Hallo DeadPoet,
dann gib du "der Praxis den Vorzug", das sei dir unbelassen.
Es wirkt aber schon recht kurios, einem Fachbuch aus der Schulpsychologie (basierend auf solider Forschung) einen FAZ-Artikel entgegenzusetzen. Das spricht für sich. Da kann ich dann auch nichts mehr dazu sagen.
der Buntflieger
Oh Mann, von deiner Forschungsgläubigkeit solltest du echt mal runterkommen. Da wird so viel Mist verzapft, dass ein Großteil an Forschung vermutlich für die Tonne sein wird. Seit in den Unis auch ein unglaublicher Druck reingekommen ist und die Leute sogar neben ihrer wachsenden Lehrverpflichtung eine verpflichtende Anzahl an Publikationen in den Verträgen stehen haben, ist es doch logisch, dass irgendetwas darunter leiden muss. Einen Uniaussteiger kenne ich sogar persönlich. Da kam der Chef mit der Ansage: "Wir müssen mal wieder etwas publizieren; hast du was?" - "Nö, eigentlich nicht, dauert halt noch, bis da was gescheites bei rumkommt." - "Ist egal. Schreib das zusammen, was du hast." Dann wird das halt im Zweifel hingebogen. Da geht in der derzeitigen Unilandschaft leider einiges den Bach runter.
Dazu kommt in diesen ganzen Humanwissenschaften, dass das alles sehr auf (wertender) Beobachtung komplexer Situationen basiert. Wie will man das denn alles sauber operationalisieren?!? Wie will man denn genügend große Stichproben mit vergleichbaren Kontrollgruppen finden (in meinem kleinen Förderschwerpunkt aufgrund der niedrigen SuS-Anzahl teilweise wirklich unmöglich!) bzw. die Mittel dafür bekommen?
Meine zwei Lieblingsbeispiele sind folgende:
- In meinem Mathestudium haben wir die Forschungsergebnisse zur Effektivität der verschiedenen Verfahren der schriftlichen Subtraktion bearbeitet. Hat man sich das reingezogen, war ein bestimmtes Verfahren den anderen überlegen, weswegen sich viele Schulbücher danach derzeit richten. Ich habe es einmal so eingeführt und es war eine Katastrophe. Das übliche Verfahren haben sie aber hinbekommen. Ich habe jahrelang die SuS aus unserer Grundstufe in Mathe bekommen, die die schriftliche Subtraktion auch so beigebracht bekamen. Es ist echt ein Jammer, dass die das nicht beherrschen. Viele Quereinsteiger hatten noch Mathelehrer vom alten Schlag und konnten es. Diese Forschung ist leider echt nicht das Papier wert, auf dem sie steht!
- Im Zeichen der Inklusion werden selbstredend auch neue Lehrstühle dafür eingerichtet und auch die Forschung soll starten. Natürlich werden für diese Posten keine Kritiker eingestellt oder Leute, die der ganzen Sache neutral gegenüberstehen (Vor- und Nachteile sehen), sondern Anhänger. Natürlich spiegeln die Forschungsergebnisse das wieder, ob das nun stimmt oder nicht. Zu viele skeptische Worte, würden vermutlich dazu führen, dass der Vertrag nicht verlängert wird oder sogar ein Lehrstuhl wieder abgeschafft wird.
Gebe ich der Praxis gegenüber der Forschung den Vorzug? Natürlich, alles andere wäre töricht. Ich arbeite nicht in der Forschung, sondern in der Praxis, und grobe Fehler oder völlig falsche Annahmen haben für mich im Gegensatz zu den Leuten von der Uni reale Folgen, die ein Kollege oder ich ausbaden muss. Die Eltern beschweren sich ja nicht bei den Unidozenten für ihre verqueren Aussagen in der Lehre, die dann folglich in die Praxis umgesetzt werden, sondern bei mir.
In Sonderpäd und PoWi hatte ich viele Dozenten, die vorher Lehrer waren oder in Sonderpäd im außerschulischen Feld gearbeitet hatten. Da habe ich recht viel gelernt, womit ich etwas anfangen konnte. Wobei man merkte, dass manche sich mit den Jahren auch von der Realität entfernten. Die Leute aus den Erziehungswissenschaften waren nicht so dolle. Dass sie nur eingeschräkte Praxiserfahrung hatten, merkte man ihnen deutlich an. Die hatten es sich in ihrem Elfenbeintürmchen so richtig bequem gemacht. Viel davon hätte ich mir wirklich sparen können.