Hallo,
wie reagiert ihr, wenn ein Schüler per Brief sein Herz ausschüttet?
Ihr kennt ja aus meinen Schilderungen die Probleme, die meine Tochter schon hatte.
Vor kurzem, als ich merkte, dass es ihr gar nicht gut geht und auch ihre Busenfreundin erzählte, dass es manchmal echt wüst ist, was man mit ihr macht, habe ich lange mit ihr geredet. Sie schilderte mir ihr Leid und wie weh ihr das tut.
Da ich nicht immer als Mutter zur Lehrerin will und das Thema ja auch beim Elternabend angesprochen wurde, riet ich ihr, wenn sie keinen Mut findet, mit der Lehrerin zu sprechen (oft ist auch keine Zeit), der Lehrerin doch einen Brief zu schreiben. Das würde zumindest das Herz erleichtern, wenn man sich seinen Frust von der Seele schreibt.
Obwohl sie in der Klasse 5 an einer anderen Schule schlechte Erfahrungen damit hatte (die Klassenlehrerin reagierte nur mit: "Willst Du die Schule wechseln?"), setzte sich meine Tochter über eine Stunde hin und schrieb einen langen Brief, handschriftlich über 2 Seiten. Natürlich hatte ich ihr geraten, auch sich selbst zu hinterfragen und nicht nur zu klagen.
Heraus kam ein sehr bewegender und rührender Brief, der von sehr viel Kummer geprägt war.
Damit man alles besser lesen kann, hat sie den Brief getippt.
Aber am besten lest selbst:
Sehr geehrte Frau S.,
meine Mama hat mir erzählt, dass bestimmte Vorfälle in der Klasse beim Elternabend besprochen wurden.
Deshalb wollte ich Ihnen schreiben, wie ich mich fühle. Ich fühle mich von den anderen so etwas von mies behandelt, dass ich in Tränen ausbrechen kann. Ich halte das bald nicht mehr aus.
Ich gehe nur noch in die Schule wegen des Lernens. Denn das mache ich wirklich gerne. Die Lehrer sind auch alle sehr nett und ok. Ich weiß, dass ich viele Fehler gemacht habe und dass ich an mir vieles ändern muss.
Ich lasse mich zu schnell ärgern und explodiere dann gleich. Alles nehme ich ernst, ich sehe jeden als Angreifer an, weil ich niemanden vertraue. Aber man darf doch nicht ständig auf mir herumhacken. Man hat mich ja auch bloß aus Spaß zum stellvertretenden Klassensprecher gewählt, um mich zu ärgern. Ich lass das auch noch zu, aber ich will dies nicht.
Einige sind wirklich nicht sehr nett zu mir. Ich werde geschubst, geschlagen, getreten, mit meiner Bank gegen einen anderen Tisch gequetscht, meine Schulsachen werden mir weggenommen, mir wird der Tisch verrutscht, dadurch will man mich zum Wahnsinn treiben.Man versperrt mir den Weg, lässt mich nicht aus dem Raum, so dass ich herum schreien muss, weil ich nicht weiter weiß. Ich habe mich dann auch schon mit Treten gewehrt, weil ich nicht weiter wusste.
Die Kinder, die mir so etwas antun sind: (Namen der Kinder)
Am Schlimmsten sind aber auch die furchtbaren Schimpfwörter, die man besser nicht schreibt.
J.(ein Mädchen) habe ich letzt angspuckt, weil sie mich schon wieder wegen meiner Jacke geärgert hat, sie nennt mich Schnappi.
Mit H. (ein Mädchen) habe ich mich fast geprügelt, denn ich habe sie „Paris Hilton für Arme“ genannt. Sie benimmt sich mir gegenüber aber auch immer so zickig. Sie ist nichts besseres als ich!
Das mit dem „Effegruß“ gegen N. und H. war nicht ok, aber die beleidigen mich auch ziemlich oft und alles muss ich mir nicht gefallen lassen. Es war aber nicht ok.
Ich bin zwar nicht gewalttätig, will es auch nicht sein, aber ich bin sehr sensibel und nehme alles persönlich. Ich sage Ihnen wirklich, es reicht mir, ich könnte mich in Stücke reißen, mit dem Kopf gegen die Wand rennen, ausrasten. Ich halte es fast nicht mehr aus, tun Sie doch endlich etwas dagegen.
Sagen Sie mir bitte auch, was ich tun soll, was ich besser machen muss.
Tun Sie etwas, damit ich und die anderen, die nicht daran beteiligt sind, endlich Ruhe haben. Dann ist hoffentlich endlich Ruhe im Karton. Ich bin halt nicht so wie die anderen, ich bin wie ich bin und wie ich mich fühle. Meine Mutter meint, dass es zwei Victorias gibt, eine in der Schule und eine Zuhause.
Ich habe gar keine Chance, mich anders zu benehmen, weil man mich nicht in Frieden lässt. Ich will mich ja so wie die anderen verhalten (z.b. wie Namen der Mädchen - sehr liebe und nette), aber wenn mir niemand hilft und die anderen nicht aufhören, klappt das nicht.
Wenn ich alles aufschreibe, hat meine Mama gesagt, geht es mir besser. Dies will ich hoffen. Wenn Sie mir helfen, werde ich es schaffen. Ich kenne meine Probleme.
Bitte helfen Sie mir.
Es gibt allerdings auch Kinder, die nett zu mir sind.
Mein Amt als stellvertretende Klassensprecherin werde ich abgeben, denn die Wahl war ja eh nur zum Spaß, um mich zu ägern, außerdem habe ich ja doch niemanden, der mir hilft, außer J. und E. (2 Jungs).
Ihre Schülerin
Übrigens kurz nach diesem Brief war der Vorfall, bei dem sich Victoria für die Klassenkameradin eingesetzt hat (Tread: "Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut").
Bis jetzt hat Victoria noch keine Reaktion auf den Brief erhalten, wir auch nicht.
Finde ich wirklich schade.
Würdet ihr reagieren und wenn ja wie?
Das mit den zwei Victorias kann ich erklären.
Zu Hause habe ich eine lustige, ganz normale 13 jährige Tochter, die mitten in der Pupertät ist.
Ihre Freundin, die oft hier ist (fast schon wie eine 2. Tochter) meinte auch, dass sie in der Schule ganz anders sei, nicht so wie zu Hause. Sie meinte auch, würden die meisten Victoria mal zu Hause erleben und sehen, wie sie wirklich ist, wären die meisten Schüler netter zu ihr (bezogen auf die Schule).
Vieles hat ja zum Glück aufgehört und seit dem Wortgefecht mit der Lehrerin wird sie auch anders behandelt, aber ich finde es nicht richtig, wenn eine Lehrerin nicht reagiert.
Ich brauche hier wohl keinem Lehrer zu schildern, dass auch die Noten ab und an etwas leiden, dazu noch die Pupertät und fertig ist das Chaos.
Doris