Schüler wegen unentschuldigter Fehlstunden der Schule verweisen

  • Ich habe eine Schülerin (schon seit Jahren volljährig, also nicht mehr berufsschulpflichtig), die wiederholt unentschuldigt fehlt. Sie hat bereits 3 Abmahnungen bekommen und steht unter Attestpflicht. Nun fehlt sie wieder. Ist der nächste Schritt die Teilkonferenz, zu der sie eingeladen wird? Wie ist das rechtliche Vorgehen?

  • Das ist ganz klar ein Job für die Schulleitung, eben auch ensprechende §90-Maßnahmen (hier in Bawü!) zu ergreifen.
    Ich würde den Fall abgeben, das übersteigt die Kompetenzen auch einer Klassenleitung.

  • Zur Teilkonferenz solltest du in solchen Fällen schon nach der ersten Anmahnung einladen. Vielleicht kann man sie nach der 20-Tage-Regelung auch gleich entlassen. Da wendest du dich an den Abteilungsleiter.

  • Ich habe den Fall bereits an Bildungsgang- und Schulleitung abgegeben. Nun ist es zur Zeit so, dass wir eine neue SL haben, die sich furchtbar darüber aufregt, wie lapidar die alte SL mit Formalia umgegangen ist. Das Kollegium muss das nun ausbaden. Jedes Formular, das rausgeht, wird von der SL stirnrunzelnd geprüft und der jeweilige Kollege eingeladen und niedergemacht. Ich möchte einfach auf dieses Gespräch vorbereitet sein, ich habe wegen der Attestpflicht schon eins drüber gekriegt (obwohl es nun wirklich nicht meine Sache ist, ich bin weder Bildungsgang-, noch Abteilungsleitung).
    Was sagt die BASS (soll nach dem Willen der SL jeder Kollege zuhause haben und die wichtigsten Dinge im Kopf haben)?

    • Offizieller Beitrag

    Wirf mal einen Blick in unser Schulgesetz.
    §53 (4) Ist da sehr eindeutig. Ihr könnt die Schülerin sofort entlassen, wenn sie innerhalb eines Monats mehr als 20 Stunden unentschuldigt fehlt.
    Das Schulgesetz gilt auch für die Berufsbildenden Schulen.

  • Ja, unendlich viele, aber leider haben die nur zeitweise etwas bewirkt. Die Problematik ist sehr tiefliegend und muss erst therapeutisch behandelt werden, bevor man über eine Berufseignung sprechen kann. Auch in diese Richtung wurde die Schülerin eingehend beraten, nimmt wohl auch endlich Therapie in Anspruch. Nur zur Schule kommt sie nicht, ohne Attest, noch nicht mal eine Meldung, obwohl wir das vereinbart hatten. Sie hatte unendlich viele Chancen, aber irgendwann macht sich eine Schule unglaubwürdig.
    Das Ganze liegt nun seit Wochen bei der SL und es passiert nichts, das finde ich irgendwie nicht optimal.

  • Anderes Bundesland, aber vielleicht hilft's, iIch hatte den Fall schon, allerdings in Rheinland-Pfalz:


    Ein Schüler, Mitte 30, ist sehr selten zum Unterricht erschienen. Ich habe ihn als Klassenlehrer mehrmals darauf angesprochen und ihn auch darauf hingewiesen, dass er wegen seines Alters per Schulordnung RLP um die Beschulung "bitten" musste und sich verpflichtet hat, regelmäßig zu erscheinen.


    Als keine Besserung eintrat, war der Ablauf folgender:
    - Schriftliche Dokumentation in der Schülerakte, wann und von wem der Schüler belehrt wurde.
    (immer noch keine Besserung)
    - Offizielle Einladung durch die Abteilungsleitung zu einem letzten, klärenden Gespräch. Teilnehmer: Abteilungsleitung und ich als Klassenlehrer.
    (der natürlich ebenfalls geladene Schüler erschien nicht!)
    - Offizielles Schreiben der Schulleitung (Sehr geehrter Herr... sie haben mehrfach nicht reagiert...), dann sofortige Ausschulung. Auch hier wurde zum offiziellen Gespräch geladen, auch hier erschien der Schüler nicht. Wir haben das dokumentiert, und ihn dann schriftlich per Einschreiben ausgeschult.


    Soweit zum formalen. Um die Paragraphen, Formalia und genauen Fristen hat sich dankenswerter Weise die AL und SL gekümmert, deshalb kann ich zwar das Vorgehen beschreiben, aber nicht die zugehörigen Paragraphen nennen. Das dürfte in Niedersachsen sowieso woanders stehen als bei uns.



    Wen's interessiert, das "Nachspiel":
    Der Schüler tauchte dann tatsächlich nochmal auf, war einsichtig (er wusste ja, dass das sowieso nix wird) und wurde von uns deutlich darauf hingewiesen, dass er die Gesellenprüfung natürlich trotzdem machen kann, da es seine Zweitausbildung ist, und die Prüfung völlig autark vom Schulbesuch läuft.
    Inzwischen ist er allerdings tatsächlich als Umschüler zurückgekehrt, vermutlich hat er gemerkt, dass er schlicht keine Chance hat die Prüfung zu bestehen, auch wenn er's formal probieren darf. Er hat jetzt einen Betrieb, der viel stärker auf den Schulbesuch achtet, musste bei unserem Chef "zu Kreuze kriechen" und hat schriftlich zugesichtert, regelmäßig im Unterricht zu erscheinen. Bisher klappt das auch alles.


    Und wen das auch noch interessiert, zu Meikes Einwand:
    Die Sogwirkung eines Dauerblaumachers, dem nichts passiert, ist katastrophal für die jüngeren Schüler. Die denken sich dann teilweise "Wenn das bei dem klappt, kann ich das auch machen". Wir haben lange gebraucht. um das in dieser Klasse wieder zu reparieren.
    Seitdem haue ich bei meinen Ü-25-Schülern deutlich früher dazwischen und schreibe bei JEDEM nicht per ärztlicher Bescheinigung gedeckten Fehlen gleich eine offizielle Meldung an den Betrieb, die dann auch bei uns dokumentiert wird. Wir haben uns auch im Kollegium abgesprochen, dass wir, wenn mal wieder so ein krasser Fall dabei sein sollte, nach der dritten Meldung an den Betrieb beginnen, den offiziellen Weg zur Zwangsausschulung zu beschreiten.
    Gesprächsangebote an den Schüler gibt es natürlich jederzeit - WENN man ihn mal zu fassen kriegt. Gerade in der Berufsschule steht allerdings eine Erziehung zur Disziplin (nein, nicht strammstehen. Schulzeit ist aber bezahlte Arbeitszeit!) recht weit oben, deshalb haben da die jüngeren - die auch die Mehrheit stellen - Vorrang vor den Befindlichkeiten eines Einzelnen, der im Prinzip freiwillig da und von uns "geduldet" ist.


    Gruß,
    DpB

  • Zitat


    Schüler wegen unentschuldigter Fehlstunden der Schule verweisen

    Mir erschließt sich die Logik dieser Maßnahme nicht.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde sowas immer sehr interessant:
    Ich vertrete oft Kollegen, die von Dienstunfähigkeitsüberprüfungen bedroht sind. Auch wenn sie unterrichtlich und in Bezug auf sonstige Leistungen nicht mehr auf der Höhe, manchmal sogar eine echte Belastung fürs Kollegium sind (im Gegensatz übrigens zu dieser Schülerin, die in Abwesenheit weder den Unterricht stört noch groß Korrekturen etc verursacht, höchstens mal punktuell eine Beratung, die aber in Summe einem unrund laufenden anwesenden Schüler sicher nicht enstpricht), möchten die erkrankten oder belasteten oder anderweitig labilen Kollegen diesen Halt, die Perspektive, die Bezüge natürlich auch, nicht verlieren.
    Das verstehe ich. Und ich kämpfe da gerne an ihrer Seite.


    Das Ziel ist für mich immer die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Am liebsten und vor allem auch durch ein zur Gesundung beitragendes, kollegiales und unterstützendes Arbeitsumfeld. Auch wenn's lang dauert. Kollegien oder Schulleiter, die dann denjenigen lästig finden / raus haben wollen / maßregeln und schikanieren - die sind hier im Forum bei entsprecheden Diskussionen meist nicht sehr beliebt. Es kann uns alle morgen selbst erwischen...



    Und jetzt - kommt die Transferleistung...


    :)

  • Meike, aber die Kollegen melden sich doch sicher krank, oder? Ist das dann nicht auch das Mindeste, was man von der Schülerin/dem Schüler erwarten kann?

    • Offizieller Beitrag

    Darum ging es mir aber nicht. Mir ging es darum, dass erkrankte / seelisch schwer gestresste / rekonvaleszente oder sich am Beginn eines Burnouts befindene Kollegen auch Pflichten versäumen. Ob das nun ne Krankmeldung ist, oder guten Unterricht oder pünktliche Klausurkorrekturen abzuliefern ist, ist dabei unerheblich.


    Der Punkt um den es mir geht, ist, dass einer Schülerin, der es sehr schlecht geht, kein Platz an der Schule offen gehalten wird. Sie nervt mit ihrem Verhalten, das ist sicher so, aber sicher nicht auch lange so, wie Schüler, die anwesend aber anbstrengend sind - oder Kollegen, die pädagogisch temporär nicht gut aufgestellt sind. Vor allem hat diese Schülerin anscheinend ein gravierendes Problem. Wie viele Kollegen, denen es nicht gut geht, arbeitet sie nicht innerhalb der Norm. Ich sehe nicht, wie der Entzug des Schulplatzes helfen soll, genauso wie ich nicht sehe, wie die Bedrohung des Arbeitsplatzes einen gesund machen oder die Arbeit verbessern soll. Ich bin immer etwas enttäuscht von Kollegien, die die Empathie und den Hilfswillen, den sie vehement für sich selbst einfordern würden, nicht auf ihre Schüler übertragen können / wollen.


    Und das Argument "solche Kollegen mitzuschleppen führt nur dazu, dass keiner mehr meint, seinen Pflichten nachkommen zu müssen" oder noch klarer "versauen uns die Preise" hab ich, Originalzitat, auch schon des öfteren gehört. Ich persönlich reagiere da mit erheblichem Widerstand zu Gunsten der Kollegen und appelliere an ein meist dann doch funktionierendes solidarisches Gemeinwesen. Und es ist, rein statistisch, auch meine Erfahrung, dass, je besser die Fürsorge ist, desto schneller die Genesung gelingt und damit die Steigerung der Arbeitsqualität / Reintegration. Druck, Drohungen und Ängste tragen null dazu bei, gesund zu werden.


    Wir alle können morgen unseren Kollegen sehr lästig werden. Wohl uns, wenn wir ein Kollegium haben das uns durch diese Zeit hilft. Auch wenn sie lange dauert und wir Pflichten versäumen.

  • Da hast du in Teilen natürlich Recht, aber ich frage mich in solchen Fällen immer, wie lange man empathisch sein sollte. Und die Probleme, die diese Schülerin hat, wird ja auch keine Schule lösen können.

  • Ob es der Schülerin schlecht geht, weiß ich nicht. Sie hat Probleme familiärer Art, die sie wohl sehr beeinflussen. Leider ist sie trotz ihres Alters eine "Vermeiderin" - bloß nicht dem Problem stellen, obwohl wir so oft schon darüber gesprochen haben, dass es wichtig ist, sich zumindest krank zu melden. Sie weiß auch, dass sie jederzeit ein Ausbildungsjahr bei uns wiederholen darf, wenn sie viel fehlt/ versäumt. Wir sind ihr eigentlich sehr wohlgesonnen. Aber sie hält sich nicht an die Regeln - seit über einem Jahr schon fehlt sie immer wieder, ohne sich zu melden. Sie möchte Erzieherin werden, und in dem Beruf wird sie mit so einem Verhalten einfach massive Probleme haben. Sie hat ein Praktikum bei einer Tagesmutter gemacht, die sich auf sie verlassen hat, und da fehlte sie einfach von einem auf den anderen Tag, kein Melden, hinterher kein Entschuldigen, nichts. Und da fragen wir uns bei einer 25-jährigen, die bereits eine Ausbildung hinter sich hat, ob da eine Berufseignung vorliegt.
    Die Klasse hat erlebt, dass sie trotz unendlich vieler unentschuldigter Fehlstunden versetzt wurde (mit schlechten, aber nicht mangelhaften Noten). Dann war sie nach den Ferien einen Monat da. Nun fehlt sie seit 6 Wochen. Was für ein Signal an die Klasse ist das, diese Schülerin nicht jetzt auszuschulen? Zumal die Schülerin sie auf der Straße immer wieder treffen - krank ist sie nicht!

  • Wirf mal einen Blick in unser Schulgesetz.
    §53 (4) Ist da sehr eindeutig. Ihr könnt die Schülerin sofort entlassen, wenn sie innerhalb eines Monats mehr als 20 Stunden unentschuldigt fehlt.
    Das Schulgesetz gilt auch für die Berufsbildenden Schulen.

    Wurde der Paragraph 53 nicht aufgehoben? Wenn nein, wo kann ich ihn nachlesen? Hast du einen Link? Im Schulgesetz steht "aufgehoben".

    • Offizieller Beitrag

    Was für ein Signal an die Klasse ist das, diese Schülerin nicht jetzt auszuschulen? Zumal die Schülerin sie auf der Straße immer wieder treffen - krank ist sie nicht!

    Dasselbe Signal, das erkrankte oder psychisch instabile Kollegen oft aussenden, die auch öfter mal während ihrer Therapien "auf der Straße gesehen werden". Gerade Burnout-, Depressions, - Sucht oder Traumatherapien oder Schmerzbehandlungen ziehen sich oft und sind nach dem Klinikaufenthalt mit einer Zeit verbunden, wo man noch nicht zuverlässig arbeiten, aber schon wieder leben kann.


    Versteht mich nicht falsch. Ich bin nicht dafür, die Schülerin zu pampern. An meiner Schule (auch oft Volljährige) wäre man, bevor man einen Schüler verliert, mit dem kompletten Beratungsteam hinterher, auch auf unbequeme Weise. Rausschmiss in Abwesenheit kenne ich eigentlich gar nicht, außer einer stellt sich als komplette Karteileiche raus. Ich bezweifele die Maßnahme "aus dem Beruf enfernen" oder "von der Schule werfen" in den allerallerallermeisten Fällen als eine hilfreiche. Zumal die Kollegen oder Schüler, die vom Karriereende betroffen sind, der Gesellschaft anderweitig auf der Tasche liegen. Bei Schülern nochmal drastischer.


    Und das Statuieren von Exempeln an Leuten um Signale zu senden hat mir noch nie eingeleuchtet. Ich bezweifele die konstruktive Wirkung.


    Aber ich will euch nicht reinreden. Ist eure Schule. Meine Überlegungen dienen ja nur als Anregungen, mal Grundhaltungen einer Prüfung zu unterziehen - muss aber keiner machen. Ich setz den thread dann mal auf "merken" zund zieh ihn bei Gelegenheit wieder vor. ;)

    • Offizieller Beitrag


    Zumal die Schülerin sie auf der Straße immer wieder treffen - krank ist sie nicht!

    Oben schriebst du noch, sie würde eine Therapie machen. Eine (Psycho-)Therapie bewilligt die Krankenkasse nur dann, wenn im Sinne der ICD-10 eine (psychische) Erkrankung vorliegt.

    • Offizieller Beitrag

    Da hast du in Teilen natürlich Recht, aber ich frage mich in solchen Fällen immer, wie lange man empathisch sein sollte.

    So lange, wie man es für sich selbst wünschen würde. Ich würde mir z.B. wünschen: bis zu meiner Genesung. Wenn ich nicht genesen würde, würde ich selber irgendwann die Konsequenzen ziehen und halt aufgeben.

    Und die Probleme, die diese Schülerin hat, wird ja auch keine Schule lösen können.

    Nein, aber sie kann dabei unterstützen, es selbst hinzukriegen. Das geht nur, wenn man noch da ist, als Option.

  • Die Entlassung wegen unentschuldigten Fehlens ist in NRW in §47, Absatz 1, Satz 8 geregelt (20 Schultage ununterbrochen und unentschuldigt). Das ist auch keine pädagogische "aber es bringt der Schülerin doch gar nichts"-kann , sondern eine "das wird so gemacht"-Entscheidung: "Das Schulverhältnis endet, wenn [...] die nicht mehr schulpflichtige Schülerin oder der nicht mehr schulpflichtigeSchüler trotz schriftlicher Erinnerung ununterbrochen 20Unterrichtstage unentschuldigt fehlt"


    Jetzt vom juristischen zum menschlichen: Eine Entlassung auf diesem Weg ist fast immer ein Zeichen dafür, dass ein Schüler keine pädagogische, sondern therapeutische (in den meisten Fällen sogar stationäre) Unterstützung benötigt. Es gibt in NRW (und auch in anderen Bundesländern) genug Wege zurück ins Bildungssystem (Berufsschulen, Abendgymnasien, etc.), aber solange die psychologischen Probleme nicht gelöst sind, ist das einfach nicht zielführend. Ein kleines aber gibt es dennoch: Wenn der behandelnde Psychologe oder Arzt an die Schule herantritt (das darf er ja sowieso nur, wenn das durch den Schüler gewünscht ist) und da eine sinnvolle Alternative aushandelt, dann sollte man schauen ob man da was drehen kann. Aber einfach nur "och nein...der arme Schüler ist psychisch krank, da muss man Rücksicht nehmen" ist auch aus therapeutischer Sicht ziemlich daneben...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    • Offizieller Beitrag

    Davon redet allerdings auch keiner. Ich jedenfalls nicht. Wir z.B. beurlauben in Fällen wo die Therapie erst greifen muss. Und wir bleiben in Kontakt. Im Wissen, dass der Weg zurück ins Bildungssystem für Menschen, die es nicht einfach hatten, sehr schwer ist. Genauso wie der Weg zurück aus der Dienstunfähigkeit. Wird ja dann auch immer gern behauptet.

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