Kein Interesse an digitalem Unterricht

  • Ich bin ein junger Lehrer, interessiere mich privat seit meiner Jugend für Computer, unterrichte u.a. EDV und betreue ein Netzwerk - ABER habe kein Interesse an Einsatz von Tablets, Laptops und Smartboards.
    An dieser Stelle möchte ich (noch) nicht über die Gründe diskutieren, sondern wissen:


    Bin ich der einzige, dem es so geht?

    Einmal editiert, zuletzt von Morse () aus folgendem Grund: "Whiteboard" durch "Smartboard" ersetzt wg. Anmerkung von User rätselraten (s.u.)

  • Nein, bist Du nicht. Ich habe einige Kollegen, die jünger sind, als ich (und ich bin auch erst 36 ...) und fleißig Folien auf den Hellraumprojektor legen, während ich mit dem Surface Book im Schulzimmer stehe. Ich find's schade, höre mir aber immer wieder gerne Gründe an bzw. lese sie. Vielleicht magst Du sie ja doch noch nennen :pfeifen:

  • Wir bekommen im kommenden Schuljahr zwei Tablet-Klassen und bei den Kollegen findet das Projekt auch eher wenig Anklang.


    Oft liegt es daran, dass die Kollegen die Geräte einfach nicht kennen und nicht den Aufwand betreiben möchten, sich da entsprechend einzuarbeiten.


    Ich benutze seit fünf Jahren privat ein Tablet und seit zwei Jahren auch für die Unterrichtsvorbereitung bzw. den Unterricht. Daher bin ich sehr versiert im Umgang damit und freue mich auf die Tablet-Klassen.

  • Nein, bist Du nicht. Das hat auch nichts mit Versiertheit zu tun, da ich privat Computer (sowieso) und Tablet häufig nutze. Aber meine Erfahrung zeigt:


    - mein Unterricht wird dadurch nicht besser, dass ich MEIN Tablet einsetze (bei Referendaren, die ich betreue, sehe ich doch häufiger, dass sie ganz tolle Materialien auf dem Tablet haben, ganz tolle Präsentationen ... und die SuS dann zu passiven Konsumenten dieser ausgeklügelten Präsentationen werden ... klar musss man in die Falle nicht gehen, aber allem Anschein nach besteht die Gefahr)
    - die Gefahr, dass irgend etwas bei uns bzgl. techn. Ausstattung (Beamer, Soundsystem, Netzwerk) nicht funktioniert ist groß ... ich mag mir gar nicht ausmalen, wie das aussieht, wenn alle Schüler ein Tablet haben, man den Unterricht darauf abgestimmt hat und dann plötzlich nichts mehr geht
    - dass die Lebenswirklichkeit der SuS die neuen Medien und Technologien beinhaltet und wir sie da auch zu kritischem Umgang erziehen sollen ist mir klar ... aber nicht dadurch, dass sie das Teil jetzt auch noch im Unterricht ständig vor Augen haben
    - wir haben in den Klassenzimmern Dokumentenkameras, die sind mir lieber, weil ich da auch von SuS mitgebrachte Gegenstände drunter legen kann oder auch mal ein Übungsblatt, eine Hausaufgabe und alle das ohne großen Aufwand sehen können (klar, wenn Kamera oder Beamer nicht geht - siehe oben - dann geht das eben auch nicht, aber mein Unterricht hängt davon nie ab)


    Kreide und Tafel geht immer (Overhead meistens auch) ... das kann ich von unseren Whiteboards nicht behaupten (klar kann ich auf Whiteboards mit einem Stift auch normal schreiben ... aber dafür brauch ich dann auch kein Whiteboard).

  • Die ganze Diskussion konzentriert sich ist m.E. viel zu sehr auf Befindlichkeiten von Lehrern.
    Die Frage ist doch nicht, was wir Lehrer toll oder nutzlos finden. Die Frage ist vielmehr, was unsere Schüler nach der Schule für eine Welt vorfinden. Und wir müssen sie auf diese Welt vorbereiten, oder diese sogar im Schulalltag antizipieren.
    Und ich habe noch nie eine Firma gesehen, in der eine Kreidetafel stand. Ebensowenig schleppt ein Außendienstmitarbeiter einen Ordner mit Folien mit sich herum...

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Ich bin ein Freund von digitalen Medien, aber nicht von digitalem Unterricht. Ich gebe aber Gründe:


    -aus einem gesellschaftlichen Grund:
    In Zeiten der Verrohung der Umgangsformen usw. halte ich analogen Unterricht für sehr wichtig. Dass der Umgangston in der digitalen Welt (Foren, soziale Medien) so rüde ist scheint damit zusammen zu hängen, dass die Menschen sich nicht in die Augen schauen und eben keine direkte Kommunikation betreiben. Ich kann keine Quelle geben, keinen Forscher nennen, aber ich halte das durchaus für sehr plausibel. Also: Mehr denn je gilt: Möglichst viel gemeinsam machen, gemeinsam schaffen.
    Soziales Lernen mag allerdings auch mit digitalen Medien funktionieren, da habe ich nicht den Überblick drüber.


    - aus einem lernpsychologischen Grund:
    Die moderne Hirnforschung (stellvertretend für alle: Manfred Spitzer) scheint ein ums andere Mal herauszufinden, dass digitales Lernen weder den Lernzuwachs (im Vergleich zu klassischen Medien) erhöht noch überhaupt in irgendeiner Art und Weise gut ist für die Kinder. Ich gebe aber zu, dass ich in dem Gebiet nicht gut genug bin, um hier im Detail argumentieren zu können. Vielleicht jemand anders?


    - aus einem praktischen Grund:
    Es sind bei uns nicht alle Räume entsprechend ausgestattet. Ich möchte nicht großartig digitalen Unterricht für eine Klasse mit z.B. Whiteboard vorbereiten und in einer anderen Klasse, in der ich diese Medien nicht zur Verfügung habe, die gleichen Unterrichtsinhalte "irgendwie analog" aufbereiten müssen. Hinzu kommt, dass die modernen digitalen Systeme teilweise nicht stabil sind und man viel Zeit verlieren kann...


    - aus zwei persönlichen Gründen:
    1. Ich finde es etwas merkwürdig, wenn sich eine Schule über z.B. ihre Laptopklasse definiert. Digitale Medien sind Methoden, nicht Inhalte, und sie suggerieren zumindest zu einem großen Teil nicht das, was ich für pädagogisch erstrebenswert halte.
    2. die Tafel mit ihrer Kreide scheint vom Aussterben bedroht zu sein. Ich mag sie aber und möchte so lange daran "festhalten", wie es geht, ehe sie ganz verschwindet...


    gleichwohl:
    - Digitale Medien sind eine Realität. Eine Schule / ein Unterricht, der sich davon isoliert, wirkt weltfremd und ist es wohl auch. Aber es müssten eben gute Konzepte her. Gibt es die überhaupt?
    - Auch praktisch gesehen: Die vielen Printbücher sind eine Schlepperei, und das viele Schreiben mit der Hand auf Papier wirkt schon ein bisschen altertümlich irgendwie... :)


    Persönlich würde ich mir an dieser Stelle jemanden wünschen, der/die den Einsatz digitaler Unterrichtsmedien überzeugend erklären kann. Aber das ist so wohl ein zu allgemeiner Wunsch - außerdem nicht die Frage des TE.


    Hamilkar

  • a) Da sehe ich einen Unterschied zwischen Berufsschule und Gymnasium (Unterstufe)
    b) dass man sie darauf vorbereitet heißt nicht, dass man das Teil die ganze Zeit nutzen muss
    c) für diese "Vorbereitung" ist wenigstens zum Teil die Berufsschule / das Studium / die Berufsausbildung da ... meine persönliche Meinung (ja, da sind wir wieder bei der Befindlichkeit) ist, dass es am Gymnasium nicht nur um die Vorbereitung auf das Berufsleben in einer Firma geht.

  • In einem Mathestudium brauchst du Papier und Stift.
    Erst wenn es um Programmieraufgaben geht benötigst du einen Rechner.


    Aber dann sollte man eher den Lehrplan ummodeln mit Schwerpunt auf Datenverarbeitung und Programmierung.


    Nur weil man moderne Medien im Unterricht nutzt bedeutet das nicht, dass ich die Schüler auf die digitale Welt vorbereite.
    Ein BWL Unterricht mit Laptop/Tablet wird keinen Mehrwert ggü. einem guten Unterricht mit dem Lehrbuch sein.

  • Ob ein Unterricht gut ist oder nicht hängt nicht in erster Linie von den eingesetzten Medien ab.


    Was aber wichtig ist, wenn man länger im Beruf ist, ist Effektivität. Wenn ich also z.B. eine Sinfonie analysiere und die Schüler nicht von vorneherein darauf festlegen will, welches die interessanten Stellen sind, dann müsste ich vielleicht 50 Folien kopieren - oder eben ein pdf mitnehmen. Man sollte Selbstoptimierung betreiben und möglichst effektiv arbeiten. Und dann wird es nur wenige geben, die trotz Medienkompetenz diese nicht für den Unterricht verwenden.


    Man muss aber auch nicht jeden Trend mitgehen. Die interaktiven Whiteboards bringen mir nicht viel, weil ich gerne der Klasse zugewandt bin und lieber mit einem Grafiktablet arbeite. Da muss jeder seinen persönlichen Stil finden. Ich bin gespannt auf deine Gründe.

  • Joa ... sehe ich eben auch so wie goeba. Mir geht's schon drum den SuS zu zeigen "guckt mal, das ist echt nützlich, wenn man all sein Arbeitsmaterial auf so einem schicken Tablet/Laptop immer schön organisiert parat hat und nicht gefühlte 1000 lose Blätter rumfliegen hat". Auf der anderen Seite hat Yummi absolut recht - in jedem NaWi-Studium ist Papier und Stift nach wie vor unerlässlich. Trotzdem habe ich mein ganzes Uni-Leben lang immer alle wichtigen Daten digital abgelegt bzw. Messdaten und sowas einfach auch digital ausgewertet. Auch das gehört für mich zum digitalen Unterricht - dass ich halt den Temperatur- oder Drucksensor von Vernier an den Laptop hänge und an der Stelle nicht mehr mit einem "analogen" Messgerät arbeite, weil man das heutzutage eben ganz normal so macht.

  • Hallo,
    mich persönlich schockiert immer wieder, wie wenig "junge Menschen" (Studis, Referendare) mit Computern jedwelcher Art umgehen können. Das aber nur als Randbemerkung.
    Im Unterricht an meiner Schule spielen Tablets eine wichtige, aber vor allem kompensatorische Rolle. Wir haben es mit motorisch (und kognitiv) teilweise stark beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen zu tun. Insbesondere das iPad ermöglicht es uns, Aufgaben- und Übungsformate anzubieten, die ohne Technik nicht möglich wären.
    Über Herrn Spitzer mag ich mich nicht auslassen. Ich bin mir nicht sicher, wie weit er über seinen Tellerrand hinausblicken kann...
    Grüße rr
    Nachtrag: Es sagt schon viel, wenn sprachlich nicht zwischen White- und Smartboard differenziert wird. Ich kenne eine Dorfschule, an der für tausende von Euros "Whiteboards" angeschafft wurden. Dann wusste auch niemand etwas damit anzufangen... Grund: an der Uni nicht gelernt. Joa...

  • Die Lernunwilligkeit von Lehrern erschreckt mich auch oft. Einige sind offenbar noch gar nicht im digitalen Zeitalter angekommen.


    Ich habe gern Abwechslung. Tafel finde ich nach wie vor super, schon weil die Stifte fürs Whiteboard immer leer sind und schmieren. Ich fertige mit bunten Kreiden Tafelbilder, die die Schüler dann fotografieren können. Ich habe im Matheunterricht meist ein paar Gerätschaften dabei, ein Kurvenlineal, eine alte Antenne, ein Seil, weil man damit allerlei zeigen kann.Allerdings finde ich Funktionen zeichnen und Wertetabellen berechnen ohne Computer schon recht antiquiert in Zeiten von Excel und Geogebra.


    Manchmal gibt's auch Präsentationen oder den Methodenkoffer mit Karten etc. In den Räumen, in denen die Technik vorhanden ist, nutze ich sie auch. Aber ich finde es auch sehr angenehm, ganz ohne Elektronik zu sein. Das ganze Zeug macht einen so nervös, das merkt man erst, wenn man unplugged ist. So ganz unrecht hat der Spitzer nicht.


  • Nachtrag: Es sagt schon viel, wenn sprachlich nicht zwischen White- und Smartboard differenziert wird.

    Danke für den Hinweis, ich habe es entsprechend geändert!


    (Ich selbst habe schon Smartboards getestet, aber fast alle die ich kenne nennen die Geräte "Whiteboards". Das liegt vermutlich nicht nur an deren Aussehen, sondern auch daran, dass es auch sog. "interaktive Whiteboards" gibt.)

  • Von den interaktiven Tafeln halte ich nichts. Zu teuer und keinen Mehrwert. Eher mehr Nachteile als eine Kreidetafel.


    Wenn jemand digital unterrichten will, kommt die Schule günstiger mit Tablets und Dokumentenkameras.

  • - aus einem lernpsychologischen Grund:
    Die moderne Hirnforschung (stellvertretend für alle: Manfred Spitzer) scheint ein ums andere Mal herauszufinden, dass digitales Lernen weder den Lernzuwachs (im Vergleich zu klassischen Medien) erhöht noch überhaupt in irgendeiner Art und Weise gut ist für die Kinder. Ich gebe aber zu, dass ich in dem Gebiet nicht gut genug bin, um hier im Detail argumentieren zu können. Vielleicht jemand anders?

    Bei allem Respekt, aber Spitzer ist der methodologische Talkshowwahnsinn der Republik. Wie bei eigentlich allem für das man Effektstärken für das Lernen haben will: Hattie - computer assisted instruction (Effektstärke: 0.37), das ist jetzt nicht der Knaller, aber schon ein recht brauchbarer Effekt (und z.B. für den Lernerfolg sinnvoller als Hausaufgaben)


    Quelle: Visible Learning

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Die Lernunwilligkeit von Lehrern erschreckt mich auch oft. Einige sind offenbar noch gar nicht im digitalen Zeitalter angekommen.

    Nun ja, vielleicht hinterfragen Lehrer einfach sehr deutlich den Nutzen für ihr berufliches Leben.
    Da pauschal Lernunwilligkeit u.ä. zu unterstellen scheint mir doch eher dem oberflächlichen Blick und der reflexionsunfähigkeit bezüglich des Nutzens derer geschuldet, die jeden Tag mit 'nem neuen Furz um die Ecke kommen.


    Für mich persönlich bedeuted die Nutzung digitaler Werkzeuge eine Erleichterung in meiner täglichen Arbeit und deshaln nutze ich sie. Allerdings brauche ich dafür nicht täglich 'ne neue App und 'n neues Gerät etc. Ich habe mich für wenige, aber für mich ausreichende Werkzeuge entschieden, die ich nutze; damit hält sich dann auch der Aufwand in Grenzen ständig umlernen zu müssen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann mich da SteffdA nur anschließen.


    Darüber hinaus sollte man digitale Medien als das erachten, was sie sind. Angebote und Möglichkeiten. In dem Moment, wo ich daraus eine Ideologie oder ein Dogma entwickle, ist etwas ganz klar schief gelaufen.

  • Digitale Medien sind Methoden, nicht Inhalte, und sie suggerieren zumindest zu einem großen Teil nicht das, was ich für pädagogisch erstrebenswert halte.

    Für mich sind digitale Medien auch Mittel zum Zweck. Wenn ich für Freiarbeit einen Computer hätte, würde ich mich freuen. Für einzelne Aufgaben, die sich am PC halt besser machen lasen. Für ein Astronomieprojekt hab ich meine Astro-App mitgebracht und den Kindern etwas präsentiert. Wenn sich meine Schüler den Planetariumsbesuch leisten könnten, wäre ich aber lieber dorthin gegangen.


    Um den Umgang mit z.B. Tablets zu lernen, damit die Schüler wirklich den Umgang damit lernen, bräuchte es extra Informatikstunden, die aber niemand hat. Schließlich sind die wenigsten Lehrer wirklich firm darin.
    Ich hab z.B. Grundschulen mit Whiteboards gesehen, da standen neben dran Kindertafeln, um die Buchstaben einzuführen und 2/3 der Lehrer wussten -außer schreiben- mit den wirklich feinen Geräten nichts anzufangen.


    Außerdem veraltet der ganze Kram recht schnell, so dass vielleicht eher Grundlagen des Programmierens sinnvoll wären. Wenn ich an die Computerprogramme denke, die zu meiner Schulzeit benutzt wurden...

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