Einführungsphase Oberstufe - schwache Schüler, anstrengender Unterricht

  • Als ich den Anfangsthread gelesen hatte dachte ich so an meine 11er in Berlin am OSZ.


    Im letzten Schuljahr hatte ich da 60% Schüler, die nichts in einer Oberstufe zu suchen haben. Das fing bei Arbeitsverweigerung weil "kein Bock" an und hörte bei fehlenden Mitschriften auf. Bedeutete für mich dann, das die Schüler wollten, das ich aussiebe. Andere Kollegen haben auch gesiebt und somit konnten wir einen Teil der Schüler davon überzeugen, das sie mit ihrem Verhalten und ihrer Arbeitseinstellung nicht weiter kommen in der Oberstufe.


    Kosnequenz für mich war, das ich der neuen 11. von vornerein die Regeln und Anforderungen klar gemacht habe und schriftlich ausgeteilt habe und sie relativ schnell an das zu erwartende Niveau herangeführt habe. Grundlegende Methoden und Vorwissen reaktivieren wir auch in gesonderten Methodenstunden, einige Methoden sind ihnen nämlich komplett unbekannt.
    So wie es aussieht werden wir aber auch in diesem Jahr in der Klasse rund 1/3 der Schüler ausgesiebt haben. Das ist dann halt so, aber wir müssen schließlich doch auch für uns verantworten können, das unsere Absolventen studierfähig sind.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • @Kapa: Danke für den Beitrag. Der bestätigt genau das, was ich mir jedes mal wieder denke, wenn es um das Thema "faule Schüler" geht. Faule, unproduktive Schüler sind meist nur das Ergebnis einer inkonsequenten Erwartungshaltung seitens der Schule. Ziehen alle an einem Strang, dann läuft es auch.

  • Die Schulleitung zieht nicht unbedingt immer am selben Strang, aber damals in der Klasse wenigstens die Kollegen :)


    An meiner ISS sieht das leider teils anders aus, da passiert auch bei extremen Fehlverhalten der Schüler selten etwas nützliches. Mag durchaus daran liegen das die Schulleitung es für nötig hält die meisten Maßnahmen der Kollegen rückgängig zu machen oder im Keim zu ersticken. So geschehen bei vielen Tadeln die dann vor den Augen der betreffenden Schüler in "die Schwebe" geschoben wurden.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
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    • Offizieller Beitrag

    @Karl Dieter


    Ja ist es, aber nur dann, wenn das Kollegium und die Schulleitung an einem Strang ziehen und die Vorgaben der Landesregierung, die Versetzung den Regelfall sein zu lassen, etwas weniger streng auslegen.


    Als ich die EF-Klausur zurückgegeben habe, bemerkte ein Schüler, dass er ja mit weniger als 50% der Gesamtpunktzahl noch eine glatte Vier bekommen habe und er darüber erstaunt sei, da er ja einsehe, was für einen Blödsinn er geschrieben habe. Er schlussfolgerte dann, dass in NRW dann ja jeder Depp ein Abitur bekäme und das ja gar nichts mehr wert wäre. Seine Banknachbarin bemerkte, dass sie sich bereits gewundert habe, was teilweise für Leute in der Sek I bei ihr in der Klasse waren (damals ca. 30% der Klasse ohne reine GY-Empfehlung).
    Ich konnte da nicht wirklich widersprechen. Immerhin sind meine Schüler jetzt so schlau, dass sie von selbst darauf kommen, wie sehr sie in NRW politisch und ideologisch gewollt verar**** werden.

  • Das liegt aber auch daran, dass - politisch veranlasst - die Berufsausbildung in der Gesellschaft stark abgewertet wird. Wer anstatt weiter Vollzeitschule zu machen, eine Ausbildung anfängt, gilt bei seinen Mitschülern als "Looser". So werden vielversprechende handwerkliche oder technische Fachkräfte in die Vollzeitschulen getrieben, wo sie sich zum großen Teil ohnehin schon immer unwohl gefühlt haben, weil sie eher Macher als Denker sind.
    Die Vernünftigen unter den Schülern, die eine Ausbildung anfangen, berichten oftmals kurze Zeit später, dass sie die Ausbildung abgebrochen haben, weil sie den Ton und das vorherrschende Niveau unter den Auszubildenden nicht ertragen haben.


    Ein in der Welt hochgeachtetes, weil erfolgreiches Ausbildungskonzept ist so innerhalb kurzer Zeit ruiniert worden, weil man unsere Studierendenzahlen mit denen der Briten oder Amerikaner verglichen hat, ohne zu berücksichtigen, dass man Äpfel nicht mit Pflaumen vergleichen kann.
    Das kann man den Familien und Schülern nicht vorwerfen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Was ich mir bei so Stories immer denke: Häufig scheint der Lernerfolg der Schüler dem Lehrer wichtiger zu sein als den jeweiligen Schülern. Wenn das so ist, läuft eigentlich immer was falsch. Ich finde, man sollte diejenigen, die einfach nicht lernen wollen, einfach nur die Noten schreiben lassen, die dabei rauskommen. (Grundprinzip: Kann ein Schüler nix, tut nix und schreibt dann noch Noten, mit denen er besteht, dann war die Prüfung zu leicht :P )

    Dem schließe ich mich an.


    Was ich der ganzen Thematik noch hinzufügen möchte:


    - viele u. regelmäßige Kurztests, die am Beginn des Schuljahres sehr einfach gemacht sind, so dass ein sehr guter Schnitt rauskommt, können nicht nur Schwache motivieren, sondern auch dafür sorgen, dass der Zusammenhang zwischen Lern-Einsatz und guter (!) Note zustande kommt. Dies muss meines Erachtens nach erst in kleinen Häppchen (wöchtenliche Kurztests) gelernt werden, sonst ist das für viele eine zu große Hürde. Der Lernstoff muss zu Beginn sehr (!) überschaubar sein und kann dann langsam gesteigert werden. Aber zuerst müssen die Schüler diese Erfahrung machen, dass sie es können! Auch wenn z.B. in einer Woche nur 10 Vokabeln abgefragt werden. Ganz egal, hauptsache diese positive Erfahrung ist da.


    - "Grausamkeiten am Anfang begehen": im Zweifelsfall so früh wie möglich - vor allem im ersten Jahr der neuen Schule/Stufe - die Reißleine ziehen und auf keinen Fall jmd, mit einem zugedrückten Auge noch durchwinken mit der Hoffnung, es wird schon irgendwie besser werden.

    • Offizieller Beitrag

    Ein in der Welt hochgeachtetes, weil erfolgreiches Ausbildungskonzept ist so innerhalb kurzer Zeit ruiniert worden, weil man unsere Studierendenzahlen mit denen der Briten oder Amerikaner verglichen hat, ohne zu berücksichtigen, dass man Äpfel nicht mit Pflaumen vergleichen kann.
    Das kann man den Familien und Schülern nicht vorwerfen.

    Tja, und "man" waren mit Sicherheit mehrheitlich Akademiker. Ich verstehe immer noch nicht, was die dazu getrieben hat. Was in anderen Ländern formal eine universitäre Ausbildung ist, das ist bei uns die erwähnte duale Berufsausbildung. So blind kann doch wirklich keiner sein...

  • Tja, und "man" waren mit Sicherheit mehrheitlich Akademiker. Ich verstehe immer noch nicht, was die dazu getrieben hat. Was in anderen Ländern formal eine universitäre Ausbildung ist, das ist bei uns die erwähnte duale Berufsausbildung. So blind kann doch wirklich keiner sein...

    So "blind" ist auch niemand.
    Die Globalisierung betrifft eben auch Denkfabriken - da kann das Bildungswesen in der BRD noch so föderalistisch sein.
    Größere Gleichheit* führt zu größerer Konkurrenz. Das dreigliedrigere Schulsystem ist ein Auslaufmodell. In der Zukunft wird es nur noch einen Abschluss für alle geben, so wie die High School in den USA.



    *rechtlich, bei der Bildung, usw. - alles ausser finanziell.

    • Offizieller Beitrag

    An den amerikanischen High Schools ist "High School Diploma" nicht gleich "High School Diploma", das sollte ja hinlänglich bekannt sein. Darüber hinaus ist das durchschnittliche Niveau eines beliebigen Kurses an einer High School mit Ausnahme der "Elitekurse", wenn es hochkommt, gerade einmal mit Realschulniveau vergleichbar. Die, die später an die Unis wollen, benötigen besondere Kurse und besonders gute Noten - daran hat sich nichts geändert. Und daran würde sich auch an einem möglichen Einheitsschulsystem in Deutschland nichts ändern.


    Die USA sind keinesfalls egalitärer als Deutschland - da sollten wir uns von den High Schools nicht blenden lassen - und das Homeschooling und Privatschulsystem haben wir da noch gar nicht auf der Rechnung. Die soziale Diversität scheint dort ja noch höher zu sein als bei uns. Letzlich möchten aber sowieso alle diejenigen, die oben stehen, auch oben bleiben und tun alles dafür, dass das so bleibt. Ob nun diesseits oder jenseits des großen Teichs. Ob nun mit scheinbarer Einheitsschule oder mit dem dreigliedrigen System.

  • An den amerikanischen High Schools ist "High School Diploma" nicht gleich "High School Diploma", das sollte ja hinlänglich bekannt sein. Darüber hinaus ist das durchschnittliche Niveau eines beliebigen Kurses an einer High School mit Ausnahme der "Elitekurse", wenn es hochkommt, gerade einmal mit Realschulniveau vergleichbar. Die, die später an die Unis wollen, benötigen besondere Kurse und besonders gute Noten - daran hat sich nichts geändert. Und daran würde sich auch an einem möglichen Einheitsschulsystem in Deutschland nichts ändern.


    Die USA sind keinesfalls egalitärer als Deutschland - da sollten wir uns von den High Schools nicht blenden lassen - und das Homeschooling und Privatschulsystem haben wir da noch gar nicht auf der Rechnung. Die soziale Diversität scheint dort ja noch höher zu sein als bei uns. Letzlich möchten aber sowieso alle diejenigen, die oben stehen, auch oben bleiben und tun alles dafür, dass das so bleibt. Ob nun diesseits oder jenseits des großen Teichs. Ob nun mit scheinbarer Einheitsschule oder mit dem dreigliedrigen System.


    Das ist - meiner Meinung nach - doch gerade der Witz bei der Sache: die Lern-Inhalte sind insofern egal, als dass das Anforderungsniveau den aktuellen Ansprüchen angepasst wird. Die Zahl der Abschlüsse ist eine politische Entscheidung, es liegt nicht an den kognitiven Fähigkeiten einer Generation. Dieser Prozess findet ja statt und darüber wird ja auch hier im Forum diskutiert.
    (Man könnte das ganze auch umgekehrt betrachten und daraus folgern, dass sich die Anforderungen der Warenproduktion in Deutschland ändern.
    Daran krankt meiner Meinung nach auch die Diskussion über das Thema Niveau der Abschlüsse. In der Schule geht es um eine Sortierung der Schüler - wer sich in diesem Konkurrenzkampf durchsetzt - und nicht in erster Linie um das Lernen von Inhalten. Ob dieser Schüler bei jener Klassenarbeit etwas nicht konnte oder nicht ist nachrangig, die Note muss gemacht werden. Alles darüber hinaus ist "Engagement" einer Lehrkaft, die die Schule per se nicht braucht. (Wichtig: das soll eine Beschreibung dessen sein, was ich wahrnehme - nicht mein Ideal einer Schule))


    Die USA sind meines Erachtens in dieser Hinsicht schon egalitärer: es gibt einen einzigen Abschluss. (Details geschenkt) Dass der eine auf eine Elite-Privatschule geht und der andere auf eine im Ghetto - auch geschenkt. Ich hatte ja betont, dass diese Gleichheit alle möglichen Bereiche betrifft - außer die finanzielle. Gerade das ist ja die brutale Seite der ansonsten egalitären Gesellschaften seit der Franz. Revolution. Theoretisch (!) hat jeder die gleichen Rechte und Chancen. In der Praxis muss dafür dann aber konkurriert werden, was das Zeug hält.
    Ob ihr Kind mal von Arbeitslosigkeit bedroht werden wird können sich heute alle fragen, die arbeiten müssen - die "Hartzler" genau so wie die Akademiker.

  • *wenn* das so kommt und der globalisierte kapitalismus nicht vorher kollabiert (momentan sind wir ja mitten im systemwandel, siehe übergang feudalgesellschaft zur bürgerlichen gesellschaft, nur diesmal irgendwie anders mit bürgerlicher gesellschaft zu... was auch immer kommen mag), dann wird jeder, der sich das leisten kann und bildungsnah ist, sein kind frühzeitig auf entsprechende bildungsnahe privatschulen befördern und der plebs verbleibt an den standardisierten einheitsschulen allein zurück, vgl. z.b. großbritannien.


    bildung als ware für die finanziell privilegierten, auch wenn das von teilen der pro-einheitssystem-fans gerade nicht so intendiert war...


    das ist das eigentlich verrückte an diesem prozess: er wird sowohl von den wirtschaftsliberalen geldeliten (wirtschaftskompatible abschlüsse, eher fügsame human ressources statt politisierter bürger als absolventen, und billiger ist es auch noch), als auch von den linksliberalen/links-sozialistischen/links-grünen einheitsschul-fans (alle sollen gleiche chancen haben, was dann hier heißt, dass alle - unabhängig von ihrer begabung - gleichmäßig miese bis extrem miese chancen haben) unterstützt.


    dagegen sind fast nur noch die aktuellen bildungseliten. selbst in meinem gymnasial-lehrer-seminar gab es viele leute, die so ein einheitssystem super fanden. vor allem die schwächeren refs waren begeistert von der idee, da sich so fachliche defizite wohl eher verbergen ließen/"es dann nur einen standard zu lernen gebe" und man den "ganzen kram, den man auf der uni lernt und nie wieder braucht" noch schneller vergessen könne.


    am ende erhält man damit im bildungssystem und im wirtschaftssystem resultate, die eigentlich die mehrheit nicht so intendiert hat. im prinzip eine schöne realweltliche demonstration der luhmann'schen systemtheorie ("systeme sind komplex, vorhersagen über die zukunft sind nicht möglich, und daher sind auch versuche intentionaler steuerung immer mit vorsicht zu genießen, weil das system eh immer anders reagiert, als man denkt.")


    okay, ich hör schon damit auf. vielleicht bin ich doch konservativ? meine fresse.

  • Ein in der Welt hochgeachtetes, weil erfolgreiches Ausbildungskonzept ist so innerhalb kurzer Zeit ruiniert worden, weil man unsere Studierendenzahlen mit denen der Briten oder Amerikaner verglichen hat, ohne zu berücksichtigen, dass man Äpfel nicht mit Pflaumen vergleichen kann.

    Qualität ist das, was den Unterschied macht. Und deshalb....

    Größere Gleichheit* führt zu größerer Konkurrenz.

    ...muss sie halt weg-nivelliert werden. <Zynismus aus>

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

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