Eure Erfahrungen mit Auffangklassen/ Flüchtlingsklassen NRW

  • Hallo,


    wer mag berichten, wie die Arbeit in den Auffangklassen eurer Schulen organisiert ist?


    Wie viele Kinder sind zugeteilt? Wie viele Stunden haben die Kinder in den Klassen? Wie viele Lehrer betreuen diese?


    Und als Lehrer: Wie empfindet ihr eure Arbeit? Haben die Schulen Konzepte oder seid ihr auf euch allein gestellt? Könntet ihr euch vorstellen, nur in diesen Klassen zu arbeiten?


    Ich habe ein Einstellungsangebot bekommen und bin mir unsicher, ob ich es annehmen soll, daher die vielen Fragen.


    Freue mich auf eure Berichte,


    Besten Dank,
    Frau Pppp

  • Bei uns ist die Klasse mit 2 Kindern gestartet und es wurden dann immer mal wieder einzelne neue Kinder zugeteilt, so dass wir jetzt bei 17 sind. Es darf also nur noch einer kommen, dann ist die Klasse voll.


    Konzepte - ja schön wäre es!!! Also nein, wir arbeiten nach dem Prinzip trial and error. Das gilt auch für Material, das natürlich auch nicht zur Verfügung stand/steht.


    Bei uns haben die Schüler schwerpunktmäßig Deutschunterricht (3 Stunden täglich) und Englisch (täglich eine Stunde), das war das ursprüngliche Grundgerüst. Nach und nach kamen einzelne andere Stunden dazu, inzwischen haben sie auch regelmäßig Mathe. Da wir die Kinder auch unter deutsche Kinder bringen wollten, gehen sie mittlerweile auch stundenweise mit in einzelne Fächer der Regelklassen der entsprechenden Altersstufe, einfach um ein Gespür für "normalen" Schulalltag zu bekommen und auch die Integration voranzutreiben.


    Ich muss ganz ehrlich sagen, hätte ich gewusst, dass ich in eine IVK muss, hätte ich mir gut überlegt, ob ich das Stellenangebot annehme. Ich wusste das vorher aber nicht. Ich empfinde es als wahnsinnig anstrengend, mit einer derart heterogenen Gruppe zu arbeiten (bei uns ist von Analphabeten bis wirklich clever und unterfordert die ganze Bandbreite dabei) ohne dass ein Konzept existiert. Bei uns sind Kinder in der Altersgruppe 10-12 Jahre und bei einigen mangelt es teils auch ganz erheblich an Sozialverhalten und Arbeitseinstellung. Ich bin das in der Form nicht gewohnt und kann auch nur schwer damit umgehen. Insgesamt also ein sehr unangenehmes Arbeiten und ehrlich gesagt geht keiner der betroffenen Kollegen mehr sonderlich gerne dort in den Unterricht.

  • ...schwerpunktmäßig Deutschunterricht (3 Stunden täglich)...

    Ich halte dieses Konzept für fragwürdig (das ist jetzt nicht gegen dich gerichtet Maylin85, sondern gegen die Entscheider in der Politk).
    Ich weiß, dass man mit einem Intensivkurs von drei Monaten eine Sprache zu B2 kriegen kann.
    Warum also bekommen die Kindern keinen Intensivkurs in Deutsch und nehmen dann am normalen Unterricht teil?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich halte dieses Konzept für fragwürdig (das ist jetzt nicht gegen dich gerichtet Maylin85, sondern gegen die Entscheider in der Politk).Ich weiß, dass man mit einem Intensivkurs von drei Monaten eine Sprache zu B2 kriegen kann.
    Warum also bekommen die Kindern keinen Intensivkurs in Deutsch und nehmen dann am normalen Unterricht teil?


    Es gibt kein Konzept, erst recht nicht von der Politik. Auch für Schüler, die in Klassen integriert sind gibt es keine 'Zielvorgabe', ob sie nun irgendwann einen Hauptschulabschluss machen sollen, besondere Förderung später in der Berufsschule erhalten oder oder oder.


    Und zu Sprachniveau B2 hat Maylin ja schon geschrieben, dass viele Schüler weder lesen noch schreiben könnnen und auch das Sozialverhalten nicht das Beste ist. So ist es bei uns eben auch und das erschwert das Lernen ungemein. Eine Überforderung der Lehrkraft eingeschlossen.

  • @SteffdA
    Ich stimme absolut zu, ich finde auch, dass es völlig falsch angepackt wird und außer Deutsch erst einmal überhaupt gar nichts stattfinden sollte, bis eine solide Sprachkenntnis vorhanden ist. Wir bekommen die Kinder aber geschickt mit der Prämisse, dass sie auch direkt zB Englischunterricht bekommen müssen. Absoluter Schwachsinn...



    @Plattenspieler
    Das habe ich nicht gesagt, sondern wollte damit nur die Spannweite verdeutlichen, die es unter einen Hut zu bekommen gilt. Und das ist kein Vergnügen, insbesondere wenn das Sozialverhalten einiger Schüler es nicht hergibt, sie einigermaßen selbstständig in Kleingruppen an verschiedenen Dingen arbeiten zu lassen.
    Nebenbei bemerkt habe ich als Gymnasiallehrer auch keine wirkliche Ahnung, wie man Kids die Buchstaben beibringt. Wir holpern uns halt alle so durch.
    Diese Klasse kostet mich mehr Nerven, Vorbereitungs- und Materialzusammensuchzeit, als alle anderen Klassen und Kurse zusammen.

  • @SteffdA
    Ich stimme absolut zu, ich finde auch, dass es völlig falsch angepackt wird und außer Deutsch erst einmal überhaupt gar nichts stattfinden sollte, bis eine solide Sprachkenntnis vorhanden ist.

    Warum also bekommen die Kindern keinen Intensivkurs in Deutsch und nehmen dann am normalen Unterricht teil?


    ... vermutlich weil das so einfach gar nicht ist, wie sich das jetzt hier anhört, mal ganz platt gesagt ;)
    Selbst wenn es entsprechendes Personal gäbe - die meisten Flüchtlingskinder haben, wie auch oben schon geschrieben wird, mit durchaus großen Schwierigkeiten zu kämpfen und sind überhaupt nicht in der Lage, sich auf einen solchen Intensivkurs einzulassen.


    Meiner Erfahrung nach ist es im Grundschulbereich unmöglich, diesen Kindern mehr als 2 Stunden Deutsch-Intensivförderung zuteil werden zu lassen. Und das ist schon hoch gegriffen. Ich halte es geradezu für unumgänglich und enorm wichtig, sie auch in Fächern wie Mathe, Kunst, Sport oder Musik zu unterrichten.
    Im Grunde ist die Integration in die Klassen verbunden mit ein bis zwei Stunden DaZ Förderung sinnvoller, finde ich, als sie in Auffangklassen zu sammeln. Auffangklassen können Sinn machen, wenn die Klassen nicht zu groß sind und man nicht gezwungen ist, 5 Stunden am Tag den Kindern die deutsche Sprache eintrichtern zu wollen. Das kann ja nicht funktionieren. Aber ich hoffe, dass das auch nirgends so verlangt wird???

  • Im Fall Kunst, Sport, Musik und Mathe stimme ich zu. Mit Englisch schiebe ich allerdings echt Frust in dieser Klasse, denn es funktioniert einfach nicht und ich muss es aber trotzdem machen. Mit dem Ergebnis, dass die Kinder mich teilweise fragen, ob ein Wort oder Satz denn jetzt eigentlich Deutsch oder Englisch sei. Die kriegen die Unterscheidung teilweise (verständlicherweise) gar nicht hin.


    Grundsätzlich fände ich es aber trotzdem besser, wenn irgendwo anders schonmal die absoluten Grundlagen gelegt würden, bevor die Kinder zu uns an die weiterführenden Schulen kommen (zum Beispiel eben die Alphabetisierung). Ich könnte mir vorstellen, dass z.B. Sonderpädagogen dafür auch erheblich besser geeignet wären als Regellehr, die ihren Schwerpunkt eigentlich in der Sek II haben und gar keinen Plan haben, wie man an solche Sachen herangeht.

  • Deutsch UND Englisch mehr oder weniger gleichzeitig zu lernen, schaffen vermutlich auch nur sehr sprachgewandte und halbwegs intelligente Kinder. Für viele stellt das sicherlich eine Überforderung dar, da stimme ich dir zu.


    Vielleicht kannst du die Ansprüche noch weiter runter schrauben und gaaaanz klein anfangen wie in der Grundschule mit Farben, Zahlen usw. Aber selbst das ist für manche vermutlich noch zu viel Durcheinander.


    Klar, es ist schwierig, bei Null anzufangen, aber letztlich ist das an der Grundschule auch nichts anderes. Wir müssen die Kinder auch altersgemäß einschulen, obwohl vermutlich die meisten ganz gut in der 1. Klasse aufgehoben wären und dort die Buchstaben und Zahlen einfach mitlernen würden. Aber das geht leider nicht.
    Bei euch an den weiterführenden Schulen ist es ja nichts anderes. Es ist und bleibt schwierig...

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