Ein Kind äußert Selbstmordgedanken

  • Hallo und Guten Abend!


    Ich mache mir gerade Gedanken über ein Thema, das mich (aktuell) nicht als Lehrer tangiert, sondern als Mutter. Aber evtl. ist dies ja auch aus Lehrerperspektive von Interesse:


    Mein Sohn hat seit einiger Zeit einen Freund in einer Parallelklasse, der wohl bereits in der Grundschule Probleme mit Mobbing hatte, jetzt an der weiterführenden Schule wohl wieder (beide sind in der 5. Klasse). Dies äußert sich u.a. darin, dass der Junge ständig aus der Schule - und ich meine hier Vormittags aus dem Unterricht - abgeholt werden muss. Nach meinem Eindruck wenigstens einmal pro Woche, teilweise wohl auch häufiger. Ich fand das in letzter Zeit schon sehr auffällig. Die Eltern erwähnten mir gegenüber einmal, dass der Junge wohl in einer Therapie wäre, um sein Selbstbewusstsein zu stärken.


    Nun über das Wochenende war in unserer Familie wieder einmal Camping geplant, und Sohnemann durfte seinen Freund dazu einladen. Die Idee bestand schon lange, war ewig geplant und beide Kinder haben sich sehr darauf gefreut. Ich muss dazu sagen, dass ich den Jungen bis dahin eigentlich kaum kannte, da die sich nur in der Schule sehen, und nur gelegentlich zu gemeinsamen Nachmittagen (wir wohnen auf dem Land und weiter voneinander entfernt).


    Zwei Tage vor der Fahrt erzählte mir dann plötzlich unser Sohn, dass der Junge ihm erzählt hätte, er hätte die "Idee" (geäußert), Selbstmord zu verüben. Ich möchte auf meine Gedanken zu dieser Mitteilung hier jetzt nicht weiter eingehen, das tut erst einmal nichts zur Sache. Jedenfalls ging ich dann davon aus, dass die erwähnte Therapie u.a. oder gerade wg. dieser Selbstmordgedanken durchgeführt wird.


    Die Fahrt ins Wochenende ging nun los, ich hatte das Auto voll mit Kindern. Bei der Fahrt durch die Landschaft gab es natürlich irgendwelche Tiere zu sehen, die Kinder unterhielten sich schließlich über Haustiere. Der Junge fing nun an, detailliert darüber zu berichten, welches seiner (sehr vielen) Haustiere namentlich wann, wie und warum gestorben waren. Ich fand das schon sehr düster, da er wirklich sehr ausdauernd darüber berichtete. Dabei verwendete er mehrfach Begriffe wie z.B. "elendig verreckt". Ich hatte den Eindruck, dass er an solchen Wörtern irgendwie Gefallen hatte, er betonte sie auch irgendwie "genüsslich". Nicht wie ein Sadist, sondern so, wie ein Schiller-Liebhaber den Titel "Ode an die Freude" aussprechen würde. Auch weiter sprach er gern über Themen, die irgendwie morbide Inhalte hatten (ich erinnere mich z.B. an das Thema Kriegswaffen). Solche Themen gingen dann auch am Zielort weiter, bis ich irgendwann spontan sagte, ich wolle jetzt hier am Tisch keine Geschichten über Tod u.ä. mehr hören. Beim Lagerfeuer am Abend ging es weiter. Es flog zufällig eine Fliege gegen die glühenden Kohlen, und von dem Jungen kam der Spruch "Das ist eine Suizid-Fliege". In dem Moment ist mir dann schon ziemlich anders geworden...


    Insgesamt verhielt sich dieser Junge auf dieser Fahrt seltsam und nicht altersentsprechend. Er distanzierte sich noch am ersten Abend von unserem Sohn, ignorierte ihn und zog häufig mit anderen Kindern los (wobei er auch die eher ignorierte oder von oben herab behandelte). Schon am zweiten Tag hatte ich das Gefühl, dass die beiden sich nichts mehr zu sagen hätten und sich regelrecht anöden. Der Junge sonderte sich häufig ab, andererseits hielt er gerne lange "Vorträge" über irgendwelche Themen. Dabei sprach er immer langsam, sehr überlegt, aber auch sehr monoton. Und obwohl die Themen inhaltlich sehr viel korrektes Fachwissen enthielten (über sein Alter hinaus), zeigte er dabei eigentlich überhaupt kein wirkliches Interesse daran. Ich habe ihn in vier Tagen nicht einmal lachen oder lächeln sehen. Keinerlei Emotionen. Weder positive, noch negative. Wenn ich ihn direkt angeschaut habe, drehte er sich immer gleich weg.
    An einem Abend kam unser Sohn allein, weinend und völlig aufgelöst zu uns, weil der Junge ihn ständig ignorierte. Er - der in der Schule selbst ständig gemobbt wird. Zur Erinnerung: mein Sohn hatte ihn als besten Freund zu der Fahrt eingeladen und sich natürlich ein ganz anderes Zusammensein erhofft. Das muss zwischen den beiden so stark spürbar gewesen sein, dass unser Sohn völlig fix und fertig war.


    Es gab während der paar Tage und auch auf der Rückfahrt noch weitere Merkwürdigkeiten in dem Verhalten des Jungen. Insgesamt war das Zusammensein mit ihm aus unserer Sicht sehr gezwungen und ja - ziemlich unangenehm.


    Nun ist der Junge ja in Behandlung, die Eltern - und wohl auch die Schule (ich weiß, dass es Gespräche mit dem Schulleiter gab) - sind wohl umfänglich im Bilde. Jedenfalls gehe ich davon aus. Aber ich frage mich, ob ich z.B. mit den Eltern über das Wochenende reden soll. Nach meiner Meinung hat der Junge große Probleme (von den Selbstmordäußerungen mal ganz abgesehen), und auch seine Unbeliebtheit kommt nicht von ungefähr. Ich nehme an, so unangenehm im Wesen, wie er auf uns wirkte, wird er wohl auch auf seine Klassenkameraden wirken. Andererseits - soll ich der Mutter das alles noch extra erzählen? Sie wird schon genug Sorgen wegen des Jungen haben, und ein weiteres Kind hat eine schwere Erkrankung (gibt es einen Zusammenhang?).


    Ich würde gern Eure Meinung dazu hören, auch zu dem Verhalten des Jungen.
    Wie geht man damit um, wie geht man als Lehrer damit um?


    *****************
    Ich habe ein Mädchen in einer meiner Klassen, die z.B. auch (auffallend) vollkommen emotionslos ist (Bestätigung aller Lehrer). Ebenfalls 5. Klasse, gleiches Alter. Ich sehe sie aber als Fachlehrer nur 1x pro Woche und weiß ansonsten nicht viel über sie.

  • Zunächst einmal finde ich es toll, dass du dir Gedanken machst; es gibt sicher genug Eltern, die schlichtweg genug mit ihrem eigenen Wirken (Haushalt, Kinder, Beruf) ausgelastet sind und sich dann denken "Ist nicht mein Kind!".
    Wir sind ja (angehende) Lehrer und haben in unserer Ausbildung höchstens mal am Rande von Psychologie gehört; deswegen solltest du dich nicht alleine auf unsere Ausführungen berufen, sondern im Zweifelsfall lieber noch auf die eines Psychologen/Therapeuten.
    Ich weiß nicht, wie zugänglich die Eltern sind, aber es kann sein, dass sie bereits selbst genug Probleme mit dem Kind haben und dann, wenn eine Person von außen dazu kommt, die dann auch noch Lehrer ist (und Lehrer haben ja eh das Image, alles besser zu wissen und sich einzumischen), völlig auf stur schalten - als eine Art Selbstschutz. Vlt. haben sie auch Angst, dass ihnen das Kind weggenommen wird, wenn sie die Erziehung nicht in die Reihe bekommen.
    Ich war zugegebenermaßen etwas schockiert, ein solches Verhalten von einem 5.-klässler zu hören, das hätte ich noch eher in einen pubertären oder postpubertären Kontext eingeordnet, Woher kennt sich ein 10-jähriger derart versiert mit Fachbegriffen aus dem Suizitbereich aus? Ältere Geschwister? Fachliteratur/Internet? Falscher Freundeskreis (außerhalb deines Sohnes)? Liegt darüber hinaus auch noch eine Art Autismus vor?
    Ich würde auf jeden Fall mit den Eltern in Kontakt treten, aber bereits früh darauf hinweisen, dass du ihr Erziehungsverhalten nicht kritisierst, sodass sie nicht direkt auf Durchzug schalten. Zunächst würde ich sagen, dass dir das Verhalten des Kindes während des Ausflugs Sorgen macht, dass dein Sohn und die anderen Kinder Angst hatten, und ob die Eltern bereits zuvor ähnliche Erfahrungen machten. Wenn die Eltern kooperativ sind: Hilfe im Zweifelsfall anbieten! Wenn sie auf Durchzug schalten: Nicht weiter kommentieren, aber am Ball bleiben und bei erneuten Vorfällen das Jugendamt informieren - es ist keinem damit geholfen, wenn man aus Rücksicht auf die Eltern wegschaut und sich das Kind etwas antut; dann heißt es wieder "Warum hat keiner reagiert?".


    Jetzt mal rein amateurhaft und völlig von medizinischem/psychologischem Wissen losgelöst: Ein normales Kind in dem Alter verhält sich so nicht, da scheint es im Hintergrund arge Probleme zu geben, dass das Kind mit entsprechendem Verhalten reagiert. Ich könnte jetzt auch nicht sagen, dass das Verhalten typisch für ein gemobbtes Kind, Probleme im Elternhaus oder Autismus alleine ist, es ist wohl eine ungünstige Kombination aus mehreren Faktoren. Da es nicht dein Kind ist, sind dir leider in vielen Bereichen die Hände gebunden. Konkret Maßnahmen kannst du nur unternehmen, wenn das Kind sich oder andere Kinder gefährdet oder eine Gefährdung ankündigt. Ansonsten könntest du das vorsichtige Gespräche mit den Eltern oder auch dem Kind selbst suchen, was jedoch, wie zuvor beschrieben, auch seine Grenzen hat.


    Hoffentlich geht alles gut aus!

  • Zitat

    Ich war zugegebenermaßen etwas schockiert, ein solches Verhalten von einem 5.-klässler zu hören, das hätte ich noch eher in einen pubertären oder postpubertären Kontext eingeordnet, Woher kennt sich ein 10-jähriger derart versiert mit Fachbegriffen aus dem Suizitbereich aus? Ältere Geschwister? Fachliteratur/Internet? Falscher Freundeskreis (außerhalb deines Sohnes)? Liegt darüber hinaus auch noch eine Art Autismus vor?

    Ich nehme an, den Begriff "Suizid" hat er aus der Therapie? Von meinem Sohn jedenfalls nicht, dem musste ich das erst erklären... Ältere Geschwister gibt es nicht, nur jüngere. Er kann das Wort natürlich auch aus der Literatur haben, was ich ihm zutrauen würde, wenn ich an seine "Vorträge" denke. An eine Ausprägung von Autismus habe ich auch schon gedacht. Ich habe aber das Gefühl, das dies in diesem Fall zumindest nicht vorrangig die Ursache für sein Verhalten ist.


    Ich denke, die Eltern kennen ihren Sohn. Allerdings ist man als Eltern ja auch sehr subjektiv. Ich könnte mir vorstellen, dass hier seitens der Eltern z.B. die Therapie vollkommen unterstützt wird, gleichzeitig aber auch ein gewisses negatives Alltagsverhalten des Sohnes verdrängt wird. Was verständlich ist, denn man kann sich als Eltern nicht laufend gedanklich damit auseinandersetzen, dass das Kind in seinem Wesen nicht zurecht kommt. Diese Energie hat niemand. Und was auf UNS seltsam wirkt, kann für die ELTERN völlig normal sein, da sie ihren Sohn gar nicht anders kennen!! Da wird es einen gewissen Gewöhnungseffekt geben.
    Ich denke aber auch, dass seitens der Eltern dem Jungen zu viel abgenommen wird. Auf der Reise war er in praktischen Dingen sehr unselbständig, und das ständige von-der-Schule-abholen durch die Eltern - nun ja, muss das wirklich immer jedes Mal sein? Vor dem geg. Hintergrund evtl. JA (das fänd ich dann aber schon alarmierend), ansonsten würde ich sagen, NEIN. Man kann seinem Kind auch durchaus mal sagen "Die letzte Stunde schaffst Du jetzt auch, sooo schlimm sind deine Bauchschmerzen nicht. Das kann man auch mal aushalten". Man kennt ja sein Kind, und ich als Mutter habe das durchaus schon zu meinen Kindern gesagt. Ich höre schon am Telefon, ob es wirklich was ernsthaftes ist oder eher so ein "ich fühle mich jetzt grad nicht wohl, alles ist doof, ich will lieber nach Hause".


    Daran, dass irgendwer denen das Kind wegnehmen könnte, auf die Idee wäre ich bis eben gar nicht gekommen. Nach meinem Eindruck und Wissen gibt es in der Familie keine Probleme, die einen Suizidwunsch begründen könnten. Das Mobbing halte ich aber auch NICHT für ursächlich. Ich vermute eher, dass es hier eine irgendwie genetisch bedingte Veranlagung gibt. Aber es steht mir ja nun eigentlich überhaupt nicht zu, hier irgendeine Diagnose zu treffen.


    Ich muss auch ehrlich sagen, ich scheue mich vor einem Gespräch mit den Eltern. Wie fängt man da an? "Ach sagt mal, unser Sohn hat erzählt, euer Junge will sich umbringen?" :ohh:
    Du lieber Himmel.

  • Zunächst einmal finde ich es toll,

    Wir sind ja (angehende) Lehrer und haben in unserer Ausbildung höchstens mal am Rande von Psychologie gehört;

    Ich war zugegebenermaßen etwas schockiert,

    Ich würde auf jeden Fall mit den Eltern in Kontakt treten, aber bereits früh darauf hinweisen, dass du ihr Erziehungsverhalten nicht kritisierst, sodass sie nicht direkt auf Durchzug schalten.

    etzt mal rein amateurhaft und völlig von medizinischem/psychologischem Wissen losgelöst: Ein normales Kind in dem Alter verhält sich so nicht,

    Sorry Lehramtstudent, aber langsam wird es lächerlich. Wenn man von einem Thema keine Ahnung hat, kann man auch einfach mal schweigen. Denn mit den Plattitüden in deinem post ist der TE sicherlich kein Stück weitergeholfen.

  • Ich muss auch ehrlich sagen, ich scheue mich vor einem Gespräch mit den Eltern. Wie fängt man da an? "Ach sagt mal, unser Sohn hat erzählt, euer Junge will sich umbringen?"

    Solche Gespräche kann man gut beginnen mit "Ich mache mir Sorgen um ...." Ich würde die Eltern kontaktieren, der Rest ist aber ihre Sache - das sollte an den Therapeuten weitergegeben werden.

  • @Nordseekrabbe: Ich verstehe nicht, warum du so heftig reagierst. Ich finde nicht, dass Lehramtsstudent Plattitüden von sich gegeben hat. Dann schreibe doch bitte Profunderes zum Thema, Catania wird für alle Tipps dankbar sein, denke ich.

  • Ich muss auch ehrlich sagen, ich scheue mich vor einem Gespräch mit den Eltern. Wie fängt man da an? "Ach sagt mal, unser Sohn hat erzählt, euer Junge will sich umbringen?"

    Nee, so nicht. Aber wenn du sie tatsächlich darauf ansprechen möchtest, könntest du erwähnen, dass du ihren Sohn gerne wieder einmal zu einer Unternehmung einladen würdest, allerdings gewisse Bedenken hättest nach dem ersten Mal. Da der Sohn ja schon in Therapie ist, wäre es möglich, dass die Mutter dann schon ungefähr weiß, worum es geht und mit dir darüber spricht. Wenn sie allerdings das Thema vermeidet, würde ich dies akzeptieren. Wie gesagt, das Kind ist ja bereits in Therapie.

  • Ich war in meiner eigenen Jugendzeit über einige Jahre selbst sehr zum Thema Selbstmord hingezogen. Konkrete Gründe sind im Laufe der Zeit ein wenig verschwommen geworden, teils waren verschmähte Liebe Thema, (gefühlte) Aussichtslosigkeit, auch der Wunsch, durch heroischen Selbstmord - quasi dem höchsten Opfer - die Welt zum Besseren zu verändern. Vor allem ab der höheren Schule war es dann verblüffenderweise so, dass sehr viele meiner Freunde ebenso offen von Selbstmord sprachen, wir hatten dann Methoden diskutiert, und wie wohl der größte Effekt zu erreichen wäre. Ich weiß noch, dass ich so mit 15,16 mal ein 96-seitiges (A4-Seiten in Word) Drehbuch schrieb, über eine Gruppe von Jugendlichen, die gemeinsam als politisches Statement Selbstmord begehen wollen weil sie erkannt hatten dass ein jeder für sich mit seinem Selbstmord nichts erreichen würde können. In der Geschichte kam auch ein irrer Prediger vor, der die eigentlich geplante Aussage nachträglich für seine eigenen Zwecke verfälschte. War wohl damals für mich ein Teil der Überwindung der Fantasie, dass mein Selbstmord etwas an den Zuständen ändern würde, die mich erst dazu getrieben hatten.


    Der "Knackpunkt" kam bei mir, als ich eines Tages zu mir selbst sagte: "So, nachdem du dich sowieso umbringen willst, warum versuchst du jetzt nicht einen Tag lang, so zu leben, als würden deine Probleme überwindbar sein. Wenn es nicht klappt, kannst du dich ja morgen immer noch umbringen." Konkret ging es damals wohl viel um Mobbing, Nicht-verstanden-Werden. Und tatsächlich änderte sich ab dem Zeitpunkt das Verhalten anderer um mich, weil ich mich erstmals traute, zu mir und meinen Bedürfnissen zu stehen.


    Erst jetzt, über 10 Jahre später, beginne ich zu verstehen, warum es damals für mich so schwer war, mich verstanden zu fühlen: ich bin wohl (emotional) hochsensibel und nehme die Welt sehr anders wahr als meine Mitmenschen. Das ist manchmal anstrengend für mich, eröffnet aber gleichzeitig zahlreiche "Extra-Kanäle", um die Welt besser zu verstehen, u.A. spüre ich unterdrückte Emotionen in anderen Menschen oder Gruppen. Eine Freundin drückte es unlängst so aus: du bist ein sehr besonderer Mensch; du erkennst Zusammenhänge die niemand anderer erkennt, aber checkst andere die jeder checkt wieder gar nicht. Tatsächlich (das fanden wir dann beim Durchgehen ihrer Beispiele heraus) verstehe ich oft Zusammenhänge dermaßen tief, dass sich dadurch ganz andere Möglichkeiten ergeben als sie sich einem fiktiven Durchschnittsmenschen auftun. Vieles ist damit für mich eben nicht selbstverständlich, was es für andere sein mag, und mein Verhalten irritiert damit (auch heute noch) zuweilen andere und führt dazu, dass ich mich unverstanden fühle (etwa wenn ich spüre dass jemand - unnötigerweise für eine Situation - seine Emotionen unterdrückt und ich überrascht bin dass derjenige ein für ihn und andere nicht zuträgliches Verhalten weiterführt, anstatt etwas daran zu ändern).


    Der Suizid ist für diejenigen, die ihn tatsächlich planerisch abwägen (was in deinem Fall zutreffen dürfte) meist kein simples "Ich habe keine Lust mehr", sondern oft auch eine Art von Handlung, aus der sie sich bestimmte Konsequenzen versprechen, etwa "wenn ich mir das Leben nehme und meine Eltern dann meinen Abschiedsbrief lesen, dann verstehen sie mich/dann merken sie erst, was sie verloren haben/..." Es sind oft erwünschte Konsequenzen, deren Eintreffen durch eine Fortführung des Lebens unwahrscheinlich bis unmöglich erscheint (wie es für mich eine Zeit lang unmöglich schien, dass sich am Verhalten meiner Mitschüler ohne meinen Tod etwas ändern könnte).


    Das mit den Eltern des Jungen ist eine schwierige Sache. Es kann sein, dass er zu dir/deinem Sohn besonderes Vertrauen hat und euch Dinge erzählt, die er sonst niemandem erzählt. Erzählst du nun etwas davon "weiter", kann es sein, dass er seine Haupt-Vertrauens-Person dadurch verliert weil er euch nicht mehr vertrauen kann. Gleichzeitig ist es auch eine enorme Verantwortung und Last, diese Person zu sein (ich habe das mehrmals durchgemacht und weiß daher, wovon ich spreche), das muss man sich schon zutrauen. Wenn du mit seinen Eltern sprichst, fände ich es am besten, vorher mit ihm zu sprechen (das kann theoretisch auch dein Sohn tun), um ihm zumindest davon Bescheid zu geben.


    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder/Jugendliche, die von Selbstmord sprechen, ein relativ genaues Bild davon haben, warum sie diesen planen, und auch, dass die meisten Erwachsenen das Thema als Tabu-Thema wahrnehmen, was dazu führt, dass das (oft unvollständige) Bild der suizidgefährdeten sich oft erhärtet, weil es keinen kritischen Widerpart findet, der die Emotion und die Bedürftigkeit dahinter wahrnimmt und respektiert, gleichzeitig aber auch andere Wege aufzeigen kann, die Bedürftigkeit zu stillen. Ziel der darum gehenden Gespräche sollte es nicht sein, den Selbstmord zu verhindern, sondern zu versuchen, dem Kind/Jugendlichen zu ermöglichen, Verständnis für seine Bedürftigkeit erleben zu lassen. Dann kann es oft sogar reichen, dass der Suizidgefährdete erkennt, dass er mit seiner Bedürftigkeit nicht alleine ist, dass all die anderen mit den selben Problemen zu kämpfen haben wie er selbst auch, nur dass diese eben das nicht zeigen. Über Suizid zu sprechen ist auch ein Weg, über seine Bedürftigkeit zu sprechen, verbunden mit der Hoffnung, dass die jeweils anderen sich ebenso öffnen. Ich hatte damals das Glück, einige KlassenkollegInnen zu haben die mutig genug waren, mir auch ihre Innenwelten offenzulegen, so dass ich mich nicht mehr so alleine und verstandener fühlte. Der Junge sucht wohl verzweifelt eine ähnliche Erfahrung.


    Ein Bunterrichter

  • Also ich fände es toll, wenn zunächst mal das Mobbing gegen den Jungen unterbunden würde, anstatt ihn zu trainieren, das besser auszuhalten.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • @Nordseekrabbe: Ich verstehe nicht, warum du so heftig reagierst. Ich finde nicht, dass Lehramtsstudent Plattitüden von sich gegeben hat. Dann schreibe doch bitte Profunderes zum Thema, Catania wird für alle Tipps dankbar sein, denke ich.

    Das sehe ich ganz anders. Die TE stellte im Grunde die Frage: "Was tue ich, wenn mein Kind mit einem psychisch kranken Kind befreundet ist?"


    Während nun also einige Leute sagen, dass sie ja keine Psychologen seien, gleichzeitig aber von "irgendwas Genetisches" über "Erziehungsdefizite" bis hin zu "Autismus" x Diagnosen zusammenkommen, dann hilft dieser unsortierte und unreflektierte Gedankenwust Catania überhaupt nicht weiter.


    Du kannst nur für dich persönlich entscheiden, als Catania sozusagen, ob du die Eltern eines extrem verhaltensauffälligen Kindes ansprechen möchtest, oder nicht. Wie die Eltern darauf reagieren, kann niemand prophezeien. Dass sie nicht wissen, dass sich ihr Kind abnorm verhält, ist nicht anzunehmen. Wenn dem so wäre, hat die Familie ganz sicher noch weit größeren Hilfebedarf! Diesen zu klären sehe ich aber nicht als deine Aufgabe.


    Die Frage ist also, ob es dich beruhigt, wenn du es einmal ausgesprochen hast, oder ob du denkst, dass es dem betreffenden Kind etwas bringt, wenn du dich einmischst oder, dritter Fall, ob es dir für dein Kind wichtig erscheint, dass du die Eltern ansprichst. Denn du musst mit der Entscheidung als Mensch nachher leben, sowohl wenn du dich dafür entscheidest, als auch, wenn du dich dagegen entscheidest.
    Ich denke, was generell gelten sollte: Hast du akute Sorge um das Leben eines Kindes, dann unternimm etwas. Wenn nicht, sehe ich persönlich nicht deine Aufgabe darin, anderen den Erziehungsberater zu geben.


    Ich würde übrigens grundsätzlich nicht wildfremde Kinder mit zum Campen nehmen und auch meines nicht irgendwo mitschicken.


  • Ich würde übrigens grundsätzlich nicht wildfremde Kinder mit zum Campen nehmen und auch meines nicht irgendwo mitschicken.

    Es ist ja kein wildfremdes Kind, sondern der beste Freund des eigenen Sohnes. Es ist ja jetzt nicht so unüblich, dass beste Freunde der Kinder an Familienaktivitäten teilnehmen. Ob ich das trotzdem unterstützen würde, wenn ich wüsste, dass das Kind schwere psychische Probleme hätte - da wäre ich mir nicht so sicher.


    Davon mal abgesehen, hat keiner dem Kind Autismus diagnostiziert, da ja auch keiner von uns das Kind persönlich kennt und nicht die diagnostischen Fähigkeiten hierzu besitzt. Es war lediglich eine Überlegung, die auch als solche markiert war. Letztlich fragte Catania uns, was wir davon halten und da haben wir alle aus der selben Perspektive heraus argumentiert, nämlich aus der Lehrer- oder Elternteil-eines-anderen-Kindes-Perspektive.

  • ... Ich muss dazu sagen, dass ich den Jungen bis dahin eigentlich kaum kannte, da die sich nur in der Schule sehen, und nur gelegentlich zu gemeinsamen Nachmittagen (wir wohnen auf dem Land und weiter voneinander entfernt).
    ...

    Es ist wohl ein wildfremdes Kind, Lehramtsstudent. Und wenn du weder eigene Kinder noch eine fundierte psychologische Ausbildung hast (und selbst dann ist eine Ferndiagnose über Dritte unmöglich), machst du mehr kaputt, als dass du "hilfst", wenn du hier Nonsens verbreitest. Sorry, aber irgendwie verstehst du dezentere Hinweise offensichtlich nicht.

  • Als Lehrer ist man verpflichtet, auf eine Suizidankündigung zu reagieren. Das ist ja auch eine Form der Kindeswohlgefährdung.
    Als Privatmensch bist Du es nicht. Ich frage mich nur, warum es nicht trotzdem richtig sein sollte, die Eltern darüber zu informieren.
    (Lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde es tun!)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

    • Offizieller Beitrag

    <Mod-Modus>
    "ich kannte das Kind kaum" <> "Wildfremdes Kind"


    Das gegenseitige Aufeinanderrumkloppen hilft Catania aber auch nicht wirklich weiter. Also bleibt beim Thema.


    kl. gr. frosch

  • "Als Lehrer ist man verpflichtet, auf eine Suizidankündigung zu reagieren. Das ist ja auch eine Form der Kindeswohlgefährdung.
    Als Privatmensch bist Du es nicht."


    Da der Junge bereits in Therapie ist, gehe ich davon aus, dass die Eltern sehr wohl im Bilde sind. Die Frage ist, ob ich ihnen jetzt noch einmal extra etwas erzählen soll, was sie vermutlich wissen (oder wissen sollten). Bringt das etwas? Außer, dass die Eltern sich noch mehr Sorgen machen? Die haben sicherlich auch gehofft, dass der Junge ein nettes und schönes Wochenende hat. Nach meiner heutigen Information fand er das Wochenende schön und möchte wieder einmal mitkommen.


    Nun ja. Entweder gibt er das nur vor, um "Ruhe" zu haben, oder er empfindet das tatsächlich so. Ich hatte allerdings einen anderen Eindruck und immer das Gefühl, dass er sich nicht wohl fühlt. Aber vielleicht ist die Wahrnehmung bei ihm und bei mir/uns auch nur verschoben... ?


    "Es ist ja jetzt nicht so unüblich, dass beste Freunde der Kinder an Familienaktivitäten teilnehmen. Ob ich das trotzdem unterstützen würde, wenn ich wüsste, dass das Kind schwere psychische Probleme hätte"


    Bis kurz vor dem Wochenende wusste ich nur von Mobbing. Von den Suizidgedanken habe ich exakt 2 Tage vor der Fahrt erfahren, durch Hörensagen, NICHT durch die Eltern. Sollte ich ihn dann in diesem Augenblick ausladen? Und damit gleich 2 Kinder unglücklich machen? Nein. Ich habe mir allerdings so meine Gedanken gemacht...


    "Was tue ich, wenn mein Kind mit einem psychisch kranken Kind befreundet ist?"


    Dieser Gedanke spielt tatsächlich keine ganz unwesentliche Rolle. Mein gerade mal 11-jähriger Sohn ist schließlich derjenige, dem (neben Eltern, Therapeuten) die Suizitgedanken anvertraut werden. DAVON bin ich ehrlich gesagt alles andere als begeistert. Ich finde, dass mein Sohn zu jung ist, um sich mit einem solchen Problem bzw. solch eine Verantwortung!!! zu tragen. Was allein beim Umgang mit dem Jungen herauskommen kann, haben wir am Wochenende gesehen. Offenbar war nichts konkretes vorgefallen, aber die Stimmung zwischen beiden muss derart unangenehm gewesen sein, dass UNSER Sohn (nicht der suizitgefärdete Junge) fix und fertig war, nicht darüber reden wollte und sich weit vor der Schlafenszeit im Zelt in den Schlaf geweint hat...


    Um auf die Eltern zurück zu kommen: Soll ich denen das erzählen und ihnen / dem Jungen direkt oder auch indirekt noch Vorwürfe machen? Bringt das irgend jemanden aus der Familie weiter? Am ehesten wäre das wohl noch für den Therapeuten von Interesse, oder nicht?

  • Ich würde die Eltern über die Beobachtungen und die Äußerungen informieren.


    Aus deinem Beitrag geht - so empfinde ich es - hervor, dass du dir Sorgen und Gedanken machst. Wenn später einmal irgendwas passieren sollte, wirst du dir womöglich Vorwürfe machen, dass du deine Beobachtungen den Eltern nicht mitgeteilt hast. Zumindest würde es mir so gehen.


    Auch wenn der Junge bereits in Therapie ist - man weiß ja nicht, weshalb genau er dort ist und was für eine Art der Therapie es ist.
    Vielleicht sind die Eltern auch dankbar, wenn du mit ihnen Kontakt aufnimmst und deine Sorgen äußerst.
    Und wenn sie unwirsch reagieren - dann auch gut, aber dann hast du es wenigstens versucht.

  • Ja, sehe ich im Prinzip auch so.


    Aber noch einmal zur Klarstellung, bevor das hier falsch rüberkommt: Die Suizidgedanken hatte der Junge irgendwann mal geäußert (und meinem Sohn zwei Tage vor der Fahrt davon erzählt), NICHT auf der Wochenendfahrt.

  • Das hab ich auch so verstanden. Ich würde das trotzdem ansprechen, schließlich hat dein Sohn dir davon erzählt.
    Wann das war, spielt ja auch keine Rolle, er hat es gesagt.
    Und deine Beobachtungen vom WE passen da ins Bild.

  • Auch wenn der Junge bereits in Therapie ist - man weiß ja nicht, weshalb genau er dort ist und was für eine Art der Therapie es ist.

    ... und außerdem sind Therapeuten keine Wunderheiler. Man muss in so einer Therapie schon auch benennen, was einen umtreibt.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ohne jetzt alles gelesen zu haben (fehlt mir gerade die Zeit dazu): ich würde die Eltern auch unbedingt über die Suizid-Äußerungen ihres Kindes informieren , mehr aber erstmal nicht.
    Ich war in meiner Schulzeit mal mit meiner Klasse bei einer Beratungsstelle für suizidgefärdete Kinder/Jugendliche und das was ich davon mitgenommen habe, war solche Äußerungen immer enst zu nehmen und darauf zu reagieren. Die Erfahrungen der Berater dort war, dass die Jugendlichen fast immer vorher irgendjemandem von ihren Gedanken erzählen, durchaus in der Hoffnung auf Hilfe. Man sollte es auf jeden Fall nicht einfach als leeres Gerede oder "Sich-wichtig-machen-Wollen" abtun. Selbst wenn es das ist: du kannst das selbst nicht einchätzen.Ob die Eltern sowieso schon davon wissen, weißt du ja nicht, also teile es Ihnen auf jeden Fall mit (besser einmal zu viel, als einmal zu wenig...). Weitere Beobachchtungen zum Verhalten des Jungen beim Wochenende würde ich erstmal nicht erzählen, es sei denn die Eltern fragen dich direkt danach. Sonst wäre ich da vorsichtig.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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