Guten Abend.
Ich habe mich hier angemeldet, weil ich ein Anliegen habe und hoffe, hier möglichst viele Lehrer/Kollegen zu erreichen.
Es geht um Folgendes:
Es sträuben sich mir die Nackenhaare, wenn ich merke, wie wenig viele Kollegen vom "echten" Arbeitsmarkt haben. Und entsprechend schlechte Berufsberatung machen.
Kurz zu mir: Ich habe zunächst Elektrotechnik an einer TU studiert, habe dann bei einem großen Konzern ein paar Jahre gearbeitet, um zu merken, dass dies nichts für mich ist. Es folgte der Quereinstieg ins gymnasiale Lehramt, eben logischerweise mit den Fächern Physik und Mathematik.
Darum soll es aber gar nicht primär gehen.
Es soll darum gehen, dass viele Kollegen Schülern raten, Fächer zu studieren, die teils grottige, teils relativ schlechte Berufsaussichten haben.
Im Rahmen meiner Industrietätigkeit habe ich mich damit beschäftigt, wo ehemalige Kommilitonen und andere MINTler untergekommen sind, und vor allem: WIE sie untergekommen sind.
Dazu habe ich an einer Art Datenbank mitgearbeitet, welche Statistiken auswertet um die Berufsaussichten einzelner Fächer zu ermitteln, die ich weiter unten verlinken werde.
Oft wird Schülern von Lehrern vorgegaukelt, es gäbe einen MINT-Fachkräftemangel. Das ist Q U A T S C H.
Dass Geisteswissenschaften schlechte Berufsaussichten bieten, ist bekannt. Dass Naturwissenschaften ebenfalls verhältnismäßig schlechte Perspektiven bieten, hingegen nicht.
Gehen wir die Fächer kurz durch, mehr kann man in der eingangs erwähnten Datenbank erfahren.
- Mathematik: Akzeptable Aussichten, allerdings nur, wenn man sich auf etwas spezialisiert, dass ANWENDUNGSNAH ist, am Besten stark an Informatik orientiert.
- Informatik: (Sehr) Gute Berufsaussichten.
-Biologie: KATASTROPHALE Berufsaussichten. Ausschließlich befristete Verträge, meist fachfremd, oft nach Jahren gar keine Anstellung.
-Chemie: SCHLECHTE Berufsaussichten. Die Arbeitslosigkeit unter Chemikern ist doppelt(!) so hoch, wie unter anderen Akademikern. Das Fach wird immer mehr studiert, eine Festanstellung ist schwer zu kriegen, die Industrie nimmt nur die Besten - Statistiken der GDCH lesen! Meist bleibt nur der grottige Zeitvertrag an der Uni. Dazu Promotionspflicht. "Bestenfalls" bleibt der Außendienst, dazu braucht man aber maximal einen Bachelor. Dazu: Die Industrie (siehe z.B. BASF) lagert Forschung zunehmend nach China aus - Dort gibt es sehr gute Chemiker für viel weniger Geld.
-Physik: Mäßige, eher schlechte Berufsaussichten. Banken/Unternehmensberatungen waren früher einmal eine Beschäftigungsmöglichkeit, seit der Finanzkrise nicht mehr. Ich kenne aus meiner Studienzeit viele Physikabsolventen - Die meisten müssen sich, wie Chemiker, mit Zeitverträgen in der Forschung rumschlagen. Wenige haben eine gut bezahlte Festanstellung in der Industrie. Physik ist halt viel zu anwendungsfern.
-Maschinenbau: Maue Aussichten. Das BWL 2.0. Deutlich zu viele Studienanfänger. Viele landen in befristeten Verträgen bei Leiharbeitsfirmen - Die allerwenigsten schaffen es in einen Konzern.
-Elektrotechnik: (Sehr) Gute Berufsaussichten, möglichst mit Informatik verbinden.
Die Datenbank:
https://www.uni-due.de/isa/fg_…hnik/e-technik_hs_frm.htm
Also. Reflektiert, was ihr euren Schülern ratet! MINT bietet nur eingeschränkt gute Berufsaussichten, NATURWISSENSCHAFTLER SIND NICHT GEFRAGT! Warum? Sie werden für die Grundlagenforschung ausgebildet. Die findet in erster Linie an Universitäten, nicht in Unternehmen statt. Und Universitäten sind kein Ort, wo man ernsthaft arbeiten kann, außer man ist Professor.
Beratet eure Schüler realistisch zu Berufsperspektiven! Ich spreche aus Erfahrung, da ich viele MINT-Absolventen kenne. Die meisten Lehrer können das nicht. Informiert euch also gut und kritisch!
Ich hoffe, ich konnte hier ein paar Kollegen die Augen öffnen und wünsche einen angenehmen Tag.