Referatsnote herabsetzen wegen schlechten Selbstbewusstseins

  • Liebes Forum,
    nachdem ich nun lange Zeit (unangemeldet) mitgelesen habe,kam ich zu dem Entschluss, mich nun auch hier anzumelden. Insbesondere, weilich vor kurzem eine Diskussion mit meiner Klasse und im Zuge dessen auch miteinigen Lehrern zur Benotung von Referaten hatte und noch gerne einige weitereMeinungen zu dem Thema hätte. Hauptthema war hierbei, wie stark das Auftretendes einzelnen Schülers bewertet werden sollte, da dies für einige SuS einengroßen Nachteil darstellt. Einige jener, die sowohl in meinen, als auch inanderen Fächern, fast nur sehr gute schriftliche und mündliche Leistungenabliefern, haben ein, meiner Meinung nach, eher schlechtes Selbstbewusstseinund können sich im Zweifelsfall ihre Note verschlechtern, was in einigenFächern auch der Fall ist.


    Im Vergleich sind die Schülerpräsentationen aber meistausgesprochen gut vorbereitet, die SuS haben ein sehr tiefgreifendesHintergrundwissen, aber eine schlechtere Präsentationstechnik als ihreselbstbewussteren Mitschüler, die zwar Fragen beantworten können, aber weitausweniger Fachwissen haben, als erstere (immer noch genug und im erfordertenMaße, aber nicht in dem Ausmaß, wie bei ersteren).


    Die meisten der Lehrer tendieren nun dazu, den SuS mit dembesseren Auftreten nun die bessere Note zu geben, während andere hierbeischlechter aussteigen. Auch wenn ich und noch einige andere wissen, dass das selbstbewussteAuftreten zu den wichtigsten Kompetenzen im Leben zählt, hatte ich es bis jetztso gehandhabt, dass die Selbstpräsentation fast kein Gewicht hat und nur dieVorbereitung, fachliches Wissen, Vokabular, Qualität der Hilfsmittel, etc. indie Beurteilung einbezogen werden und die SuS nur mündliches Feedback undVerbesserungsvorschläge zu ihrem Auftreten bekommen.


    Ich möchte das nun noch am konkreten Fall einer Schülerinveranschaulichen, bei der ich auch in ihrem sonstigen Auftreten gegenüberjeglichen Autoritätspersonen merke, dass sie sehr unsicher ist und vor allem inPrüfungssituationen zu großer Nervosität neigt. Da bei Prüfungen/Wiederholungenaber nur das Wissen bewertet wird, das ja trotzdem vorhanden ist, scheint dieSituation zwar unangenehm zu sein, aber hat keinen negativen Einfluss, währenddies bei Referaten schon der Fall ist. Nun täte es mir sehr leid, ihr eineschlechtere Note zu geben, obwohl weit bessere Vorbereitung (weit über das Maßhinaus) zu beobachten ist, als bei den Mitschülern. Noch dazu möchte ich abernoch erwähnen, dass die Nervosität sich hauptsächlich im Stand, Blick(-kontakt)und der Sprache (viele eingeschobene Gliedsätze, mit denen sie sich „im Satzverirrt“) und bei weitem nicht so schlimm ist, wie es zuvor möglicherweisegeklungen hat.



    Wie handhabt ihr das also in der Notengebung und inwiefernwerdet ihr mit zunehmenden Alter strenger in Bezug auf dieses Kriterium?
    Entschuldigt bitte den langen Text, aber vielen Dank analle, die ihn sich trotzdem durchgelesen haben.


    LG,
    Carina M.

  • Kommt immer auf das Lernziel an.


    Ich beurteile kriterienorient. Ich sage den Schülern vorher, was meine Bewertungskriterien sind und hake die währen der Arbeitsphase und während der Präsentation ab.
    Die reine Präsentation ist dabei eine punktuelle Leistung, die ich eigentlich immer weniger stark gewichte als die Arbeitsphase.


    Durch die transparenten Bewertungskriterien können sich unsichere Schüler besser und gezielter vorbereiten. Man vermeidet die Bewertung des Gobaleindrucks.
    Problematische Persönlichkeitsmerkmale wirken sich dadurch nur in Teilaspekten aus. Ich muss aber ganz klar sagen, dass z.B. der Blickkontakt zum Publikum auch ehrlich bewertet werden sollte, wenn dies zu den Lernzielen gehört, egal ob das ein selbstbewusster Schüler ist oder nicht. (Ich setze beim rechenschwachen Schüler ja auch nicht die Mathenote aus.) Das bedingt natürlich, dass die Schüler den entsprechenden Aspekt dann in der Unterrichtsreihe vorher erlernen.


    Was in meinen Augen gar nicht geht, ist meiner Meinung nach eine Bewertung von Dingen, die die Schüler nicht gelernt haben.
    Also zum Beispiel schön vorbereitete Mathefreiarbeit.... und dann: "und jetzt macht ihr ne Präsentation bis nächste Woche, die benotet wird" und das war es als Ansage. Das wäre dann ungefähr so wie Noten nach Lieblingsfarbe und geht überhaupt nicht.

    • Offizieller Beitrag

    In der neunten Klasse halten die Schüler bei mir Gruppenpräsentationen zum Thema Musikepochen. Ich gebe grundsätzlich zwei gleichwertige Noten. Einmal die Gruppenarbeitsnote, die sich auf den Inhalt und die Struktur der Präsentation bezieht, und einmal die "persönlich Performanz", die die Präsentation jedes Einzelnen bewertet. Bislang bin ich damit gut gefahren - die Schüler versuchen in der Regel, die Vorgaben wie freies Sprechen, kein Ablesen von Folien etc. umzusetzen. Blickkontakt und Erklären von Fachbegriffen sind für mich zusätzliche Kriterien für die pP.


    Das Selbstbewusstsein spielt sicherlich bei Präsentationen auch eine Rolle, aber wie wir alle wissen, sind Begabungen nun einmal unterschiedlich verteilt. Vieles kann man durch Üben lernen und verbessern. Die Schüler machen bei uns ja auch alle zwei Jahre mündliche Prüfungen in den Fremdsprachen, Rollenspiele etc. Da ist für jeden etwas dabei, um sich auszuprobieren und die eigenen Präsentationsstärken zu finden.
    Für ganz Schüchterne ist das immer ein Problem. In der Schule können (und müssen!) sie das lernen, weil man sie mit dieser Schüchternheit als spätere Studenten oder Azubis nicht ernst nehmen wird - vom Erfolg im Beruf einmal ganz abgesehen.


    Persönlichkeitsmerkmale haben zwangsläufig immer Einfluss auf die Note eines Schülers. Seien es Faulheit, Engagement, Pareto-Prinzip, Helfer-Syndrom, "Hausaufgaben-Abschreiben", Täuschen etc. Es liegt an uns, darauf sensibel (manchmal auch rigoros) zu reagieren.

    • Offizieller Beitrag

    Ich beurteile kriterienorient. Ich sage den Schülern vorher, was meine Bewertungskriterien sind und hake die währen der Arbeitsphase und während der Präsentation ab.

    Nur so kann es gehen. Und je nachdem, ob man gerade Referate und Präsentationen übt um eben das Präsentieren zu üben (ist ja nun auch mehr als nur ein bisschen job- und studienrelevant) oder ob man Präsentationen halten lässt um Wissen zu vermitteln, liegt der Benotungsschwerpunkt eben eher auf den Vermittlungstechniken oder auf dem Inhalt - wichtig ist dabei nur, dass die Schüler vorher wissen, was warum geübt wird und was genau die Bewertungskriterien sind. Dann gibt's auch keine Notendiskussionen oder Stress.

    Das Selbstbewusstsein spielt sicherlich bei Präsentationen auch eine Rolle, aber wie wir alle wissen, sind Begabungen nun einmal unterschiedlich verteilt. Vieles kann man durch Üben lernen und verbessern.

    Und da wir ganzheitlich bilden sollen, laut Lehrplänen, ist auch das ein Teil davon. Es hilft ja nix, wenn jemand Wissen anhäuft, das er/sie vor lauter Schüchternheit im Studium oder im Beruf nicht anwenden kann, weil er sich und seine Talente nicht präsentieren kann, nicht austauschen oder vermitteln.


    Bei zu Hause vorbereiteten Schülerpräsentationen ist außerdem ein Problem, dass man nicht weiß, wie viel der Note Mama oder Papa und deren ehrenvoller und engagierter Einarbeitung in das Thema gebührt. Die Präsentation / Vermittlung ist halt klar messbare Einzelleistung.
    Es passiert ja bis zum Abi hin, dass hochgradig professionell vorbereitete Präsentationen, wenn man nachfragt, nicht annähernd erklärt werden können, weil Papa leider versäumt hat, die Technik und den Weg der Recherche zu erläutern... ;)


    Ich versuche deshalb zunehmend (klappt zeitlich nicht immer), Präsentationen im Unterricht vorbereiten zu lassen. Die Schüler dürfen/sollen zu Hause Material ersurfen und zuschicken, müssen sich dann aber in Paaren oder Kleingruppen hinsetzen und das filtern, sortieren, exzerpieren, sich über die Technik des Vermittelns einigen, eine Gliederung erarbeiten, sich auf die Texte/Bilder/Grafiken/Videos einigen, die sie einsetzen und was sie dazu sagen und so weiter. Zum Teil im Computerraum, zum Teil auch in der Klasse via Handy oder an den PCs der Bibliothek.
    Die Präsentation steht dann als Struktur fertig, zu Hause kann jeder dann noch seinen Vortrag üben, aber nichts mehr größer hinzufügen. Ich hab dann auch die Oberaufsicht über Arbeitsanteile in der Gruppe, oder kann bei Einzelpräsentationen helfen.
    Auch das mit en Gruppenanarbeitsanteilen ist bei Präsentationen oft ein Problem: statt Mama und Papa ist es nämlich manchmal auch der Motivierte/Fitte, der die Hauptarbeit macht und die anderen profitieren davon. Ist ja okay, aber dann soll der Motivierte/Fitte eben auch für mich sichtbar werden und Sonderpunkte kassieren.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Stimme dem Punkt mit den Kriterien vollinhaltlich zu.


    Bezüglich Selbstbewusstsein bei Präsentationen: ich habe mit einer 4. Grundschulklasse in Deutsch beispielsweise sehr viel Theater gespielt und ihnen "absurde" Präsentationsaufträge gestellt, um ihnen die Angst zu nehmen, hat echt super und durchgängig für alle Schüler geklappt soweit ich das beurteilen konnte. Der Idealfall dieser Aufträge war:


    - Beurteilungskriterien sind klar
    - Die Konsequenzen der Präsentation existieren und sind jedem klar (z.B. zum Klassensprecher gewählt werden, imaginär "bei einer Firma angestellt werden", ...)
    - Die Konsequenzen sind direkt und überschaubar (keine Noten die dann am Ende die Gesamtnote ruinieren)
    - möglichst absurde Vorgaben, um von der übermäßigen Selbstbezogenheit zu befreien
    - rituelle Reaktionen der Zuschauer unabhängig von der tatsächlichen Leistung (z.B. es wird geklatscht für den Mut zu sprechen egal was dabei rauskam).


    Als Beispiel: ein Auftrag an meine Schüler war es, in Gruppen ein kleines Rollenspiel vorzuführen, dessen Inhalt völlig frei wählbar war, aber die Vorgabe war, dass es einen Erzähler gibt, der die Geschichte erklärt, einen Soundeffekt-Manager, der für alle Hintergrundmusik/-sounds sowie das Sprechen von Dialogen zuständig ist und eben Schauspieler die aber nicht sprechen dürfen. Vorbereitungszeit ist etwa 20 min, (max.) Aufführungszeit/Gruppe ca. 5 Minuten. Die Ergebnisse waren ziemlich genial.


    Weiteres Beispiel: der Auftrag, sich ein absurdes Produkt auszudenken und eine "Verkaufspräsentation" dazu zu machen. Ziel ist, dass die Zuhörer (der Rest der Klasse) das Produkt kaufen will. Da gabs dann 5m große Eichhörnchen, die die Schultasche für einen tragen, unsichtbare Bälle mit Wiederauffindungs-App zum Aufpreis usw. zum kaufen.


    Oder der Auftrag, die anderen zu überzeugen, die eigene "Partei" zum Klassensprecher zu wählen. Erlaubt sind alle Hilfsmittel die einfallen, außer natürlich Gewalt. Da wurden dann Werbegeschenke gebastelt, Parteiprogramme geschrieben, Plakate, Hände gebastelt (wie beim Baseball in den USA diese aufblasbaren Riesenhände) usw., eben jeder nach seiner Fähigkeit.


    Ein Bunterrichter

  • ach schee, das ist alles prima für vertretungsstunden und geht sogar noch in der oberstufe. danke für die ideen!

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