Total lernfaule Klasse

  • Hallo zusammen!


    Brauche mal euren pädagogischen Rat/Zuspruch.


    Wie geht ihr damit um, wenn eine Klasse nicht so reagiert/lernt, wie ihr es für normal und angemessen haltet? Also: Zwischen eurem Anspruch und der Realität liegen, sagen wir mal, Welten.


    Aktuell betrifft das eine meiner Lateinklassen. Ich habe sie in diesem Schuljahr übernommen, von einer Kollegin, die leider dafür bekannt ist, den Schülern nicht wirklich etwas abzuverlangen. Trotzdem gibt es in der Klasse einige sehr gute SchülerInnen; dem gegenüber aber auch einen Teil (ca. 10 Schüler), der wirklich GAR NICHTS kann. Die lernen nicht einmal Vokabeln.


    Dabei geht es nicht um den Unterricht an sich. Sie beteiligen sich, gerade bei den historischen Themen, eigene Meinung usw. Aber was die "harten" Aspekte des Unterrichts, also das Lernen von Grammatik, Übersetzen anbelangt: Nichts.
    Da wird höchstens abgeguckt, gespickt, geschwänzt.



    Ich habe schon hin und her überlegt und verschiedene Maßnahmen probiert. Zuckerbrot (Lob, leichte Aufgaben), Peitsche (Tests noch und nöcher); aber es hilft nichts. Kurzum, ich glaube, der Zug ist da abgefahren und es wird wohl oder übel Fünfen hageln.


    Das gefällt mir aber auch nicht.


    Was meint ihr?


    Beste Grüße
    Auct

  • In einem vergleichbaren Fall (anderes Fach) habe ich mir erst ein Gesamtbild der Klasse in den anderen Fächern verschafft, danach dann zu einem Elternabend eingeladen, die Situation schwarz gemalt und angekündigt, alle Schüler, die keine HA vorlegen können, sofort aus dem Unterricht zu entfernen, damit sie in einem Nebenraum ihre Aufgaben erledigen können. Die SL hat das mit getragen. Es wurde besser. Nicht gut, aber besser.
    Die Lösung ist nicht schön, aber mit gutem Zureden, Einsicht usw. habe ich es natürlich auch versucht.


    Ein paar Jahre später haben Abiturienten eine ähnliche Einstellung an den Tag gelegt, die haben aber dann irgendwann verstanden, dass ich wirklich in jeder Stunde einen Test schreiben lasse, wenn mir die Stunde davor bzw. die aktuelle HA nicht gefallen hat.


    Zum Glück waren das bisher Ausnahmen!

    • Offizieller Beitrag

    Welche Klasse, welches Lernjahr?


    (falls Kl.7 und L -- ein magerer Trost: das undankbarste Lernjahr überhaupt!! Pubertät und nix anderes-- ist halt so ;) )


    Überprüfe deine Erwartungen. Oft sind sie tatsächlich viel zu hoch ;)
    Auch wenn natürlich das Übersetzen die Königsdisziplin und das Hauptziel des Lateinunterrichts ist, sind die anderen Aspekte, die du weiche Aspekte nennst, dennoch wichtig. Im Idealfall stehen die Schüler auf beiden Seiten sicher da.


    und ansonsten:
    Wiederholen, wiederholen, wiederholen.
    Lass sie die Deklinationstabellen lernen, erst die Substantive, anschließend Pronomina, dann die Zeiten. Lass sie die Fotrmen immer auch übersetzen!
    verzichte darauf, eigenständiges Formenbilden zu erwarten. Sie müssen in erster Linie ja ins deutsche übersetzen, nicht andersherum.
    Gib ihnen die Wiederholungen in kleinen Häppchen auf, überprüfe den Lernerfolg mit kleinen, angemessenen Tests.
    Wieviele Stunden hast du pro Woche? Vll könnte eine davon zum Wiederholen genutzt werden.
    Wenn du merkst, ein Teil deiner Kandidaten nimmt dein Angebot an und lernt -- wunderbar.
    Dem Rest und ihren Eltern würde ich auf einem Elternabend klarmachen, dass sie die Verantwortung für ihren Lernerfolg selbst haben. Du kannst ihnen nichts eintrichtern! Sie müssen schon auch mitmachen. Tun sie das nicht, müssen sie die Konsequenz anhand der Noten eben ausbaden.


    Gerne auch Einzelheiten per PN ;)

  • Bei den zehn Spezis wissen die Eltern bescheid, habe in den letzten Monaten mehrere Telefonate geführt. - Resultat: So minimal wie Nichts.


    Das mag damit zusammenhängen, dass die Schüler nach diesem Schuljahr das Fach abwählen können. Sie hätten dann allerdings kein Latinum. Und ich bin nicht sicher, ob sie das wirklich tun.
    Denn sie müssten eine moderne Fremdsprache anwählen, die sie dann bis zum Abitur weiterführen.


    Ehrlich gesagt hoffe ich sehr, dass die Lernschwachen das tun. Denn auch, wenn die Lateiner in der 10. ein Wörterbuch nutzen dürfen: bei 0 Grammatik-Kenntnissen wird ihnen das nichts nützen. - Es handelt sich "schon" um eine 9. Klasse.


    Aber den Schülern nahelegen, dass sie den Unterricht verlassen?


    Kleinere Lernpakete, Minitests - habe ich gemacht, bzw. mache ich immer noch. Ein paar können jetzt wenigstens zwei Deklinationen, die Leistungsstarken verdrehen bei jedem Test die Augen. (Etwas übertrieben formuliert.)

  • Hallo!


    Habe in der Mittelstufe in Latein auch manchmal umgekehrte Gauß-Verteilungen bei den Notenspiegeln. Fühle mit dir mit.


    Vielleicht noch ein paar weitere Tipps zu dem, was geschrieben wurde:


    - Mach dir klar, wo genau du die Grenze für das Erreichen der Note "ausreichend" setzt. Einfaches Beispiel: Stammformen. Wenn du bei 50% die Grenze für die 4 setzt, frag auch mindestens 50% (eher 55-60%) regelmäßige Formen ab, dann haben die ganzen Hänger zumindest eine Chance auf die 4. Um in Richtung 80% zu kommen, packst du für die guten/fleißigen Schüler 30% unregelmäßige rein. Um auf 100% zu kommen, dann noch ein paar Verben der Marke tangere, incipere oder ferre. Das trennt meiner Erfahrung nach dann auf verschiedenen Niveaus ganz gut. So in etwa kann man auch Übersetzungstexte und andere Tests basteln.


    - In der Regel schreibt man ja die Arbeit auch zum Stoff einiger Lektionen und die Übersetzung dreht sich auch um ein ähnliches Thema. Dann kann man die Schüler mal überlegen lassen, welche Lektionen und auch Wortfelder man zu diesem Thema noch mal wiederholen sollte. Da nimmt man ja nichts vorweg, sondern hilft einfach den Schülern, das Lernen zu organisieren.


    - Dokumentiere fleißig alle Tests und Leistungen, gib Rückmeldungen und Hinweise zeitnah an Schüler und Eltern (Habt ihr in Niedersachsen Förderpläne?). Dann kann hinterher keiner meckern.


    - Mach den Schülern nüchtern und sachlich klar, dass du deinen Teil der Arbeit erledigst und dass sie die Verantwortung für den Erfolg und die Konsequenzen auf dem Zeugnis tragen müssen.


    Man kann immer fördern und motivieren und so weiter, doch wer nach zig Hinweisen nicht einmal das Vokabular beherrscht, geschweige denn Formenlehre, Syntax oder das Übersetzen, der hat die 5 dann auch verdient.


    Gruß

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    • Offizieller Beitrag

    wenn sie das Fach unbedingt abwählen wollen, wirst du es nicht verhindern können.
    Und warum sollten sie ein Latinum bekommen, wenn sie eh nichts können?
    Das Latinum ist dann auch nicht dein Problem, du hast deines ja :teufel:


    Wenn keine Lernbereitschaft vorhanden ist, kannst du sie nicht zu ihrem Glück zwingen.



    Im Übrigen ist es nicht so ungewöhnlich, dass Latein und Französisch nach Klasse 9 oder 10 abgewählt werden.



    Den Umgang mit einem Wörterbuch müssen sie natürlich auch erst mal lernen, das geht (leider) nicht von selbst.

  • Stammformen abfragen? Ich glaube, ich träume!


    - Im Ernst, ich würde mich freuen, wenn die die Deklinationen hinbekämen und Vokabeln lernen. Aber du hast Recht, wir Lateinlehrer könnten (und sollten) noch ein paar mehr Dinge beanspruchen.


    Danke für´s Mitfühlen.


    So extrem wie in dieser Klasse hatte ich das noch nie. Da komme ich schon ins Zweifeln, ob das alles so richtig ist ...


    Aber kleinere Tests, Lernhilfen usw., Stammformen ... ja, vielleicht sollte ich die Klasse sogar teilen, so blöd das ist, um die Starken zu fördern und die Schwachen endlich mal ans Lernen zu kriegen.

  • Friesin, auch wenn´s fies klingt: Ich befürchte, dass die Schüler Latein NICHT abwählen, weil sie keine Lust haben, noch mal von vorne anzufangen.


    Insofern muss und sollte ich ihnen sehr deutlich machen, wo ihre Grenzen sind, wenn sie weiter so ein Lernverhalten an den Tag legen.


    Ich will die nicht in der 10. haben.


    *räusper*

    • Offizieller Beitrag

    Insofern muss und sollte ich ihnen sehr deutlich machen, wo ihre Grenzen sind, wenn sie weiter so ein Lernverhalten an den Tag legen.

    Das tust du doch sowieso. Indem sie für ihr Nichtstun schlechte Noten kassieren. Es wird ja schon Probleme am Schulajhresende geben, wenn Zeugnisse anstehen.


    Was willst du denn jetzt? Dass sie Latein abwählen, oder dass sie lernen und weitermachen (können)?


    Wie ist denn die allgemeine Disziplin im Unterricht?

  • Allgemeine Disziplin ist in Ordnung. Frech sind sie nicht, sowie aufmerksam bis verschlafen im UG. - Also keine wirklichen, aktiven "Störungen". Sie sind eher noch in einer kindlichen "Ich bin klein und lieb (und doof) - Haltung", wollten davon nicht abweichen (Selbstverantwortung, Disziplin).


    Allerdings beobachte ich zunehmend, dass die Schüler, die nichts können, die guten Schüler beim Übersetzen stören bzw. ablenken, bzw. einfach alles von denen übernehmen/abschreiben, ohne Eigenleistung.


    Ja, was will ich?


    Ich will, dass die Vokabeln lernen und die kleinen Grammatik "Häppchen", die ich ihnen aufgebe. Dazu Hausaufgaben machen usw.
    Aus anderen Klassen kenne ich das so. Klar, mal vergisst Schüler X die HA, aber in dieser Klasse ist das extrem, ich weiß gar nicht mehr, wohin mit all den Strichen.


    Beispiel: Letztes Halbjahr kam ein Schüler auf ~10 vergessene HA (also eigentlich jede, die auf war). Trotz Elterngespräche usw. Erklärungen gab es auch keine. Und das ist kein Einzelfall. Sie haben, so denke ich, einfach "noch" nicht gelernt zu lernen.


    Dass die Leistungen dann nicht vorhanden sein können und man im Unterricht nicht mehr mitkommt, ist klar. Demnentsprechend gab es auch die 5.


    Drei der Schüler geben bei KA regelmäßig ein leeres Blatt zurück. Die anderen schreiben "kreative" Geschichten, die mit dem Originaltext überhaupt nichts zu tun haben.


    Grundsätzlich will ich, dass die endlich(!) anfangen zu lernen. Weil noch die Chance besteht, dass sie ihr Latinum kriegen. Aber derzeit sieht es nicht danach aus.
    Und wenn von den Schülern nichts zurückkommt ... will ich, dass die Latein abwählen.



    Im schlimmsten Fall bleiben die nämlich (aus Bequemlichkeit?) einfach in der Klasse und stören dann weiter die anderen. Wobei ich das, auf die ein oder andere Art, natürlich zu verhindern weiß. Aber es nervt mich tierisch, da immer ein Auge drauf haben zu müssen.



    Beste Grüße


    Auct

  • Aber jetzt mal platt gesagt: Hat nicht jeder Schüler nicht nur das Recht zu lernen, sondern auch das, nicht zu lernen? Wenn die Schüler diese Haltung an den Tag legen, riskieren sie ggf., kein Latinum zu bekommen. Das wird sie z.T. nicht groß jucken. Evtl. riskieren sie die Nicht-Versetzung.
    Wenn jemand partout nicht "will", weil sowohl ex- als auch intrinsische Motivation fehlt, wird es schwierig.

  • Diejenigen, die ein leeres Blatt abgeben, kapieren ja schon mal überhaupt nichts mehr. An denen rauscht Dein Unterricht völlig vorbei. Die fangen nicht an zu lernen, weil sie a) nicht wissen, wo, und b) denken, dass das dann ein Tropfen auf dem heißen Stein ist und daher verschwendete Zeit.


    In welchem Lernjahr befinden sie sich denn (also: wann haben sie mit Latein begonnen)?


    Ich habe auch einmal so einen Kurs im Jg. 9 übernommen, wie Du ihn beschreibst.
    Meine Lösung war damals teilweise etwas aufwändig (ich war aber auch nur Vertretungskraft ohne sonstige kraftraubende Aufgaben):
    Ich bin zum einen einfach aus dem Lehrbuch ausgestiegen. Sie hatten es im 4. Lernjahr satt. Gelesen habe ich dann mit ihnen die Historia Apolloni regis Tyri, einen Liebes- und Abenteuerroman in sehr, sehr einfachem Latein. Daran habe ich Stück für Stück Grammatik wiederholt und ihnen die Benutzung eines Wörterbuchs nähergebracht.
    Das gab auch den Schwachen mehrere Lichtblicke: Thema ganz neu und spannend, Wörterbuch als - zumindest psychische - Entlastung und der allmähliche Durchblick durch den Formendschungel.
    Mit den beiden Schlusslichtern im Kurs habe ich ausführliche Gespräche geführt und ihnen daraufhin individuelle Förderpläne erstellt mit festen Rückmelde- und Besprechungszeiten.
    Nach ca. 3-4 Monaten hatte ich einen ziemlich gut laufenden Kurs mit motivierten Teilnehmern, mit denen ich wirlich gerne gearbeitet habe. Klar war der Kurs nach der kurzen Zeit immer noch vergleichsweise sehr schwach, aber die Lernbereitschaft war zurück.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

    • Offizieller Beitrag

    Im Ernst, ich würde mich freuen, wenn die die Deklinationen hinbekämen und Vokabeln lernen. Aber du hast Recht, wir Lateinlehrer könnten (und sollten) noch ein paar mehr Dinge beanspruchen.

    vielleicht sollte man es auch nicht übertreiben mit den Ansprüchen, die "man" als Lateinlehrer anlegen sollte ;)

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