Manchmal reden Lehrer gegen ein Wand

Misserfolge dieser Art lösen häufig durchaus Lerneffekte aus. Eher als ständiges Predigen. Während ich normalerweise Noten unter Arbeiten grundsätzlich in Ordnung finde, solange das Kind sich Mühe gegeben hat, sich vorbereitet hat und seine Hausaufgaben regelmäßig erledigt, verliere ich in solchen Fällen durchaus mal ein paar passende Worte.

Kommt natürlich auf das Kind an. Wenn es zu sehr um die Inhalte kämpfen muss, bleiben manchmal zwingend die Formalien auf der Strecke. Hatte deine Tochter nicht ADS? Das müsste man dann wohl berücksichtigen.

Hält sie sich bei den Hausaufgaben an diese Formalien?

Grüße Enja

Hallo Doris,

Wenn ich das richtig verstanden habe, sind diese Formalien die Verbalisierung der Rechenschritte, oder?

Wenn ja, kann ich vielleicht von unserem Erfolgserlebnis bei meiner Tochter berichten, die bei Sachaufgaben ebenfalls alle Rechnungen richtig durchführte, aber in dem Durcheinander nie Antwort und Zuammenhang herstellte.
Sie geht zwar erst in die Grundschule 4. Klasse, aber vielleicht ist es übertragbar.

Ich habe aus Tests schwere Aufgaben genommen und diese umgeschrieben und zwar auf eine ihrer Wahrnehmungsbasis alltäglich bekannte Situation mit einfachen Zahlen, so nach dem Prinzip "vom Leichten zum Schweren", vom "Bekannten zum Unbekannten".

Dann habe ich sie dazu bekommen,laut zu denken.

Dann habe ich sie dazu gebracht, eine Struktuorganisation zu erstellen auf einem gesonderten Blatt mit 1. 2. 3. 4.. usw.
notwendige Rechenoperationen auf einem 3. Blatt ausführen lassen.

Den entscheidende Durchbruch erreichte ich dadurch, dass ich ihr das Aufgabenblatt in die Mite legte, das Blatt für Rechenoperationen auf die rechte Seite und das Blatt für die verbalisierten strukturierten Teillösungsordinaten auf die linke Seite.

....Und es hat funktioniert, als würdest du den richtigen Steckern zur richtigen
Buchse Deiner Stereoanlage gefunden haben

lg Jane.

Hallo Doris,

falls es dich etwas tröstet: In meiner Klasse war es beim Prozentrechnen am Anfang genauso. In der Kurzprobe hagelte es noch 5er und 6er, weil die Damen und Herren Pubertierenden einfach zu faul sind, die Formalien einzuhalten.

In der wichtigen Probe allerdings hat es dann plötzlich geklappt.

Ich würde da jetzt erst mal gar nicht nach "krankheitsbedingten" Ursachen suchen - es ist Bequemlichkeit. Wichtig ist, dass in Hausaufgaben und beim Üben in der Schule IMMER das Schema eingehalten wird, dann schleift sich das auch ein und die Kinder begreifen doch irgendwann, dass das einfach dazugehört.

LG
Tina

Bleibt die Frage, ob die Formalien hier nicht eben nur "Schulformalien" sind. Laut Pisa legen wir zu viel Wert auf das Üben von Algorithmen statt auf die Entwicklung von Problemlösekompetenz. Ich befinde mich da manchmal in einem Dilemma...

Hallo,

ob es die Formalien nur um der Formalien willen gibt, sollte man sich natürlich schon zuweilen überlegen.

Aber gerade bei den Anfängen des Prozentrechnens finde ich gerade die Formalien sehr wichtig, da sie eine richtige Lösung viel wahrscheinlicher machen.

Wenn ich Grundwert, Prozentsatz und Prozentwert richtig in Gegeben und Gesucht geordnet habe, ist die richtige Lösung schon fast sicher.

Gerade schwache Leser bringen sonst häufig etwas durcheinander, obwohl sie grundsätzlich richtig rechnen könnten.

LG
Tina

Aber genau DAS ist es doch!

Zitat

Aber gerade bei den Anfängen des Prozentrechnens finde ich gerade die Formalien sehr wichtig, da sie eine richtige Lösung viel wahrscheinlicher machen.

Die Kinder lernen, sich an einem Lösungsweg entlangzuhangeln, verstehen aber oft die Hintergründe immer noch nicht. Natürlich wird bei halbwegs vorstrukturierten Aufgaben die Lösung eher richtig. Für Kinder, welche die Sache komplett durchschaut haben, ist es sehr schwer, diese "Schreibfeste" für eine einfache Rechnung anzufertigen.
Wenn du aber später mal eine anspruchsvolle Aufgabe stellst, dann werden meist die Kinder Erfolg haben, die das Problem durchschauen, während andere mit sauber aufgeschriebenem Lösungsweg scheitern.

Nach meiner Erfahrung ist das Problem eher die richtige Zuordnung von Grundwert etc. Und diese Zuordnung geschieht eh im Kopf, bevor ein Wort geschrieben wird.

Die Art der in der Schule üblichen Dokumentation ist leider oft nur beim Bearbeiten von "Schulaufgaben" hilfreich.

Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken.

Gruß,
Remus

Hallo,

verständlich schon, für das Gymnasium vielleicht/wahrscheinlich auch zutreffend.

Aber: Ich habe Hauptschüler, teilweise eigentlich Förderschüler. Sie tun sich schon mit leichtesten Aufgaben unheimlich schwer und Transferleistungen können nur dann gelingen, wenn erst mal die Basis eingeübt ist.

Viele meiner Kinder haben wahnsinnige Konzentrationsprobleme - selbst wenn sie erkannt haben, was der Grundwert ist heißt das nicht, dass beim Nachdenken über die richtige Formel das noch präsent ist.

So ein Schreibfest ist das auch gar nicht:

Von einer Schule mit 468 Schülern kommen 40 mit dem Fahrrad. Wie viele Schüler sind das?

Geg: G= 468 Schüler
P = 40 Schüler
Ges: p
Lsg: Formel, Einsetzen, Ergebnis
Antwort: Es sind 8,55 %.

Wenn sie es nicht so machen, nimmt unter Garantie ein Teil die falsche Formel, es wird falsch eingesetzt oder sich auf dem Taschenrechner vertippt.
In der Form kann man aber auch mit Flüchtigkeitsfehlern noch Punkte holen.

Mir wäre es auch lieber, meine Schüler könnten sich das aus dem Ärmel schütteln und locker im Kopf ausrechnen, aber es ist nun mal nicht so - fast alle brauchen dringendst ein helfendes Schema. Wenn aus den Schülern nun Ameisen werden von denen einige gerade schlafen ist das für viele schon ein fast unüberwindbarer Transfer für den man wieder säuberlich ordnen muss.

LG
Tina

Tina, mir brauchst du das nicht erzählen, auch bei uns geht es einigen Schülern so. Nur stellt sich dann doch die Frage, was die Schüler eigentlich gelernt haben, wenn sie bei 40 schlafenden Ameisen oder 80 abgelaufenen Konserven schon scheitern, selbst wenn sie alles aufschreiben. Und ob es dann überhaupt Sinn macht, ihnen etwas zu vermitteln, dessen Hintergrundstruktur sie letztlich geistig (noch) nicht erfassen.

Gruß,
Remus

Hallo,

Zitat

Tina, mir brauchst du das nicht erzählen, auch bei uns geht es einigen Schülern so.

Echt? Nicht dass mich das jetzt freut, aber es beruhigt mich etwas.

Einführung Prozentrechnung habe ich dieses Jahr zum vierten Mal gemacht und bin diesmal viel länger am Hunderterfeld geblieben und habe viel veranschaulicht. Das war dann irgendwann klar, aber drei Wochen später wieder vergessen.

Ich habe beobachtet, dass regelmäßig Kopfrechnen mit einfachen Zahlen noch einige Knoten löst, aber manche haben es tatsächlich nicht wirklich begriffen.

Wir wiederholen allerdings nächstes Jahr wieder alle Grundlagen, nur etwas schneller, ich hoffe, da finden dann wieder einige doch noch den Anschluss.

LG
Tina

Ich hab es auch aufgegeben, an die Vernunft zu appellieren, da es im Alltag gar nicht für alle so vernünftig ist, alles aufzuschreiben. Ich fordere AN DER TAFEL den dokumentierten Lösungsweg ein, und sage klar, dass es SO in der Arbeit stehen muss. In der ZWEITEN Arbeit steht es dann auch tatsächlich so. Und spätestens wenn die Probleme komplexer werden, sehen die meisten Schüler einen SINN im Aufschreiben. An dieser Stelle vertraue ich auf die Lernfähigkeit aller Schüler, nicht zweimal gegen die gleiche Wand zu rennen.

Gruß, Remus

Mittlerweile bin ich auf den Trichter gekommen, ABSOLUT fachfremde Formeln vorzustellen.
In der Berufsschule haben die Schüler Tabellenbücher, in denen zu "allen" Themen Formeln mit Anwendungsbeispiel stehen. Diese Formeln lassen sich wunderbar nach dem beschriebenen Lösungsschema lösen.

Also habe ich den Schülern erklärt, dass man, wenn man das Schema anwendet, in der Lage ist, fast jedes Problem lösen zu können. Seitdem muss ich nicht mehr darauf drängen.

Zitat

Also habe ich den Schülern erklärt, dass man, wenn man das Schema anwendet, in der Lage ist, fast jedes Problem lösen zu können.

Glaubst DU, dass das stimmt?

Ich habe es überspitzt formuliert.

Als "Beweis" zeige ich den Schülern Beispiele aus den Tabellenbüchern und auf meine Frage, ob sie das auch könnten, kommt ein lockeres "Ja".
Dann üben wir einfach solche "fachfremden" Aufgaben, schlagen uns mit Volt, Ampere, Watt, aber auch anderen Maß-Einheiten herum und die Schüler merken gar nicht, dass sie eigentlich das Schema selbst üben.
Sie wenden das Schema "überzeugter" an, weil sie den Nutzen erkannt haben. Klar, sie sind dadurch nicht gleich Alleskönner, es schadet aber nicht.

Noch besser wäre es dann wohl, gleich fächerübergreifend einzusetzen und in den Naturwissenschaften sofort zu nutzen, was gerade in Mathe eingeführt wird...

Zitat

Wenn ich Grundwert, Prozentsatz und Prozentwert richtig in Gegeben und Gesucht geordnet habe, ist die richtige Lösung schon fast sicher.

Die letzten beiden Begriffe kann ich nur hier und jetzt aus dem Zusammenhang unterscheiden.

Wahrscheinlich ist es wie mit dem Dreisatz, den ich (auf dem Gymnasium) nie gelehrt bekommen habe. Später habe ich erkannt, dass sowas eine Hilfe für Schüler ist, die die Bruchrechnung an sich letztendlich nicht verstehen.

- Martin