Klassengröße Eingangsklasse NRW

  • Hallo zusammen,
    ich brauche mal euren Rat/Meinung:
    Ich arbeite an einer zweizügigen städtischen Gemeinschaftsgrundschule in NRW. Hier gibt es keine Schulbezirke, die Eltern können ihr Kind quer durch die Stadt anmelden. Man unterscheidet aber zwischen wohnortsnah (wir sind die nächste Gemeinschaftsgrundschule) und wohnortsfern (es gibt andere Gemeinschaftsgrundschulen, die näher liegen). Wir haben sehr wenige wohnortsnahe Schüler, da wir am Rande einer Fußgängerzone liegen und hier einfach nicht viele Kinder wohnen. Dennoch sind unsere Klassen alle mit 29 Kindern voll, da unsere Schule recht beliebt ist (hauptsächlich weil unsere Nachmittagsbetreuung bis 18:00 Uhr die Kinder betreut.) Nun stellen die vollen Klassen eine hohe Belastung für unser Kollegium da. Wir haben viele Kinder mit Migrationshintergrund die sehr schwach sind und viel Förderung brauchen. Außerdem können unsere Kinder oft nicht wiederholen, da die Klassen voll sind, es sei denn, eine Wiederholung bzw ein drittes Jahr in der Schuleingangsphase zeichnet sich so früh ab, dass ein Platz geblockt werden kann.
    Kinder, die im Laufe des Jahres angemeldet werden weil sie in Schulnähe wohnen, müssen abgelehnt werden. Kinder, die wiederholen müssten, werden mitgeschleppt. Die Bildung einer weiteren Klasse ist nicht möglich (kein Platz). Nun übernehme ich im kommenden Schuljahr eine erste Klasse und habe vor kurzem die erste Liste bekommen: 29 Kinder, 11 wohnortsnah, 18 wohnortsfern. Die wohnortsfernen Kinder kommen zum Großteil aus einem Stadtteil, der ca. 8 km entfernt liegt.
    Ich weiß von Freunden, die in benachbarten Schulen arbeiten, dass diese Klassen nicht voll sind und dass sie „normale“ Größen von ca. 20-25 Schülern haben.
    Nun würde ich gerne wissen, ob jemand von euch in einer ähnlichen Situation ist und wie ihr diese handhabt? Unser Schulleiter hat die Einstellung, dass er gerne alle aufnehmen möchte, die unsere Schule besuchen wollen. Wäre es nicht aber möglich/sinnvoll nur 25 Kinder aufzunehmen, um die Klassengrößen etwas zu reduzieren und um auch Platz für mögliche Wiederholer und Kinder, die neu hinzuziehen, zu haben?
    In der AOGS finde ich dazu folgendes: Anspruch auf Aufnahme in die seiner Woh­nung nächstgelegene Grundschule - Im Rahmen freier Kapazitäten nimmt die Schule auch andere Kin­der auf.
    Auf der Homepage unseres Schulamts steht fogendes: Nur dann, wenn nach Aufnahme aller Kinder, für die diese Schule die nächstgelegene Grundschule ist, noch freie Kapazitäten vorhanden sind, kann ggfs. eine Aufnahme "wohnsitzferner" Kinder erfolgen.

    Ich bin wirklich interessiert, wie es an anderen Schulen aussieht, die sich in einer ähnlichen Lage befinden.
    Viele Grüße von Brotkopf


  • Unser Schulleiter hat die Einstellung, dass er gerne alle aufnehmen möchte, die unsere Schule besuchen wollen.

    Das ist wohl das Hauptproblem. Wenn der Teiler bei 29 liegt und die Schule im Rahmen ihrer Kapazitäten Kinder aufnehmen darf ist der einzige, der einen Schlussstrich ziehen kann, der Schulleiter.


    Bei uns ist das Problem, dass der SL die schwierigen Kinder aufnimmt. Ja, wir haben noch Kapazitäten, andere Schulen aber auch. Laufend werden von anderen Schulen Kinder abgegeben oder gar nicht erst aufgenommen (Familienname ist verschrien), unsere Schule nimmt dann jeden Verhaltenskreativen mit Kusshand ("Als der im Sekretariat stand, war er ganz sympathisch"- is klar).


    Ich schätze, rein rechtlich hast du keine Handhabe. Du kannst nur versuchen, mit deinem Chef zu verhandeln, dass du es nicht einsiehst, 29 zu nehmen, während wohnortnah nur 20 sitzen. Was ist dein Schulleiter für ein Typ? Macht es Sinn, einfach mal zu sagen, man weigere sich, eine derart große Klasse zu übernehmen? Dass er seine Ängste, mit Eltern oder Schulamt rumzudiskutieren ausblendet und die Arbeit dafür auf euren Schultern ablädt, dürfte ihm ja theoretisch klar sein.

  • Aus diesem Grunde treffen sich alle Schulleitungen unserer Stadt in der Woche nach den Anmeldungen, um gemeinsam die Anmeldesituation zu besprechen und über Aufnahmen und Ablehnungen zu reden, so dass eine möglichst gerechte und faire Verteilung der Schüler über die Stadt stattfindet.


    Das ist nun wenig hilfreich für Deine Situation, aber empfehlenswert für andere Städte.
    :)


    Herzliche Grüße
    strubbelsuse

  • Für NRW:



    Zitat von § 6a (Fn 14) Klassenbildung an Grundschulen (1) Die Anzahl der zu bildenden Eingangsklassen an einer Grundschule beträgt für jahrgangsbezogenen und jahrgangsübergreifenden Unterricht bei einer Schülerzahl von: 1. bis zu 29 eine Klasse; 2. 30 bis 56 zwei Klassen; 3. 57 bis 81 drei Klassen; 4. 82 bis 104 vier Klassen; 5. 105 bis 125 fünf Klassen; 6. 126 bis 150 sechs Klassen.
  • Was ist dein Schulleiter für ein Typ? Macht es Sinn, einfach mal zu sagen, man weigere sich, eine derart große Klasse zu übernehmen?

    Vielen Dank für eure Antworten!


    Grundsätzlich komme ich mit meinem Schulleiter sehr gut zurecht und will hier auch nicht unbedingt einen auf Arbeitsverweigerung machen, allerdings beschreibst du Pausenbrot es sehr gut: Er scheut den Konflikt mit den anderen Schulen/Eltern/Schulamt zu Lasten der Kollegen ...
    Nun verstehe ich es so, dass der Schulleiter entscheidet, wen er annimmt und wen nicht. Er könnte also zum Beispiel sagen, dass er nur die wohnortsnahen Kinder annimmt plus die wohnortsfernen Kind bis maximal 25. Hier müsste man nach weiteren Kriterien wie Geschwisterkinder etc. auslosen und somit ein paar Kinder ablehnen, auch wenn man noch Kapazitäten hätte. Verstehe ich das richtig, dass das rechtlich möglich ist?


    Gibt es denn hier Schulen, die so verfahren?


    Grundsätzlich hab ich ja gar nichts gegen so eine große Klasse, ich habe meine vor 4 Jahren mit 30 Kindern eingeschult und entlasse jetzt 29, alle haben irgendwie Lesen und Schreiben gelernt und es war/ist eine schöne Zeit. Dennoch sehe ich die alltäglichen Probleme: Wir haben dieses Jahr zum ersten mal alle Jahrgänge komplett voll mit 29 und zwei 30er Klassen. Nun fehlt eine Kollegin und man kann ihren Unterricht nicht auffangen, indem man z.B. eine Doppelbesetzung auflöst. Man teilt also die Klasse auf, 29 Kinder auf 7 Klassen mit 29/30 Kindern. Gemütlich oder gefährlich? Oder auch im Krankheitsfall: Mit zwei Klassen einen Film gucken/in die Sporthalle/in die Aula etc. alles eine andere Dimension mit so großen Klassen.


    Es geht mir auch um eine langfristige Lösung: Wie kann man die Klassen etwas kleiner halten und wie kann man, Probleme mit Vertretungsunterricht und Klassenwiederholung bei vollen Klassen meistern?


    Freue mich über weitere Denkanstöße.


    Viele Grüße von Brotkopf

  • Nun verstehe ich es so, dass der Schulleiter entscheidet, wen er annimmt und wen nicht. Er könnte also zum Beispiel sagen, dass er nur die wohnortsnahen Kinder annimmt plus die wohnortsfernen Kind bis maximal 25.

    Nein, das geht wahrscheinlich nicht. Aber wenn Eltern aus einem 8km entfernten Stadtteil anrufen, könnte er zunächst mal sagen: "oh nein, leiiiider sind unsere Kapazitäten ausgelastet". Wenn dann Eltern auf ihrem Recht beharren und sich beim Amt beschweren könnte der SL zum Amt sagen: "wir haben zunächst die wohnortnahen Kinder aufgenommen. Bevor wir keine konkreten Zahlen haben, dass Schule XY überlaufen ist, mache auch ich die Klassen nicht voll.


    So stelle ich es mir jedenfalls vor, wenn ich den Hickhack an unseren Schulen sehe und dass manche Schulleiter einfach frech genug sind, sich durchzusetzen.


    Langfristig ist das, vermute ich, eine schulpolitische Frage. Klassengrößen, Inklusion, welchen Status kriegen DaZ-Kinder, Lehrkräftemangel...


    Mit 58 Kindern würde ich jedenfalls in keine Sporthalle gehen! Dann kann man Überlastungsanzeige (-> s. z.B. GEW) stellen, wg. Gefährdung deiner Gesundheit und der Sicherheit der Kinder. Ein bisschen Kämpfertum sollte man sich m.E. im Schuldienst aneignen, wenn man nicht kaputtgespielt werden möchte.

    • Offizieller Beitrag

    Er muss die Kinder bis zur jeweiligen maximalen Klassenstärke aufnehmen, egal woher sie kommen (da es bei euch keine Schulbezirke gibt, wie du schreibst).
    Wenn die Maximalzahl erreicht bzw. überrschritten ist, er aber wegen der kommunalen Klassenrichtzahl keine weiteren Klassen aufmachen kann, muss er Schüler ablehnen. Dabei wird das Schulamt ihm entsprechend den Rücken stärken und ihm empfehlen, zuerst die Kinder aus größerer Entfernung abzulehnen.


    Ein "Vorsichtshalber Ablehnen" wird das Schulamt aber nicht mitmachen.


    Dein Schulleiter kann also gar nicht anders.


    kl. gr. frosch

    • Offizieller Beitrag

    PrimaBallerina:


    das sage ich doch. ;)
    Er kann erst bremsen / ablehnen, wenn die Maximalzahl pro Klasse erreicht ist.


    Er kann die Anmeldungen aber nicht, wie Brotkopf hofft, vor erreichen dieser Klassenstärke stoppen.


    kl. gr. frosch

  • Hallo zusammen, vielen lieben Dank für eure Antworten. :) So ganz bin ich aber noch nicht zufrieden:


    Er muss die Kinder bis zur jeweiligen maximalen Klassenstärke aufnehmen, egal woher sie kommen (da es bei euch keine Schulbezirke gibt, wie du schreibst).

    Genauso machen wir es auch schon seit Jahren. Aber: Wo genau ist das denn vorgeschrieben? Im Schulgesetz finde ich nur, dass alle wohnortsnahen Kinder bei entsprechender Kapazität aufgenommen werden müssen, wohnortsferne Kinder aufgenommen werden können.


    Wie machen andere Schulen mit ähnlich großen Klassen das denn mit dem Wiederholen bzw. dem dreijährigen Verbleib in der Schuleingangsphase?


    Bei uns ist es nämlich mitlerweile so, dass ein Wiederholen praktisch nicht möglich ist, da alle Klassen randvoll sind. Vom Schulamt kam die Info, dass man in einem solchen Fall Klassen mit über 30 Schülern bilden müsste, das wäre auch rechtens in solchen Ausnahmefällen. Theoretisch möglich, praktisch wiederholt bei uns aber kein Kind mehr und dass obwohl einigen Kindern ein drittes Jahr Schuleingangsphase gut tun würde. Und wenn man dann sieht, dass Nachbarschulen und die wohnortnahen Schulen unserer wohnortfernen Kinder mit nur 20 Kindern besetzt sind dann frage ich mich doch sehr, ob das alles wirklich so sein muss.


    Viele liebe Grüße
    Brotkopf

  • ... dann frage ich mich doch sehr, ob das alles wirklich so sein muss.

    Es darf so sein. Dass es nicht so sein muss, siehst du daran, dass andere Schulen weniger Kinder haben.

  • Vom Schulamt kam die Info, dass man in einem solchen Fall Klassen mit über 30 Schülern bilden müsste, das wäre auch rechtens in solchen Ausnahmefällen.

    Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis du 33 Kinder da sitzen hast. Tut euch zusammen und werdet renitent ;)


    ...kleines Gedankenexperiment. Du bist dein Schulleiter. Du belegst alle Klassen mit 29 Kindern, wohl wissend, dass andere Schulen nur je 20 pro Klasse haben. Wohl wissend, dass du damit deinen Kollegen die größtmögliche Arbeit aufhalst, die du ihnen aufhalsen kannst. Aber ohje, die Schulbehörde. Und ohje, die Eltern! Es ist ja nicht zuletzt auch schmeichelnd, wenn alle Familien deine Schule favorisieren. Welcher Druck könnte dich dazu bewegen, etwas für deine Kollegen zu tun?

    Einmal editiert, zuletzt von Pausenbrot ()

  • Vom Schulamt kam die Info, dass man in einem solchen Fall Klassen mit über 30 Schülern bilden müsste, das wäre auch rechtens in solchen Ausnahmefällen.


    Das ist die eine Möglichkeit.
    Die andere Möglichkeit ist, dass diese Kinder die Schule wechseln und an der Nachbarschule die Klasse wiederholen.
    Beides natürlich totaler Schwachsinn!
    Es ist nur verständlich, dass die Kinder dann eben mitgezogen werden.


    Man könnte evtl. versuchen, die Eltern aufzuwiegeln und durch Druck auf das Schulamt, den Bürgermeister, Leserbriefe in Zeitungen o.Ä. etwas zu bewirken. Aber die Chancen sind natürlich gering.

    • Offizieller Beitrag

    Du kannst die Situation ja leider nicht für deinen Schulleiter regeln. Aber er könnte/müsste sich mit seinen Schulleiterkollegen kurzschließen und das Problem für alle tragbar lösen. So läuft das bei uns. Die Schulleiter telefonieren und besprechen die Schüler, die evtl. wechseln könnten. Die Eltern werden nochmal zu einem Gespräch eingeladen und häufig sehen sie dann ein, dass ihr Kind in einer kleineren Klasse besser lernen kann. Vor allen Dingen Eltern, die nicht unbedingt auf die lange Betreuung angewiesen sind, würden wir ansprechen.
    Ansonsten ist es leider leider vergebene Mühe so viele Nerven bei diesem Thema zu lassen. Im Zweifelsfall entscheidet das Schulamt und bürdet einem diese Arbeit eben auf. Ganz sarkastisch gestimmt kommt mir noch ein Gedanke: wenn keine Kinder mehr wiederholen, die es nötig hätten, erhaltet ihr so doch die örtliche Hauptschule, oder?

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