Wann ist ein Kind reif für die Schule???

  • Hallo liebe LehrerInnen
    ich (Lehramtsstudentin, 1.Mastersemester) habe das Glück eine gesunde und aufgeweckte Tochter zu haben, die am 24.09.2010 geboren wurde und die ich daher in diesem Jahr regulär einschulen müsste. Genau das bereitet mir und meinem Mann schon seit einiger Zeit Bauchschmerzen und nun hoffe ich, dass ihr mir vielleicht weiter helfen könnt Ich bin generell nicht überzeugt davon, ein Kind schon mit 5Jahren einzuschulen...wie sind da eure Erfahrungen??? Auch bin ich mir nicht sicher ob sie schon 'reif' für die Schule ist, vor allem im Bezug auf innere Ruhe und eine länger andauernde Konzentrationsfähigkeit. Was wird da von einem Schulanfänger erwartet? Habe wohl vom Studium zu viel Theorie im Kopf, die noch nicht mit der Praxis verknüpft ist...

  • Ich sag mal so, wenn euer Stichtag der 30.9. ist, rechnen die Lehrer damit, dass sie 5-jährige Kinder unterrichten werden. Der Unterricht ist also auf die Konzentrationsspannen, Bewegungsdrang etc. der Kleinen ausgerichtet (soweit das in der Regelschule geht...). Natürlich packt es deine Tochter ganz genauso, wie alle anderen Kinder auch :)


    Wenn du selbst aber gar nicht auf die frühe Einschulung beharrst und damit leben kannst, sie zurückstufen zu lassen, könntet ihr den Eintritt um ein Jahr verzögern, so dass sie die Älteste in der Klasse wäre im Jahr drauf.


    Was ist sie denn für ein Typ? sitzt sie auch gerne mal still da und malt was aus? Und was sagen die Erzieherinnen im Kiga?

  • Sie ist schon ein sehr agiler Typ, der vor allem viel frei spielt und sich bewegt. Klar malt sie auch gerne und malt auch was aus, aber meist geht das alles ziemlich schnell und wenns ihr nicht schnell genug geht, oder so wie sie sich das vorstellt/bei den anderen sieht wird sie ungeduldig...
    Die Erzieherinnen tendieren auch dazu sie noch ein Jahr im KiGa zu behalten genau aus diesen Gründen. Ich persönlich kann gut damit leben sie noch nicht zu schicken, aber sie will natürlich mit aller Macht in die Schule, weil ihre Freundinnen (die z.T. aber auch 11Monate älter sind als sie) alle gehen!
    Sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass sie durch mein Studium immer sieht, wie ich schreibe und lerne und sie das nun auch machen/können will. Ich soll ihr immer wieder Namen vormalen, die sie dann nachmalt. Ich tue das im Prinzip mit Wiederwillen, weil ich der Schule ja auch nix vorweg nehmen will...will aber ihre Motivation auch nicht ausbremsen.
    Nun überlege ich, ob ich sie im kommenden halben Jahr (bisschen provokativ gesagt) auf die Schulfähigkeit trainieren sollte, in wie fern man das überhaupt trainieren kann oder ob es einfach etwas ist, was sich mit gegebener Zeit von selber einstellt (reifen muss).
    Danke für deine Antwort Pausenbrot

  • Wir kennen deine Tochter nicht und deswegen ist es auch schwer zu beurteilen, ob es sinnvoll ist sie im Sommer in die Schule zu schicken oder nicht.


    Vielleicht helfen dir aber folgende Überlegungen: Ich selbst habe im Sommer ein erstes Schuljahr übernommen und kann "Pausenbrot" nur recht geben: Der Unterricht ist (zumindest dort, wo ich unterrichte und unterrichtet habe) anfangs darauf ausgelegt, dass sich die Kinder nicht lange konzentrieren können. Es gibt zahlreiche Bewegungspausen, Bewegungsspiele, anfangs wenig Hausaufgaben usw.
    Außerdem halte ich auch nicht viel davon, deine Tochter jetzt "auf die Schulfähigkeit zu trainieren". Vielmehr entsteht das doch auch im Laufe des ersten Schuljahres, wenn es von den Kindern immer wieder und immer mehr verlangt wird - und eben in der Schule auch geübt wird.
    Du sagst, dass deine Tochter Interesse an der Schrift entwickelt. Ist das nicht auch ein klares Zeichen dafür, dass sie "schulfähig" ist und im Kindergarten vielleicht zunehmend unterfordert wäre?


    Zusammengefasst: Für mich wäre die fehlende Konzentration kein Kriterium, um ein Kind später einzuschulen. (Bei mir sitzen auch im 4. Schuljahr noch Kinder, die sich schlecht konzentrieren können...)
    Außerdem weiß ich nicht genau wie es in Niedersachsen geregelt ist - In NRW ist es mittlerweile sooooo schwierig ein Kind zurückzustellen. Wenn keine schwerwiegenden Gründe (Krankheit, Frühgeburt, o.Ä.) vorliegen, hast du da eh keine Chance. An deiner Stelle würde ich mich also auch einmal informieren, wie das in NS so gehandhabt wird....möglicherweise stellt sich die Frage im Anschluss daran gar nicht mehr, weil es gar keine Wahl gibt.

  • Wir kennen deine Tochter nicht und deswegen ist es auch schwer zu beurteilen, ob es sinnvoll ist sie im Sommer in die Schule zu schicken oder nicht.

    ich bin vor allem an Erfahrungen mit "den kleinen" interessiert...ähnlichen Fällen und wie es denen ergangen ist! Klar ist Pauschalisieren bei Kindern immer Mist, aber manchmal hilft es, um einen Einblick in die Praxis zu bekommen?


    Ihre innere Motivation ist tatsächlich auch der Grund, warum ich nicht einfach der Empfehlung des KiGa folge und sie noch ein Jahr dort lasse! Aber die emotionale Stabilität ist doch sicherlich auch Grundlage allen Lernens...


    Das mit dem Zurückstellen ist bei uns (laut Info der KiGa-Leiterin) kein Problem...die Kinder können wohl auch weiterhin im örtlichen Kindergarten bleiben und müssen nicht in den 20km entfernten Schulkindergarten (was für mich überhaupt keine Option wäre)!

  • In Berlin durften wir ja in den letzten Jahren die glorreiche Idee ausbaden, die Kinder früher einzuschulen.... (zum Glück wird das gerade wieder rückgängig gemacht) seitdem rate ich Eltern von jungen Kindern ziemlich großzügig zu, den Kindern noch ein Jahr mehr zu geben, so sie denn Zweifel haben. Nach meiner Erfahrung ist der Altersunterschied am Anfang sehr deutlich zu spüren, ein halbes Jahr kann da schon viel ausmachen.
    Das heißt nicht, dass es die jüngeren Kinder nicht auch schaffen (manchmal staunt man...), aber sie haben es oft (nicht immer!!!!) deutlich schwerer, gerade wenn sie noch einen sehr ausgeprägten Spiel- und Bewegungsdrang haben. Auch wenn der Unterricht darauf Rücksicht nimmt, bleibt es doch Unterricht...
    Bei deiner Tochter klingt es ja auch eher danach, als wären es weniger ein kognitves Problem sondern es geht eher um Punkte wie Konzentration, Geduld etc. Gerade diese Punkte sind aber sehr wichtig und die wirst du auch nicht gezielt trainieren können (insbesondere den mit der Geduld...). Das sind Fähigkeiten, die müssen reifen. Wenn du insgesamt einen guten Eindruck von euren Kita-Erzieherinnen hast, würde ich auch deren Urteil ernst nehmen. Man selbst sieht ja meist nur das eigene Kind, die Erzieherinnen haben hingegen den Vergleich zu einer Vielzahl anderer Kinder und können das sicherlich auch einschätzen. Ich bin auch immer der Meinung, dass man den Kindern durch eine sehr frühe Einschulung ein Jahr Bildung "wegnimmt".

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich würde in nahezu 97% der Fälle davon abraten, Kinder vorzeitig einzuschulen.
    Da kann ich icke nur zustimmen.
    Meine Erfahrung zeigt, dass sehr viele vorzeitig eingeschulte Kinder Schwierigkeiten haben oder bekommen.
    Natürlich packen das die meisten dennoch, aber viele bleiben tatsächlich unter ihren Möglichkeiten.


    Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wieso man Kinder vorzeitig einschult und ihnen das eine Jahr "Spielzeit" nimmt.
    Mal abgesehen davon, dass der Stichttag Ende September sowieso schon viel zu spät ist, wie ich finde.
    Es gibt natürlich Ausnahmen, auch die kenne ich, wo es wirklich schulreife Kinder sind, die alles mit links meistern.
    Aber das sind wirklich Ausnahmen.


    Langweilt sich deine Tochter denn im Kiga oder meinst du, dass sie unterfordert ist?
    Vielleicht hilft ein Gespräch mit den Erzieherinnen, die sicherlich auch noch Tipps parat haben, wie das Kind noch anderweitig gefördert werden kann.


    Aber in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage:
    Wenn ich das richtig verstehe, liegt sie doch noch vor dem Stichtag und würde ganz regulär eingeschult.
    Ist es dann überhaupt möglich, sie ein Jahr später einzuschulen?
    In NRW ist es leider nahezu unmöglich, Kinder zurückzustellen, selbst, wenn die Eltern es wollen.

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Erzieherinnen (zumindest bei uns im Ort!) recht gut einschätzen können, wenn ein Kind lieber noch im Kindergarten verbleiben sollte. Wir haben im aktuellen Jahrgang 2 Kinder, die nach der Erzieherinnenempfehlung in die Vorklasse bzw. noch ein Jahr in den KiGa gegangen wären.
    Das eine Kind wurde jetzt im dezember in die Vorklasse zurückgenommen, das andere Kind wird sich wohl leider mit vielen negativen Schulerfahrungen durchboxen müssen, um dann später zurückgestuft zu werden (natürlich nur eine Prognose...).


    Berate dich gut mit den Erzieherinnen. Freundschaften zu knüpfen mit denen sie dann im kommenden Jahr eingeschult werden kann - das wird ganz schnell passieren.


  • Ich soll ihr immer wieder Namen vormalen, die sie dann nachmalt. Ich tue das im Prinzip mit Wiederwillen, weil ich der Schule ja auch nix vorweg nehmen will...will aber ihre Motivation auch nicht ausbremsen.
    Nun überlege ich, ob ich sie im kommenden halben Jahr (bisschen provokativ gesagt) auf die Schulfähigkeit trainieren sollte, in wie fern man das überhaupt trainieren kann oder ob es einfach etwas ist, was sich mit gegebener Zeit von selber einstellt (reifen muss).

    Zu 1: natürlich kannst du ihren Namen vormalen, wenn sie darauf Lust hat! das ist doch ein wunderbares Alter! Wenn sie vorher lesen lernt, lernt sie lesen, das kannst du eh nicht verbieten ;)
    In der Schule lernt sie dann trotzdem Buchstabenverlauf, Linien einhalten, Groß-/Kleinbuchstaben, Druck- und Schreibschrift, Rechtschreibung, sinnentnehmendes Lesen, Analyse von Sprache etc. pp., sie langweilt sich schon nicht, keine Sorge. Im Gegenteil, wenn sie schon alle Buchstaben kennt, hat sie einen Aspekt weniger, auf den sie sich konzentrieren muss.


    Zu 2: du kannst nicht gezielt "Schulfähigkeit trainieren". Frustrationstoleranz beispielsweise ist so ein komplexes Thema und hat auch mit dir als Vorbild, deinem Umgang mit ihr, deinen Reaktionen auf sie zu tun- da es ist nicht gut möglich herauszutreten und zu sagen: Achtung aufpassen, ich bringe dir jetzt mal Geduld bei.
    Außerdem: "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht."


    Ich kenne auch einige Leute, die als Erwachsene sagen, sie hätten darunter gelitten, der/ die Jüngste gewesen zu sein. Vor allem an der weiterführenden Schule, wenn die Pubertät einsetzt und eine riesen Lücke klafft zwischen kichernden Popstarkreischmädels und denen, die noch mit Puppen spielen. Ganz unabhängig vom Intellekt.




    Freundschaften zu knüpfen mit denen sie dann im kommenden Jahr eingeschult werden kann - das wird ganz schnell passieren.

    Absolut. Ausnamslos alle Mütter, die ich kenne, sagen ihre Kinder hätten die Kindergartenfreunde innerhalb der Schule mehr oder weniger aus den Augen verloren und neue Freundschaften geschlossen. Meine eigenen Kinder treffen auch "Kindergartenkollegen" nachmittags, in der Schule sind sie mit anderen Leuten unterwegs.


    Du siehst schon: hier rät dir niemand zum "unbedingt einschulen so schnell wie möglich". Dieses Jahr früher (auch wenns bei euch regulär ist) bringt euch null und gar nix. Wenns aber denn so sein soll: sie wird klarkommen, sooooooo dramatisch und lebensbeeinflussend ist die Entscheidung nun auch nicht.

  • Ich danke euch allen von ganzem Herzen!
    Eure Beiträge und Denkanstöße haben mir sehr geholfen und haben mich im Prinzip in meiner Ansicht/ Bauchgefühl nochmal bestärkt, dass es den meisten Kindern besser damit ergeht, wenn sie nicht so früh eingeschult werden. Es hat mich doch immerwieder verunsichert, dass die meisten nach dem ersten Endruck sagen "Die ist so pfiffig, die muss unbedingt schon in die Schule", weil sie eben nur das wissbegierige, wortgewandte Kind sehen. Aber ich bin dennoch davon überzeugt (und der Kindergarten ja scheinbar auch), dass es ihrer emotionalen Stabilität und ihrem Selbstwertgefühl gut tun wird noch ein bisschen Zeit zu haben. Jetzt kann ich gefestigt in die Gespräche mit Kindergartenleiterin und Schulleitung gehen. Mal sehen was dabei rauskommt. Die Erzieherinnen, bei denen meine Tochter in der Gruppe ist, sind Gott-Sei-Dank so flexibel, dass hoffentlich keine Langeweile aufkommen wird ;) Und wenn alles gut geht, kann sie noch in Ruhe ein Jahr 'reifen' und dann gestärkt in den Ernst des Lebens starten! Wenn nicht machen wir halt das Beste draus!

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