Lehrer werden

  • Es gibt ja auch so einen Gesundheitscheck, den man machen muss bevor man Lehrer werden kann. Ist dieser denn sehr streng oder reicht es auch, wenn man aussagt, dass alles in Ordnung ist? Ich habe da etwas die Sorge, erst jahrelang zu studieren und dann Probleme bei der Einstellung zu haben.


    LG
    Ruffian

    Dazu wurde ja schon einiges geschrieben, und vor allem das "nichts verschweigen, sonst gibt's Probleme" möchte ich unterschreiben.


    Ich möchte aber mal ganz deutlich sagen: Es hängt sehr stark vom jeweiligen Amtsarzt ab, wie eingehend die Untersuchung und Befragung ist.
    In RLP geht's insgesamt dreimal dahin: Bei der Einstellung ins Ref, bei der Übernahme in die Verbeamtung auf Probe und bei der Lebenszeitverbeamtung. Das Spektrum meiner Untersuchungen reichte dabei von "sehr intensiv inklusive Becherpinkeln" bis zu (wörtliches Zitat Amtsarzt) "Ich klopf Sie mal auf dem Rücken ab. Das reicht, Sie waren ja vor x Jahren schon da."


    Hier würde ich mich also auf gar nichts verlassen, außer eben darauf, dass Du bei Dingen nach denen gefragt wird, ehrlich sein musst.


    Gruß,
    DpB


  • Ich hatte als Jugendliche auch psychische Probleme, aber mit erfolgreich abgeschlossener Therapie, das habe ich auch beim Amtsarzt gesagt... Der war der Meinung, dass das nicht mehr interessiert und wer das Referendariat "überstanden" hat und noch gut drauf ist, der muss stabil sein. War kein Problem für die Verbeamtung...

    Sei immer du selbst! Außer, du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn! :verliebt:

  • Meiner Meinung nach solltest du dir keine Sorgen machen wegen der Narben. Solange sie dich selber nicht verunsichern und du weißt, wie du damit umgehen wirst, falls Eltern/Schüler/Kollegen das Thema ansprechen, ist das alles kein Problem.

  • Eine Bekannte von mir hat sehr sichtbare Narben an den Unterarmen, da sie sich vor Jahren selbst geritzt hatte. Ich lernte sie an der pädagogischen Hochschule als Mit-Studentin kennen (in Österreich lief die Ausbildung für das Grundschullehramt über die pädagogische Hochschule), und sie machte während der Ausbildung eine erstaunliche Entwicklung durch, verlor ca. 30-40kg an Gewicht (vorher war sie seeehr massig) und baute sich ein enormes Selbstbewusstsein auf. Sie schaffte auch problemlos die Zulassung zum Grundschullehramt.


    Als ich sie nach längerem Auslandsaufenthalt meinerseits wieder einmal traf, erzählte sie mir, dass sie massive Schwierigkeiten mit ihrer Direktorin und der Inspektorin bekommen hatte, die ihr vorwarf, "nicht genug zu lächeln". Viele Bezirksinspektoren hier in meinem Umfeld halte ich für völlig ungeeignet und habe da auch schon Eigenerfahrungen mit einer bestimmten Dame gemacht die sich nicht zu schade war, zu illegalen Mitteln zu greifen, um mich zum Schweigen zu bringen (habe mich damals allerdings recht erfolgreich gewehrt). Ich weiß nicht, wie die Situation in Deutschland ist, aber hier in (Ober-)Österreich sind für viele meiner Bekannten im Lehrberuf nicht die Schüler das Problem, sondern Eltern (manchmal) und vor allem KollegInnen und Vorgesetzte. Sichtbare Narben bieten da einerseits eine willkommene Angriffsfläche, andererseits lassen sich Versuche diesbezüglich relativ leicht vereiteln wenn man dazu steht was man getan hat. "Gefährlicher" sind wohl - wie hier schon geschrieben wurde - Trigger-Situationen im Lehreralltag, die die ursprüngliche Situation neu aufleben lassen können, da muss man schon auf sich aufpassen und auch gut reflektieren, um nicht in alte Muster zu verfallen. In gewisser Weise betrifft das aber ohnehin jeden Menschen und in jedem Beruf.


    Ich war selbst mit 15 oder so suizidgefährdet, habe die Phase jedoch irgendwann echt gut durcharbeiten können. Obwohl ich mich nie geritzt habe oder sonst sichtbare Narben davongetragen habe, scheinen das Schüler die selbst von ähnlichen Gedanken betroffen sind meist irgendwie zu "wissen", dass sie mit mir sprechen können. Die Kunst dabei - soweit ich das erfahren habe - sich nicht nur in die Situation des anderen hineinversetzen zu können, sondern gleichzeitig auch bei sich zu bleiben und nicht "hineinzurutschen". Wenn du das bezogen auf deine alten Themen kannst (oder zumindest eine Achtsamkeit für dich hast zu merken, wann das passiert), solltest du diesbezogen kaum Schwierigkeiten bekommen.


    Noch etwas: es ist eine wunderbare Aufgabe, andere Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen beim Wachsen zusehen zu dürfen, aber der Lehrer-Beruf ist nicht die einzige Form, in der dies möglich ist. Je nachdem, welche Vorstellungen du auch finanziell für dein Berufsleben hast, gibt es auch noch zahlreiche mehr oder weniger versteckte Alternativen. Zu viele meiner Lehrerkolleginnen halte ich für den Beruf des Lehrers im Grunde für ungeeignet, obwohl sie an sich gute Menschen sind. Nach langer Ausbildung und in einem relativ gesichertem Job mit ganz guter Bezahlung sowie relativ viel Freizeit bleiben sie jedoch oft bei ihrem einmal eingeschlagenen Weg, was ich ziemlich schade finde, sowohl für die ihnen anvertrauten Kinder als auch für sie selbst. Probier möglichst viele Tätigkeiten und Umfelder aus, und sei dir nicht zu schade, auch nach einigen Jahren auf dein Gefühl zu hören, ob du nun schon "angekommen" bist oder noch nicht.


    Ein Bunterrichter

  • Solange deine Kollegen ihren Job vernünftig machen ist alles in Ordnung. Warum soll man alle Jahre überprüfen, ob man "angekommen" ist?


    Wie du sagst; lange Ausbildung. Irgendwann beginnt man selbst mit der Familienplanung, kauft eine Immobilie usw. Man hat jetzt eigene Verpflichtungen die erfüllt werden müssen.


    Das Leben ist kein Wunschkonzert; ich habe einen Job der ganz okay ist und mir mehr Spass macht als er mich nervt. Damit muss ich meine Familie versorgen und mein Leben meistern.


    Als ob man in anderen Jobs alle Jahre überprüft, ob man diesen nicht besser wechseln sollte.

  • Als ob man in anderen Jobs alle Jahre überprüft, ob man diesen nicht besser wechseln sollte.

    Das ist weniger eine Frage des spezifischen Jobs sondern eher eine Frage des Charakters. Es gibt Menschen, die denken sich in jungen Jahren "Diesen Job will ich machen", machen die entsprechende Ausbildung und dann den Job und sind für den Rest ihres Lebens glücklich damit.


    Und dann gibt es Menschen, für die ist der wirklich richtige Weg um einiges komplizierter. Die können zwar auch die obige Option wählen, werden aber langfristig nicht so wirklich glücklich damit. Die mäandern dann oft jahrelang oder sogar ein ganzes Leben lang zwischen verschiedenen Jobs und Aktivitäten herum, bis sie endlich etwas wirklich Passendes gefunden haben, sich mit ihren Fähigkeiten selbstständig gemacht oder die Suche einfach aufgegeben haben. Oft gibt es die entsprechenden Jobs ja sogar, nur sind diese gesamtgesellschaftlich so unbekannt, dass man sie erst einmal finden muss.


    Hätte ich meinen ursprünglich eingeschlagenen Weg ohne allzuviel Nachzudenken weitergeführt, wäre ich heute Software-Entwickler, würde - da ich echt gut darin bin - ziemlich gut damit verdienen. Und ziemlich unglücklich damit sein.
    So war ich zwischendurch ein Jahr in Brasilien/Bolivien, habe ein Jahr in Deutschland an einer freien Schule gearbeitet, an verschiedenen Regelschulen als Grundschullehrer, mir einige Zeit meinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker finanziert, meine Liebe zum Schreiben entdeckt und bin als letzte Entwicklung - wenn alles klappt, ich warte noch auf die letzte Bestätigung aber im Grunde steht die Zusage - ab nächste Woche Leiter eines Lerncafés (Mischung aus Hort, Nachhilfe und freier Schule für sozial benachteiligte Familien). Ich wollte schon vor Jahren mal der Idee nachgehen, eine Freie Schule für Kinder aus sozial schwächeren Familien zu gründen das aber von der Stadt oder vom Land finanziert wird (quasi als Integrationsprojekt, auch für Erwachsene), nur wusste ich nicht, wie ich die Stadt von der Idee (und von mir) überzeugen hätte können. Nun werde ich wohl genau in dem Bereich arbeiten. Ob es langfristig dabei bleiben wird oder wiederum nur eine Zwischenstation sein wird, weiß ich natürlich noch nicht, aber bisher waren alle "Stationen" wertvoll und haben sich in der Folge als hilfreich für die nächste Aufgabe erwiesen (z.B. haben wir an der Freien Schule die Open-Source-Philosophie aus der Informatik auf die Schulkonzept-Entwicklung angewandt was ziemlich genial funktioniert hat). Wahrscheinlich werde ich auch langfristig viel schreiben, vielleicht auch irgendwann damit Geld verdienen. Reizen würde mich auch eine Art "Wandertheater" mit Puppen und selbst entworfenen Geschichten, die - in der warmen Jahreszeit - auf der Straße bzw. - wenn es dafür zu kalt ist - an Schulen aufgeführt werden.


    Wenn man mich mit 14 gefragt hätte, was ich mal werden will, wär ich gar nicht auf die Idee gekommen, mir so einen Lebenslauf auszudenken, und doch waren die bisherigen Stationen - bei allen Frusterlebnissen immer wieder mal - im Grunde ziemlich genial. Wie gesagt - jedem sein Lebenslauf, den er für richtig hält und schreiben möchte.


    Ein Bunterrichter

  • Das jeder einen unterschiedlichen Lebensweg hat, ist mir schon klar. Ich störe mich nur an deine Empfehlung, dass du dem TE empfiehlst, er solle möglichst viele Tätigkeiten und Umfelder ausprobieren. Das halte ich persönlich für eine höchst fragwürdige Einstellung. Man muss dann aufpassen, nicht Getriebener seiner eigenen "Unsesshaftigkeit" zu sein.


    Solange man nur für sich selbst verantwortlich ist, mag dies gehen. Im Allgemeinen dagegen weniger, da man dann auch Verantwortung für andere Menschen in seiner Familie trägt.

  • Hallo zusammen :)
    Vielen Dank für die vielen Antworten. :) Ich habe mich gerade durchgelesen und ich denke damit ist mir einiges geholfen... es ist natürlich noch nichts in Stein gemeißelt und es kann sich alles noch ändern aber ich denke doch, dass ich für den Lehrerberuf geeignet bin. Ich glaube, ich habe da die richtigen Motivationen dahinter. Und danke sehr für den Zuspruch wegen der Narben. Ich selbst habe lange kein Problem mehr damit, es offen zu zeigen. Und ich denke, ich bin inzwischen abgehärtet genug, sodass mir Fragen von Menschen diesbezüglich nichts mehr ausmachen. Es ist natürlich wahr, dass es belastend sein kann, wenn ein Schüler dieses Problem haben sollte aber ich bin da positiv gestimmt und denke, dass ich mich abgrenzen kann.
    Danke sehr also für die Antworten, es hat mich sogar darin bestärkt Lehrerin zu werden und mir um die Narben keine Sorgen zu machen :)


    LG und eine schöne Woche euch allen
    Ruffian

  • Das jeder einen unterschiedlichen Lebensweg hat, ist mir schon klar. Ich störe mich nur an deine Empfehlung, dass du dem TE empfiehlst, er solle möglichst viele Tätigkeiten und Umfelder ausprobieren. Das halte ich persönlich für eine höchst fragwürdige Einstellung. Man muss dann aufpassen, nicht Getriebener seiner eigenen "Unsesshaftigkeit" zu sein.


    Solange man nur für sich selbst verantwortlich ist, mag dies gehen. Im Allgemeinen dagegen weniger, da man dann auch Verantwortung für andere Menschen in seiner Familie trägt.

    Wie gesagt, Menschen sind sehr unterschiedlich. Meine Ex-Freundin war eine solche "Getriebene" und - auch wenn sie eine Weile brauchte, sich das selbst zuzugeben - im Grunde sehr unglücklich damit. Eine andere Freundin von mir ist alleinerziehende Mutter und in massiven Geldnöten, die hat das Gefühl sie kann nichts an ihrer Situation ändern weil sie für ihren Jungen verantwortlich ist und sie keine Möglichkeit sieht, das alles zu vereinbaren.


    Ich hatte früher mal eine Phase in der ich mich sehr ungebunden (im positiven wie negativen) empfunden habe. Nach meinen längeren Auslandsaufenthalten habe ich aber festgestellt, dass ich so etwas wie eine "Heimat" brauche und es in dieser Heimat auch Menschen gibt, die mich brauchen. Ich habe selbst noch keine Kinder, aber Familie und Freunde, die sich auf mich verlassen, nur leider eben geographisch relativ breit gestreut bis nach Deutschland raus (u.A. wohnt meine aktuelle Freundin derzeit knapp 400km entfernt von mir), und um da eine für alle Betroffenen gute Lösung zu finden braucht es dann eben beizeiten kreativere Experimente.


    Ich glaube dass eine der größten Verantwortungen, die man (auch gegenüber seinen Kindern) hat, ist sein eigenes Leben so zu gestalten, dass man selbst zufrieden damit sein kann. Meine eigenen Eltern haben jahrzehntelang "für die Kinder" zusammengelebt obwohl sie miteinander sehr unglücklich waren, das kann auch dramatische Auswirkungen auf die Kinder haben, für die man verantwortlich ist, wenn sie den Eindruck bekommen sie wären Schuld am Unglück der Eltern (ist uns nie vorgeworfen worden, aber der Eindruck war subtil trotzdem da). Wenn das mit der Zufriedenheit jemand auf Anhieb wunderbar hinbekommt muss er das natürlich nicht in Frage stellen. Ist man aber längerfristig unzufrieden, halte ich es schon für sinnvoll, nach alternativen Lösungen zu suchen, die auch die Bedürfnisse aller eventuell Betroffenen einbeziehen.


    Ein Bunterrichter

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