Als Ingenieur Lehrer werden? Waere dankbar fuer Erfahrungen / Tipps zur Entscheidungsfindung.

  • Liebe angehende / fertige Lehrer,


    kurz zu meiner Person: Ich bin Maschinenbau Ingenieur (Master Uni) in NRW und arbeite bereits seit 6 Jahren in meinem Beruf in unterschiedlichen Branchen.
    Zurzeit ist es so, dass ich mein Leben ueberdenke und die Sinnhaftigkeit meiner jetzigen Taetigkeit hinterfrage.


    Folgendes Problem: Ich habe bereits in drei verschiedenen Betrieben gearbeitet, unheimlich viel gelernt, gearbeitet und Verantwortung uebernommen. Alle Themen waren spannend, haben Spaß gemacht, aber nie die erhoffte "Erfuellung" im Job gebracht. Da ich mich ehrenamtlich in der Feuerwehr seit vielen Jahren betaetige, weiss ich, was eine erfuellende Aufgabe bedeutet. Ich brauche Action im Beruf. Das pausenlose Anstarren von Computerbildschirmen langweilt mich auf Dauer und ich fuehle mich teilweise einfach so, als wuerde ich meine teure Lebenszeit verschwenden. Das Ziel "Geld" im eigenen Betrieb erfuellt mich einfach nicht. Es ist schwer zu umschreiben, aber vermutlich finde ich hier Gleichgesinnte.


    Nun ist es so, dass ich den Lehreralltag durch meine Verlobte durchaus kenne. Diese arbeitet seit ein paar Jahren als Lehrerin und ist vielleicht die zufriedenste und gluecklichste Person, die ich kenne. Ich selber habe bereits waehrend des Studiums Nachhilfe gegeben, Youtube Videos erstellt fuer andere Studenten, in denen ich Aufgabe erklaere, viel Ausbildungstaetigkeiten in der Feuerwehr uebernommen und habe unheimlich gerne paedagogisch fuer andere Mitmenschen gearbeitet. Viele juengere Menschen verbringen unheimlich gerne Zeit mit mir und nehmen (so zumindest die Resonanz) unheimlich viel von meiner Art und Weise der Wissensweitergabe mit. Dabei sind es meist gerade junge Heranwachsende, mit denen ich unheimlich gut zurechtkomme und arbeite. Mir gefaellt es einfach mein Wissen weiterzugeben und dieses durch einfache und praktische Beispiele zu umschreiben.


    Jetzt habe ich ein paar Fragen bzgl. dem Seiteneinstieg in NRW als Berufsschullehrer:


    - Soweit ich es erkennen kann, sind die Moeglichkeiten als Maschinenbauingenieur gar nicht mal schlecht in NRW. Ist die Entwicklung absehbar, ob der Bedarf auf diesem Niveau bleiben wird?


    - Ist es korrekt, dass die Faecherkombination Maschinenbautechnik und Fertigungstechnik moeglich ist? Ich habe sehr viele Veranstaltungen besucht, die sich auf beide Faecher aufteilen lassen. Bewertet meine Kombination und die zugehoerigen Veranstaltungen die Schule, bei der ich mich bewerbe oder wird meine Fachkombination irgendwo zentral bewertet?


    - Und was mich natuerlich am meisten interessiert: Ich wuerde mich wahnsinnig ueber eure Erfahrungen freuen! Besonders wenn ihr selber Maschinenbauing seid: Ist die Arbeit erfuellend? Wuerdet ihr den selben Weg nochmal einschlagen? Wie zufrieden seid ihr?


    Ich danke euch wirklich herzlich fuer eure Antworten!

  • es ist sehr anstrengend, oft auch zu sehr.


    es ist nicht langweilig.


    es ist ab und an sehr sinnvoll, was man da macht. nicht oft, aber die paar momente bleiben hängen.


    es ist schön, inhalte, die frau selber spannend findet, für andere begreifbar zu machen.


    es ist der schönste beruf der welt.


    wichtig ist, sich selbst zu mögen und beinahe jeden menschen annehmen zu können, auch wenn man den oder die spezielle grad' so gar nicht abkann.


    und eine gewisse stressresistenz ist auch nicht verkehrt. lehrer treffen permanent entscheidungen (viele, viele, viele in jeder unterrichtstunde) und haben sehr, sehr, sehr viele nicht standardisierte sozialkontakte. das dürfte in nur wenigen berufen auch so sein (mir fällt keiner ein; vielleicht polizist?).

  • ahja, und die ferien. ferien nicht vergessen! von allen schultypen, an denen ich war, war die berufsschule mit abstand die entspannteste veranstaltung. aber das kann anderswo ganz anders sein, keine ahnung.

  • war die berufsschule mit abstand die entspannteste veranstaltung

    An was für einer Berufsschule warst du??? :staun:


    Allein der Korrekturaufwand, der jedes Jahr (sowohl im Vollzeit- als auch im Teilzeitbereich) anfällt, dürfte diese Aussage widerlegen... Dieses Jahr fallen bei mir ca. 150 Prüfungsklausuren zur Korrektur an. Und das ist keine Ausnahme. Das Ganze muss innerhalb 6 Wochen (Zeitraum zwischen Oster- und Pfingstferien) über die Bühne. Ich habe in der Regel Doppelabitur plus mindestens eine weitere Abschlussklasse. Die Kollegen, die mehr im Teilzeitbereich tätig sind, brüten dafür wochenlang über zahllosen Projekten, die bewertet werden wollen. Also nein, entspannend find ich anders...


    Zum Thema: Lehrer ist ein toller Beruf. Durch deine Verlobte scheinst du ja eine realistische Vorstellung davon zu haben. Schwierig ist es immer bei Quereinsteigern, die wegen 12 Wochen Ferien und nachmittags frei kommen und glauben, die Lehrerwelt hätte nur auf sie gewartet. Aber das scheint bei dir nicht der Fall zu sein. ;)

  • Ein Kollege von mir ist auch umgestiegen von Ingenieur mit Berufserfahrung auf Lehrer, hat super geklappt (er ist ein toller Kollege).


    Wie schon gesagt wurde: Wenn Du Dir realstische Vorstellungen über den Beruf machst und es das ist, was Du willst, dann kann sich der Umstieg sehr lohnen.


    Immer und überall "erfüllend" ist der Beruf allerdings nicht - nur manchmal, aber das ist ja schon viel wert.

  • An was für einer Berufsschule warst du??? :staun:
    Allein der Korrekturaufwand, der jedes Jahr (sowohl im Vollzeit- als auch im Teilzeitbereich) anfällt, dürfte diese Aussage widerlegen...

    mag bei dir so sein. war eine normale, staatliche bayerische berufsschule mit allem drum und dran (lehrlinge aus verschiedenen fachbereichen von viele ex-förderschüler bis klassen mit fast nur abiturienten drin, halt je nach fachbereich, berufsschulpflichte ohne ausbildungsstelle, flüchtlinge, jugendliche in berufsvorbereitenden vollzeitmaßnahmen) im umland einer großen großstadt. ich hatte nur nicht-prüfungsrelevante fächer (komme vom gym), außer sozialkunde, und seeeehr viele exen und schulaufgaben zu korrigieren, aber die waren vom erstellungsaufwand wie auch vom korrekturaufwand her ein absoluter witz gegen ein durchschnittliches gymnasium hier. der vorbereitungsaufwand ging in meinen fächern im vergleich zum gym ebenfalls gegen sehr wenig (allein schon, weil sich alles ständig wiederholt - nur drei jahrgangsstufen und redundante inhalte und sehr gutes fertiges lehrmaterial existierte, das man nur anpassen musste; zudem fast kein transfer oder so im unterricht, fast nur reproduktion, bisschen anwendung, und servus). das kollegium war viel relaxter als an den gymnasien, die respizienz sehr viel lockerer, und eltern kamen fast nicht vor.


    manche kollegen - eine kleine minderheit - kamen mit der klientel in den vollzeit-berufsvorbereitenden maßnahmen und in manchen fachbereichen (einzelhandel, metall...) nicht so gut klar, aber ich fand die schüler menschlich sehr angenehm und sonst ziemlich spannend. die sozialarbeiter waren gold wert und haben uns lehrer sehr entlastet. also ja, hätte ich am gym keine planstelle bekommen, wäre ich sofort und jederzeit an die berufsschule zurückgegangen. super sache! viel entspannter als gym, gleiches geld, für mich persönlich inhaltlich bisschen weniger spannend wegen der langweiligeren inhalte in meinen fächern, aber sonst... wirklich eine tolle schulart.


    abitur und dergleichen gibt es an bayerischen berufsschulen nicht. für abitur muss man an die fachoberschule/berufsoberschule (was ebenfalls weniger stressig ist als gym nach aussage der meisten gewechselten lehrer, wobei die korrekturen klar nerven, v.a. mit sprachen) oder ans allgemeine gymnasium (oder abendgymnasium) oder begabtenprüfung (externes abitur).

  • Also ich bin Ingenieurin und habe in NRW den Seiteneinstieg (OBAS) gemacht. Und ich darf sagen: noch nie habe ich so abwechslungsreich gearbeitet und ihm Rahmen der Vorgaben (Lehrplan, Stundenplan) auch so frei gearbeitet. Ich darf mir die Lernsituationen selbst ausdenken, darf Klausuren schreiben wie ich das für richtig halte, darf Projekte machen und die bewerten, mache Exkursionen in andere Firmen (SEEEEEHR lehrreich für alle!), arbeite im Prüfungsausschuss mit usw usf Könnte da noch einige Punkte mehr anführen.


    Der Seiteneinstieg war für mich ziemlich hart, aber im Nachhinein bin ich immer noch froh, dass ich es gemacht habe. Ich habe auch mal eine Weile meine Wochenstunden aufgeschrieben und muss sagen, dass ich mich wirklich nicht überarbeite (obwohl es mir manchmal so vorkommt, der Schul-Alltag ist doch manchmal sehr nervenaufreibend und anstrengend). Trotzdem ist mir niemals ein Arbeitstag langweilig vorgekommen. Ich gehe rein in die Schule und plötzlich sind 8 Stunden um und ich gehe heim. Niemals ist mir mein Schreibtischjob-Tag so schnell vorbeigedüst. Korrekturen hasse ich jedoch wie die Pest. Ich muss mich immer dazu zwingen. Aber das gehört nun mal dazu.


    Zu Deinen Fragen:
    - Soweit ich es erkennen kann, sind die Moeglichkeiten als Maschinenbauingenieur gar nicht mal schlecht in NRW. Ist die Entwicklung absehbar, ob der Bedarf auf diesem Niveau bleiben wird?
    Ja, die Möglichkeiten sind und bleiben sehr gut! Vor allem in ländlichen Bereichen! Vielleicht erzählst Du mal per PN, in welchem Regierungsbezirk Du wohnst, dann kann ich Dir evtl. sogar konkreter was sagen.


    - Ist es korrekt, dass die Faecherkombination Maschinenbautechnik und Fertigungstechnik moeglich ist? Ich habe sehr viele Veranstaltungen besucht, die sich auf beide Faecher aufteilen lassen. Bewertet meine Kombination und die zugehoerigen Veranstaltungen die Schule, bei der ich mich bewerbe oder wird meine Fachkombination irgendwo zentral bewertet?


    Ja, die gibt es. Liegt daran, dass Maschinentechnik ein so großes Feld darstellt, dass man (wenn man es ernsthaft unterrichten will), kaum Zeit für ein weiteres Fach hat. Und selbst mit einem vollen Maschbau-Studium wird es immer noch viele Bereiche geben, mit denen Du nie Berührung hattest und in die Du Dich eben einarbeiten musst (zB Steuerungstechnik, CNC, CAD etc).
    Die zweite Frage verstehe ich nicht ganz. Für das zweite Fach musst Du CPs nachweisen. Soweit ich weiß müssen für ein Fach 33 CPs nachgewiesen werden (müsste ich in OBAS-Verordnung nachlesen, aber das kannst Du ja auch tun ;). Also wäre es zB so: 1. Fach Maschinenbautechnik (abgeleitet aus Studienfach). 2. Fach Fertigungstechnik (leichter Nachweis der 33 CPs) oder auch Physik oder Mathe (je nachdem, was Du so alles belegt hast im Studium).


    - Und was mich natuerlich am meisten interessiert: Ich wuerde mich wahnsinnig ueber eure Erfahrungen freuen! Besonders wenn ihr selber Maschinenbauing seid: Ist die Arbeit erfuellend? Wuerdet ihr den selben Weg nochmal einschlagen? Wie zufrieden seid ihr?


    Siehe oben. Ich bin seeeeeeehr zufrieden und empfinde es am BK wirklich als stressfrei mit diesen Fächern (kaum Korrekturzeit, wenn man seine Klausuren geschickt anlegt!)

  • Achja: Am NRW-BK gibts auch das berufliche Gymnasium, wenn Du Dich inhaltlich mal auf höherem Niveau bewegen willst. Ich bin für das kommende Schuljahr in den Leistungskurs Maschinenbau reingerutscht und freue mich schon sehr darauf. Wenn Du an sowas Interesse hast, müsstest Du allerdings nachschauen, denn das gibt es nicht an allen BKs, da der Bedarf nicht so groß ist.

  • Hallo dererwin,


    im bin gerade mittendrin im OBAS-Verfahren und kann dir den Seiteneinstieg absolut empfehlen. Ich war vorher im IT-Consulting unterwegs und habe den Schritt in den Lehrerberuf noch zu keiner Sekunde bereut. Für mich ist jede Menge Reisezeit weggefallen, die Arbeitszeiten sind jetzt deutlich überschaubarer und das Stresslevel ist insgesamt um ein vielfaches niedriger. Kurz: Die Work-Life-Balance stimmt für mich wieder. Das soll jetzt nicht heißen, dass es als nicht auch Spitzenzeiten gibt, in denen man auch mal abends/nachts am Schreibtisch sitzt. Allerdings passiert das Ganze zuhause und selbstorganisiert, was ich als äußerst angenehm empfinde. Abgesehen davon finde ich die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern häufig ziemlich erfüllend. Es gibt diese Momente in denen ich mich richtig freue, wenn Schüler Lernerfolge haben. Diese Momente bleiben hängen und motivieren mich jeden Tag aufs Neue. Man muss sich auf der anderen Seite aber bewusst sein, dass man nicht jeden erreichen kann. Damit klar zu kommen ist mir besonders am Anfang schwer gefallen.


    Was mir überhaupt nicht gefällt sind die Tage im ZfsL. Hier sind die Tage unterteilt in das Kernseminar und die Fachsemiare für die Fakultas. Die Fachseminare sind inhaltlich meistens in Ordnung und bringen mir gefühlt am meisten im Hinblick auf die UPP. Im Kernseminar empfinde ich vieles als grenzdebilen Unsinn. Wir sollten dort beispielsweise unser pädagogisches Selbstbild als Collage basteln, um nur ein Beispiel dessen zu nennen, was mich stört. Ich habe versucht mich auf so etwas einzulassen, mittlerweile aber für mich beschlossen, es einfach über mich ergehen zu lassen. Ich weiß nicht genau, wie die grundständigen Referendare darüber denken, aber ich finde das Vorgehen im ZfsL im Hinblick auf den Seiteneinstieg meistens nicht für zielgruppengerecht.


    Insgesamt kann ich aber sagen, dass der Wechsel in den Lehrerberuf für mich eine sehr gute Entscheidung war.

  • Erst einmal moechte ich euch ganz herzlich fuer eure Erfahrungen danken.


    Vielleicht noch etwas zu meiner Person: Ich habe meinen Master in Maschinenbau an der Uni Duisburg gemacht und bis dato etwa 6 Jahre Berufserfahrung. So langsam habe ich aber irgendwie das Gefuehl: Egal in welches Buero ich komme, es gleicht immer stark einem Friedhof. Die Menschen reden kaum miteinander, sitzen ihre 9 Stunden ab, starren durchgehend auf ihren Monitor und das wars dann. Ging es euch Seiteneinsteigern auch so?


    Ich sehe mich selber in diesen Bueros einfach nicht. Bis dato war jeder mit meiner Arbeit zufrieden und ich mache diese auch gewissenhaft, aber das ist doch kein Lebensinhalt, oder?


    Im Moment lebe ich seit Wochen unter der Woche nur noch im Hotel und pendel jedes Wochenende nach Hause. Das ist unheimlich frustrierend, vor allem wenn man eine Familie mit der eigenen Verlobten aufbauen will.


    Wenn ich so eure Erfahrungen lese, koennte ich euch fast beneiden...


    Koenntet ihr mir noch erklaeren, wo die Seminare stattfinden? Wird das zentral gesteuert oder haengt dies vom eigenen Wohnort ab? Habt ihr die "OBAS" als schwierig empfunden, oder war das alles gut machbar? Meine Verlobte kam damals mit ihrem Ref sehr gut zurecht, auch wenn manche Seminare nicht so ihren Vorstellungen entsprochen haben.


    Gruß

  • Bis dato war jeder mit meiner Arbeit zufrieden und ich mache diese auch gewissenhaft, aber das ist doch kein Lebensinhalt, oder?

    Warum eigentlich nicht? Ich finde diese neumodische Manie, dass der Beruf einen erfüllen und glücklich machen muss, ebenso nervend wie befremdlich. Überlegt Euch mal, wie viele Menschen, die Euch tagtäglich begegnen, einen spannenden, kreativen und abwechslungsreichen Beruf ausüben. So wahnsinnig viele sind das nicht... ich denke, so gut wie alle Dienstleister kann man da schon mal herausnehmen, ebenso das produzierende Gewerbe, die meisten Freiberufler (Arzt stelle ich mir gähnend langweilig vor, Notar oder Anwalt ebenso. Da gibt es auch nur ganz wenige Prof. Barnaards und ebensowenige Rolf Bossis). Vielleicht reicht es ja am Ende doch, dass der Beruf einen körperlich nicht zu sehr fordert, der Job einigermaßen sicher ist und der Arbeitgeber einen nicht schikaniert?


    @dererwin - Jetzt sollten wir aber die Gelegenheit nutzen und die hier im Forum ständig wiedergekäute Frage, ob wir Lehrer nun vergleichsweise viel, wenig oder sehr wenig verdienen, mal ein wenig mit Fakten untermauern. Daher stelle ich an Dich als Maschinenbauingenieur mit Berufserfahrung in verschiedenen Betrieben die ganz unverblümte Frage, wie viel Du momentan verdienst. Das würde mich - ganz aufrichtig gemeint! - wirklich interessieren.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    Einmal editiert, zuletzt von fossi74 () aus folgendem Grund: Formulierung geglättet.

  • Ich weiß nicht genau, wie die grundständigen Referendare darüber denken

    Genauso.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das mit den Kernseminaren kann ich bestätigen. Da wurde uns deutlich gezeigt, wie man es im Unterricht am besten NICHT macht. Nie vorbereitet, blödes rumgelaber um nichts, thematisiert wurden die Farben, mit denen Plakate beschrieben werden *gähn*


    Fachseminare: gibt's auch gute und schlechte. Manchmal passt es einfach. Ich hatte eine ganz tolle. Den anderen konnte man vergessen.


    Insgesamt gilt: Mitnehmen, was gut für einen selber passt. Den Rest vergessen.


    An welches Seminar du kommst hängt vom Regierungsbezirk und vom Einstellungstermin ab. Beispiel Arnsberg: es gibt 2 BK-Seminare. Hagen und Dortmund. OBAS in do. startet am 1.11. In Hagen startet es am 1.5.

  • Warum eigentlich nicht? Ich finde diese neumodische Manie, dass der Beruf einen erfüllen und glücklich machen muss, ebenso nervend wie befremdlich. Überlegt Euch mal, wie viele Menschen, die Euch tagtäglich begegnen, einen spannenden, kreativen und abwechslungsreichen Beruf ausüben. So wahnsinnig viele sind das nicht... ich denke, so gut wie alle Dienstleister kann man da schon mal herausnehmen, ebenso das produzierende Gewerbe, die meisten Freiberufler (Arzt stelle ich mir gähnend langweilig vor, Notar oder Anwalt ebenso. Da gibt es auch nur ganz wenige Prof. Barnaards und ebensowenige Rolf Bossis). Vielleicht reicht es ja am Ende doch, dass der Beruf einen körperlich nicht zu sehr fordert, der Job einigermaßen sicher ist und der Arbeitgeber einen nicht schikaniert?
    @dererwin - Jetzt sollten wir aber die Gelegenheit nutzen und die hier im Forum ständig wiedergekäute Frage, ob wir Lehrer nun vergleichsweise viel, wenig oder sehr wenig verdienen, mal ein wenig mit Fakten untermauern. Daher stelle ich an Dich als Maschinenbauingenieur mit Berufserfahrung in verschiedenen Betrieben die ganz unverblümte Frage, wie viel Du momentan verdienst. Das würde mich - ganz aufrichtig gemeint! - wirklich interessieren.

    Hallo Fossi,


    erstmal danke fuer deine Meinung. Ich sehe die ganze Sache leider etwas anders. Ich bin seit 10 Jahre ehrenamtlich bei der Feuerwehr taetig und kenne das Gefuehl einer Taetigkeit, die einen vollends erfuellt. Mein Bestreben ist es genau dieses Gefuehl auch im Beruf zu erreichen. Dafuer bin ich bereit sehr viel zu opfern.


    Thema Gehalt:
    Ich werde vollkommen ehrlich sein, damit ihr einen realistischen Eindruck der derzeitigen Situation in Ingenieurberufen bekommt. Da meine Freundin mit A12 verbeamtet ist, kann ich einen ganz guten Ueberblick schaffen.


    Fuer alle, die keine Details brauchen: Der oeffentliche Dienst ist (stand 2017) besser bezahlt als viele, viele Ingenieurstellen.


    Vorab muss man erwaehnen, dass ich nur NRW als Bundesland heranziehen kann. Die Gehaelter im Sueden Deutschlands sind fuer Ingenieure wesentlich (!) besser. Dafuer muss man vorab wissen, warum das so ist. Ich muss hier etwas weiter ausholen, damit ihr versteht, woher das damalige Gehalt kommt und inwieweit es sich geaendert hat.


    Also frueher war es in NRW oft so, dass fertige Ingenieure zu den großen IG Metall Firmen gegangen sind (Siemens, Thyssen Krupp etc.). Der IG Metall Tarif wird unter Ingenieuren auch gerne als "Disneyland" bezeichnet. 35h Woche bei ~4200 Brutto (EG 13). Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.


    Hier aber das große ABER: Die Schwermetallindustrie ist kaputt, politische Sanktionen haben Siemens und MAN viele Auftraege gekostet und seit Jahren werden dutzende Ingenieure verlassen. Eine Stelle in diesen Tarifvertraegen zu ergattern ist nahezu unmoeglich. Jeder der es heutzutage schafft, kann sich sehr gluecklich schaetzen. Sollte nun jemand denken: "Ah der Studienabschluss vom Erwin ist einfach nur zu schlecht." - Hand aufs Herz: Ich habe meinen Master mit 1,4 abgeschlossen und mich bei allen großen Unternehmen beworben, ohne je ein Einstellungsgespraech fuehren zu duerfen. Den Vollzeit Master habe ich neben dem Beruf gemacht, so dass ich ebenfalls 3 Jahre BE neben dem Bachelor vorweisen konnte.


    Was verdient nun ein Ingenieur im Regelfall? Zu Zeiten als Bachelor habe ich 3250 Brutto verdient (~2000 Netto SK1).


    Mit meinem Master bin ich auf 3500 Brutto aufgestiegen (~2125 Netto SK1).


    Nach zwei Jahren in der selben Branche habe ich es auf 3800 Brutto geschafft (~2265 Netto SK1).


    Danach kam lange Zeit gar nichts. Ich war unzufrieden in meiner Stelle (Produktentwicklung), da der Sohn vom Chef uebernommen hat und bin in den Brandschutzbereich gegangen, da die Jobchancen in NRW insgesamt sehr viel besser sind.


    Jetzt nach 6 Jahren stehe ich wieder bei 3600 Brutto (~2172 Netto SK1). Ueberstunden werden nicht bezahlt, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, 40 Stunde / Woche, 28 Tage Urlaub. Das ist die Realitaet.


    Warum die Gehaelter so zerstoert wurden? Zeitarbeitsfirmen sprießen wie Pilze aus dem Boden in NRW. Wer mir nicht glaubt, sollte bei der Stellenboerse der Arbeitsagentur einfach mal "Ingenieur Maschinenbau" eingeben. Dort findet ihr kaum eine Stelle, die außerhalb von Zeitarbeit angeboten wird.


    Das niedrigste Angebot, das ich von einer Zeitarbeitsfirma angeboten bekommen habe, war als fertiger Master 3250 Brutto. Die Dame war sehr unhoeflich. "Sollte ich kein Interesse haben, findet man mit Sicherheit einen Urkainer, der die Aufgabe fuer dieses Geld macht." VORSICHT: Das war ein Extremfall eines absolut widerlichen Vorstellungsgespraeches.


    Ich hoffe euch einen ehrliche Einblick gegeben zu haben!

  • Jetzt nach 6 Jahren stehe ich wieder bei 3600 Brutto (~2172 Netto SK1). Ueberstunden werden nicht bezahlt, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, 40 Stunde / Woche, 28 Tage Urlaub. Das ist die Realitaet.

    Ok, danke für den offenen Einblick. Gerade im Bereich Maschinenbau hätte ich mir da schon deutlich mehr vorgestellt. Da ist der Lehrerberuf doch deutlich attraktiver, insofern muss dich Dir für Deine Neuorientierung recht geben.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich hab Anfang 2013 mit OBAS angefangen, bis seit Anfang 2015 durch und seitdem verbeamtet und im normalen Betrieb. Ich hatte einen ähnlichen Werdegang wie du, nur im Bereich Elektrotechnik. Oft saß ich stundenlang vor riesen Excel-Tapeten am Bildschirm und habe Zahlen geschubst, um irgendwo nen Euro mehr für die Firma rauszuholen. Man kommt sich ziemlich unwichtig im Getriebe vor und es war für mich auch oft langweilig. Die Kollegen waren zwar nett, aber das trägt auch nicht die Zeit von 9-17 Uhr. Bei mir waren es nur zwei Jobs, aber bei beiden herrschte die große Langeweile.


    Habe mich dann an einem BK für Elektrotechnik/Mathe beworben und wurde auch angenommen. OBAS war hart, 60 Stunden in der Woche eher die Regel als die Ausnahme. Aber es hat fast immer richtig Spaß gemacht. Der Kontakt mit den Schülern, das Unterrichten, die Chance, wirklich was zu bewegen (Meine Fachleiterin sagte mal "Wenn Sie einen guten Job machen, erzeugen Sie viele zufriedene Menschen UND einen hohen Beitrag zum Volksvermögen. Wenn Sie einen scheiß Job machen, gibt es viele unzufriedene Menschen UND Hartz 4 bis zum Lebensende"... eher platt formuliert, aber durchaus treffend).


    Auch heute gehe ich noch fast jeden Tag gerne zum Unterricht gerne zum Unterricht. Lehrer wäre vermutlich der tollste Job der Welt, wenn die Verwaltungssachen nicht dabei wären - es macht mir immer noch keinen Spaß, sinnlose Konferenzen zu besuchen, sinnlose Anträge auszufüllen und ja - auch Noten zu geben ist nicht mein Hobby. Trotzdem war ich in den vier Jahren vor meinem Seiteneinstieg nie(!) so zufrieden wie jetzt an den schlechtesten Tagen als Lehrer.


    Nach dem OBAS fällt das Arbeitspensum auch drastisch ab - zumindest im naturwissenschaftlichen Bereich. Sicherlich muss man gelegentlich auch mal ein komplett neues Fach in einem neuen Bildungsgang unterrichten - und davon hat das BK nun wirklich mehr als genug. Aber selbst ich bin nach vier Jahren schon in vielen Stunden in der Lage, mein Material aus dem Ordner zu ziehen und mit nur minimalen Anpassungen wieder zu verwenden. Ich habe eine Tochter und bald kommt Kind Nr. 2. Lehrer sein ist da traumhaft. Ich bin meistens zwischen 13-14 Uhr zuhause, meine Tochter hole ich/meine Frau gegen 15.30 von der Kita ab. Dann kann ich den ganzen Nachmittag mit meiner Tochter verbringen - arbeiten tue ich dann abends kurz oder mal am Wochenende einen Tag. Insgesamt hab ich aber deutlich mehr Zeit für meine Familie als meine Nachbarn, die im Büro arbeiten. Das ist toll.


    Zu den Seminaren: Je nach Ort der Schule gibt es einen Seminarstandort, an dem du ausgebildet wird (oder zumindest soll es das wohl sein, was die Fachleiter da so fabrizieren). Bei Fächern, die wenige Leute unterrichten (Maschinenbau ist so ein) kann es vorkommen, dass es pro Regierungsbezirk nur ein Seminar gibt - das kann dann schlimmstenfalls in Solingen sein, obwohl du in Essen unterrichtest und in Recklinghausen wohnst. Ist aber nur einmal pro Woche.


    OBAS empfand ich nicht als besonders schwer, nur als arbeitsintensiv. Aber jede Endphase Klausuren lernen in der Uni ist auch stressig gewesen. Es kommt drauf an, wie gut man mit den Fachleitern klar kommt, da diese letztlich über dein Wohl entscheiden. Ich glaube, Lehrer sein kann man nicht lernen - das ist man entweder oder man ist es nicht. Was man lernen kann ist das Handwerkzeug vernünftig zu verwenden - Zeitorganisation, Stundenaufbau, Einstiege, Anspruch für die Schüler. Aber jemand, der keine Lehrerpersönlichkeit hat, wird es schwer im Beruf haben, sofern er es überhaupt durchs Ref schafft.


    Ich würde es jederzeit wieder machen.


    Edit: Das Verfassen dieses Textes hat wegen Ablenkung drei Stunden gedauert. Alle Beiträge in dieser Zeit habe ich nicht gelesen :)

  • Danke, dererwin, dass du mal mit den Gehalts-Mythen aufräumst. Hier gibt's nämlich einige jammerer, die meinen, Lehrer ist der schlechtbezahlteste Job ever. Das kann ich für das BK nun wirklich nicht behaupten.


    Mein Mann ist auch Ingenieur. Er ist noch Diplomer. Da sieht es etwas besser aus. Aber trotzdem kann ich, insbesondere mit den Beamten-Vorteilen, noch gut mithalten.

  • Gern geschehen.


    Kalle: Vielen, vielen Dank fuer deine Erfahrung. Das klingt tatsaechlich ein wenig nach meiner derzeitigen Situation. Leider ist es so, dass mein derzeitiges Buero zusaetzlich noch ein Friedhof ist. Die meisten Mitarbeiter sind laengst ueber Verfallsdatum und als einziger "junger" Kollege ist man dort doch eher "ungern" gesehen, da man noch mit Elan an die Arbeit geht. Ich hoffe fuer mich, dass ich das selbe Resumee fuer mein Leben in ein paar Jahren ziehen kann.


    Thema Gehalt: Woher die Mythen stammen, habe ich ja bereits etwas erlaeutert (IG Metall).


    Vielleicht noch ein kleiner Nachtrag: Ich hatte mal ein Stellenangebot aus dem suedlichsten Teil Deutschlands, in einer Branche, in der ich bereits 4 Jahre BE vorzuweisen hatte.


    Dort haette ich sofort 5750 Brutto verdient. Die Stelle passte aber auch 100% zu mir, doch was haette ich dafuer aufgegeben? Meine Heimat, meine Freunde, meine ehrenamtliche Taetigkeit und im Endeffekt die Zeit mit meiner Verlobten, die fuer mich Gold wert ist. Jetzt kommen natuerlich Floskeln wie z.B.: "Man muss flexibel sein." Jeder kann sein Leben so gestalten, wie er es fuer richtig haelt. Meine Prioritaet liegt aber definitiv nicht beim Geld. Ein Sperrholz Sarg ist im Endeffekt genauso gut wie ein Sarg aus Mahagoni.


    Versteht mich auch bitte nicht falsch: Ich beschwere mich nicht ueber mein Gehalt. Ich beschwere mich ueber die Taetigkeit im Buero. Im Grunde ist alles sehr aehnlich... ich habe ja bereits erklaert, warum ich davon Abstand gewinnen moechte.

  • Warum eigentlich nicht? Ich finde diese neumodische Manie, dass der Beruf einen erfüllen und glücklich machen muss, ebenso nervend wie befremdlich. Überlegt Euch mal, wie viele Menschen, die Euch tagtäglich begegnen, einen spannenden, kreativen und abwechslungsreichen Beruf ausüben. So wahnsinnig viele sind das nicht... ich denke, so gut wie alle Dienstleister kann man da schon mal herausnehmen, ebenso das produzierende Gewerbe, die meisten Freiberufler (Arzt stelle ich mir gähnend langweilig vor, Notar oder Anwalt ebenso. Da gibt es auch nur ganz wenige Prof. Barnaards und ebensowenige Rolf Bossis). Vielleicht reicht es ja am Ende doch, dass der Beruf einen körperlich nicht zu sehr fordert, der Job einigermaßen sicher ist und der Arbeitgeber einen nicht schikaniert?

    Bevor ich Lehrerin an einer Berufsschule geworden bin, habe ich auch in verschiedenen Bereichen viele Jahre gearbeitet. Erfüllend fand ich keinen davon. Als Lehrerin habe ich häufig dieses Gefühl. Nicht täglich, aber doch häufig. Ich bin in vielen Projekten aktiv, ich mache viel im Bereich Schulaustausch und nicht zuletzt finde ich den Kontakt mit meinen Schülern toll. Ich empfinde es als großes Privileg, so einen erfüllenden Job haben zu dürfen. Ich hoffe, dass es bis zur Pension so bleiben wird. Und wenn jemand anderes auch seine Erfüllung in der Schule findet, ist das doch toll. Dass das nicht für alle so ist, ist klar, aber umso glücklicher bin ich über meine Lage wünsche dies auch jedem anderen.

  • Danke Minimaus fuer diese Bestaetigung.


    Uebrigens moechte ich anmerken, dass dieser Beitrag eine wirklich sehr angenehme Diskussionskultur bietet. Es freut mich wirklich sehr, soviele Menschen zu haben, die ihre Erfahrungen mit mir teilen!

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