Inklusion oder nicht? Förderschwerpunkt Lernen

  • Hallo liebes Forum,


    ich habe zahlreiche Fragen zum Thema Inklusion.


    Ich bin Schüler eines Gymnasiums und bin derzeit im Endstadium meines Abiturs. Jedoch sind die folgenden Fragen nicht auf meine Persönlichkeit gerichtet, sondern auf der meines Bruders.
    Mein Bruder, 9 Jahre alt, Schüler einer 4. Klasse auf einer allgemeinen Grundschule, ist seit der 2. Klasse im Förderschwerpunkt Lernen eingetragen. Meine Eltern und ich haben ihn nach Anfrage der Lehrerin zu einem Kinderpsychologen gebracht. Nach zahlreichen Tests und besuchen des Psychologen meinte er irgendwann mal, wieso wir meinen Bruder zu ihm schicken würde, da ihm nichts fehlt. Auch wir haben nie wirklich irgendwelche "unnormalen" Verhaltensauffälligkeiten mitbekommen. Daraufhin haben wir nach Berichten angefragt, der Psychologe aber hat die Anfragen abgelehnt, mit der Begründung er könnte uns diese nicht geben.
    Nun gut, nachdem wir von der Lehrerin meines Bruders die Stellungnahme bekommen haben, mein Bruder bräuchte dringend einen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen, haben wir sofort reagiert und ihn noch mehr gefördert, indem wir ihn zur Nachhilfe brachten und er noch mehr Bücher liest, als er es schon davor getan hat. Momentan ist er wie gesagt in der 4. Klasse und hat vor Kurzem sein Zeugnis bekommen, jedoch ohne Noten, sondern mit Anmerkungen der Lehrkraft, denn ein Zeugnis mit Noten haben wir bei ihm noch nie gesehen.
    Nachdem er das Zeugnis bekommen hat, fragten wir uns, was für eine Schulform er demnächst besuchen wird, bzw. welche Empfehlung die Lehrkraft ihm gegeben hat. Nach Anfrage bekamen wir nur die Aussage, dass wir warten sollen, da ein Brief vom Schulamt kommen wird.
    Dieser kam dann auch, indem stand, dass meine Eltern ja angeblich gefordert hätten, ihn weiter im Förderschwerpunkt Lernen auszubilden. Demnach stand im Brief, dass er nun eine Förderschule als weiterführende Schule besuchen solle. Unser erster Eindruck war, "zum Teufel?!" wir haben weder etwas dergleichen gefordert, noch wollen wir ihn weiterhin so unterfordern! Im Brief stand, wir sollen ihn auf einer Realschule anmelden, "Ok", haben wir uns gedacht, da der erste Eindruck war, ist ja eine Realschule, da bekommt er bestimmt Noten. Aber nichts da! Wir sind zur Anmeldung gegangen und wurden darüber informiert, das mein Bruder weder ein Zeugnis mit Noten, noch einen Abschluss nach erfolgreichem Absolvieren der Schule bekommt! Außerdem hatten wir so den Eindruck, dass die Pädagogen dort denken würden, unsere Familie, bzw. mein Bruder sei nicht ganz dicht im Kopf, sie waren ganz erstaunt als ich ihnen mitteilte, dass ich am Ende meines Abiturs stehen würde.
    Nun ist meine Frage: Kann man ihn - trotz der "dringenden Empfehlung" ihn auf einer Förderschule anzumelden - dennoch auf einer Regelschule anmelden? Ich habe mich informiert über die sogenannte Inklusion, die beschreibt, dass jeder das Recht darauf hat, mit anderen zusammen lernen zu dürfen. Im Brief stand aber, dass mein Bruder nur in Förderschulen angemeldet werden darf. Ist es sinnvoll ein Widerspruch dagegen zu schreiben, bzw. eine Klage dagegen einzureichen?


    Meine Familie, aber besonders mein Bruder, ist psychisch sehr gereizt deswegen, er denke mittlerweile selber, dass er nicht wie die anderen ist, weil er auch nie so behandelt wird in der Schule...


    Ich bitte Euch, mir zu helfen und danke Euch bereits im Voraus.


    Mit freundlichen Grüßen

  • Hallo,


    ich glaube, Du bist hier leider nicht schreibberechtig. Aber noch schnell einen Tipp, es gibt an der Grundschule sicher eine zuständige Förderschullehrkraft, die für Deinen Bruder zuständig ist. Es wundert mich, dass ihr mit ihr noch keinen Kontakt hattet, da zumindest wir jedes Jahr verpflichtet sind ein Gespräch gemeinsam mit Eltern und Kind zu führen, um genau solche Dinge , wie den aktuellen Förderplan, zu besprechen.


    Was genau ist Euer Ziel? Wenn Dein Bruder eine Förderschwerkpunkt hat, dann wird das wahrscheinlich seine Berechtigung haben. So einfach kann man den auch nicht aberkennen.


    Liebe Grüße Line

  • Hallo, es tut mir leid wenn ich nicht die Berechtigung dazu habe im Forum zu schreiben. Unser Ziel ist es einfach ihm eine gesicherte Perspektive zu geben und ihn auf eine Regelschule anzumelden, meine Frage ist nur, ist dies möglich? Wir hatten nie Kontakt mit Förderschullehrern.

  • Keine Ahnung, ob hier gleich wieder zugemacht wird, aber:


    Förderschwerpunkt (FS) Lernen ungleich verhaltensauffällig. Das wäre dann eher FS emotional-soziale Entwicklung (ES oder ESE abgekürzt in den meisten Bundesländern)


    Das liest sich so, als ob hier Informationen fehlen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Schüler auf FS Lernen getestet wird, diesen FS erhält, den Eltern ein FS em-soz (= verhaltensauffällig) kommuniziert wird und der Schüler dennoch nach FS Lernen bewertet wird.


    Deine Eltern müssen nicht klagen, wenn sie denn wollten. Nach Artikel 9 UN Behindertenrechtskonvention darf jeder Schüler auf Elternwunsch an einer Regelschule beschult werden. Als wichtiger als den Klageweg würde ich aber derzeit empfinden, dass deine Eltern das Gespräch mit der Schule suchen. Ich kann mir vorstellen, dann die Schule hier lediglich eine Empfehlung für die Förderschule ausgesprochen hat, weil die Förderschule auch Vorteile für deinen Bruder haben kann. Das kann hier allerdings keiner beurteilen außer den Lehrern deines Bruders und deinen Eltern und auch die nur bedingt.

  • Demnach stand im Brief, dass er nun eine Förderschule als weiterführende Schule besuchen solle. Unser erster Eindruck war, "zum Teufel?!" wir haben weder etwas dergleichen gefordert, noch wollen wir ihn weiterhin so unterfordern! Im Brief stand, wir sollen ihn auf einer Realschule anmelden, "Ok", haben wir uns gedacht, da der erste Eindruck war, ist ja eine Realschule, da bekommt er bestimmt Noten. Aber nichts da! Wir sind zur Anmeldung gegangen und wurden darüber informiert, das mein Bruder weder ein Zeugnis mit Noten, noch einen Abschluss nach erfolgreichem Absolvieren der Schule bekommt!

    Ja was denn nun?


    Es kann auch viele Gründe haben, warum Kinder Schwierigkeiten mit dem Lernen haben. Ihr solltet auch drauf achten, ihn jetzt mit Nachhilfe etc. nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Das kann nach hinten los gehen.


    Wenn eine integrative Beschulung erfolgt, dann bedeutet das, dass er mit differenzierten Materialien mit Zielen aus dem individuellem Föderplan beschult wird und nicht nach den Zielen des Lehrplans der allgmeinbildenden Schule. Von daher bekommt er wahrscheinlich auch keine Note. Trotzdem besteht immer noch die Mögichkeit, dass er den Fördeschwerpunkt ablegen kann, bei entsprechender Entwicklung und dann einen Abschluss macht. Er hat ja noch ein paar Jährchen vor sich.


    Liebe Grüße Line

    • Offizieller Beitrag

    Daraufhin haben wir nach Berichten angefragt, der Psychologe aber hat die Anfragen abgelehnt, mit der Begründung er könnte uns diese nicht geben.

    Wenn ihr die Patienten bei dem Psychologen wart, ist das unzulässig, der Patient ist berechtigt, seine Diagnosen zu erhalten. http://www.ratgeber-arzthaftun…sichtsrecht_Gutachten.htm

    Nun ist meine Frage: Kann man ihn - trotz der "dringenden Empfehlung" ihn auf einer Förderschule anzumelden - dennoch auf einer Regelschule anmelden?

    In NRW geht das meines Wissens nach, er hat dann halt so eine Erprobungsphase in der Wunschschulform, die er aber bestehen muss. Das können ja hier answesende NRWler nochmal erläutern.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Voraussetzungen für einen zielgleichen Unterricht ist die Aufhebung des sonderpäd. Förderbedarfs, erst dann wird es Noten geben. Dieser Antrag muss für Grundschulkindern beim Schulamt gestellt, für Sek.1 bei der zuständigen Bezirksregierung . Wenn ihr den Eindruck habt, dass kein Förderbedarfs mehr besteht, könnte man einen solchen stellen. Soweit ich weiß, können das auch die Eltern tun.

  • Nach Artikel 9 UN Behindertenrechtskonvention darf jeder Schüler auf Elternwunsch an einer Regelschule beschult werden

    Das ist die ins deutsche Recht gegossene Auslegung der UN-Behindertenrechtskonvention. Da drin stehen tut was anderes, Kritiker (der dt. Umsetzung) sagen, dass dieser Abschnitt darauf abzielt, dass Behinderte überhaupt das Recht haben eine Schule zu besuchen, was in vielen Ländern eben nicht der Fall ist, und Deutschland hier mal wieder übers Ziel hinaus geschossen ist.

  • Zur freien Wahl der Schulform siehe aber auch hier:


    "Ein solcher Anspruch besteht vom Grundsatz her, allerdings „kann die Schulaufsichtsbehörde abweichend von der Wahl der Eltern die allgemeine Schule anstelle der Förderschule oder die Förderschule anstelle der allgemeinen Schule als Förderort bestimmen. Dies setzt voraus, dass die personellen und sächlichen Voraussetzungen am gewählten Förderort nicht erfüllt sind und auch nicht mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können“ (§ 20 Absätze 4 und 5 SchulG). Die Gründe sind gegenüber den Eltern schriftlich darzulegen."
    https://www.schulministerium.n…FAQ-Konvention/index.html

  • Das ist die ins deutsche Recht gegossene Auslegung der UN-Behindertenrechtskonvention. Da drin stehen tut was anderes, Kritiker (der dt. Umsetzung) sagen, dass dieser Abschnitt darauf abzielt, dass Behinderte überhaupt das Recht haben eine Schule zu besuchen, was in vielen Ländern eben nicht der Fall ist, und Deutschland hier mal wieder übers Ziel hinaus geschossen ist.

    Na dann los und klagen. Darauf bin ich gespannt. :D

  • Mein Tipp:
    Es besteht ein Rechtsanspruch auf einen inklusiven Regelschulplatz. Den würde ich in Anspruch nehmen und möglichst eine Schule wählen, die inklusionserfahren ist. Nach der Aufnahme schildert Ihr Eure Problematik dem zuständigen Förderschullehrer. Der soll ein Auge auf das Kind und seine Leistungen werfen und ggf. die Aufhebung des Förderschwerpunktes anstreben, wenn dies geraten erscheint. Ich habe keinen Förderschulkollegen, der nicht alles daran setzen würde, seinen Schützlingen zu einem Regelschulabschluss zu verhelfen, wenn das auch nur ansatzweise vertretbar ist.


    Ich kenne aktuell einen Fall, in dem die Eltern des Schülers die Aufhebung des FS Lernen sogar eigenmächtig und gegen den Rat des Förderschullehrers und der Klassenlehrer durchgesetzt haben. Das geht also auch, wenn man sich dahinterklemmt. (Ob das allerdings sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt ...)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Dany 69:


    Zitat

    Wir sind zur Anmeldung gegangen und wurden darüber informiert, das mein Bruder weder ein Zeugnis mit Noten, noch einen Abschluss nach erfolgreichem Absolvieren der Schule bekommt!

    Nuja, kein Wunder - Realschulabschluss und "Förderbedarf Lernen" sind inkompatibel. Der Förderbedarf würde dann bestimmt weit vor den Prüfungen aufgehoben.


    Jaa, es ist halt das Problem, dass viele Eltern von SuS mit Förderbedarf von den Verlockungen der Bildungszertifikate (Abitur/Realschulabschluss) der allgemeinbildenden Schulen angelockt werden, obwohl Misserfolgserlebnisse in der Hinsicht vorprogrammiert sind.


    Bei der Threaderstellerin hab ich son bissel den Eindruck, als ob sie sich mit der Begründung der Förderempfehlung nicht unvoreingenommen auseinandergesetzt hat (sondern sone Art 'Abwehrhaltung'entwickelt hat). Aber wie immer: alles schwer zu sagen, ohne den Schüler zu kennen..

  • Dany 69:


    Nuja, kein Wunder - Realschulabschluss und "Förderbedarf Lernen" sind inkompatibel. Der Förderbedarf würde dann bestimmt weit vor den Prüfungen aufgehoben.
    Jaa, es ist halt das Problem, dass viele Eltern von SuS mit Förderbedarf von den Verlockungen der Bildungszertifikate (Abitur/Realschulabschluss) der allgemeinbildenden Schulen angelockt werden, obwohl Misserfolgserlebnisse in der Hinsicht vorprogrammiert sind.


    Bei der Threaderstellerin hab ich son bissel den Eindruck, als ob sie sich mit der Begründung der Förderempfehlung nicht unvoreingenommen auseinandergesetzt hat (sondern sone Art 'Abwehrhaltung'entwickelt hat). Aber wie immer: alles schwer zu sagen, ohne den Schüler zu kennen..

    Wenn er tatsächlich den Förderschwerpunkt Lernen hat, wird er ja zieldifferent unterrichtet, da hast du Recht. Die Threaderstellerin bzw. ihre Eltern müsste sich wohl in der Tat mal mit den Zuständigen zusammensetzen und entweder einiges klären oder aber sich informieren lassen.

  • Unbedingt empfehlen würde ich ein Gespräch mit der Schulleiterin der infrage kommenden Förderschule im 'FSP Lernen'. Die kennen sich natürlich viel besser aus im Gesamtbereich und nehmen sich mehr Zeit als ein Schulleiter im allgemeinbildenden Schulwesen (jedenfalls in der Regel). Bedenken von Eltern gegen eine Beschulung an der Förderschule sind denen auch sehr bewusst, sind die gewohnt - und die können natürlich auch bestens die Perspektive von Eltern nachvollziehen.


    Mein persönlicher Eindruck ist, dass in den Schulleitungen der Förderschulen wirklich gute und engagierte Leute arbeiten, mit denen man sich auch gut unterhalten kann...(die sicherlich zudem auch einen breiteren Horizont in dem Komplex haben als Empfehlungen erstellende Grundschullehrerinnen und bürokratische Schulämter)


  • Nun ist meine Frage: Kann man ihn - trotz der "dringenden Empfehlung" ihn auf einer Förderschule anzumelden - dennoch auf einer Regelschule anmelden? Ich habe mich informiert über die sogenannte Inklusion, die beschreibt, dass jeder das Recht darauf hat, mit anderen zusammen lernen zu dürfen. Im Brief stand aber, dass mein Bruder nur in Förderschulen angemeldet werden darf. Ist es sinnvoll ein Widerspruch dagegen zu schreiben, bzw. eine Klage dagegen einzureichen?

    Dein Bruder hat den Förderschwerpunkt "Lernen". Solange dieser Förderschwerpunkt nicht offiziell aufgehoben ist, wird dein Bruder keine Noten bekommen bzw. weiterhin zieldifferent unterrichtet. Um ein Zeugnis mit Noten zu bekommen, müsste erstmal festgestellt werden, ob er überhaupt in der Lage ist, die allgemeinen Lernziele zu erreichen und dann entscheidet die Klassenkonferenz, ob der Förderschwerpunkt aufgehoben werden kann. Aber erst wenn ein Brief vom Schulamt kommt, wo dies drin steht, ist es offiziell.


    Ich gebe zu bedenken, dass kein Kind "einfach so" FS Lernen bekommt, da werden schon Gründe vorgelegen haben und die werden euch im Gespräch mitgeteilt worden sein. Deine Eltern haben mit einer Unterschrift entweder dem Verfahren zugestimmt oder sie haben es abgelehnt, aber unterschrieben haben sie auf jeden Fall etwas.


    Zu deiner oben zitierten Frage:
    Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen dürfen - im Zuge der Inklusion - natürlich auf einer Regelschule unterrichtet werden. Aber auch dort werden sie zieldifferent unterrichtet und bekommen keine Noten. Ein einfacher Hauptschulabschluss ist ggf. später drin, wenn die Leistungen hierfür ausreichen.
    Allerdings werden zieldifferente Kinder nicht einfach von den Eltern an einer beliebigen Regelschule angemeldet, sondern der Schulträger entscheidet, welche Schule(n) im Stadtgebiet für diese Kinder zuständig sind. Dann bekommen die Eltern einen Brief, wo drin steht, welche Regelschule das ist. In eurem Fall die Realschule. Eine ANDERE Regelschule könnt ihr euch nicht aussuchen. Aber ihr habt jederzeit die Möglichkeit, das Kind an einer Förderschule anzumelden.

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