Bist Du nicht weiß, gehörst Du erst einmal nicht zu uns.

    • Offizieller Beitrag

    Im Rahmen des Einstiegs in die Reihe Multiculturalism in meinem Englisch-LK habe ich einmal nachgefragt, wie viele Schüler ein oder zwei nicht-deutsche Eltern haben. Das Ergebnis war genau 50%. Von diesen 50% sehen wiederum 50% hellhäutig europäisch aus und fallen nicht weiter auf. Die anderen 25% sind afrikanischer oder arabisch-asiatischer Herkunft. Obwohl diese Kinder einen deutschen Pass haben, werden sie doch oft gefragt, wo sie herkämen. Ihnen wird in Gesprächen gesagt, dass sie ja gut Deutsch sprächen etc. Sie sind zum Teil davon genervt und haben dadurch natürlich auch Identitätsprobleme, weil sie sich als Deutsche fühlen, aber von den hellhäutigen Deutschen nicht als solche wahrgenommen werden. Ich kann meine Schüler so gut verstehen, weil es mir seit 42 Jahren ebenso geht.
    Einigen und mir ging es sogar so, dass sie im Land des "ausländischen" Elternteils sich endlich einmal nicht als Ausländer gefühlt haben, obwohl sie rechtlich, kulturell, sprachlich und mentalitätsmäßig totale Ausländer waren. Aber sie waren von Menschen umgeben, die eher so aussahen wie sie - sie fielen somit nicht weiter auf und verschwanden sozusagen in der Masse. (Als ich das das erste Mal selbst erleben durfte, war das ein wahnsinnig tolles Gefühl.)


    Wie kann es 2016 in Deutschland immer noch sein, dass man nur dann als Deutsch(er) angesehen wird, wenn man dem nordisch-arischen Phänotyp entspricht?
    Wie kann es sein, dass, obwohl wir seit den 50er Jahren Arbeitsmigranten aus Italien, Portugal, der Türkei und anderso angeworben haben, die in dritter Generation hier leben und sich teilweise mit der deutschen Bevölkerung vermischt haben, jeder, der nicht arisch" aussieht, per se für einen Ausländer gehalten wird?
    Wie kann es sein, dass es für viele Deutsche offenbar völlig ausgeschlossen ist, dass auch Menschen, die dunkleren Teint, schwarze Haare etc. haben und entweder perfekt oder ziemlich gut Deutsch sprechen, Deutsche sein können?


    Warum muss man sich als "Nicht-Arier" ständig rechtfertigen? Gilt hier 'bist Du nicht weiß, gehörst Du erst einmal nicht zu uns'?

    • Offizieller Beitrag

    Ist wohl so.
    Bzw: nach dem Gefühl meiner nichtweißen Bekannten ist es vermehrt wieder so: die hatten nämlich in den 90igern ein besseres Gefühl. Kann natürlich such trügen, weil viele da Studenten waren und unter Studenten ist ja häufig doch eine akzeptierende Haltung zu finden. Ging dir das nicht so?


    Wie bei so vielem, was ich als Studentin naiverweise gehofft hatte, dass es um die Jahrtausendwende ausdiskutiert sei, geht es nur unfassbar langsam vorwärts. Man muss dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben.


    Ich arbeite immer mit diesem Video: unbezahlbar! :)


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    Edit: das ist nicht genau das Video, das ich meine, in dem, das ich benutze, macht sie das Experiment mit Studenten im Alter meiner Oberstufenschüler. Wirkt besser. Ich such nachher nochmal.

  • Da ist die Politik nicht ganz unschuldig dran. Erinnert Ihr Euch an die Diskussion darüber, ob Deutschland sich als Einwanderungsland bezeichnen soll oder nicht? Faktisch macht das kaum einen Unterschied, Deutschland ist ein Einwanderungsland, oder wie soll man die Migrationswellen in den 60ern, 90ern und aktuell interpretieren.
    Aber nein, die Politik bemüht sich, den Anschein aufrecht zu erhalten, dass wir eine geschlossene Gesellschaft seien. Das geht sogar so weit, dass wir jedem ausgewanderten Deutschen und all seinen Nachkommen (!) die Tür offen halten, egal, ob sie der deutschen Sprache noch mächtig sind oder sonst irgendeinen Bezug zu Deutschland haben.
    Daraus kann man ableiten - und genau diese Haltung herrscht hier, die Bolzbold und so viele andere allzu oft unangenehm zu spüren bekommen: "Blut und Abstammung zählt mehr als Sprache, Kultur und Staatsangehörigkeit"
    Absurd.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Ja, ich kann mir vorstellen, dass das in der Tat bizarr ist. Ich hätte da ein passendes Gedicht und einen Textauszug zu, die direkt dieses Thema ansprechen, vllt. kannst du (oder jemand anderes) sie ja für den Unterricht gebrauchen:




    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Hier ein Artikel, der sich kritisch mit dem Experiment von Elliott auseinandersetzt und die Links zu den verschiedenen Versionen des Experiments bietet: https://susanna14.wordpress.co…raining-von-jane-elliott/


    Ich finde die Frage "Wo kommst du denn her?" und die Bemerkung "Du sprichst ja gut Deutsch" in dem genannten Zusammenhang auch unpassend, allerdings finde ich es unglücklich, in diesem Kontext sofort das Adjektiv "arisch" zu verwenden, das die Fragenden in die nationalsozialistische Ecke steckt. Das angesprochene Problem kenne ich auch von Schülern, die ich unterrichtet habe. Manche äußerten wie Bolzbold, dass sie sich im Land des "ausländischen" Elternteils endlich nicht mehr als Ausländer fühlten - oder dass ihnen dort bewusst wurde, dass sie auch in dieses Land nicht gehören, weil sie dort als "Deutsche" angesehen werden. Ein schwarzer Schüler, der ein Jahr in den USA (Heimatland seines Vaters) zur Schule ging, berichtete danach, er habe dort erstmals einen ihm bisher unbekannten Grad von Rassismus erlebt. Und eine Schülerin, die ein Auslandsjahr in Großbritannien verbrachte, fand sich dort damit konfrontiert, dass andere Jugendliche sie als "Nazi" titulierten.

  • Ich habe mich vor vielen Jahren mal beim Tanzen gehen mit einem Typen nett unterhalten. Als ich ihn fragte, wo er herkomme, sagte er nicht etwa: "von hier", "aus Castrop-Rauxel" oder "ich bin in Ghana geboren", sondern er war super angepisst und hat das Gespräch beendet.
    Ich denke, jeder hat so sein Thema, bei dem er übersensibel reagiert, dabei ist es überhaupt nicht nötig, sich zu rechtfertigen. Die meisten Menschen wissen wenig über die sensiblen Punkte der anderen und in 99% der Fälle tappt man in Fettnäppfchen, von denen man nichts weiß. Deswegen ja: Fettnäppfchen.


    Vermutlich klingt die Aussage: "du sprichst aber schon gut deutsch" für jemanden mit dunkler Hautfarbe arrogant. Der das sagte, war aber in aller Regel ehrlich fasziniert davon, dass der andere sich einen grossen Wortschatz erarbeitet hat und kaum Akzent besitzt, denn der "blauäugige Deutsche" selber spricht vermutlich keine zweite Sprache fließend und hat natürlich auch keinen reichen Erfahrungsschatz, der das Leben mit Familien aus zwei Kulturen mit sich bringt. Deswegen spricht er dem mit Akzent aber noch lange keine Staatsbürgerschaft ab ;)


    Frag doch mal, wie es Leuten mit einer physischen Beeinträchtigung geht: ich kann dir sagen, man wird immer erst mal für Bekloppt gehalten. Sag deinen Schülern, dass sie ein bisschen Nachsicht mit denen haben dürfen, die immer dieselben doofen Fragen stellen. Die allermeisten Menschen sind nur naiv, nicht bösartig.

    • Offizieller Beitrag

    Hier ein Artikel, der sich kritisch mit dem Experiment von Elliott auseinandersetzt

    das sollen ja dann eigentlich die Schüler machen, oder? Ich hatte es sich so verstanden, dass es sich um den Englischunterricht handelt, der Artikel ist auf Deutsch. Aber man kann ihn sich ja selber mal zu Gemüte führen. Ich rate zwar davon ab, das Experiment selbst durchzuführen - erstens weil, wie der Artikel auch sagt, die Menschen, die Rassismus nicht ausgesetzt sind, Diskriminierung gar nicht gut aushalten können und zweitens weil man dazu auch ein bestimmter Typ sein muss, und am besten jemand, den die Schüler nicht kennen. Mir würde das keiner abnehmen ;) Als Video mit der distanzierten Draufsicht ist es aber unbezahlbar. Ich hatte dunkelhäutige Schüler mit Tränen in den Augen, die mehrfach "Yes! That is it!" ausriefen und solche, die empört und empfindlich reagierten oder ärgerlich - gut so! - und die waren dann miteinander in dieser Stunde und noch mehrere Doppelstunden lang danach extrem konstruktiv im Gespräch, das Thema kam auch immer wieder auf. Ich kenne diese Nachhaltigkeit von wenigen anderen Texten/Filmen oder Debatten.

    • Offizieller Beitrag

    @Schantalle


    Ich empfinde diese Fragen nicht als Ausdruck von Naivität sondern von Engstirnigkeit gepaart mit einem mehr oder weniger bewussten Weltbild nach dem Motto "nur ein Weißer kann/darf Deutscher sein."
    Und diese Haltung stört mich. Es ist für nordisch-europäische Deutsche offenbar immer noch unvorstellbar, dass es auch Deutsche gibt, die nicht so aussehen wie sie selbst. Das ist keine Naivität sondern Ignoranz.


    @Eugenia


    Den Begriff "arisch" habe ich bewusst verwendet und ebenso bewusst in " " gesetzt. Die Überlegenheit der weißen Rasse und die eingebildete Höherwertigkeit als Weißer gegenüber Nichtweißen ist nebenbei keine Erfindung der Nazis sondern in vielen nord- und westeuropäischen Ländern tief verankert. Die Nazis haben das zweifellos in perverser Art und Weise auf die Spitze getrieben - die Geisteshaltung dahinter findet sich aber auch bei den Nichtnazis.

  • Gerade zufällig gefunden:

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    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Bilal aus Freiburg sagt: "Ich bin gebürtiger Deutscher, ich fühl mich auch so... Ich habe damit zu kämpfen, dass viele Leute mich für einen frisch Geflüchteten halten."Wieso ist das ein Kampf? "Frisch Geflüchteter" zu sein ist wohl weniger wert, als gebürtiger Deutscher zu sein?


    Es gibt sicher Menschen, die hier einen Vortrag über kulturelle Identität, ethnische Herkunft, Staatsbürgerschaft, Nationalität, Abstammungsprinzip und Territorialprinzip halten können. Die wichtigste Frage ist doch aber: wie geht es deinen SchülerInnen damit, dass sie sich über Kommentare oder Fragen anderer Leute ärgern? Was verletzt sie an diesen Kommentaren und warum? Und welche Beweggründe haben eigentlich die Leute, solche Fragen zu stellen?


    Natürlich haben Menschen Vorurteile. Und wer "arabisch" aussieht, hat sicher mit extrem vielen sinnlosen Vorurteilen zu kämpfen. Genauso wie jemand, der stottert oder 1,40m groß ist, auch wenn das ganz andere Vorurteile sind. Es ist in dieser Gesellschaft immer ein Problem, wenn man nicht der Mitte entspringt, das ist wahrlich traurig. Ich glaube aber, das beste Mittel dagegen ist Aufklärung und echter Kontakt.


    Wenn deine SchülerInnen sich also ärgern oder verletzt fühlen, wenn sie jemand fragt, wo sie herkommen, dann ist es meiner Meinung nach das beste Mittel ehrlich zu erklären, warum sie diese Frage aufregt. Diskriminierend oder ignorant ist diese Frage alleine nicht, allenfalls undurchdacht- um das, was sie auslöst geht es doch.

  • Stimmt Schantalle. Rassismus heißt doch nicht, dass man ungeschickte Fragen stellt. Rassismus heißt, dass man ausgrenzt, diskriminiert, drangsaliert, benachteiligt.


    Es gibt diese Kultur des Beleidigtseins, die selbst naiven Fragen Diskriminierung unterstellt.


    Eigentlich sollte man also gar keine Fragen stellen. Ich las einmal, dass man auch nicht fragen soll, ob jemand verheiratet ist. Klingt nach Smalltalk, kann aber bewirken, dass man jemanden verstört, der gerade in einer komplizierten Scheidung steckt, verlassen wurde oder dessen Partner gerade verstorben ist. Oder der sich gedrängt fühlt, über seinen gleichgeschlechtlichen Partner zu sprechen, das aber vielleicht nicht will.


    Wer ein chronisch krankes Kind hat, den kränken Sprüche wie "Hauptsache gesund", die dahergeplappert werden, ohne einmal darüber nachzudenken, was das für jemanden bedeutet, der über diese "Hauptsache" nicht verfügt.


    Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, und die Ungeschicklichkeiten, mit denen sich Menschen gegenseitig kränken, sind unvermeidlich. Man kann sich bemühen, und die Fettnäpfchen stehen, wie ja schon erwähnt, doch überall herum.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich einmal unterstelle, dass weder Piksieben noch Schantalle einen sichtbaren Migrationshintergrund haben, dann habt Ihr gut reden.
    Es geht nicht um Empfindlichkeiten oder Befindlichkeiten. Es geht mir um eine Geisteshaltung. Die Frage "wo kommst Du her" oder die Bemerkung "Du sprichst aber gut Deutsch" mag isoliert betrachtet naiv erscheinen.
    Für mich ist sie Ausdruck eines Weltbildes, das ausschließt, dass Nichtweiße auch Deutsche sein können. Deutschsein ist offenbar immer noch das Privileg der weißen Rasse. Und das hat mit Empfindlichkeiten nichts zu tun - erst recht nicht, wenn man auf dem Land und teilweise auch in der Stadt erst einmal agrwöhnisch beobachtet wird, bis man den Mund aufmacht und geschliffenes Deutsch spricht, das die argwöhnischen Menschen ihrer eigenen Vorurteile überführt und sie dann "auftauen".


    Das ist eine Form von Diskriminierung. "Du bist nicht weiß, also kannst Du kein Deutscher sein."


    Mit Kultur des Beleidigtseins - und ja, den Zeit-Artikel habe ich mit großem Amüsement gelesen - hat das nichts, aber so gar nichts zu tun. Dann wären wir nämlich bei dem Punkt "wenn mein Gegenüber sich nicht so anstellt, dann ist mein Verhalten doch gar nicht mehr so schlimm."

  • ...
    Für mich ist sie Ausdruck eines Weltbildes, das ausschließt, dass Nichtweiße auch Deutsche sein können...".

    Okay und was machst du mit dieser Erkenntnis?


    Ja, es ist sicher oft die unreflektierte Vorstellung davon, sozusagen ein undefiniertes Gefühl, dass "deutschsein", mit "deutsche Urgroßeltern haben" gleichgesetzt wird. Naiv halt. In den USA ist das anders, nicht weniger naiv natürlich und Diskriminierung ein mindestens ebenso großes Problem.


    Ich frage mich einfach nur, was für dich aus diesem Schluss folgt: ich halte viele Leute für ignorant. Punkt, aus, Ende?
    Weltbilder sind doch wandelbar, wenn auch nicht gerade schnell. Das Wichtigste ist m.E. der Dialog zwischen denen, dies gerade aktuell betrifft, also deine Schüler und die Dorfbewohner, die Fragen stellen. Jeder Mensch hat Vorurteile und mehr oder weniger reflektierte Weltbilder aber Rassisten wirst du hier im Forum keine finden und sowieso offene Türen einrennen.

    • Offizieller Beitrag

    Nein, die von Dir zusammengefasste Erkenntnis ist mir selbstredend zu wenig.
    Ich bin mir nur unschlüssig, welche konkreten Ratschläge ich meinen Schülern geben soll. "Da müsst Ihr drüber stehen, die Leute meinen es nicht so", das ist mir zu phrasendrescherhaft.

    Bei mir ist es so, dass ich mittlerweile eher in die entgegengesetzte Richtung tendiere, d.h. wenn die Menschen mich schon im weiteren Sinne primär als Exoten oder Ausländer wahrnehmen, dann muss ich mich ja nicht deutscher geben als sie selbst. Ich trage mittlerweile indische Blazer in der Schule und indische Festgewänder auf festlichen Anlässen wie dem Abiball. Jetzt wirst Du vermutlich entgegnen, dass ich damit die von mir lamentierten Reaktionen provoziere. Ja tue ich. Aber es fühlt sich in dem Moment irgendwie gut an, sich auch mal bewusst und selbstbestimmt auszugrenzen als dies regelmäßig sozusagen passiv zu erfahren. Klingt trotzig, ist es wohl auch. Aber es fühlt sich trotzdem gut an.

  • Deine SchülerInnen könnten vielleicht Gegenfragen stellen, wer fragt, der führt. "Wo kommst du her?" "Aus Dortmund und du?"
    "Du sprichst aber schon gut Deutsch!" "Danke, du auch!"
    "Man sieht dir gar nicht an, dass du Deutscher bist" "ach so? Woran erkennt man das denn?"
    "Oh, du sprichst ja akzentfrei?" "Erklär mal, was macht das für dich für einen Unterschied?"

  • Aus der Schluss folgt für mich, dass ich darüber reden muss. Mit meinen Schülern, die in diesem System aufwachsen und oft zwischen den Stühlen sitzen und/oder in Schubladen gesteckt werden und denen, die das (un-)bewusst tun. Ebenso mit den Menschen in meiner Umgebung, die mich nach dem Migrantenanteil in meiner Klasse fragen. Ich bin neugierig, wie das Leben mit Voruteilen wahrgenommen wird und formuliere auch meine Verwirrtheit, wie darüber gesprochen wird.


    Mir sagte diese Woche einer: 'Ich bin ein B-Türke, mich brauchen sie nichts zu fragen.' Der junge Mann weiß gar nicht wohin, er wird als von vielen als Türke wahrgenommen, von den Türken, die sich als solche begreifen, aber auch nicht, als solcher anerkannt. Viele meiner Schüler sind entnervt, verwirrt und wütend. Die 'Biodeutschen', um Bolzbold Begriff in die moderne Vorurteilsterminologie zu überführen, sind ebenso häufig verwirrt. Über Vorteile nachzudenken und zu reden, erfordert Selbstreflexion und kritischen Umgang mit sich selbst, das muss immer wieder geschult werden und gehört zu meiner Arbeit und zu meinem Selbstverständnis.


    Am Anfang einer Freundschaft wurde mir ins Gesicht geschleudert: 'Ich bin Deutsche.' zwischendurch gibt es aber auch: 'Bei uns Türken ...' - ich habe Zeit gebraucht, um zu verstehen, es geht beides.


    Und manchmal muss man auch einfach mal die Klappe halten und nicht fragen.

  • Ich muss zugeben, auch ich habe mich schon bei dem Satz "Du sprichst aber gut deutsch" ertappt. Er wurde mit "klar, ich bin Deutsche" gekontert und ich habe mich entschuldigt. Ich habe dem Mädchen dann erklärt, wie es dazu kam.
    Es ist eine Frage der Überraschung gewesen. Sie kam mitten im Schuljahr zu uns. Die letzten 15-20 Schüler mit arabischen oder nordafrikanischem Aussehen, die in meine Klassen kamen, waren Sprachlernschüler. Ich habe also meine Erfahrungen der letzten Zeit auf das Mädchen übertragen. Dabei habe ich zu sehr verallgemeinert.


    Ich glaube, dass das häufig der Fall ist. Wenn man fast nur "fremd" aussehende Menschen kennt, die schlecht deutsch sprechen, dann ist man überrascht und kommentiert das, wenn es anders ist. So wie "krass, du bist aber groß" bei Menschen deutlich über 2 m. Ich glaube, je häufiger Menschen Kontakt mit "Deutschen ohne deutsches Aussehen" ( ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, ohne dass es völlig rassistisch klingt) hat, desto seltener werden diese Fragen.
    Und ich finde wichtig, dass man solche Situationen reflektiert, sowohl als Frager als auch als Gefragter. Also überlegt, warum fühle ich so.

  • Ich glaube, je häufiger Menschen Kontakt mit "Deutschen ohne deutsches Aussehen" ( ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, ohne dass es völlig rassistisch klingt) hat, desto seltener werden diese Fragen.

    Und irgendwann auch uninteressant. Als in einem Spiegel-Artikel Navid Kermani als Kandidat für das Bundespräsidentenamt ins Spiel gebracht wurde, war mein erster Gedanke: Geil, ein kölscher Bundespräsident!
    Und dann musste ich feststellen, dass die Kommentare unter dem Artikel fast ausschließlich auf seine Religion eingingen. Kaum ein Kommentator wusste so recht, wodurch sich Kermani auszeichnet, aber dass er Muslim ist, das war klar und wurde als einziges Eignungskriterium herangezogen ...

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Ich habe also meine Erfahrungen der letzten Zeit auf das Mädchen übertragen. Dabei habe ich zu sehr verallgemeinert.

    Ich denke, das ist normal. Unser Hirn arbeitet so, dem kann sich keiner entziehen.
    Was man aber tun kann, sich dessen bewußt zu sein/werden und versuchen adäquat zu handeln.


    Die Frage "Woher kommst du?" ist ja nun sehr zweischneidig im Zusammenhang mit Migrationshintergrund bzw. nicht-europäischem Aussehen.
    Wenn man nun ins Gespräch kommen möchte, z.B. weil man es interessant findet, über verschiedene Kulturen....


    Wie fragt man denn nun politisch korrekt nach der Nationalität im Sinne der sozial-kulturellen Prägung (nicht im Sinne der Staatsangehörigkeit)?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    • Offizieller Beitrag


    Die Frage "Woher kommst du?" ist ja nun sehr zweischneidig im Zusammenhang mit Migrationshintergrund bzw. nicht-europäischem Aussehen.
    Wenn man nun ins Gespräch kommen möchte, z.B. weil man es interessant findet, über verschiedene Kulturen....


    Dann verbieten sich Fragen oder Anspielungen wie "Du kommst aber nicht von hier, oder?" oder ungläubige Rückfragen auf die Frage, woher man kommt und ich "aus Deutschland" antworte, wie z.B. "nein,ich meine, woher Du wirklich kommst."
    Ich habe bisher immer gefragt, wo die Eltern eines beispielsweise afrikanischen oder asiatischen Kindes herkommen. Natürlich kann man da auch in Fettnäpfchen treten, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein oder beide Elternteile aus einem anderen Land kommen, ist so hoch, dass man hier eine entspannte Antwort des Gegenübers bekommt. Dann kann man da direkt hinsichtlich Kultur, Nationalität etc. weiterfragen.


    Zitat


    Wie fragt man denn nun politisch korrekt nach der Nationalität im Sinne der sozial-kulturellen Prägung (nicht im Sinne der Staatsangehörigkeit)?


    Siehe oben. Das sind oft interessante Gespräche.

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