Tipps für Anfänger?

  • Guten Tag!


    Ich habe keinen anderen Thread zu diesem Thema gefunden, falls ich nun etwas doppele, bitte verschieben/löschen/verlinken...


    Ich habe mein Ref am Gymnasium beendet und werde nun an einer Oberschule (ohne SekII) anfangen. Die Gründe für diesen Schulformwechsel sind vielzählig und sollen hierbei nicht Thema sein (Ich sage das nur, weil ich deswegen öfter schief angeguckt werde). Ende Februar wird es nun soweit sein. Ich hatte nun also ein paar Wochen, mir Gedanken über die nahende Vollzeitstelle zu machen und habe mir auch ein paar Dinge überlegt und einige Materialien gebastelt.


    Trotzdem bin ich furchtbar nervös. Ich würde mich einfach sehr über einige Tipps von "Alteingesessenen" freuen, an die man sich zu Anfang halten kann. Vor allem was das Organisatorische angeht. Wie behalte ich denn den Überblick über alle Klassen? Ich hab Angst, den Inhalt zu verwechseln. Außerdem soll ich direkt eine AG (es wird ein Buchclub sein) und Deutschförderunterricht leiten, wie funktioniert sowas bloß?
    Natürlich gibt es kein Patentrezept, das ist mir klar. Vielleicht will ich auch einfach nur beruhigt werden ;) Aber ein paar Startertipps wären schon super. Wie organisiert ihr euch, wo haltet ihr Notizen gut sichtbar fest? Mir ist vor allem ein gutes Zeitmanagement enorm wichtig, da ich Familie habe.
    Viele Kollegen am Gymnasium sagten mir, ich könne mich nun auf entspanntere Unterrichtsvorbereitungen freuen, weil für mich ja nun das Gymnasialniveau wegfällt. Das halte ich allerdings für völligen Blödsinn. Ich versuche mich da gerade noch mehr in das Thema Binnendifferenzierung einzuarbeiten und muss ja auch meine bereits angesammelten Materialien anpassen.


    Wie dem auch sei, ich freue mich über Antworten/Anregungen.


    Liebe Grüße

  • Hallo und Herzlichen Glückwunsch zur Stelle!


    Meine Tipps:


    1. Du hast die Prüfung bestanden und hast nun eine gute Stelle, niemand tut dir etwas. Solange du kein Gesetz brichst, kann dir nichts mehr passieren. Die ersten Jahre werden etwas "stressig", das bedeutet für dich als Lehrer aber nicht, dass dir irgendetwas passieren könnte. Du wirst nicht entlassen, wenn du ein Projekt nicht beendest, du landest nicht auf der Straße, wenn die Firma pleite geht, deine Stelle wird nicht wegrationalisiert. Deine Familie ist versorgt. Ich glaube, es ist wichtig, sich das klar zu machen, denn das nimmt einen Teil von diesem permanent gefühlten Stress.


    2. Ich habe inklusive Ref. an 4 Schulen mit einer vollen Stelle gearbeitet: Alle kochen nur mit Wasser. Alle haben Fragen, niemand ist überall Experte, viele aber auf ihrem Gebiet. Mein wichtigster Tipp ist also: Frag die netten Leute, falls du etwas wissen möchtest. Selbst der fieseste unnahbare alte Sack will eigentlich nur ein fröhliches Leben und ist nicht immun gegen Freundlichkeit und das gute Gefühl, wenn er jemandem helfen kann, der aufrichtig ist. Fragen, Fragen, Fragen, Fragen. Und sobald man kann: Hilfe anbieten, auch ungefragt. Wenn ich beispielsweise gutes Material erstellt habe, teile ich es ungefragt mit den Kollegen, das kommt gut an und bringt mir ebenfalls Vorteile (in Form von Material und hilfsbereiten Kollegen).


    3. Material: Ich habe eine andere Meinung als viele hier. Ich bereite alles, was ich tue, so gut vor, wie es nur eben geht, und speichere es in Microsoft OneNote. Im zweiten Durchgang fällt damit das meiste der Arbeit weg, im dritten und vierten geht es darum, die Reihen und Materialien zu verbessern, dann kann man ergänzen und neu erstellen, wenn man möchte. Mein Tipp: Erstelle (oder tausche oder kaufe) hochwertiges Material, damit du das berechtigte Gefühl hast, du hättest etwas erschaffen, das du "mal wieder" (womöglich noch sehr häufig) mit Freude gebrauchen kannst. Nichts ärgert mich mehr, als eine Stunde hinzurotzen, von der ich weiß, dass ich sie nicht wieder halten will.


    4. Schließe "Freundschaft" mit den Sekretärinnen und dem Hausmeisterteam. Sei um Himmels Willen nicht überheblich bei den Sekretärinnen.


    5. Der Klassiker: "Erst Streng, hinterher Zügel locker lassen". Es stimmt. Gerade in der Sek I. Lass dich nicht verarschen. Bestehe auf einen ordentlichen und ruhigen Arbeitsplatz. Wenn du dich auf Machtkämpfe einlässt, dann gewinne sie auch 8) (Informiere dich vorher bei der Schulleitung, wie die zu welchen Maßnahmen steht, das spart eventuell Ärger). Schüler verwechseln Freundlichkeit oft mit "der Unterricht ist nicht so wichtig", das kann fatal sein. Streng und Transparent hat es für mich in der Sek I gebracht. Informiere dich bei Zeiten über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Es hilft in Diskussionen um pädagogische Maßnahmen sehr, wenn man weiß, wovon man redet ("Das dürfen Sie aber nicht", "Nachsitzen ist doch verbooooten" etc.)


    6. Sag den Kollegen, die du neu kennenlernst, dass du "mit Namen" nicht so gut bist. Sie werden dir verzeihen, wenn du ihren vergisst. Wenn du sie ein zweites Mal triffst und ihren Namen nicht kennst, dann frag nach! Beim dritten oder vierten Mal wird es nämlich peinlich. Informiere dich vorab über DU- und Sie-Regelungen. An unserer Schule ist das ein echt blödes Thema, mit dem man sich unbeliebt machen kann.


    7. Strahle Freude am Job und Zuversicht aus, aber sei keiner von den jungen besserwisserischen ehemaligen Refs, die erstmal alles ändern wollen. Selbst wenn du damit Recht hast, machst du dich sehr schnell sehr unbeliebt.


    8. Spring nicht gleich auf, wenn es Aufgaben zu verteilen gibt, es sei denn, sie interessieren dich wirklich. Du bekommst auch so noch genügend zu tun.


    9. Ich notiere Noten mit Tapucate (Android), früher mit einem anderen Programm. Ich kenne aber viele Kollegen, die einfach gar keine mündlichen Noten geben und am Ende schätzen. Den Unterrichtsinhalt der einzelnen Klassen wirst du dir ganz gut merken können. Und wenn du dich mal vertust, macht doch nichts, s. Punkt 1.


    10. Für mich war wichtig: Ich möchte, dass Schüler und Eltern wissen, dass ich auf ihrer Seite bin. Nicht in jedem Punkt natürlich, aber am Ende möchte ich, dass die Kinder gerne zu mir kommen (damals in der Sek I) und dass auch die Eltern wissen, dass mir das Wohlergehen und der Erfolg ihrer Kinder am Herzen liegt. Ich habe festgestellt, dass es helfen kann, ihnen das einfach genau so zu sagen (den Eltern!, bei Kindern wirkt das oft lächerlich).


    11. Das Zeitmanagement: Bei aller freien Zeiteinteilung: Setze dir feste Arbeitszeiten! Lies nicht vor dem Fernseher auf der Couch Dienstmails (ich mache es leider häufig so :( ). Wenn du nicht mehr kannst und die Stunde für den Folgetag aber noch fehlt, pff, macht doch nichts. Nach einem Jahr etwa macht dir das keine Sorge mehr, weil du genug im Petto hast, um ne sinnvolle (Rechtschreibung, Sprachgebrauch, soziales Miteinander, etc. etc.) Stunde spontan zu machen. Arbeite nach bestem Gewissen, aber denk daran: Du kannst nicht alle retten! (auch nicht mit 70 Stunden/Woche) :staun:



    Ich wollte das schon immer mal sagen: Viel Glück und Freude im besten Job der Welt! :geschenk:

  • Es hilft in Diskussionen um pädagogische Maßnahmen sehr, wenn man weiß, wovon man redet ("Das dürfen Sie aber nicht", "Nachsitzen ist doch verbooooten" etc.)

    Dazu ein Nebentipp: Schulordnung (oder wie es auch immer bei Euch heißt) dabeihaben, dem Protestanten hinlegen und sich die Bestimmung zeigen lassen, auf die er sich bezieht. Kann er das nicht (sie können es NIE!), Schulordnung selbst zur Hand nehmen und dem Kandidaten die Bestimmung zeigen, die besagt, DASS Du darfst, was Du gerade angeordnet hast. Schüler - vor allem diejenigen einer bestimmten Geisteshaltung - sind wandelnde Kompendien für Rechtsirrtümer.


    Ich kenne aber viele Kollegen, die einfach gar keine mündlichen Noten geben und am Ende schätzen

    Als Ex-Bayer frage ich da fassungslos: Echt jetzt? Und da kommt nie mal einer und fragt, wann Du welche mündliche Einzelnote wie ermittelt hast? Naja, scheint auch zu gehen...


    Ich wollte das schon immer mal sagen: Viel Glück und Freude im besten Job der Welt!

    Versteh ich jetzt nicht. Die TE ist doch Lehrerin geworden, oder?

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Als Ex-Bayer frage ich da fassungslos: Echt jetzt? Und da kommt nie mal einer und fragt, wann Du welche mündliche Einzelnote wie ermittelt hast? Naja, scheint auch zu gehen..

    Leider ja :( Zitat: "Die bekommen die schriftliche Note. Wenns unklar ist und der ist 'n Arsch, dann die schlechtere, wenn der sich benimmt, dann die bessere." So hat jeder seine Art, seinen Job auszuüben :traenen:



    Zitat von fossi74

    Versteh ich jetzt nicht. Die TE ist doch Lehrerin geworden, oder?

    Ja... deshalb ja die Glückwünsche. Nicht gut? :angst:

    • Offizieller Beitrag

    Leider ja Zitat: "Die bekommen die schriftliche Note. Wenns unklar ist und der ist 'n Arsch, dann die schlechtere, wenn der sich benimmt, dann die bessere." So hat jeder seine Art, seinen Job auszuüben

    OT: gibt es denn in NRW keine Vorgaben, dass mündliche Noten genauso (transparent) gemacht werden müssen wie schriftliche??

  • Vielen Dank für die ausführlichen Tipps!
    Ich denke, ich sollte mir vor allem den ersten Punkt mehr zu Herzen nehmen. Ich habe vor dem Lehramtsstudium in einem völlig anderen Beruf gearbeitet und war es eben gewohnt, alles immer komplett und perfekt fertig zu machen, bevor dann mal Feierabend war. Das konnte ich nie ganz ablegen. Aber schon im Ref musste ich schnell feststellen, dass man als LehrerIn NIE alles fertig bekommt, sondern immer noch Arbeit auf dem Schreibtisch liegt. Das fällt mir immernoch schwer.


    Jedenfalls hat mir das Mut gemacht und ich freue mich auch schon sehr!

  • OT: gibt es denn in NRW keine Vorgaben, dass mündliche Noten genauso (transparent) gemacht werden müssen wie schriftliche??

    Selbstverständlich. Aber besagter Kollege unterrichtet an einer Realschule in einer sozial schwachen Gegend in einer Stadt am Rande des Ruhegebiets. Und wenn der damit auf die Nase fallen soll, dann müssten Eltern mal genauer nachfragen, aber das tut dort niemand.

  • Das ist ja herrlich :D
    Da war ich wohl nicht ganz bei mir. Ich möchte aber gleichzeitig vorschlagen, diese Schreibweise im Forum beizubehalten.



    Ich habe aber auch noch einen Tipp für OT: Wer krank ist, ist krank! (und bleibt zu Hause). Gerade als Ref ist einem das oft unangenehm. Leider habe ich den Tipp in dieser Woche wieder selbst nicht befolgt. Ich war Dienstag nicht in der Schule, weil alle Stunden ausgefallen sind (Praktika), morgen ist mein freier Tag und heute war ich dick krank und trotzdem in der Schule. Ich wollte nicht einer von .... diesen Leuten sein. :angst:

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