Hallo und Guten Abend!
Ich mache mir gerade Gedanken über ein Thema, das mich (aktuell) nicht als Lehrer tangiert, sondern als Mutter. Aber evtl. ist dies ja auch aus Lehrerperspektive von Interesse:
Mein Sohn hat seit einiger Zeit einen Freund in einer Parallelklasse, der wohl bereits in der Grundschule Probleme mit Mobbing hatte, jetzt an der weiterführenden Schule wohl wieder (beide sind in der 5. Klasse). Dies äußert sich u.a. darin, dass der Junge ständig aus der Schule - und ich meine hier Vormittags aus dem Unterricht - abgeholt werden muss. Nach meinem Eindruck wenigstens einmal pro Woche, teilweise wohl auch häufiger. Ich fand das in letzter Zeit schon sehr auffällig. Die Eltern erwähnten mir gegenüber einmal, dass der Junge wohl in einer Therapie wäre, um sein Selbstbewusstsein zu stärken.
Nun über das Wochenende war in unserer Familie wieder einmal Camping geplant, und Sohnemann durfte seinen Freund dazu einladen. Die Idee bestand schon lange, war ewig geplant und beide Kinder haben sich sehr darauf gefreut. Ich muss dazu sagen, dass ich den Jungen bis dahin eigentlich kaum kannte, da die sich nur in der Schule sehen, und nur gelegentlich zu gemeinsamen Nachmittagen (wir wohnen auf dem Land und weiter voneinander entfernt).
Zwei Tage vor der Fahrt erzählte mir dann plötzlich unser Sohn, dass der Junge ihm erzählt hätte, er hätte die "Idee" (geäußert), Selbstmord zu verüben. Ich möchte auf meine Gedanken zu dieser Mitteilung hier jetzt nicht weiter eingehen, das tut erst einmal nichts zur Sache. Jedenfalls ging ich dann davon aus, dass die erwähnte Therapie u.a. oder gerade wg. dieser Selbstmordgedanken durchgeführt wird.
Die Fahrt ins Wochenende ging nun los, ich hatte das Auto voll mit Kindern. Bei der Fahrt durch die Landschaft gab es natürlich irgendwelche Tiere zu sehen, die Kinder unterhielten sich schließlich über Haustiere. Der Junge fing nun an, detailliert darüber zu berichten, welches seiner (sehr vielen) Haustiere namentlich wann, wie und warum gestorben waren. Ich fand das schon sehr düster, da er wirklich sehr ausdauernd darüber berichtete. Dabei verwendete er mehrfach Begriffe wie z.B. "elendig verreckt". Ich hatte den Eindruck, dass er an solchen Wörtern irgendwie Gefallen hatte, er betonte sie auch irgendwie "genüsslich". Nicht wie ein Sadist, sondern so, wie ein Schiller-Liebhaber den Titel "Ode an die Freude" aussprechen würde. Auch weiter sprach er gern über Themen, die irgendwie morbide Inhalte hatten (ich erinnere mich z.B. an das Thema Kriegswaffen). Solche Themen gingen dann auch am Zielort weiter, bis ich irgendwann spontan sagte, ich wolle jetzt hier am Tisch keine Geschichten über Tod u.ä. mehr hören. Beim Lagerfeuer am Abend ging es weiter. Es flog zufällig eine Fliege gegen die glühenden Kohlen, und von dem Jungen kam der Spruch "Das ist eine Suizid-Fliege". In dem Moment ist mir dann schon ziemlich anders geworden...
Insgesamt verhielt sich dieser Junge auf dieser Fahrt seltsam und nicht altersentsprechend. Er distanzierte sich noch am ersten Abend von unserem Sohn, ignorierte ihn und zog häufig mit anderen Kindern los (wobei er auch die eher ignorierte oder von oben herab behandelte). Schon am zweiten Tag hatte ich das Gefühl, dass die beiden sich nichts mehr zu sagen hätten und sich regelrecht anöden. Der Junge sonderte sich häufig ab, andererseits hielt er gerne lange "Vorträge" über irgendwelche Themen. Dabei sprach er immer langsam, sehr überlegt, aber auch sehr monoton. Und obwohl die Themen inhaltlich sehr viel korrektes Fachwissen enthielten (über sein Alter hinaus), zeigte er dabei eigentlich überhaupt kein wirkliches Interesse daran. Ich habe ihn in vier Tagen nicht einmal lachen oder lächeln sehen. Keinerlei Emotionen. Weder positive, noch negative. Wenn ich ihn direkt angeschaut habe, drehte er sich immer gleich weg.
An einem Abend kam unser Sohn allein, weinend und völlig aufgelöst zu uns, weil der Junge ihn ständig ignorierte. Er - der in der Schule selbst ständig gemobbt wird. Zur Erinnerung: mein Sohn hatte ihn als besten Freund zu der Fahrt eingeladen und sich natürlich ein ganz anderes Zusammensein erhofft. Das muss zwischen den beiden so stark spürbar gewesen sein, dass unser Sohn völlig fix und fertig war.
Es gab während der paar Tage und auch auf der Rückfahrt noch weitere Merkwürdigkeiten in dem Verhalten des Jungen. Insgesamt war das Zusammensein mit ihm aus unserer Sicht sehr gezwungen und ja - ziemlich unangenehm.
Nun ist der Junge ja in Behandlung, die Eltern - und wohl auch die Schule (ich weiß, dass es Gespräche mit dem Schulleiter gab) - sind wohl umfänglich im Bilde. Jedenfalls gehe ich davon aus. Aber ich frage mich, ob ich z.B. mit den Eltern über das Wochenende reden soll. Nach meiner Meinung hat der Junge große Probleme (von den Selbstmordäußerungen mal ganz abgesehen), und auch seine Unbeliebtheit kommt nicht von ungefähr. Ich nehme an, so unangenehm im Wesen, wie er auf uns wirkte, wird er wohl auch auf seine Klassenkameraden wirken. Andererseits - soll ich der Mutter das alles noch extra erzählen? Sie wird schon genug Sorgen wegen des Jungen haben, und ein weiteres Kind hat eine schwere Erkrankung (gibt es einen Zusammenhang?).
Ich würde gern Eure Meinung dazu hören, auch zu dem Verhalten des Jungen.
Wie geht man damit um, wie geht man als Lehrer damit um?
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Ich habe ein Mädchen in einer meiner Klassen, die z.B. auch (auffallend) vollkommen emotionslos ist (Bestätigung aller Lehrer). Ebenfalls 5. Klasse, gleiches Alter. Ich sehe sie aber als Fachlehrer nur 1x pro Woche und weiß ansonsten nicht viel über sie.