Du mehr? Das klingt doch nach Schulalltag einer Person, die ihr Handwerk versteht, aber eben auch mal gegen den Zementsack tritt, wenn es ihr zuviel wird.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Danke ihr Lieben, für eure Rückmeldungen. Ich glaub, oft liegts nicht mal so sehr an den Kids, sondern daran, dass ich z.B. bis Donnerstag 8 Stunden Schlafdefizit habe. Sollte wohl öfter mir Gutes tun, dann könnte ich vielleicht die ewig gleichen Konflikte als das nehmen, was es für die Schüler ist: nämlich ein ganz neuer Konflikt. Sie sind eben JETZT genervt. Das ERSTE Mal in Stunde 5 am Montag bei Frau xy pampig. Sie haben gerade an DIESEM Vormittag noch nichts gegessen, gerade JETZT Hormonwallungen, während es für mich halt das gefühlt immergleiche 1000ste Tröpfchen ist, dass das Fass zum Überlaufen bringt...


    Wer also noch ein paar Genervtgeschichten hat, oder Lösungsstrategien: her damit, tut gut zu lesen.

  • Ich glaube nicht: je älter, je ungeduldiger
    sondern: je weiter fortgeschrittener im Schuljahr, je ungeduldiger

    Hihi, ja stimmt, im September ist man quasi wieder um Jahre jünger :lach: Auf das lange Wochenende! :prost:

  • - Abgrenzen: für das Verhalten welcher Kinder bist du wirklich (mit)verantwortlich, welches musst du nur "aushalten" können und kannst auch damit leben wenn sich Schüler aus deiner Sicht mal daneben benehmen? Solange das Verhalten an sich nicht gewisse Grenzen überschreitet (Gewalt, Abwertung, ...) kann ich an sich gut damit leben wenn sich Schüler selbst zum Affen machen.


    - Konflikte auswählen: außer in Notfällen (Gewalt, bösartige Abwertung, ...) suche ich mir in der Regel meine Konflikte mit Schülern sehr genau aus, und zwar nach dem Kriterium, ob ich davon ausgehe, sie "gewinnen" zu können. Den größten Teil des Verhaltens das "daneben" ist ignoriere ich mit einem Schmunzeln, dort wo ich es für notwendig halte lasse ich mich vereinzelt auf einen Konflikt ein und schaue darauf, dass ich, der/die Schüler oder/und im Idealfall alle Beteiligten wirklich etwas daraus lernen. Das kommt so pro Tag üblicherweise nicht öfter als 1-2x vor, wobei das einerseits stark schwanken kann (Wetter, Mondstand, was auch immer der Grund ist), andererseits erfahrungsgemäß auch mit der Zeit spürbar weniger wird wenn die Beziehung gereifter ist.


    - Akzeptieren, dass jeder Beziehungsaufbau ein Austesten von Grenzen beeinhaltet. An der pädagogischen Hochschule wurde uns erzählt "Wenn sie dich zum Schreien bringen, hast du verloren" - meiner Erfahrung nach ist es eher ein "Wenn sie dich einmal zum Schreien gebracht haben, sind sie zufrieden und wissen, woran sie mit dir sind". Kommt natürlich auch darauf an, wie das tatsächlich aussieht und ob dieses "Schreien" aus einer Position der Hilflosigkeit oder einer inneren Sicherheit kommt. Einige Schüler haben mir vor einiger Zeit gesagt ich sei ein sehr netter Lehrer weil ich "nie schreie". Das stimmt zwar objektiv gesehen nicht, aber offensichtlich ist es für sie nur dann "schreien", wenn sie das Gefühl haben, sie hätten es nicht verdient gehabt dass ich mich aufrege.


    - Akzeptieren, dass man selbst nicht so 100%ig perfekt "funktioniert" und manchmal einfach Blödsinn macht weil man überfordert ist. Wenn die Schüler dich grundsätzlich mögen funktioniert das für mich ganz gut ihnen auch zu sagen wann sie sich ein wenig zusammenreißen müssen um mich zu unterstützen und wann sie sich mehr gehen lassen können weil ich mehr Kraft habe das auszuhalten. Dazu muss man halt auch ehrlich zu sich selbst sein und sich auch gut spüren, um sich selbst nicht zu überfordern mit zu großen Freiräumen, die man den Schülern dann ermöglichen will, wenn man eigentlich gar nicht die Kraft hat das auszuhalten.


    Ein Bunterrichter

  • Zitat


    Je älter, je ungeduldiger

    Ich versuche das eher umgekehrt hinzukriegen, klappt aber auch nicht immer.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Ich kenne das ... eine Klasse, in der die (eigentlich sehr strenge, oft sehr autoritäre) Kollegin die Zügel (auf einmal!) sehr locker lässt, nervt mich total. Wir haben Schüler, die schnell mal zur SL rennen, und bei unserer neuen SL will das im Moment kein Kollege und lässt es nicht drauf ankommen. Daher gibt es für die Schüler oft Extrawürste, und das merken die sich natürlich.
    Mir platzt so oft der Kragen, die sind so unverschämt .... aber was mich wirklich geerdet hat, war die Klassenfahrt mit denen. Ich habe sie anders kennengelernt als im Unterricht und verstehe sie mehr. Und ich sehe, wie die Kollegen mit ihnen umgehen, das kann auch erhellen.
    Vielleicht machst du mal einen Ausflug mit denen? Oder eine sehr handlungsorientierte Stunde/ Reihe, wo sie auf dem Schulgelände rumlaufen? Oder ein paar Runden "Werwolf"? Manchmal hilft das, sich selbst und die Klasse wieder ein bisschen zu erden.

  • Die Schuljahresendlogik scheint mir am treffendsten. Es geht eher um die äußeren Bedingungen und meine momentane Verfassung, nicht so sehr um generelle Fragen von Disziplin oder Beziehungsaufbau. Es gibt keine Klassen (mehr), in die ich nicht gerne gehe oder sowas. Eher wirklich der momentane Konflikt, der mir nach einer Vertretungsstunde, am Tag nach dem Sportfest und in der Randstunde den allerletzten Nerv raubt oder so ähnlich.


    Ob mirs dann gelingt, ein Kind vor der Tür zu maßregeln, wie kecks vorschlägt? ich weiß nicht, ich brülle ja nicht mit Absicht, weil ichs gut finde, sondern weil mir die Galle übergeht. Da ist dan wenig Zeit für pädagogisches Nachdenken.


    Wird tatsächlich Zeit, dass das Endjahresdurcheinander zur Neige geht :band:

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