Bist Du nicht weiß, gehörst Du erst einmal nicht zu uns.

  • Wie fragt man denn nun politisch korrekt nach der Nationalität im Sinne der sozial-kulturellen Prägung (nicht im Sinne der Staatsangehörigkeit)?

    "Aus welchem Land kommen denn Ihre Eltern ursprünglich?" - frage ich meine SchülerInnen üblicherweise, wenn das Thema zur Sprache kommt. Mittlerweile sind wir so weit, dass die ersten darauf antworten "ach ... die sind auch schon hier geboren, die Grosseltern kommen aber aus xy." Angepisst war wegen der Frage bisher noch niemand. Kann man dann in 10 oder 20 Jahren mal sein, dann ist auch diese Frage überholt.



    Vermutlich klingt die Aussage: "du sprichst aber schon gut deutsch" für jemanden mit dunkler Hautfarbe arrogant. Der das sagte, war aber in aller Regel ehrlich fasziniert davon, dass der andere sich einen grossen Wortschatz erarbeitet hat und kaum Akzent besitzt, denn der "blauäugige Deutsche" selber spricht vermutlich keine zweite Sprache fließend und hat natürlich auch keinen reichen Erfahrungsschatz, der das Leben mit Familien aus zwei Kulturen mit sich bringt.

    Wenn das ernst gemeint ist, ist es entsetzlich naiv. Seit wie vielen Jahrzehnten lebt der blauäugige Deutsche denn nun schon mit z. B. braunäugigen Türkisch-Stämmigen? Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass mein Gegenüber Deutsch spricht, wenn er/sie in diesem Land lebt. Wurscht, wie er/sie aussieht. Man kann anfangen sich zu wundern und nachfragen, wenn es nicht so ist.

  • Und bei Erwachsenen?


    Also Bolzbold, wie sollte ich dich fragen, wenn ich auf Grund deines Aussehens annähme, du kämst aus einem anderen Land / einer anderen Kultur?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    • Offizieller Beitrag

    Du solltest vorher ansetzen, SteffdA.


    Wenn Du nur aufgrund meines Aussehens annähmst, ich wäre Ausländer (national, sozio-kulturell oder wie auch immer), dann tätest Du ja gerade genau das, was ich kritisiere. Ich möchte nicht auf meine nicht-weiße Hautfarbe reduziert werden und somit mein Deutschsein naiverweise, diskriminierenderweise oder in sonstiger Weise abgesprochen bekommen.
    Nimm mich doch als Ganzes (!) wahr und reduziere mich nicht auf die Hautfarbe. Wenn Du Dich mit mir unterhältst, wirst Du feststellen, dass ich ein so geschliffenes, natives Hochdeutsch spreche. Wieso kannst Du anhand dessen nicht genauso annehmen, dass ich nur Deutscher sein kann, weil ich sonst nicht so sprechen würde?
    In dem Moment, wo ich per se annehme, ein Nichtweißer ist Ausländer, diskriminiere ich ihn - ganz gleich ob nun aus Naivität, Blödheit, Ignoranz oder Rassismus.

  • Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass mein Gegenüber Deutsch spricht, wenn er/sie in diesem Land lebt.

    Das ist ja super. Die Fragen sind doch aber nicht, wie TequilaSunrise das macht, sondern
    1. Warum manche Menschen nicht grundsätzlich davon ausgehen
    2. Was man daraus für Schlüsse zieht und
    3. Was man deswegen darauf antworten könnte


    Ich finde es immer günstiger, nach Lösungen zu suchen, als ins Lamentieren zu verfallen. Aber natürlich hat auch jeder ein Recht darauf, sich einfach mal gepflegt aufzuregen...

    • Offizieller Beitrag

    Ich frag Menschen mit anderer Hautfarbe, die ich kennen lerne, eigentlich immer dasselbe wie Menschen, die aussehen, als wären sie mit hessischer grüner Soße aufgezogen worden, weil ich keinen Grund sehe, sie anders wahrzunehmen: was machen Sie/du so beruflich, wen kennt man so gemeinsam auf dieser Party/Veranstaltung, warum ist man da, wie gefällt's einem, dann tastet man sich langsam zu Interessen/Hobbies/...vor, wenn es eine Zusammenkunft ist, die das hergibt. Und so geht das halt immer weiter. Manchmal spielt dann automatisch auch Familienherkunftsland eine Rolle, aber mehr zufällig. Ich frage eigentlich nicht als erstes danach - warum auch: der eigentliche Grund, warum man gemeinsam an einem Ort ist (Party, Veranstaltung, Berufliches, Sbahn steht seit Stunden...) bietet ja die erste Verknüpfung schon automatisch.

  • Wenn Du Dich mit mir unterhältst, wirst Du feststellen, dass ich ein so geschliffenes, natives Hochdeutsch spreche. Wieso kannst Du anhand dessen nicht genauso annehmen, dass ich nur Deutscher sein kann, weil ich sonst nicht so sprechen würde?


    Wenn ich dich nun von Beginn an als Deutschen wahrnehme und im Verlauf des Gesprächs gerne wüsste, wo deine kulturellen Wurzeln liegen und was/wie viel sie dir bedeuten, wie sollte ich dich denn möglichst danach fragen, damit du dich nicht angegriffen fühlst?

    • Offizieller Beitrag

    Ich würde mich in dem Sinne "angegriffen fühlen", wenn Du mir trotz meiner Hautfarbe zwar das Deutschsein zugestehst, aber dennoch in jedem Fall andere kulturelle Wurzeln vermutest. Das passt meines Erachtens nicht zusammen. Deutsch sein ist keine ausschließliche Frage der Staatsangehörigkeit. Ich bin national wie kulturell Deutscher, was man neben meinem Deutsch auch an meinen Umgangsformen sofort erkennen wird. Daher dürfte die Frage nach den kulturellen Wurzeln nur dann auftauchen, wenn man wiederum aufgrund der Hautfarbe nationales wie kulturelles Deutschsein bezweifelt oder gar ausschließt.


    Schau mich an, höre mich reden, nimm mein weiteres Verhalten wahr - wenn Du dann immer noch wissen willst, wo ich im weiteren Sinne herkomme, dann schließt Du letztlich eben doch aus, dass ich nationaler wie kultureller Deutscher bin. Versuch mich doch mal abseits meiner Hautfarbe einzuschätzen.

  • Ein Migrant, der keine persönliche Migrationserfahrung aufweist, ist Deutscher.
    Man muss nur etwas in der Geschichte zurückschauen. Spätestens bei den Vorfahren aus der Völkerwanderung relativiert sich das Lokalkolorit.


    Absolut "reinrassige" Ortsansässige sind in der Regel wegen inzuchtbedingter Krankheiten ausgestorben.
    Unsere kulturellen Wurzeln liegen sowieso noch vor der Völkerwanderung im Fruchtbaren Halbmond - da, wo es momentan bestialisch kracht. Die Flüchtlinge bewegen sich fast auf demselben Weg wie unsere Vorfahren im Neolithikum.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

  • Ich (hellhäutig, gebürtige Deutsche, durchschnittliches Aussehen, gehe in der Masse "unter") weiß selber, dass ich heilfrohbin eben nicht aufzufallen. Und ich weiß, dass ich - obwohl in meiner Stadt sehr viel Migranten leben und ich in einer Klasse mit über 90% Migrationshintergrund unterrichte- auch beim Aussehen eines Menschen oft solche "falschen" Sachen denke. Das ist nicht gut, das weiß ich. Aber es zu wissen ist doch der erste Schritt. Ich sehe bei meinen hell- und dunkelhäutigen Schülern keine Hautfarbe, weil ich die Schüler eben kenne, das ist dann er der XY und nicht "der Schwarze" oder "der Pole". Aber ich muss mir bewusst sein, dass ich so bei anderen denke. Nur dann kann man auch was ändern. Ich frage ganz bewusst auch wie Meike nicht nach Herkunft, sondern so ganz normales Zeug, muss mich aber manchmal schon zusammenreißen. Ich finde, jeder kann selber was über seine Herkunft erzählen, wann und wenn er Lust dazu hat. In Bayern stammen ja auch viele nicht aus Bayern. Ich glaube, ein bisschen mehr Ehrlichkeit täte uns da gut.

  • Die Frage basiert meiner Meinung nach auf der generellen Funktionsweise unseres Gehirns (möglichst zeitsparendes Rastern neuer Erfahrungen in bekannte Strukturen) sowie tatsächlichem Interesse. Allein in der Frage kann ich also keine Diskriminierung (Benachteiligung oder Herabwürdigung) sehen. Das Beispiel mit den USA ist übrigens ein ganz schlecht gewähltes. Natürlich, die Amerikaner haben ein breiteres Konzept zur Staatsangehörigkeit, weil sie dort schon seit Jahrhunderten qua Geburt vergeben wird, während in Deutschland noch bis 2000 ein sehr stark auf ius sanguinis basierendes Staatsangehörigkeitsrecht galt, das muss erst mal raus aus den Köpfen. Über die Gründe warum in den USA Schwarze häufiger von der Polizei erschossen werden als Weiße brauchen wir nicht reden, das machen die unabhängig von der Staatsangehörigkeit (selbst wenn man die höhere Kriminalitätsrate zwischen den Gruppen rausrechnet).


    Ich glaube das Hauptproblem ist, dass du es nicht umgehen kannst. Wenn ich zu Weiterbildungen (Übungsleiter) gehe und dabei Kampfsportbekleidung trage, werde ich oft darauf angesprochen, wenn mich das nerven würde, könnte ich es einfach lassen. Du hast da einfach keine Wahl.


    Wenn ich das richtig verstanden habe, hast du (sei es auch 100 Jahre her) irgendwo indische Wurzeln? Dann solltest du als Abgrenzung nicht arisch, sondern kaukasisch (im amerikanischen Sinne) benutzen, sonst ist deine Chance trotzdem mit drinzustecken echt zu hoch. :P

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Rassismus heißt doch nicht, dass man ungeschickte Fragen stellt. Rassismus heißt, dass man ausgrenzt, diskriminiert, drangsaliert, benachteiligt.

    Leider ist das nicht so einfach. Es gibt institutionellen Rassismus. Wenn manchen Leuten immer wieder ungeschickte Fragen gestellt werden und anderen nicht, dann ist das institutioneller Rassismus. Was der einzelne Frager sich dabei gedacht hat, und dass der nicht ausgrenzen und diskriminieren will, spielt dabei eine Nebenrolle. (Und ihn deswegen als Rassisten zu bezeichnen, wäre sehr dumm und alles andere als hilfreich, ist aber abhängig davon, wie man Rassismus definiert.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Leider ist das nicht so einfach. Es gibt institutionellen Rassismus. Wenn manchen Leuten immer wieder ungeschickte Fragen gestellt werden und anderen nicht, dann ist das institutioneller Rassismus. Was der einzelne Frager sich dabei gedacht hat, und dass der nicht ausgrenzen und diskriminieren will, spielt dabei eine Nebenrolle. (Und ihn deswegen als Rassisten zu bezeichnen, wäre sehr dumm und alles andere als hilfreich, ist aber abhängig davon, wie man Rassismus definiert.)

    Und ich möchte nicht jede Gedankenlosigkeit als Rassismus definieren. Ich habe oben beschrieben, dass eigentlich jeder, der nicht ganz so ist wie die anderen, mit dieser Gedankenlosigkeit zu tun hat und dass man natürlich daran arbeiten kann und muss, behutsamer miteinander umzugehen - dass man aber nicht immer gleich niedere Motive unterstellen muss. Ist zwischen "Wo kommst du her?" und "Ausländer raus" wirklich kein Unterschied?


    Da sagt man, jemand sei "an den Rollstuhl gefesselt", ohne darüber nachzudenken, wie das bei jemand ankommt, der auf den Rollstuhl angewiesen ist. Man schwärmt von seinem Urlaub und vergisst, dass das Gegenüber kein Geld hat, um sich einen Flug oder ein Hotel zu leisten, oder gerade im Krankenhaus liegt. Und denkt eigentlich niemand darüber nach, wie ungehörig es ist, das Essen anderer Leute zu kommentieren ("Das sieht aber gesund aus, he, he ... weißt du wieviel Fett dadrin ist ...").


    Manchmal kann ich die Ungeduld der Leute begreifen, die die ewige politische Korrektheit nervt. Ich traue mich ja auch kaum schon, hier etwas zu schreiben, weil ich ja dann prompt in diese Ecke gestellt werde, nichts von der Definition von Rassismus verstehe und bestimmt verkappt rassistisch bin.


    Ich verstehe Bolzbolds Anliegen, wirklich. Aber wer meint, es würde in keiner Situation andere beleidigen, unbeabsichtigt oder nicht, der belügt sich.


    "Sie geben mir nur eine 3, weil ich Türke bin", "Lisa kriegt wieder einen Mädchenbonus" - was soll man denn da noch sagen? Wer glaubt einem denn, dass man *wirklich* versucht, gerecht zu sein?


    Aber ich vergaß: Absichten zählen ja nicht. Na denn ...

  • Wobei mir bei der Umfrage bewusst wurde, dass ich, wenn ich nachts alleine unterwegs bin, grundsätzlich jeden Mann erst mal mit Vorsicht betrachte, insbesondere Gruppen von Männern, unabhängig vom Aussehen... (was mich gerade auch ein wenig erschreckt...)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Eine Bekannte von mir (gebürtige Russin aber mit deutschem Pass und seit dem sie 4 ist hier lebend) arbeitet in der Ausländerbehörde. Letztens wollte sie sich einen neuen Pass beantragen weil ihr alter abgelaufen ist:


    1. Sollte sie einen Antrag auf Asyl ausfüllen.
    2. NAch 'Erklärung das sie kein Flüchtling ist, sollte sie ein Visum beantragen.
    3. NAchdem sie recht angepisst der Person den Deutschen Pass vor den Kopf geknallt hatte miente diese "Ach wo haben sie den denn her, sind sie etwa Deutsche?"


    Woran könnte das liegen:
    a) An ihrem Namen und "russischem Aussehen"
    b) an ihrem Akzent


    Kleiner Tipp: Der Akzent war es nicht, denn den hat sie nicht, da ihre Eltern bereits von Kleinauf mit ihr Deutschsprechen und zwar mit nem schönen deutschen Dialekt :D



    Seit der Flüchtlingskrise darf ich mir nun auch gehäuft auf der Frage wieder verachtende Blicke, dumme Kommentare und noch dümmere Fragen a la "Woher kommen Sie? Ach sie sind hier geboren? Und ihre Eltern? Ach die auch? Und ihre Großeltern? Ach die auch? Und Ihre Urgroßeltern? Ach, da sind zwei Ausländer bei? NA dann sind sie ja doch nicht so richtig deutsch...".
    Geht mir jedesmal die Hutschnur hoch, weil meine Urgroßmutter Ungarin war und ich wohl von ihr die sommerlich sehr schön gebräunte Haut habe, die auch im Winter nur wenig nachhellt. Mittlerweile hab ich für solche dämmlichen Menschen eine Kopie des Ariernachweises meines Großvaters dabei und eine Kopie eines gewissen Zertifkats das die Herkunft aus einem alten nieder-blaublütigen, deutschem, Familienstamm bescheinigt. Die pikierten Gesichter auf diese Nachweise sind dann den Ärger durchaus wert.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-

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