Wenn man als Depp dasteht bzw "Machtkampf" verliert...:-(

  • Hallo,ihr!


    Sitze gerade auf dem Balkon und trinke einen Sherry....:-)
    Leider ärgere ich mich immer noch über den heutigen Schultag...
    Es war so:
    In meiner 6.Klasse sitzt ein Junge mit ADHS, er hat deswegen eine Einzelfallhelferin. Eigentlich ist das bei ADHS an der Sek1 bei uns gar nicht üblich...Aber letztes Jahr lebte der Junge,nennen wir ihn mal Tommy, noch bei seiner Oma. Die könnte das beim Jugendamt durchdrücken, was gut ist. Jetzt lebt der Junge wieder bei der Mutter und sowohl sein Verhalten wie seine Lernbereitschaft gehen den Bach runter.
    Das zum Rahmen.
    Nun zu heute: Tommy sollte mir sein Mitteilungsheft geben, weil ich etwas für die Mutter reinschreiben wollte. Bisher wurde dieses Heft primär zum Austausch zwischen E-Helferin u Mutter genutzt. Nun wollte ich eine Info reinschreiben.
    Tommy weigerte sich mir das Heft zu geben!
    Das wäre nicht mit seiner Mutter abgesprochen....
    WAT?!
    Dann habe ich ihm nochmal erklärt, dass ich eine Info reinschreiben müsse u er mir das Heft bitte geben solle. Das Heft diene diesem Zweck.
    Tommy blieb stur.
    Daraufhin sagte ich zu ihm: "Du kannst jetzt wählen. Entweder gibst du es mir oder ich muss dich in den Trainingsraum schicken..." ( Anm.: Kennt hier jeder das Konzept der TR??)
    Er blieb stur, ging aber auch nicht in den TR...
    Das Ganze spielte sich vor der Klasse ab...
    Ich zischte meiner Kollegin ( die mit Mathe anfangen wollte) leise zu:"Was machen wir nun?"
    Sie meinte, SL holen....Das tat ich dann. In der Annahme dass der SL Tommy zur Einsicht bringt und er zum TR geht.
    Ich musste nun auch in den Unterricht u konnte den Ausgang nicht verfolgen.
    Tja....Tommy hat sich auch dem SL widersetzt.
    Daraufhin habe ich später die Mutter angerufen. Da ich sie mehrfach nicht erreichte, habe ich ihr das Problem aufs Band gesprochen.
    Nun kommt der OBERHAMMER!
    Sie sprach später der E-Helferin aufs Band, dass sie es ihrem Sohn gegenüber ungerecht findet...Er wäre doch I-Kind....
    Offiziell ist er kein I-Kind...er hat "nur"ADHS....


    ICH stehe jetzt als Depp da...die ganze Klasse hat mitangesehen, dass er sich mir widersetzt u es ihm auch Wurscht ist, was der SL sagt.
    Die Mutter appelliert auch nicht an ihr Kind, sondern wir sind ungerecht.... :staun:
    Normalerweise müsste ich ihn morgen früh in den TR schicken...ich lasse mich aber nicht noch mal auf so ein ""Machtspielchen" ein.
    Habe nun per Post zur Konferenz für nächste Woche eingeladen.
    Da kommt das dann auf den Tisch.


    Wie beurteilt ihr die Situation?
    Würdet ihr dem SL sagen, dass es blöd ist, dass er mir in den Rücken gefallen ist? ( Ich weiß nämlich, dass er meine Reaktion mit dem TR überzogen fand)


    LG

  • Wie genau ist dir der SL denn in den Rücken gefallen?


    Ich als Klassenlehrerin hätte dann vielleicht mit dem betreffenden Kind die Pause drin verbracht und unter 4 Augen nochmal gesprochen. Nach meiner Erfahrung ist es selten schlau sowas vor anderen Kindern auszukämpfen.


    Wenn ich das richtig verstanden habe, musstest du in eine andere Klasse unterrichten? Dann hätte ich meine Kollegin gebeten, das betreffende Kind nicht in die Pause zu lassen, weil ich mit dem Kind noch etwas besprechen möchte.


    LG Anja

  • Hallo, Anja!


    Es gab danach keine Pause. Danach war Schulschluss.
    Ja, es war taktisch blöd, dass vor den anderen Schülern auszufechten.


    Der SL ist mir in den Rücken gefallen, indem er meine Entscheidung nicht gestützt hat... Er hat sich zu Tommy gesetzt ihm nett den Arm gestreichelt und einfach ganz lasch gesagt, er solle in den TR gehen. Er hat nicht abgewartet , ob Tommy geht und ist dann selbst gegangen.
    Meine alte SLin hätte persönlich dafür gesorgt, dass Tommy den TR aufsucht.
    Sorry, aber die Angestellten nicht zu 100% zu unterstützen , die dann wie Hanswurst da stehen...Das finde ich nicht okay.
    Ebenso wenig wie das Verhalten der Mutter.


    LG

    • Offizieller Beitrag

    Bei nicht eingestellten ADHS-Kindern kann so etwas passieren - kenne ich aus eigener Erfahrung. Diese Machtkämpfe muss man entweder mit aller Konsequenz führen, oder sie bewusst vermeiden. Wenn das nicht geht, dann können Situationen wie von Dir beschrieben eintreten.


    Man muss sich sehr gut überlegen, welcher Machtkampf um jeden Preis auszufechten ist und welcher nicht. Ich habe damals dem Kind gesagt, dass wenn es im Unterricht nicht das tut, was von ihm verlangt wird, ich sofort nachmittags die Eltern anrufe. Das muss dann aber auch erfolgen. Die Eltern waren glücklicherweise kooperativ - und mein SL auch.


    Im Falle des Mitteilungsheftes hätte man nicht darauf bestehen müssen sondern als Alternative eben einen Zettel nehmen können. Womöglich dachte der Junge wirklich, dass das nicht abgesprochen sei und somit gegen sein individuelles Regelsystem verstieß. Das ist nämlich auch eine Problematik von ADHS.


    Du solltest Dir über die Frage, ob Du wie ein Depp rüberkamst, keine weiteren Gedanken machen. Die Kinder vergessen so etwas schnell, wenn man künftig souverän und konsequent auftritt.

  • Die Einzelfallhelferin war mit im Raum. Sie konnte ihn auch nicht dazu bewegen.
    Es ist aber auch nicht ihre Aufgabe den Machtkampf auszufechten.



    Ich hoffe, die SuS haben das morgen vergessen...
    Insgesamt lasse ich mich üblicherweise nicht auf solche Machtspielchen ein. Dieser Situation waren aber weitere kleinere Begebenheiten vorangegangen...im Kollegium meinte man auch, man könne ihn nicht immer durchkommen lassen...Somit habe ich mich anstacheln lassen.:-(


    Er bekommt übrigens Medikinet ( ähnlich Ritalin) ...doch er will das nicht nehmen und sie Mutter kann nicht zu 100% sicherstellen ob er die Tablette morgens schluckt oder ausspuckt.


    LG

  • Ausgangsposting

    Zitat

    Sie sprach später der E-Helferin aufs Band, dass sie es ihrem Sohn gegenüber ungerecht findet...Er wäre doch I-Kind....
    Offiziell ist er kein I-Kind...er hat "nur"ADHS....


    Hm, sprech doch erstmal selbst mit der Mutter - wenn die was der E-Helferin aufs Band gesprochen hat, war es ja nicht unbedingt für Dich bestimmt (auch das mit dem SL hast Du ja offensichtlich über Dritte erfahren).


    Jo, ich seh das Ganze auch nicht so dramatisch - unter 4 Augen mit dem Schüler wär sicher besser gewesen; aber was solls...

  • Ich würde das Kind bei nächster Gelegenheit nochmal unter 4 Augen sprechen (das können die anderen ruhig mitbekommen) und ihm dann nochmal klar machen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war, bzw. nachhaken ob wirklich das Heft das Problem war, oder nicht.


    So merkt er auch, dass so ein Verweigerungsverhalten Zeit kostet, die er dann mit dir unter 4 Augen verbringen muss.


    Das kostet vielleicht erstmal deine Zeit, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Investition lohnt.

    • Offizieller Beitrag

    Ein nicht eingestelltes ADHS-Kind mit fehlender Impulskontrolle wird auch durch strengste und konsequenteste Erziehung nicht kontrollierbar.
    Auch wenn viele unbeteiligte Schlaumeier in diversen Foren das Gegenteil behaupten ("der Junge braucht ein bisschen mehr Bewegung", "Rausgehen hilft", "strenge Erziehung hilft", "die Eltern haben versagt"), so kann der Junge in der gegebenen Situation nicht einlenken. Das ist keine Entschuldigung für sein Verhalten, wohl aber eine hinreichende Erklärung.


    Was die Medikation angeht, so hilft Medikinet et al. bei Kindern, die wirklich ADHS haben. Da man sehr schnell ist, dies bei nicht näher definierten Erziehungsproblemen zu diagnostizieren, hat diese Krankheit ja erst ihren Modecharakter bekommen. Medikation ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Kind einsieht, dass es hilft. Wenn man ihm die Tabletten aufzwingt, erreicht man in der Regel eher das Gegenteil.


    Wenn ein Kind - ADHS hin oder her- nicht mehr kontrollierbar ist, lasse ich es abholen. Das hat in der Vergangenheit funktioniert und rüttelt auch noch einmal zusätzlich die Eltern wach. Da geht das Recht auf Bildung der restlichen Schüler vor.



    Ich würde Anja gerne einmal fragen, wie sie es sanktionsmäßig mit einem Kind halten möchte, das krankheitsbedingt nicht dazu in der Lage ist, sich stets sozialkonform bzw. regelkonform zu verhalten. Strafen und Sanktionen mögen einerseits zwar helfen, aber sind auch ein Schlag gegen das Selbstbewusstsein dieses Kindes, da es sein Fehlverhalten in der Situation - und oft auch danach - nicht reflektieren kann. Die Keule hilft hier meiner Erfahrung nach nicht nachhaltig - und ich habe sie in der Vergangenheit in Ermangelung besseren Wissens in solchen Fällen mitunter geschwungen.


    Problematisch wird es für Fuxi dann, wenn es Trittbrettfahrer gibt, die glauben, sich ähnliche Dinge leisten zu können. Je nachdem, wie öffentlich das Krankheitsbild des Kindes ist, kann man das ggf. auch in der Klasse ohne Stigmatisierung thematisieren.


  • Das ist keine Entschuldigung für sein Verhalten, wohl aber eine hinreichende Erklärung.

    Nein, ADHS ist eine Klassifizierung nach Symptomen und überhaupt keine Erklärung oder Ursachsenzuschreibung. So wie "Depression" oder "Störung des Sozialverhaltens, nicht näher bezeichnet". Die These des gestörten Hinstoffwechsels und dass nur bei "echten ADHS-Kindern" Ritalin anschlägt ist genauso haltlos, wie jede andere auch.


    @FüllerFuxi, ich hätte mich über deinen Schulleiter auch geärgert. Seinen Kollegen fällt man bei Sanktionen nicht in den Rücken! Merks dir und versuche sowas in Zukunft alleine zu klären.
    Ich würde das Kind samt Mutter und Schulbegleiterin zum Gespräch bitten und Kontingenzverträge mit ihnen absprechen. Das und das machst du gut, das kannst du schon, das mag ich an dir. Und: Diese Regeln gelten hier, das passiert, wenn du dich daran hältst (Verstärker absprechen), das und das wird passieren, wenn du dich nicht daran hältst. Trainingsraum gilt auch für dich, sonst lasse ich dich das nächste Mal postwendend von deiner Mutter abholen.

  • Sprich mit dem Schulleiter einen Maßnahmenkatalog ab.
    Ich würde ein Kind in so einer Situation von den Eltern abholen lassen. Ist an dem Tag nicht weiter beschulbar. Oft wirkt das Wunder..besonders wenn das Elternteil von der Arbeit kommen muss.


    Wenn die Mutter nicht mitzieht und das Kind die Erziehungsmaßnahme verweigert, ist es völlig richtig eine Ordnungskonferenz anzusetzen.
    Das Verhalten bessert sich dann entweder schnell oder das Problem löst sich mit der 3. Ordnungskonferenz (für deine Schule) durch den Schulverweis.
    Dazu muss der Schulleiter natürlich mitmachen.


    Falls ihr zeitnah eine Klassenfahrt macht (6. Klasse und so..), würde ich betreffenden Schüler übrigens nicht mitnehmen.

  • Bolzbold: Ich habe jetzt nochmal nachgelesen, wo habe ich denn was von Strafen und Sanktionen geschrieben?


    Ein ruhiges Gespräch in der Pause kann Wunder wirken. Ist das schon eine Sanktion oder Strafe? Positiver Nebeneffekt, manchen Kindern wird es irgendwann zu blöde die kostbare Pausenzeit zu verlieren und sie schaffen es dann doch sich etwas zusammenzureißen.


    Ich habe in meiner Klasse von 12 Jungen sehr viele schwierige Schüler, zwei sogar mit anerkanntem sonderpädagogischem Förderbedarf (emotionale und soziale Entwicklung). Ich arbeite meist mit positiver Verstärkung, aber es kann auch mal eine Strafe vorkommen.


    Ich habe mein Referendariat in einer speziellen Klasse für Hochbegabte gemacht und darunter waren auch einige AD(H)Sler. AD(H)S gibt es ja in so vielen Ausprägungen und Abstufungen. Zu unterstellen der arme AD(H)Sler könne ja sein Verhalten gar nicht ändern, halte ich doch für sehr gewagt.


    Und ist es für das Kind nicht genauso schlimm abgeholt zu werden? Übrigens zum Abholen, es gibt durchaus Eltern, die das Abholen verweigern. Da Grundschule verlässlich sein muss, bleibt das Kind dann halt da und nun?

  • Falls ihr zeitnah eine Klassenfahrt macht (6. Klasse und so..), würde ich betreffenden Schüler übrigens nicht mitnehmen.

    Das jedoch ist nicht erlaubt. Ausschluss von Schulveranstaltungen mehrerer Tage i.d.R. Chefsache und auch nur, wenn konkret was vorliegt. Bei einem SL, der sich nicht durchsetzt wäre ich vorsichtig mit angedrohten Maßnahmen, die dann ggf. nicht erfolgen.

  • Deshalb spricht man mit seinem Schulleiter.
    Zur Not setzt man ein Schreiben an seinen Schulleiter auf, dass man die Verantwortung für diesen Schüler nicht übernehmen kann und macht das aktenkundig.
    Schwache Typen schlägt man mit ihrer Schwäche. ;)

  • Hallo,ihr!


    Das was ich richtig blöd fand, ist die Tatsache dass sich das vor der ganzen Klasse abspielte. Augenscheinlich könnte er sein "Ding durchziehen" und sowohl ich wie der SL standen dumm dar.
    Da ich nicht möchte, dass solches Verhalten von anderen Schülern übernommen wird a La " Es passiert ja nix, wenn ich mich widersetze."...habe ich die gestrige Situation im Klassenverband angesprochen mit den Worten, dass so ein Verhalten ein no-Go ist und Minsequenzen hat: In diesem Fall eine Konferenz.
    Damit dürften mögliche Trittbrettfaher erst mal abgewendet sein.
    Es hätte eh ein Gesprächstermin mit der Mutter gegeben, auch ohne diese Begebenheit. Nun wurde daraus eben eine formelle Einladung zur Helferkonferenz.


    LG

  • Ich bin auch schon mal in eine ähnliche Situation geraten. Vermutlich jeder andere auch...


    Man muss sich halt bei jeder Sanktion klar machen, ob man sie durchsetzen kann und ggf. einen Plan B haben.
    Ich hab für die bockigen Fälle immer etwas in der Hinterhand, was die dann nicht in der Situation direkt, aber zeitnah erledigen müssen.
    Falls das nicht klappt, müssen die Eltern zum Gespräch oder zur Ordnungskonferenz kommen.


    Genauso wenn ihr Kinder abholen lassen dürft...dann brauchst du auch eine nächste Maßnahme, wenn die Eltern einfach nicht kommen. Zurück in die Klasse geht dann ja nicht.


    Was da in beiden Fällen als Plan B bei euch an der Schule sinnvoll ist, kann man so ohne Kenntnis der Situation an deiner Schule nicht sagen.

  • Ich sehe da garnicht den großen Gesichtsverlust, den du zu sehen scheinst. Ich meine im Gegenteil, dass du alles richtig gemacht hast.


    Du hast dem Kind eine Anweisung gegeben, der es sich widersetzt hat. (Ich möchte dein Heft.) Du stellst das Kind vor die Wahl, Heft oder TR. Dieser Wahl entzieht sich das Kind und du nutzt die nächste Eskalationsstufe und holst den SL. Damit hast du den Konflikt in dessen Hände gegeben. Deine SL hat sich hier lächerlich gemacht, nicht du!
    Du hast dem Kind klar signalisiert: Meine Regel gilt! Insbesondere dann, wenn jetzt ein Gespräch mit der Mutter ansteht.


    Gelassenheit bringt meiner Erfahrung nach im Unterricht mit verhaltensauffälligen Kinder am meisten. Dazu brauchst du klare Regeln und Absprachen. Diese Regeln gelten immer und für alle! Das bedeutet aber nicht, dass du jeden Regelverstoß sofort und auf der Stelle bis zum bitteren Ende ausfechten (und gewinnen) musst. Man kann Konflikte über Regelverstöße auch vertagen. "Wir können das jetzt nicht lösen. Dein Verhalten wird aber Konsequenzen haben. Entweder liegt dein Heft am Ende der Stunde auf dem Tisch, oder a) Ich rufe deine Mutter nachher an und berichte ihr dann zusätzlich von dem was hier eben passiert ist, oder b) es wird eine Konsequenz folgen, die ich mit xyz absprechen werde."


    Solange die Kinder nicht eskalieren und deinen Unterricht damit gerade unmöglich machen, ist das ein möglicher Weg.

    Schöne Grüße,
    dzeneriffa



    Am Ende wird alles gut! Wenn´s noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende =)

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