Ausbildung: Aufhebungsvertrag unterschreiben oder kündigen lassen?

  • Hallo,
    ich weiß, dass meine Frage hier etwas off topic ist, aber ich kann zwischen Weihnachten und Neujahr bei der Handwerkskammer niemand erreichen und vielleicht gibt es hier Berufsschullehrer oder jemand, der aus eigener Erfahrung mir weiterhelfen kann.
    Es geht um einen Jugendlichen im 2. Ausbildungsjahr, der gerade seinen Ausbilungsplatz verliert. Es gibt schon eine ganze Weile Differenzen zwischen ihm und dem Ausbildungsbetrieb, weil er sich ausgenützt fühlt, nach eigener Aussage immer die letzten Drecksarbeiten machen muss und als noch minderjähriger regelmäßig viel länger arbeiten muss als erlaubt. Seine alleinerziehende Mutter vertritt die Ansicht, er solle froh sein, dass er mit seinen schlechten Noten überhaupt eine Ausbildungsstelle hat und bloß den Mund halten, damit er diese nicht verliert. Die aus seiner Sicht unerträglichen Arbeitsbedingungen haben aber mittlerweile dazu geführt, dass er immer öfter krank geschrieben ist. Er hat Depressionen, bekommt nichts mehr geregelt, hat seine Krankschreibungen nicht rechtzeitig abgegeben, auch Arbeitsberichte und irgendwelche Sachen für die Berufsschule wurden nicht termingerecht erledigt, es ist ihm alles zuviel.
    Die Folge waren 3 Abmahnungen. Jetzt drängt der Ausbilder darauf, dass er bis zum 31.12. einen Aufhebungsvertrag unterschreibt.
    Das der Junge eine langfristige Therapie braucht und eine neue Ausbildungsstelle ist ganz klar, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Die jetzt drängende Frage ist:


    Soll er den Aufhebungsvertrag unterschreiben oder die Kündigung abwarten?


    Verliert er mit dem Aufhebungsvertrag eventuell Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder was auch immer. Gegen eine Kündigung könnte man noch Widerspruch einlegen, wenn die Handwerkskammer bestätigt, dass die Verhältnisse im Betrieb nicht in Ordnung waren (wie gesagt, dort ist gerade wegen Weihnachten niemand zu erreichen).
    Ich finde es etwas verdächtig, dass sein Chef so sehr darauf drängt, dass er die Aufhebung unterschreibt.
    Was sollen wir tun?

  • Hallo Ratte,


    lies mal hier:
    http://www.recht-finanzen.de/c…h-einem-aufhebungsvertrag
    http://www.bigkarriere.de/karr…eilig-unterschreiben.html


    --> v.a. muss die Mutter - wenn er noch nicht volljährig ist - unterschreiben.



    Ich würde an deiner Stelle an die IHK eine Mail schreiben und die Umstände schildern. Vll. können die irgendwie erreichen, dass der Jugendliche den Betrieb wechseln kann. Und ich würde auf die Kündigung warten. Ist zwar auch nicht berrauschend, aber besser als eine Sperre beim ALG zu riskieren.



    LG

  • Ich würde aus o.g. Gründen auf keinen Fall den Aufhebungsvertrag unterschreiben (lassen), sondern die Kündigung abwarten. Eine Ausnahme mag dann gegeben sein, wenn eine Anschlussstelle vorhanden ist oder/und der Aufhebungsvertrag einen entsprechenden finanziellen Anreiz beinhaltet, welcher den verwirkten ALG-Anspruch kompensiert. Das wird aber wohl nicht die Regel sein hier. Von daher: Kündigung abwarten und ggf. sogar dagegen vorgehen.

  • Ich kann mir einen Grund vorstellen, warum der Arbeitgeber so darauf beharrt, dass der Jugendliche den Aufhebungsvertrag unterschreibt:
    Wenn er (der Jugendliche) bzw. seine Mutter den Aufhebungsvertrag unterschreibt, verhindert er (der Arbeitgeber) damit, dass der Jugendliche (bzw. die Mutter) gegen die Kündigung / die Abmahnungen vorgeht. Er ist ihn elegant los geworden. Es gab schon so oft Abmahnungen, die rechtlich nicht haltbar waren (und wenn es irgendwelche Formfehler waren). Vll. befürchtet er auch, dass er (der Arbeitgeber) sich auf rechtlich dünnem Eis bewegt (da der Jugendliche "Drecksarbeit" verrichten musste und gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen wurde. Ganz abgesehen davon ob die Kündigung / die Abmahnungen rechtens waren: Liegen Verstöße gegen das JuSchu vor, kann er selbst ziemlichen Stress bekommen. All das umgeht er elegant, wenn der Jugendliche kündigt. Vll. war/ ist der Jugendliche auch zu "unbequem", da er "Widerworte" gegeben hat und gesagt hat, dass er bestimmte Arbeiten nicht erledigen darf / es ihn stört. Nicht jeder Arbeitgeber mag so etwas ... Ein weiterer Grund ihn elegant los zu werden.


    Wenn eine Kündigung vorliegt, könnt ihr (ggf. schon vorher) die Handwerkskammer informieren und der Jugendliche sich einen Anwalt nehmen oder sich zumindest von der Handwerkskammer rechtlich beraten lassen.

  • Das Problem kenne ich sehr gut. Ich rate meinen Jungs immer folgendes:


    Aufhebungsvertrag nur unterschreiben, wenn er selbst weg will UND bereits eine neue Stelle hat. Ansonsten kann das - grad mit schlechten Noten - SEHR böse ausgehen, und der Azubi hockt dann erstmal auf der Straße. Wie es mit ALG aussieht nach so kurzer Arbeitszeit weiß ich allerdings nicht.


    Zum Thema Kündigung abwarten: Die AG stellen das gerne anders dar, aber es ist verdammt schwer, einem Azubi zu kündigen. Solange er nicht grob fahrlässige Schäden verursacht hat oder mindestens die dritte Abmahnung wegen des selben (!) Vergehens bekommen hat, ist es sogar praktisch unmöglich. Wenn allerdings die drei Abmahnungen z.B. alle wegen zu spät abgegebener Atteste waren, kann's eng werden.


    Gruß,
    DpB


    PS: Das mit den zu langen Arbeitszeiten und "Drecksarbeiten" ist zumindest im Handwerk leider Normalität, wenn auch nicht legal. Bei den meisten geht die Abwägung, ob man dagegen vorgeht, oder es sich nicht mit seinem Chef verscheißt, zugunsten des Arbeitsklimas aus. Wenn Dein Schüler aber sowieso da weg will, wäre ein Gang zur HWK und dort um Ausbildungsbeauftragten aber durchaus eine Möglichkeit.


    EDIT PPS: Da Du oben (noch) nicht verraten hast, ob es vielleicht eine weitere Vorgeschichte gibt: Wenn das nicht der erste Betrieb sein sollte, in dem der Azubi nicht zu Recht kommt, muss man allerdings auch überlegen, ob man nicht rät, zu kündigen und etwas völlig anderes zu machen. Auch hier rate ich aber immer, sich zuerst einen neuen Ausbildungsplatz zu suchen.

    Einmal editiert, zuletzt von DePaelzerBu ()

  • 1. Niemals nie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben.
    2. Gedächnisprotokoll anfertigen wann was vorgefallen ist und was der Arbeitgeber gesagt hatt..
    3. Gedächtnisprotokoll anfertigen über die Situation des Aufhebungsvertrags-Angebotes, auch wann und wie evtl. gedrängt wurde das zu unterschreiben.
    4. Arbeitsrechtler (Anwalt) einschalten, auch vor der Kündigung und ihm Gedächnisprotokoll, Abmahnungen und Aufhebungsvetrag zur Prüfung auf den Tisch legen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Bei Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetzt ist, glaube ich, das Gewerbeausfichtsamt der richtige Ansprechpartner. Wenn das Verhältnis zum Chef eh schon mies ist würde ich ihn auch anschwärzen. Kann ja nur besser werden.


    Ansonsten gehts mir wie den anderen hier, mir fällt kein sinnvoller Grund ein, warum man einen Aufhebungsvertrag unterschreiben sollte. Und ja, einem Azubi nach der Probezeit zu kündigen ist unheimlich schwer. Selbst größere Vergehen des Azubis fallen da noch unter den Erziehungsauftrag des Ausbilders.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Bei bereits drei Abmahnungen kann dann auch schon eine normale Kündigung ausgesprochen werden. (Unter bestimmten Umständen)


    Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses macht nur dann Sinn, wenn der Azubi das Arbeitsverhältnis fortsetzen will und kann. Das lese ich aus deinem Beitrag so nicht heraus.
    Bei einem Minderjährigen muss sowieso die Mutter den Aufhebungsvertrag unterschreiben.
    Meiner Meinung macht es nur Sinn, wenn sich alle Beteiligten zusammensetzen und nach einer Lösung suchen - Azubi, Betrieb, Mutter, Kammer, Klassenlehrer.


    Viele Jugendliche klagen, dass sie Drecksarbeiten verrichten müssen. Das muss man dann differenziert betrachten - das Sauberhalten des Lagers (z.B.) ist eine zum Beruf gehörende Tätigkeit, die eben den Auszubildenden obliegt. Viele Jugendliche sind aber unglücklich damit. Also muss man schon sehr genau schauen, was er zu tun hat.


    Ich kann den Betrieb verstehen - ein Azubi, der häufig krankgeschrieben ist, die Krankschreibungen dann nicht einreicht, seine Berichte nicht schreibt und über den offenbar auch Klagen von der Berufsschule kommen, ist ein Problem. Eine Ausbildung macht nur dann Sinn, wenn der Jugendliche sich auch ausbilden lässt - dazu gehören auch Pflichten wie eine Lernpflicht. Dass der Betrieb unter den genannten Umständen den Azubi nicht mehr bezahlen und deshalb loswerden will, ist für mich nachvollziehbar, schließlich rechnet ein Betrieb mit der Arbeitskraft des Auszubildenden. Für einen kleinen Betrieb kann das eine echte Belastung sein.


    Insofern empfehle ich ein klärendes Gespräch mit allen Beteiligten im neuen Jahr.

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