Seiteneinsteiger mit FH Abschluss?

  • Ich bin gerade dabei mich beruflich neu zu orientieren und eine meiner Ideen wäre der Seiteneinstieg ins Lehramt in Bereichen der Technik (Elektrotechnik, Telekommunikation) oder Mathe und Physik. Evt. an einer berufsbegleitenden Schule, Berufskolleg oder Realschule).
    Ich habe während meiner letzten 11 Jahre in der Industrie unter anderen auch Schulungen gehalten und dabei sehr viel Spaß an der Lehrvermittlung bekommen. Daher die Idee bei mir, warum nicht Lehrer.
    Vor allem bei dem wohl offensichtlichen Lehrermangel in einigen Bereichen wie Mathe, Physik oder Technik, der in den nächsten Jahren wohl eher noch schlimmer wird.
    Es sind jetzt schon zu viele Ausfälle an den Schulen. Wie soll das in ein paar Jahren weitergehen wenn nicht mehr Lehrer nachkommen?
    Nach relativ lauten Hilferufen nach Quereinsteigern war ich nach Recherchen im Internet über Vorraussetzungen für Seiten- oder Quereinsteiger doch etwas erstaunt oder schon fast erschreckt über die bürokratischen Hürden, die Seiteneinsteigen hier in den Weg gelegt werden. Will man sie nun oder will man sie nicht?
    Dazu zählt z.B. die strikte Differenzierung zwischen Uni und FH Absolventen. Oder bin ich diese Bürokratie einfach scheinbar nicht gewöhnt? :rolleyes:
    Ich hatte mir da bisher keine Gedanken gemacht, weil es in vielen Bereichen der Industrie nach ein paar Jahren keinen Menschen mehr interessiert wo, was und wie man studiert hat und welchen Abschluss man hat. Es zählt eigentlich nur noch die berufliche Erfahrung. Ähnlich beim Gehalt. Es wird nach Leistung bezahlt und nicht nach Abschluss.
    Und weder FH, BA oder Uni bringen bei industriellen Studiengängen pädagogische Ausbildungen mit. Mir ist klar dass dies noch zusätzlich erfolgen muss und man nicht jeden Ingenieur als Lehrer loslassen kann. :D Egal ob man an einer Uni oder FH studiert hat.


    Zudem kommt es mir so vor als ob die fachliche (nicht pädagogische) Ausbildung und Qualifikation nur nach dem Diplom gemessen wird. Mich erschreckt, dass wohl die berufliche Erfahrung und Weiterbildung kaum oder gar nicht gewertet wird sondern die Einstufung alleine darauf basiert was man vor zig Jahren im Studium gemacht hat.
    In kaum einem Bewerbungsformular wird nach dem beruflichen Werdegang und dem erworbenen Wissen, Kenntnissen und Qualifikationen gefragt.
    Das scheint mir etwas praxisfremd. Ich denke, dass gerade diese berufliche Lebenserfahrung mit der wichtigste Pluspunkt ist, den Quereinsteiger mitbringen.


    Dazu kommt noch dass viele Leute im Ingenieurswesen nach in ein paar Jahren in Berufsfeldern arbeiten, die mit ihrem Studienschwerpunkt kaum oder nichts mehr zu tun haben und auch der Lehrstoff von vor zig Jahren mittlerweile museumsreif ist. Gerade im Bereich der High-tech Industrie ist die Entwicklung so rasend dass der Lehrstoff nach 2 bis 3 Jahren teilweise völlig überholt ist.


    Gibt es hier Leute wie ich mit FH Abschluss und mehreren Jahren Berufserfahrung, die den Schritt in Richtung Lehramt gemacht haben? Oder kennt jemand Foren die sich speziell mit dem Thema befassen? Ich habe trotz intensivem „Gogglen“ nichts gefunden.
    Mich würden die Erfahrungen Anderer interessieren. Ob positiv oder negativ. Egal in welchem Bundesland. Da ich zur Zeit noch im Ausland lebe bin ich in dieser Richtung sehr flexibel.


    Gruß
    Stefan

  • Hallo Stefan,


    Zitat


    Nach relativ lauten Hilferufen nach Quereinsteigern war ich nach Recherchen im Internet über Vorraussetzungen für Seiten- oder Quereinsteiger doch etwas erstaunt oder schon fast erschreckt über die bürokratischen Hürden, die Seiteneinsteigen hier in den Weg gelegt werden. Will man sie nun oder will man sie nicht?
    Dazu zählt z.B. die strikte Differenzierung zwischen Uni und FH Absolventen. Oder bin ich diese Bürokratie einfach scheinbar nicht gewöhnt?


    es ist schon wahr, beim Staat ist die Bürokratie nicht totzukriegen. Das Beharren auf bestimmten Abschlüssen (Uni) liegt wohl vor allem daran, dass in der Regel in den höheren Staatsdienst nur Leute mit Uni-Abschluss kommen können, und das Lehramt z. B. an berufsbildenden Schulen gehört nun mal mehrheitlich dorthin.


    Ich weiß nicht, ob bestimmte Bundesländer auch schon FH-Absolventen ohne weitere Abschlüsse an Unis nehmen, bei uns in Rheinland-Pfalz kenne ich das jedenfalls nicht (bin aber keineswegs allwissend). Ich kenne aber einige Kollegen, die mit FH und irgendwas an der Uni recht schnell Lehrer werden konnten. Da die Bedarfslage immer schwieriger wird, könnte es auch durchaus sein, dass in den nächsten Monaten Änderungen kommen, aber wer weiß das schon!


    Zitat


    Ich hatte mir da bisher keine Gedanken gemacht, weil es in vielen Bereichen der Industrie nach ein paar Jahren keinen Menschen mehr interessiert wo, was und wie man studiert hat und welchen Abschluss man hat. Es zählt eigentlich nur noch die berufliche Erfahrung. Ähnlich beim Gehalt. Es wird nach Leistung bezahlt und nicht nach Abschluss.
    Und weder FH, BA oder Uni bringen bei industriellen Studiengängen pädagogische Ausbildungen mit. Mir ist klar dass dies noch zusätzlich erfolgen muss und man nicht jeden Ingenieur als Lehrer loslassen kann. Egal ob man an einer Uni oder FH studiert hat.


    Zudem kommt es mir so vor als ob die fachliche (nicht pädagogische) Ausbildung und Qualifikation nur nach dem Diplom gemessen wird. Mich erschreckt, dass wohl die berufliche Erfahrung und Weiterbildung kaum oder gar nicht gewertet wird sondern die Einstufung alleine darauf basiert was man vor zig Jahren im Studium gemacht hat.


    Diese Beobachtung ist vollkommen richtig. Die eigentliche Qualifikation interessiert eigentlich nicht, die Beamtenlaufbahnen sind (leider) abschluss- und nicht leistungsorientiert. Daran wird sich grundsätzlich sicher nichts ändern, solange Lehrer Beamte sind.


    Zitat


    In kaum einem Bewerbungsformular wird nach dem beruflichen Werdegang und dem erworbenen Wissen, Kenntnissen und Qualifikationen gefragt.
    Das scheint mir etwas praxisfremd. Ich denke, dass gerade diese berufliche Lebenserfahrung mit der wichtigste Pluspunkt ist, den Quereinsteiger mitbringen.


    Dazu kommt noch dass viele Leute im Ingenieurswesen nach in ein paar Jahren in Berufsfeldern arbeiten, die mit ihrem Studienschwerpunkt kaum oder nichts mehr zu tun haben und auch der Lehrstoff von vor zig Jahren mittlerweile museumsreif ist. Gerade im Bereich der High-tech Industrie ist die Entwicklung so rasend dass der Lehrstoff nach 2 bis 3 Jahren teilweise völlig überholt ist.


    Ich stimme dir voll zu, aber das staatliche System ist anders gepolt. Ich beobachte in Einstellungsgesprächen für Seiteneinsteiger immer wieder, dass Beamte der Schulverwaltung es eher als "Gnade" betrachten, dass man solche Leute überhaupt nimmt. Diese Haltung geht völlig an der Praxis vorbei, kommt aber vor.


    Andreas

  • Ich weiß nicht, wie es an Berufsschulen zugeht. Ich hatte vor meinem Referendariat jahrelang der VHS unterrichtet (Was ja vielleicht auch deinen Schulungen ähnlich ist, denn in beiden Fällen sitzt das "Klientel" freiwillig dort). Das hatte Spaß gemacht und ich dachte mir, dass ich da eigentlich auch ganz gut kann. Nun bin ich am Gymnasium, mit vielen vielen unterschiedlichen Wesen, die häufig alles andere im Kopf haben, als unterrichtet zu werden. Ich habe immer noch - nach 8 Monaten - das Gefühl, dass mir mein auf der Uni erworbenes WISSEN wenig bringt, da es nicht unbedingt gewünscht ist, so viel wie möglich über einen Bereich zu vermitteln, sondern das nötige, reduzierte Maß.

    • Offizieller Beitrag

    In RLP kann man mit FH Abschluss als Quereinsteiger als so genannter Fachlehrer arbeiten, soweit ich weiß unterrichtet man dann aber nur ein Fach und wird schlechter bezahlt als Uni-Absolventen.


    Es ist in der Wirtschaft übrigens noch immer an einigen Stellen so, dass für FH-Abschluss ein niedrigeres Gehalt gezahlt wird als für Uni X( . Zumindest, wenn Staat/ Land mit drin stecken und nach BAT bezahlt wird.


    Gruß leppy

  • Hallo Harhir,


    Deine Gedanken zu diesem Thema kann ich gut nachvollziehen. Ich habe den Schritt zu Beginn dieses Schuljahres gewagt und bin als FH Absolvent mit 4-jaehr. Berufserfahrung in den Schuldienst "quereingestiegen". Fuer mich (wie für die meisten anderen auch) war es ein Schritt in etwas Ungewisses. Natuerlich habe ich mich eingehend ueber den Lehrerberuf informiert und jede fuer Aussenstehende erdenkliche Quelle genutzt: Das Internet, Gespraeche mit juengeren und aelteren Lehrern, Hospitation in einer Berufsschulklasse, Gespraeche mit ehemaligen Quereinsteigern und Referendaren, und so weiter.


    Tatsaechlich erhielt ich auch eine Menge an Informationen und verschiedenen Erfahrungen, Ansichten und Tips. Leider hatte ich damals nicht daran gedacht, dass jeder seine Situation subjektiv erlebt und bewertet. Ich denke, dass dabei die bisherigen Erfahrungen und der persoenliche Hintergrund eine Rolle spielt.


    Es ist beispielsweise ein gravierender Unterschied, ob Du Deine Berufserfahrung im oeffentlichen Dienst oder in einer amerikanisch gefuehrten IT Firma gesammelt hast. Da Letzteres bei mir der Fall ist, dachte ich manchmal, dass ich "im falschen Film bin" und bestimmte Tatsachen rollten mir die Zehennaegel auf.


    Vor meinen Start an Schule und Seminar fand ich es auch unverschaemt, dass die Art der Berufserfahrung bei der Eingruppierung quasi nicht beruecksichtigt wird. Diese Einstellung musste ich jedoch (zumindest fuer den IT Bereich aufgeben. Das Problem ist naemlich die Breitbandigkeit des Fachs Informationstechnik und die geforderte Bandbreite einer Lehrkraft, die dieses Fach unterrichten darf.


    Im Unterschied zum Lehrerberuf wirst Du Dich in der Industrie ziemlich schnell auf einen bestimmten Bereich spezialisiert haben. Je nach Deiner Taetigkeit und Position wird das Ganze immer "spezieller", je laenger Du dort arbeitest.


    Nicht wenige meiner Kollegen sind zusammengezuckt, als sie gehoert haben welche Themen alle zur Informationstechnik gehoeren. Ploetzlich soll man sich mit Microsoft Access genauso gut auskennen, wie mit XML Programmierung und Microcontroller-Schaltungen, denn schliesslich kommt ja das vorhandene fachliche Wissen bei den Lehrproben zum Vorschein. Es nuetzt Dir also gar nichts, wenn Du der absolute Profi im Umgang mit PHP, Flash und Java bist, wenn Du nicht weisst, wie ein X.25 Protokoll oder eine serielle Schnittstelle auf elektronischer Ebene funktioniert.


    Ich sage nicht, dass ich meinen Schritt in den Schuldienst bereue (bis jetzt jedenfalls noch nicht ;-), aber Du wirst sicher von manchen Deiner subjektiven Bilder vom Lehrerberuf Abschied nehmen muessen.


    Der Beruf ist anders, als Dir von Lehrern beschrieben wird. Und solltest Du den Schritt tun, wird Deine Erfahrung anders sein als meine.


    Sei Dir aber bewusst, dass Du aus Sicht eines "Noch-Nicht-Lehrers" die Erfahrungsberichte anders bewertest als es vielleicht "Insider" tun wuerden.


    Ach ja ... und das Bundesland spielt natuerlich auch eine gewaltige Rolle.


    Viel Erfolg und Glueck bei Deiner Entscheidung!


    Drew

    Until he extends his circle of compassion to include all living things, man will not himself find peace.
    Albert Schweitzer 1875-1965

  • Hallo Harhir,
    mein Vorhaben, Status ist mit deinem vergleichbar. Ich versuche gerade in NRW mit einem FH-Diplom in den Fächern Physik und Technik (SekI) unterzukommen.
    Das von dir beschriebene Bürokratentum raubt auch mir schier die Nerven. Aber ich denke, das dieses einer der Punkte ist an die man sich wirklich schnell gewöhnen muss, denn ich glaube wenn man aus der Wirtschaft in den öffentlichen Dienst eintritt ist es wie der Sprung in eine andere Welt. Die eine ist ein selbsttragender, Ertragsbringender Prozess, der andere ist rein Funktionsorientiert und wird voll finanziert. Erbringt maximal in einigen Fällen eine Art Sekundärertrag. Lehrer gehören dazu, da Sie ja für die Leistung der heranwachsenden Generationen verantwortlich sind. Halt die, die Basisausbildung schaffen. Aber warum das so bürokratisch/verbeamtet sein muss? Ich glaube das Problem liegt irgendwo in der Vergangenheit und wurde aus Trägheit nie behoben. Und jetzt traut sich an die übermächtige Lobby keiner mehr ran.
    ....
    In NRW wird ganz strikt auf die Trennung zwischen FH un Uni Abschluß geachtet. Um mit dem FH-Diplom zum Berufskolleg zu können musst Du hier ein Fach "nachstudieren". D.h.: Dir wird nur eins als erstes Staatsexamen anerkannt. Die Fernuni Hagen bietet hier einen speziellen Studiengang für Lehrer an. Den kann man aber nicht berufsbegleitend machen, sondern muss vorher absolviert werden.
    Mit deinem Diplom kannst Du in NRW auf die Haupt- Real-und die Gesamtschule bis zur 10ten Klasse. Fall man überhaupt einen Job bekommt. Angebote hat es bei der letzten Ausschreibung nicht gerade gehagelt.
    Was hast Du eigentlich für einen Abschluß (E-Technik, Physik, Machbau...)? Man kann sich die Fächer leider nicht einfach aussuchen. In https://www.bildungsportal.nrw.de/BP/LEO/index.html
    gibt es nämlich Tabellen, an denen Du rausfinden kannst welche Fächer dir als Prüfung anerkannt werden. Daran wird sich auch akribisch gehalten.
    Viel Erfolg,
    ...und schnapp mir bloß nichts weg

  • Hi

    Vielen Dank einmal für die vielen Antworten. :) Hatte die letzte Zeit leider etwas viel um die Ohren und war auch noch im Urlaub.


    Da stehe ich wohl mit meiner Meinung nicht alleine da.
    Ich frage mich nur wie sie da dann Quereinsteiger gewinnen wollen? Es gehört ja schon fast eine gewisse Portion Masochismus dazu von einem gut bezahlten Job in der Industrie in diese bürokratischen Verhältnisse zu wechseln. Dazu noch zu einem Gehalt, dass eventuell nur halb so hoch ist.


    Paddler:
    Ich habe in grauer Vorzeit Elektrotechnik studiert. Schwerpunkt Nachrichtentechnik.


    Drew
    Auch ich arbeite seit Jahren in einem Amerikanisch/Kanadischen Unternehmen. Dagegen sind Firmen wie Siemens die reinsten Bürokratenschmieden.


    Aber bei mir ist es im Moment auch nicht mehr als eine Überlegung. Ich bin noch auf der Suche nach einem Karrierewechsel. Aber wie, wo, wann ist alles noch unklar. Und da es in der Presse immer heißt: „Super Chancen für Quereinsteiger“, da habe ich eben einfach mal etwas geforscht um zu sehen wie die Lage wirklich aussieht.
    Bin mir jedenfalls noch lange nicht sicher ob ich mir das wirklich antun will.


    Aber viel Dank erst mal für die vielen Infos


    Gruß
    Stefan

  • Hallo Harhir,


    es gehört sicher eine gehörige Portion Masochismus dazu, aus einem gut bezahlten Job in die Schule zu wechseln, da stimme ich dir vollkommen zu.


    Wir haben trotzdem recht viele Quereinsteiger, nur kommen die meisten davon nicht aus einem gut bezahlten Job, sondern aus der Arbeitslosigkeit oder mit der begründeten Vermutung, bald arbeitslos zu sein.


    Und in diesem Fall ist die Schule sicherlich interessant. Aus einem sicheren Job heraus würde ich niemals irgendjemandem empfehlen, in die Schule zu wechseln, es sei denn, das "pädagogische Virus" wird langsam übermächtig; auch das kommt dann und wann vor.


    Gruß Andreas

  • Zitat

    Aus einem sicheren Job heraus würde ich niemals irgendjemandem empfehlen, in die Schule zu wechseln


    Warum?


    Ist Schule für dich der vielbeschriebene "Horrorladen" ?
    Oder warum rätst du ab? Ich bin auch "sicher" (aber wer weiß das schon so genau) im Job.

  • Wir hatten einen Quereinsteiger an der Schule, der nach 6 Monaten alles hingeschmissen hat, mit der Begründung, dass es viel zu viel Arbeit wäre. Das wäre er aus seiner vorherigen Berufstätigkeit nicht gewohnt, obwohl er dort auch schon viele Überstunden gemacht hätte.


    Gela

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