Hallo,
ich unterrichte momentan relativ viele Stunden in der 11. Klasse einer Gesamtschule in Niedersachsen. Dies ist bei uns die Einführungsphase für die zweijährige gymnasiale Oberstufe, die danach folgt. Die Schüler kommen aus verschiedenen Schulen und sind vom Leistungsstand recht schwach. Der Stoff der Mittelstufe ist größtenteils unbekannt. Bei verschiedenen Aufgabenstellungen zeigen sich Schwierigkeiten:
- Beim Zusammenfassen von Texten wird fast der komplette Text einfach abgeschrieben und anschließend kann der Inhalt nicht zusammengefasst wiedergegeben werden.
- beim Prozentrechnungen treten Probleme auf.
- einfache Gleichungen können nicht umgestellt werden.
- gelerntes und oft geübtes Fachwissen wird immer wieder vergessen (z.B., dass das Eintrüben von Kalkwasser ein Kohlenstoffdioxidnachweis ist).
Um diesen Schülern, die Chance zu geben, ihr Abitur zu bestehen, wiederhole ich zu Beginn der 11. Klasse zunächst den Mittestufenstoff und versuche den neuen Stoff so anschaulich wie möglich einzuführen (viele Versuche, Rollenspiele, viele Übungen, gestufte Lernhilfen, verschiedene Sozialformen). Außerdem haben wir ein Schulbuch eingeführt, dessen Texte recht einfach gehalten sind.
Ich beobachte aber bei den Schülern allerdings viele Verhaltensweisen, die ihrem Lernerfolg im Weg stehen:
- Hausaufgaben werden nicht gemacht.
- In der Stunde gestellte Aufgaben werden nicht zielstrebig bearbeitet, das Buch wird z.B. erst nach 10 Minuten aufgeschlagen.
- Texte werden nur überflogen, danach kommt die Rückmeldung: "Ich verstehe den Text nicht".
- Notizen werden nur gemacht, wenn ich die Schüler ausdrücklich dazu auffordere.
- Arbeitsblätter landen nicht in einer Mappe, sondern fliegen in einem Collegeblock rum.
- Die Konzentrationsspanne ist sehr kurz, es ist extrem schwierig Einzelarbeitsphasen einzuhalten.
- Es wird ständig alles wieder vergessen.
Was mich besonders stresst ist, dass ständig über alles eine Diskussion angefangen wird, z.B.:
- die Versuche in der letzten Stunde konnten wir nicht protokollieren, die haben wir ja nicht selbst gemacht, das waren nur Lehrerversuche
- die Nomenklatur dieser Stoffe habe ich nicht gelernt, dass stand nicht auf dem Lernzettel (dort stand Benennung statt Nomenklatur).
- die Notengebung ist ungerecht, ich melde mich doch viel öfter als alle anderen.
- Das haben Sie so aber nicht gesagt.
Ich habe das Gefühl, ständig einen Spagat zu machen. Auf der einen Seite versuche ich den Schüler deutlich zu vermitteln, dass sie sich anstrengen müssen, um für die Oberstufe fit zu werden. Hausaufgaben kontrolliere ich daher immer, nicht gemachte Hausaufgaben fließen in die Notengebung ein. Bei der Mitarbeit bewerte ich nicht nur die Quantität sondern auch die Qualität bzw. ich notiere mir, in welchem Anforderungsbereich die Schüler mitarbeiten. Die Klausuren ähneln vom Aufbau den Oberstufenklausuren und fallen daher oft relativ schlecht aus, da die Schüler schon bei den Reproduktionsaufgaben scheitern.
Auf der anderen Seite wiederhole ich den Stoff sehr häufig und ermuntere die Schüler dazu Fragen zu stellen (persönlich in der Stunde oder in einer Mittgaspause, in der ich Zeit habe und per Mail), außerdem stelle ich oft Übungsaufgaben ins Internet und gebe mir sehr viel Mühe bei der Vorbereitung der Stunden).
Das scheint aber alles zu verpuffen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Schüler erwarten, dass ich mit einem großen Trichter ankomme und ihnen alles eintrichtern.
Jetzt bin ich am überlegen, was ich im nächsten 11. Jahrgang ändern könnte. Meine Ideen waren bisher:
- Ich sammle die Mappen wieder ein und benote sie - eigentlich finde ich zwar, dass die Schüler bis zur 11. Klasse gelernt haben sollten eine Mappe zu führen, aber in der Praxis können sie es nicht bzw. machen es nicht.
- ich übe zu Beginn der 11. Klasse nochmal verschiedene Methoden einen Text zu bearbeiten (Fließschema, Concept Map, umwandeln in eine Tabelle, Fachwörter in ein Glossar schreiben etc.) und verschiedene Lernmethoden ein.
- ich teile den Schüler zu Beginn des Schuljahres schriftlich aus, was ich von ihnen erwarte: z.B. es müssen zu allen Texten Notizen gemacht werden, alle Fachwörter müssen immer in ein Glossar übernommen werden.
- Die Kriterien für die Notengebung gebe ich ihnen ebenfalls schriftlich (bisher habe ich ihnen dies mündlich anhand einer Power-Point Präsentation mitgeteilt).
- ich schreibe öfter Kurztests, z.B erkläre die drei Fachbegriffe.
Jetzt wüsste ich von euch gerne, ob ihr noch irgendwelche anderen Anregungen habt.
Im Prinzip habe ich aber eigentlich zwei Probleme. Nämlich einerseits die recht schwachen Schüler und andererseiteits die Zweifel an mir selbst: Bin ich transparent genug, ist der Stoff sinnvoll aufbereitet, hätte ich vielleicht an der Stelle nochmal erwähnen sollen, dass auch Lehrerversuche protokolliert werden müssen etc. ? Vielleicht habt ihr auch für dieses Problem Anregungen.
Vielen Dank!