Liebe Kollegen, ich bin gerade gestern von Klassenreise (10. Jahrgangsstufe) aus Barcelona zurück und möchte euch gerne eine Situation schildern, wie sie auf der Rückreise geschehen ist und euch bitten, mir zu schildern, wie ihr reagiert hättet oder reagieren würdet.
Im großen und ganzen ist die Klassenreise ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Einzelne Schüler waren etwas anstrengender, die Klasse allgemein recht problemlos.
Einer der problematischeren Schüler ist mir im Verlauf der Reise mehrfach unangenehm aufgefallen, z.B. dadurch, dass er morgens nicht aus dem Bett gekommen ist und alle anderen dann auf ihn warten mussten. Ein und für sich alles Kleinigkeiten, alles zusammen ein Ärgernis.
Folgende Situation jetzt auf der Rückreise: Wir sind am Flughafen, eingecheckt, Gepäck ist abgegeben und warten am Gate auf's Boarding, das laut Anzeigetafel in 20 Minuten beginnen soll. Am Check-In sagte man uns, der Flug habe möglicherweise Verspätung und werde vielleicht auf ein anderes Gate umgeleitet, wir sollen auf die Anzeigen achten.
Einige Schüler entdecken am ganz anderen Ende der Halle, von der die Gates abgehen, einen Burger-King ( :tot: ) und fangen an zu quengeln, dass sie da hin wollen. Im Anbetracht der Tatsache, dass wenn sich da jetzt 25 SchülerInnen an der Frittenbude anstellen, die mit ziemlicher Sicherheit wahrscheinlich nie innerhalb der 20 Minuten wieder am Gate sind und wir das womöglich noch wechseln müssen, erkläre ich den Schülern die Situation und sage ihnen, dass ich nicht möchte, dass sich jetzt noch jemand außer Sicht-. und Reichweite entfernt.
Ca 20 Minuten später (bisher nichts neues vom Flug) kommt besagter Schüler in Seelenruhe mit Colabecher und (bis auf ein paar Pommes leerer) Burgertüte in der Hand angedackelt und setzt sich wieder zu uns. Zur Rede gestellt, erklärt er mit Selbstverständlichkeit und völlig ohne Unrechtsbewusstsein, dass er bei Burger-King war, weil er Hunger hatte. Ob er nicht verstanden hätte, dass ich das verboten hatte? Doch, aber er hatte schließlich Hunger. Ob ihm klar sei, dass 24 andere auch gerade Hunger hatten? Doch, aber die hätten ja auch gehen können und wenn jemand unbedingt was will, gibt er auch einen Schluck Cola ab...
Das war das erste Mal im Berufsleben, dass mir ob so viel Dreistigkeit nichts mehr eingefallen ist, und das wurmt mich gerade bis jetzt noch. Ich wusste nicht mehr, was ich in dem Moment sagen oder tun sollte. Wie hättet ihr reagiert?
Zum Schüler (weil es für sein Verhalten vielleicht eine Rolle spielt): Die Familie ist ursprünglich aus Afghanistan, alle Kinder sind aber hier geboren. Er ist der einzige Junge unter einer ganzen Reihe Schwestern und hat dementsprechend eine Sonderrolle in der Familie, nämlich die eines kleinen Königs. Er muss in der Familie keine Pflichten wahrnehmen, seine Mutter und seine Schwestern erledigen alles für ihn. Er respektiert seine Mutter zwar als Autorität, die selbst ist aber der Meinung, als Frau habe sie ihm nicht viel zu sagen, das sei schon richtig, wie er sich verhalte und entspreche eben seiner Rolle als Stammhalter der Familie. Den Vater kenne ich leider nicht, zu Gesprächen erschien immer nur die Mutter mit seiner älteren Schwester. Der Schüler zeigt schwache Leistungen im Unterricht, hat einen (sehr schwachen) ESA und ist weit davon entfernt, je einen MSA zu erreichen.