naturwissenschaftlicher Unterricht an Berufsschule (Erzieherausbildung)

  • Hallo zusammen!


    Seit diesem Schuljahr bin ich als Lehrer für Natur(wissenschaften) an einer Berufsschule tätig. Ursprünglich hab ich Biologie studiert und hab nun quasi "umgesattelt".
    Mich würde grundsätzlich mal interessieren ob es hier Lehrkräfte gibt die mir für diesen Bereich Tipps geben können. Ich bin nämlich etwas im Zwiespalt mit mir: Zum einen sollen die Schüler ja lernen nach dem Ko-Konstrukteur-Prinzip mit den Kindern zusammen zu arbeiten. Sie sind keine Wissenschaftler und sollen zusammen mit den Kindern naturwissenschaftliche Phänomene beobachten und dann Hypothesen aufstellen ohne vorgefertigte Antworten abzugeben. Nun bin ich jedoch auch der Meinung, dass das Erlernen gewisser Grundprinzipien (z.B. Fotosynthese in Grundzügen/Aufbau und Funktion von Sinnesorganen/Ernährungsphysiologie/...) auch in meinen Unterricht mit reinkommen. Meine Zwickmühle ist nun: auf der einen Seite sollen wir die Schüler darauf hinweisen, dass sie keine Wissenschaftler sind und somit auch nicht alles "verstehen und erklären" können müssen. Auf der anderen Seite kann (und will) ich nicht nur (total) oberflächlichen Unterricht machen.
    Oft muss man sich dann das Gestöhne anhören: "Oh nein! Warum soll ich denn wissen wie das Ohr/die Verdauung/die Fotosynthese/... funktioniert??" Meine Antwort wäre dann: "Damit du es den Kindern erklären kannst und die richtigen Versuche für ein Projekt heraussuchen kannst." Das wiederrum widerspricht aber doch dem Prinzip der Ko-Kontruktion. Zumal ich in einer Schule ja nicht komplett situationsorientiert arbeiten kann. Insbesondere bei der geringen Unterrichtszeit innerhalb einer Klasse...
    Ich versuche fachliches Wissen mit Experimenten und Methoden zu mischen, die man auch bei den Kleinen anwenden kann. Aber ich kann ja nicht nur "Unterricht für Kindergartenkinder" machen. Ein bisschen tiefer sollte es doch gehen, oder liege ich da falsch?


    Freue mich über Tipps und Tricks oder sonstige Aussagen!


    Danke und Grüße


    Meg

  • die antwort besteht darin, dass deine schüler keine kindergartenkinder sind, sondern erwachsene, die das für ihren zukünftigen beruf wichtige fachliche grundwissen bei dir erwerben sollen. insofern muss dein unterricht selbstverständlich nicht wissen mit deinen erwachsenen schülern ko-konstruieren oder situationsbezogen sonstwas tun, sondern einfach die fachlichen grundlagen (inhatlich, aber auch methodisch, stichwort: was ist wissenschaft und was ist wissenschaftliches arbeiten, immer am beispiel aufgezeigt, jede stunde aufs neue) - in dem fall wohl v.a. bio und physik - vermitteln. dabei kannst du dich ja methodisch und didaktisch an der fachdidatik der sekundarstufe und v.a. der erwachsenenbildung orientieren.


    edit: wenn du laut lehrplan auch fachdidaktik zu vermitteln hast, kommt das freilich noch zu den fachlichen inhalten hinzu. aber auch da kannst du imo getrost auf methoden für vorschulkinder als verfahren *deines* unterrichts verzichten.

  • Hallo Meg,
    Du bist Diplom-Biologin oder hast einen Master in Biologie und sattelst nun um? Soll das eine Dauerlösung sein?
    Ich frage nur, weil ich auch umgesattelt habe und es am Gymnasium inhaltlich schon echt langweilig finde. Der Unterschied zwischen dem Studium und den fachwissenschaftlichen Anforderungen in der täglichen Arbeit muss ja bei dir noch größer sein, wenn du Biologie (fast) rein phänomenologisch unterrichten musst. Frustriert das nicht irgendwie? Was hast du für Strategien, um damit klar zu kommen?


    Ich frage, weil es für mich ein echtes Problem darstellt. Ich versuche mich damit über Wasser zu halten, dass ich zumindest den Leistungskurs bekomme (ideal, bei uns will kein anderer das!) und Begabtenförderung mache. Auch versuche ich mich mehr in Hobbies zu verwirklichen, weil es beruflich eben nicht geht. (Es sei denn man würde sich als Pädagoge verwirklichen wollen)

  • Ich kann aus Deinem Beitrag leider nicht ganz rauslesen, welche Altersstufe Deine Berufslernenden am Ende genau unterrichten sollen. Das wäre wichtig zu wissen, bevor man konkrete Tipps gibt.

  • @ Kecks: ja... so in etwa dachte ich mir das auch. Da ich mir aber alles Pädagogische selbst erarbeiten musste/muss war ich doch erstmal verunsichert. Da die Schüler aber ja auch mit Abschluss der Ausbildung die Fachhochschulreife erlangen kann ich ja nicht nur "rumdödeln"... Nichtsdestotrotz mache ich die kleinen Experimente und Naturspiele/Sinnesspiele gerne mit den Schülern um ihnen zu zeigen: Schau: das ist auch interessant für die Knirpse. Aber auf jeden Fall ein Danke an dich!


    Firelilly: Ja, das ist eine Dauerlösung. Und ich bin schon sehr zufrieden damit. Nein, es frustriert mich überhaupt nicht dort zu unterrichten. Es macht mir ja schon auch Spaß Wissen zu vermitteln das die Schüler später in ihrem Berufsleben auch anwenden können und an die Kinder weiter geben können. Gerade Umweltbildung und Nachhaltigkeit ist ja immer ein großes Thema in den KiTas. Trotzdem möchte ich eben nicht nur Naturwissenschaften vor Kinder im Vorschul-/Grundschulalter unterrichten, sondern eben mehr vermitteln. Für mich ist eher das Thema Weiter-/Fortbildung angesagt, damit ich mehr in den pädagogischen Bereich eintauchen kann. Da bin ich auch schon dran. Relevant ist daher eher die Frage: Wie läuft die Wissenvermittlung in diesem Fach bei anderen Lehrern in diesem Ausbildungbereich ab? Das mit der beruflichen Verwirklichung, die du beschreibst ist so eine Sache... Ich wäre in der Forschung nicht glücklich geworden und wollte schon am Ende des Studiums eher in die Lehre gehen, was aber im Bereich der universitären Lehre ja nicht so ohne weiteres geht ohne den Teilbereich Forschung. Zudem hab ich Familie und die lässt sich weiß Gott leichter mit dem schulischen Alltag vereinbaren als mit dem Forscheralltag, das musste ich schon feststellen. Und es ist okay für mich.


    @ Wollsocken: Das ist sehr unterschiedlich. Von der Arbeit in der Krippe bis hin zur Jugendarbeit ist alles vertreten. Am stärksten wohl aber der Anteil von Erziehern im Kindergarten (also 3 - 6 Jahre).

  • was ist wissenschaft und was ist wissenschaftliches arbeiten

    Ich denke ehrlich, dass das in so einer Art der Berufsausbildung keinen Platz hat. Ich habe selbst mal Chemie- und Pharmatechnologen an der Berufsschule unterrichtet, also eine fachspeziefische Berufslehre, und die müssen wirklich überhaupt nicht wissen, was wissenschaftliches Arbeiten ist. Die müssen primär Protokolle abarbeiten können.


    Wenn der Löwenanteil der Klasse wirklich mit Kindergartenkindern arbeiten soll, wär ich tatsächlich auch mit Fotosynthese und sowas sehr zurückhaltend. Es gibt doch da diesen Wasserpest-Versuch mit dem man zeigen kann, dass das Grünzeug bei Beleuchtung anfängt irgendwas zu tun. Auf dem Niveau etwa würde ich bleiben. Das was Du Dir so an zugehöriger Theorie vorstellst (sofern ich das richtig interpretiere) lernen unsere Fachmittelschülerinnen und -schüler im Berufsfeld Pädagogik, die unterrichten später Primarschüler.


    Eine Berufsschule ist keine allgemeinbildende Schule, da wird nicht des Lernens wegen gelernt, sondern zweckgebunden. Ich kann Deine Überlegung mit der Fachhochschulreife nachvollziehen aber es ist und bleibt erst mal eine Berufslehre, die primär in eine Berufstätigkeit führt und nur in Ausnahmefällen in ein Fachhochschulstudium. Ich hab aus eben diesem Grund meine Tätigkeit an der Berufsschule aufgesteckt. Die Jungs warn nett und motiviert, disziplinarisch total pflegeleicht, aber der Unterricht war mir auf Dauer zu "unintellektuell". Ich bin dann noch zu gerne die chemische Wildsau :)


    Off topic: @Firelilly Du hast das mit dem "rein phänomenologischen Unterricht" schon häufiger erwähnt ... Wer sagt Dir denn, dass es so sein muss? Ich diskutiere im Schwerpunktfach Chemie in der 1. Klasse (= 10. Schuljahr) Molekülorbital-Schemata. Das Grundlagenfach muss sich auch immerhin noch anhören, dass es da sowas wie Welle-Teilchen-Dualismus gibt und über die Entropie müssen auch alle mal nachdenken. Chemie ist abstrakt und anschaulich/lebensnah zugleich - das ist ja grad das Schöne am Fach!

  • Ich fände es ganz und gar nicht schlecht, wenn angehende Erzieher zumindest schon einmal das Konzept von Wissenschaft kennengelernt haben; immerhin ist das die wichtigste und erfolgreichste Methode, die Wirklichkeit zu begreifen und die Grundlage unserer Gesellschaft und Kultur.


    Nele

  • ICH finde ja, dass Du da Recht hast ... nach meiner Erfahrung an der Berufsschule würde ich das Thema aber sehr klein halten.

  • ich meine auch nicht, dass man eine reihe zum thema "was ist wissenschaft" veranstaltet, sondern das entsprechende handlungswissen (und nur dieses) im rahmen der vermittlung der fakten (wie funktioniert photosynthese etc.) immer wieder nutzt und damit einübt. zum beispiel immer wieder hypothesen bilden, empirisch testen, dabei nur eine variable variieren, den rest konstant halten, schlussfolgerung ziehen etc..

  • Ja so ganz subtil könnte ich mir das vorstellen ... ohne dass die mitbekommen, dass sie was "intellektuelles" lernen ... ;)

  • Nochmals danke für die Antworten!


    Also, dann - glaube ich zumindest - mache ich nicht allzuviel verkehrt... ;) . Wenn ich das Bsp. der Fotosynthese nochmal aufgreifen darf: Ich lasse die Schüler nicht den biochemischen Prozess der Fotosynthese auswendig lernen oder will wissen wie das Gesamtreaktionsschema aussieht. Aber das Pflanzen CO2, Wasser und Sonnenlicht benötigen um daraus Glucose (und als "Abfallprodukt" Sauerstoff) zu produzieren. Denn das finde ich nicht ganz unwichtig, sind das doch Fragen, die durchaus auch bei Kindern vorkommen können. Natürlich nicht in der Form und so können sie ja dann auch nicht beantwortet werden. Aber man muss die Antwort ja selber einigermaßen wissenschaftlich im Kopf haben, um sie dann in kindgerechte Worte umzuformen. Und eben kleine Experimente dazu zu finden. Diese sind immer so aufgebaut das man sie mit Alltagszeugs und ohne großen Aufwand durchführen kann (weiß ich... Flaschenthermometer, Zapfenhygrometer, Daumenkino basteln, CD-Luftkissenboot, ...) oder lasse die Schüler selbst Bewegungsspiele (z.B. Nahrungsnetze, Räuber-Beute-Beziehung, ...) zu einem Thema ausarbeiten.
    Oder - gerade wegen der vielgelobten Inklusion - sich mal Gedanken darüber zu machen WIE die Sinnesorgane denn in groben Zügen aufgebaut sind und funktionieren. Denn auch hier wird fördern und fordern ja großgeschrieben (oder auch Gesundheitserziehung) und im Bereich Heilpädagogik, was ja auch wiederrum auf der Erzieherausbildung aufbaut, sind diese Dinge ja auch relevant.


    Zur Theorie würde ich mal sagen, dass ich das fächerübergreifend mit einbinde. Ich versuche eben zu zeigen dass man über naturwissenschaftliche Themen auch andere Kompetenzen (Kommunikation, Selbstständigkeit, positives Fehlerverständnis, etc...) schulen kann und gleichzeitig was über die Natur um einen rum lernt.


    Wenn ich dich recht verstehe Wollsocken: die Mischung machts?

  • Kecks, jetzt hab ich deine Antwort zu spät gelesen. Ja, sowas mache ich. Die Frage kommt häufiger auf, wenn eines der Experimente nicht funktioniert: woran hat's gelegen? oder "Was passiert, wenn ich das oder das anders mache?"

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