Lug und Trug im Lehramt

  • Ein herzliches Hallo an alle!


    Dies ist mein erster Post, da ich mich in letzter Zeit an meiner Schule kaum verstanden fühle.
    Es geht um Folgendes:


    Ich unterrichte an einer kleinen Realschule in einer kleineren Gemeinde und mag meinen Beruf und glaube (immernoch) etwas bewirken zu können und Schüler nachhaltig zu prägen oder vielleicht erziehen zu können. Leider fallen mir diese Punkte in meiner täglichen Arbeit immer schwerer, da zahlreiche Kollegen (aber auch die Schulleitung) die Schüler zu wenig fordern, immer nett sein wollen, Sympathie bei den Schülern gewinnen wollen oder einfach nur glauben: "Schüler von heute können immer weniger, also fordere ich auch immer weniger!"
    An einigen Beispielen kann ich gut erläutern, mit welchen Problemen ich zu tun habe oder was mich enttäuscht.


    - Ich lasse eine Werte und Normen - Arbeit schreiben und das Ergebnis fällt folgendermaßen aus: 50 % 5 und 6, zwei 1en und eine zwei. Bei der Rechtfertigung bei der Schulleitung hieß es, dass nochmal solch eine Arbeit nicht genehmigt werde. Ich habe allerdings mit den Schülern zahlreich geübt, genauestens erklärt, alle wussten, was drankommt und die Fragen waren wirklich einfach (sagte auch die Fachbereichsleitung). In Wirklichkeit haben wahrscheinlich wenige gelernt, viele fehlen dauernd (Di und Mi ist Werte und Normen), Hausaufgaben werden oft nicht gemacht, viele schwache Schüler (einige mit HS-Empfehlung, einer wurde in die 6. Klasse versetzt, damit es nicht zu viele Sitzenbleiber gibt), viele haben große Schwierigkeiten zu denken oder glsauben, Werte und Normen ist eine Laberstunde, in der man nichts tun muss. Ich habe nun den Schülern reinen Wein eingeschenkt und warte den nächsten Test ab - Widerstand gab es keinen.


    - Ich habe zwei 10. Klassen in Deutsch. Eine läuft super, die andere lief lange Zeit nicht. Die, die nicht gut lief, hat sich mindestens 8 Monate nahezu täglich bei der Schulleitung und der Sozialpädagogin beschwert: Immer, wenn es schlechte Zensuren gab (die Klasse ist wirklisch sehr schwach) gab es Beschwerden. Wenn ich in der 5 Minuten Pause mit der Klassenarbeit beginnen wollte, hieß es, dass ich den Schülern die Pause wegnehme. Es kursierten auch böse Gerüchte über mich und eines Tages verstanden sie, dass ich der Lehrer bin und die Regeln mache und ihnen nichts Böses will.
    In dieser Klasse befinden sich zahlreiche Schüler, die in psychotherapeutischer Therapie waren oder sind. In der 9. Klasse hatte ich einen Achtzehnjährigen, der nur seinen HS-Abschluss bekam, weil ich ihm noch gerade so eine 4- statt einer 5 gab (die Mutter wollte uns bzw. mich bei der Landesschulbehörde melden).
    Grundsätzlich herrscht in dieser Klasse mehr oder weniger ein Unwille, Leistung zu zeigen, aber gute Noten wollen alle. Hier noch ein Beispiel aus der 9. Klasse: Zwei Schüler sollen vorne präsentieren, wissen rein gar nichts (okay die Überschrift konnten sie noch ablesen) und erhalten eine 6, weil sie nichts sagen konnten und auch nicht präsentieren wollten, obwohl ich darum bat, das vorzustellen, was sie wüssten. Hinterher: Massive Anschuldigungen, Beschwerden. Danch musste ich der ganzen Klasse erklären, wie wenig Leistung man zeigen muss, um eine 6 zu erhalten.
    Ein Schülerin, 17 Jahre liest ein Jugendbuch. Von den Eltern kommen Anschuldigungen, dass ich den Schülern vieles nicht beibringe, was absolut gelogen ist (ich habe mich bei den Eltern an diesem Tag durchgesetzt und es herrschte Ruhe). Diese Schülerin behauptete dann auch noch, dass 350 Seiten sie überfordern würden, wobei sie mindestens 6 Wochen Zeit hatte, das Buch zu lesen.
    Ich fragte mich immer wieder, warum diese Klasse so schräg ist. Die Antwort:


    Die Klassenlehrerin (habe zu ihr einen guten Draht) übt mit ihrer Klasse immer für eine Klassenarbeit, indem sie eine Probeklausur mit ihnen durchpaukt und eine Woche später landet eine nahezu identische Klassenarbeit auf dem Platz der Schüler, wobei einige Wörter und Kleinigkeiten ausgetauscht wurden (so sagte sie es einem Kollegen).


    Weitere Beispiele:


    - In einer 10. Klasse macht eine Kollegin regelmäßig eine Abfrage, wobei jeder Schüler dabei in seine Mappe schauen darf.
    - Ich lasse eine Arbeit in der 6. Klasse Geschichte schreiben (alle Fragen stammen aus dem Schülerbuch oder der Mappe oder aus Hausaufgaben, die so gut wie keiner machte). Einwand von einer Kollegin: "Oh die ist aber schwer!" Dabei konzipierte ich die Fragen genau nach Lehrplan, Buch, Operatoren, Kerncurriculum usw.
    - In der gleichen Klasse lasse ich jede Woche einen Kurztest über die letzte Stunde schreiben (einfache Fragen, alles in der Mappe). Ergebnis: Fast ausschließlich 5 und 6 und dies immer.
    - Die Matheabschlussarbeiten fallen jedes Jahr weit unter dem Landesdurchschnitt aus.
    - In der letzten Zeugniskonferenz wurden etliche in die 6. Klasse versetzt (obwohl sie nicht hätten versetzt werden dürfen), damit wir zwei statt drei 5. Klassen führen können.
    - Ein Schüler bekam schon die vierte Konferenz. Ergebnis: Er erhält nun Smileys, sobald er sich gut benommen hat, dem er nicht nachkommt. Er wird ständig gemobbt und drohte schon, alle, die ihn ärgern würden, abzustechen.
    - Die schlechteste Einschätzung im Sozial- und Arbeitsverhalten erhalten nur die absoluten Kracher. Respektlose und faule Schüler kommen meistens mit einem blauen Augen davon.
    - Trotz miserabler Leistungen halten sich viele Schüler in der Realschule (Dunkelziffer: 30%). Sie entsprechen absolut nicht dem Leistungsstand eines Realschülers. Wir haben sogar einige 18jährige in den 10. Klassen (bei mir war in der neunten auch schon ein 18jähriger).



    Mein Einschätzung dieser ständig wiederkehrenden Vorfälle ist Folgende: Die Schüler werden verhätschelt und die Lehrer haben Angst vor Stress mit Eltern und der Schulleitung.
    Aus sicherer Quelle weiß ich, dass Ergebnisse in den Klassenarbeiten ins Positive grückt werden, damit diese nicht genehmigt werden müssen. Ein Hardliner an unserer Schule ließ sich in einem halbjahr 8 Arbeiten genehmigen. Nur wenige haben den Mut, ihr "Programm" durchzuziehen. Ich zähle mich zu denen, die sich absichern und nicht lumpen lassen. Ich halte es für verantwortungslos, den Schülern gut Noten zu geben und später stellen sie fest, dass sie massive Rückstände haben. Unsere Schule hat auch den Ruf, dass bei uns jeder seinen Realschulabschluss schafft. Im Prinzip wird also jeder mitgezogen.


    Habt ihr Tipps, wie man in diesem Wahnsinn halbwegs gut durchkommt, ohne sich Feinde zu machen? Ich möchte nun nach meiner 1,5 jährigen Tätigkeit nicht das Verhältnis zur Schulleitung zerstören.

    • Offizieller Beitrag

    Möchtest du den Märtyrertod sterben oder ein halbwegs vernünftiges Berufsleben mit einigermaßen angemessener Kollegialität leben? Das wäre die erste Frage, die ich mir hier stellen würde. Die zweite wäre ein Perpektivwechsel. Wenn alle etwas anders machen als ich, frage ich mich erstmal, ob es gute Argumente dafür gibt und zweitens ob ich diejenige bin, die verkehrt rum läuft.
    Sollte ich zum Ergebnis kommen, dass ich tatsächlich die einzige weit und breit bin, die Recht hat, dann frage ich mich die oben etwas sarkastisch formulierte Frage. Sollte ich also dann zum Schluss kommen, dass der "Märtyrertod" ;) - also das Verändern eines ganzen Systems nach MEINEN Vorstellungen - in der Tat das Ziel sein muss, würde ich folgendermaßen vorgehen:
    1. Ich würde mich rechtskundig machen. Bei allem. Richtig sattelfest rechtskundig. Das dauert.
    2. Ich würde ein alternatives Konzenpt entwickeln, für das ich Leute begeistern kann. Wenn du genauere oder strengere Bewertungen nach den Maßstäben, die du als verbindlich erkannt hast / für verbindlich hältst, willst, musst du Leute davon überzeugen können dass und warum das Sionn macht. Und zwar so, dass du Leute auf deine Seite ziehen kannst. "Weil ist halt so" reicht da nicht. Irgendetwas hält ja die Leute derziet noch auf "der anderen Seite", also musst du, logischerweise, etwas Attraktiveres anbieten können. Wenn du das nicht kannst und auch nicht weißt, warum du das unbedingt willst: vergiss es. Du wirst weiter allein da stehen.
    3. Hast du dieses Konzept, such dir erstmal ein paar Leute, von denen du glaubst, dass die mit dir an einem Strang ziehen. Arbeitet koordiniert, sichert euch immer rechtlich ab, versucht Erfolge dieses Tuns sichtbar zu machen. Findet weitere Leute.
    4. Wenn du das geschafft hast, könnt ihr versuchen durch die Mitbestimmungsgreien (GeKo, SchuKo) weiter zu kommen und Grundlegendes zu verändern. Dazu braucht es Ideen und Anträge, die ihr mehrheitenkonform vermitteln könnt. Und Rechtssicherheit über das Procedere!
    Es wird auf jeden Fall ein langer Kampf.


    Quick Fixes, falls du danach gefragt haben solltest, gibt es nicht.
    Und wenn es nur ums durchkommen geht: tja... dann wirst du mit dem Strom schwimmen müssen. "Ich will, dass alles anders wird, aber ich weiter lieb gehabt werde"... äh, ich fürchte: nein. Gibt es nicht.


    Bist du mit den Kollegen schonmal ins Gespräch getreten, auf der Metaebene? Vielleicht haben die gute Gründe für ihr Tun?

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Grundsätzlich finde ich es immer schwierig, da Ratschläge zu geben, weil ja keiner von uns die Situation in der Realität kennt sondern nur das interpretieren können, was Du schreibst.


    Vorsichtig ausgedrückt finde ich Deine Darstellung aber recht einseitig in Richtung - überspitzt ausgedrückt - "die Schüler sind doof und ich als Lehrer habe sicher keine Schuld an der Situation". Nimm das jetzt bitte nicht persönlich, ich versuche nur, Dich vielleicht für eine etwas andere Sichtweise der Dinge zu sensibilisieren. Du scheinst mir insgesamt sehr darauf bedacht zu sein, dass ein bestimmtes Soll erfüllt wird, ohne zu hinterfragen, ob das Soll überhaupt sinnvoll definiert ist.


    Folgende konkrete Anmerkungen:



    Ich lasse eine Werte und Normen - Arbeit schreiben und das Ergebnis fällt folgendermaßen aus: 50 % 5 und 6, zwei 1en und eine zwei.

    Das ist in der Tat bedenklich und sollte so nicht bzw. nur ausnahmsweise vorkommen. Du schreibst, Du hättest den SuS "reinen Wein" eingeschenkt und sie hätten keinen Widerstand geleistet. Wie muss ich mir das vorstellen? Hast Du ihnen einen Vortrag gehalten oder hast Du mit ihnen das Ergebnis der Arbeit diskutiert? Ich würde in so einem Fall auf jeden Fall die SuS ihren Standpunkt erklären lassen. Möglicherweise können sie konstruktive Verbesserungsvorschläge machen.


    Die Geschichte mit dem Rechtfertigen des Notenschnitts bei der Schulleitung kenne ich - zum Glück nicht von meiner eigenen Schule - und finde es ziemlich dämlich. Wenn das die Vereinbarung an der Schule ist, dann ist es aber eben so.



    Die, die nicht gut lief, hat sich mindestens 8 Monate nahezu täglich bei der Schulleitung und der Sozialpädagogin beschwert: Immer, wenn es schlechte Zensuren gab (die Klasse ist wirklisch sehr schwach) gab es Beschwerden.

    Worüber haben sie sich beschwert? Nur über die schlechten Noten oder über Deinen Unterricht bzw. über Deine Person? Es macht einen grossen Unterschied, ob die SuS wirklich nur nörgelig sind und finden, die Noten müssten besser sein, oder ob sie (möglicherweise berechtigte) Kritik am Unterricht äussern. Wenn letzteres der Fall ist, solltest Du als Lehrer das unbedingt reflektieren und eben nicht pauschal auf die SuS abschieben.



    In dieser Klasse befinden sich zahlreiche Schüler, die in psychotherapeutischer Therapie waren oder sind. In der 9. Klasse hatte ich einen Achtzehnjährigen, der nur seinen HS-Abschluss bekam, weil ich ihm noch gerade so eine 4- statt einer 5 gab (die Mutter wollte uns bzw. mich bei der Landesschulbehörde melden).

    Das ist jetzt ein ganz anderes Thema und hat weder mit "Lug und Trug" noch mit Leistungsverweigerung seitens der SuS zu tun. Solche Fälle gibt es immer und überall und ja, sie kosten sehr viel Zeit und Energie. Was ist Dein Problem in diesem Fall? Willst Du die SuS "loswerden" und wenn ja, wo sollen sie Deiner Meinung nach hin? Gibt es einen Plan, wie ihr im Klassenteam damit umgeht?



    In einer 10. Klasse macht eine Kollegin regelmäßig eine Abfrage, wobei jeder Schüler dabei in seine Mappe schauen darf.

    Ja, mache ich auch so und zwar am Gymnasium im Schwerpunktfach Chemie, also sozusagen im höchstmöglichen Leistungsnivau das unser Schulsystem kennt. Bevor Du sowas bewertest solltest Du die Kollegin fragen, was sie damit bezweckt. Ich möchte, dass meine SuS lernen, frei und ungezwungen aber dennoch konzentriert und mit fachlich guten Argumenten vor der Klasse zu sprechen. Es geht mir an dieser Stelle ausdrücklich nicht ums Produzieren von Noten.



    In der gleichen Klasse lasse ich jede Woche einen Kurztest über die letzte Stunde schreiben (einfache Fragen, alles in der Mappe). Ergebnis: Fast ausschließlich 5 und 6 und dies immer.

    Was bezweckst Du damit? Die SuS verweigern ganz offensichtlich und dafür wird es irgendeinen Grund geben. Du kannst weiter Deine Kurztests schreiben und weiter 5en und 6en eintragen, oder dem Problem auf den Grund gehen. Du versuchst Deine SuS offensichtlich hauptsächlich mit schlechten Noten zu disziplinieren. Ist das sinnvoll? Nein. Du demotivierst sie damit eigentlich nur.



    Sie entsprechen absolut nicht dem Leistungsstand eines Realschülers. Wir haben sogar einige 18jährige in den 10. Klassen (bei mir war in der neunten auch schon ein 18jähriger).

    Was ist denn der "Leistungsstandard"? Ich weiss, ihr habt da drüben in Deutschland eure Lehrpläne. Dennoch ... womit vergleichst Du bzw. woran machst Du fest, dass Deine SuS den "Standard" nicht erfüllen? Ich habe auch 18jährige in der 10. Klasse am Gymnasium sitzen. Was sagt das jetzt über die Leistungsbereitschaft und die Fähigkeiten der SuS aus? Erst mal nicht viel, wenn man sich mit der Biographie der SuS nicht auseinandersetzt. Die Gründe können ganz verschieden sein.


    Irgendwie schreibst Du auch nur, was Du als Einzelperson so findest. Was finden denn Deine Kollegen so? Besprichst Du Dich denn mal mit dem Klassenteam über die Probleme? Ich halte regelmässig Rücksprache mindestens mit den Klassenlehrern. Allein schon um mich zu vergewissern, ob im Falle eines Problemfalles nur ich das Problem habe oder ob ein Schüler bzw. eine ganze Klasse generell auffällig ist.


    So, das ist jetzt viel Kritik an dem was Du schreibst. Zu Deinen Gunsten kann ich vielleicht folgendes schreiben: Wenn Deine Vorstellung so überhaupt nicht mit dem in Einklang zu bringen sind, was an Deiner Schule läuft, würde ich persönlich ernsthaft in Erwägung ziehen, einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Mir ging es während meiner ersten Festanstellung auch so, dass ich mich wenig bis gar nicht mit den Vorstellungen meiner Schulleitung und meiner Kollegen identifizieren konnte. Ich habe nach 3 Monaten schon gekündigt, zum nächsten Schuljahr an eine andere Schule gewechselt und bin seither zu 100 % zufrieden. Ich weiss wiederum auch, dass das im deutschen Beamtensystem nicht gar so einfach geht, aber eine Überlegung ist es dennoch wert, wenn es so gar nicht laufen will.

  • Zum Thema "reinen Wein": Ich habe den SuS meinen Standpunkt erklärt und gefragt, wie dieses Ergebnis zustande kam. Antwort von den SuS: "Viele hören nicht zu, machen nicht mit und vergessen ständig ihre Hausaufgaben." Natürlich sanktionierte ich in dieser Zeit viel und nun ist Ruhe.


    Zum Thema Beschwerde: Alles, aber wirklich auch alles wurde von den SuS kritisiert und dies ohne Grund. Ich ließ sogar die Sozialpädagogin bei mir hospitieren mit dem Ergebnis, dass ich das meiste richtig mache und die Klasse nur darauf lauert "auszubrechen".


    Zum Thema Abfrage mit der Mappe: Die Kollegin möchte Vorwissen abfragen/aktivieren, fragt aber meiner Meinung nach ungewollt die Leseleistung ab.
    Ich komme selbst von der Realschule und machte mein Abi am Fachgymnasium. Als in der 11. Klasse die Lehrerin meinte, wir seien zu undiszipliniert, startete sie regelmäßig Abfragen nach dem Zufallsprinzip. Jeder musste im Prinzip vorbereitet sein.


    Zum Thema Therapie: Dies soll zeigen, dass bei uns Problemschüler in einer Klasse zusammengepfercht werden. Wie kann man sich das erklären, dass ein Schüler, der zwei Jahre nicht zu Schule gegangen ist, sich pötzlich als 18jähriger in der neunten wiederfindet und eigentlich den HS-Abschluss geschenkt bekommen hat? Wie kann es sein, dass bei uns ein Schüler aus der zehnten zurücktritt in die neunte. Dann die zehnte neu beginnt, rein gar nichts leistet, die HS aber nicht besuchen will, sondern die zehnte wiederholen wird (eigene Aussage). Bei uns möglich!


    Zum Thema regelmäßige Tests: Die SuS kennen mich seit einem Jahr aus anderen Fächern. Sie wissen, dass ich ein umgänglicher und hilfsbereiter Mensch bin. Als ich dann mit einem neuen Fach in Geschichte begann, konnte ich praktisch nicht unterrichten, weil die Klasse außer Rand und Band war (war auch bei anderen Lehrer so). Ich musste nur sanktionieren und dazu gehörten auch eben die Tests. Sogar die Lehrerin sagte, dass die gesamte Klasse (es sind 20) häufig überhaupt nicht lernt und glaubt, gut durchzukommen. Sie stärkt mir sogar den Rücken, wenn ich, sagen wir, acht Fünfen in den Zeugnissen verteile.
    Ach ja. Mittlerweile hören mir die meisten gebannt zu und machen mit! Ist allerdings sehr spät.



    Zum Thema Leistungsstand: Ich habe zahlreiche SuS, die in einfachen Tests versagen. Ich sage in den Klassen genau Bescheid, was dran kommt und was zahlreiche Male behandelt wurde und trotzdem hagelt es Vieren und Fünfen? Einzelfall? Anderen Kollegen können ein Lied davon singen!


    Ich bin leider nicht der einzige, der denkt, dass etwas an unserer Schule schief läuft. Auch anderen Kollegen geht es so, sie sagen dies auch ständig in unseren Konferenzen aber letzendlich passiert nichts oder man akzeptiert nicht das, was sie sagen.



    Ach ja. Natürlich stelle ich nach der Probezeit einen Umsetzungantrag, da ich sowieso nicht beabsichtige für immer in der Region zu bleiben.



    Mich würde noch eure Meinung interessieren zum Thema Türken von Noten in Tests und Klassenarbeiten!

  • Hallo,


    bleibe standhaft!


    Du hast gute Gründe für deine Arbeitsweise und kannst diese ausführlichst begründen (s. dein Post). Halte dich an den Lehrplan und dokumentiere Verfehlungen der Schüler.
    Niemand wird es dir danken, wenn du "Kuschelpädagogik" betreibst, am wenigsten die Schüler selbst. (Du kannst ja trotzdem nett zu ihnen sein, aber fordere sie.)
    Spätestens bei Vergleichsarbeiten/ZAPs wird sich zeigen, wer den Schülern wirklich etwas beigebracht hat und wer nicht.
    Mache deine Arbeit gut und voller Überzeugung und strahle dies aus. Dann kann dir keiner was.
    Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.


    Liebe Grüße,
    Bine

    • Offizieller Beitrag

    Das, was Wollsocken schreibt, meinte ich, wenn ich von "Perspektivenwechsel" schreibe.
    Und das, was binemei schreibt, ist das, was unsere nicht teamfähigen "Was der Lehrplan bedeutet, definiere ICH"-Kollegen, gerne mal von sich behaupten. Ihre Weigerung, die Ansichten und Areitsweisen anderer zur Kenntnis zu nehmen, setzen sie gleich mit "standhaft bleiben".
    Ich halte eine gute Koordniation für sehr hilfreich. Je enger man inhaltlich beisammen ist, desto enger ist man es auch bei den Standardsm, die gesetzt werden.


    In meinem Fachbereich werden freiwillig alle Arbeiten koordiniert gechrieben. Wer es grad mal nicht gepackt hat oder krank war, kann auch mal ausscheren, da sagt keiner was. Wir haben einen riesigen Materialpool in den mittlerweile alle ab und zu etwas reingeben. Im Prinzip brauchen wir keine extrenen Unterrichtsmaterialen mehr. Und man konzipiert nur ein Mal im Jahr höchsten ne Klausur und nen Erwartungshoriszont. Läuft komplett problemlos.


    Das Problem mit den unterschiedlichen Standards haben wir daher schon lange nicht mehr. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen. Nach oben und unten. Die glauben auch, sie wären die einzigen, die Recht haben... nur bei denen, die nach oben ausscheren (=Punkte wie Konfetti), sind die Schüler auch der Meinung ;) . Beide Formen sind bei uns absolute Einzelfälle... ansonsten arbeiten über 20 Lehrer der Fachschaft so, dass es im Abi selten mehr als 1 Punkt Abweichung bei der Kokorrektur gibt. Das entsteht übrigens durch Gespräche, Gespräche, und nochmal Gespräche (keine Dauerkonferenzen, einfach gute Vernetzung)- - und eher nicht durch "ich finde die Arbeit aller anderen Scheiße und weiß als einziger, was ich tue!" Oder "Nur der strengste Lehrer ist der Beste".

    • Offizieller Beitrag

    auf mich wirkt das Ganze wie eine total verfahrene Machtkampfsituation.
    Die Schüler lernen nicht --du gibst schlechte Noten -- sie regen sich auf und lernen noch weniger -- ein Teufelskreis.
    Nach meiner Erfahrunf gschätzen es Schüler durchaus, wenn sie bei einem Lehrer "Was lernen". Auc h wenn sie dafür gefordert werden. Auch wenn es Gemurre gibt.
    Vielleicht prüfst du ein wenig zu viel ab?
    Jede Woche eine schriftliche Abfrage in deinen Fächern kommt mir persönlich extrem viel vor, du schreibst ja keine Tests über auswendig zu lernende Vokabeln.
    Welche Möglichkeiten der mündlichen Notenbildung hast du?
    Lobst du die Klasse(n) auch mal?
    Dass du ihnen nur "Gutes" willst, glauben die Schüler erst dann, wenn sie es spüren. Wenn aber euer Verhältnis aus Bockigkeit und Druck und Bockigkeit und Druck besteht, kann das nichts werden.
    Vll kann man in einem (moderierten?) Gespräch klären, wo der Hund begraben liegt.
    Damit will ich keiner Kuschelpädagogik das Wort geben.


    Was passiert, wenn viele die HA nicht anfertigen? Wie reagierst du dann?
    Welche Rückmeldungen gibst du/ gibt die Schule den Eltern?


    Habt ihr eine zentrale Abschlussprüfung nach Klasse 10?


    Nur prüfen und abprüfen und wieder prüfen bringt nichts.

  • Das Koordienieren von Arbeiten wird bei uns auch gemacht bzw. soll gemacht werden und da fangen die Probleme an: Ich habe eine Kollegin, die mich nicht leiden kann. Ich sollte zum ersten Mal einen bestimmten Inhalt unterrichten. Bezüglich dieses Inhalts sollten die SuS individuell etwas in wochenlanger Arbeit schriftlich angefertigen, dass benotet wird und für den Abschluss wichtig ist. Ich habe zwei Mal darum gebeten (Monate im Voraus), dass Sie mir die Informationen für die SuS und für die Lehrer u.v.w. geben mögen, da ich nichts hätte. Sie konzipierte als Fachbereichsleitung den ganzen Kram und war im Besitz der wertvollen Informationen. Sie wimmelte mich zwei Mal ab. Beim zweiten Mal wurde sie sogar richtig böse, weil ich in der Konferenz gewagt hatte, nach Informationen zu fragen, die sie mir hätte geben müssen.
    Als erfahrene Lehrerin muss sie auch immer wieder neue Klassenarbeiten konzipieren. Teilweise einen Abend vorher, legt sie sie mir dann morgens auf den Tisch, die ich dann schreiben lassen soll. Ich biete allerdings immer an, die Arbeiten zusammen zu konzipieren, aber immer wenn ich Zeit habe, hat sie keine Zeit oder wimmelt mich ab. Darauf habe ich auch keinen Bock mehr.


    A prospos Vernetzung: Gibt es bei uns allzuhäufig nicht. Will man kooperien, ist man oft der einzige Dumme, der sich "so viel Arbeit" macht.

  • Hier kam ja schon der Hinweis auf die Kenntnis der rechlichen Rahmenbedingungen...


    Wenn Kollegen nicht zusammenarbeiten wollen, kann man sie auf der Grundlage der geltenden Erlasse & des NSchG zwingen:
    Zum einen müsst ihr für die Fächer jeweils ein schulinternes Curriculum haben.
    Zum anderen jährlich einen Plan aufstellen, wie das "theoretische" Curriculum in dem spezifischen Schuljahr umgesetzt werden soll (ist ja ein Unterschied, ob ich (im letzten Schuljahr) viele viele Unterrichtswochen zur Verfügung habe oder (in diesem Schuljahr) das Schuljahr fast drei Monate kürzer ist.
    Und an diesen Jahresplan hält man sich dann (erste Arbeit zu Thema 1 vor den Herbstferien. Zweite Arbeit zum nächsten Thema vor den Weihnachtsferien etc. -> eine "erlasslich erzwungene" Vernetzung.


    Zum Thema "Rechtfertigung der schlechten Klassenarbeiten" beim Schulleiter / Betteln um Genehmigung:
    Lt. Erlass gibt es nunmal die 30%-Regel. Ist das überschritten, muss (lt. Erlass) nochmal geschrieben werden, da (lt. Erlass) die Arbeit nicht gewertet wird. In Ausnahmefällen (lt. Erlass) kann die Arbeit doch gewertet werden. Die Ausnahme regelt der Schulleiter - dazu muss er die Umstände kennen & einschätzen können. Die Klassenelternschaft muss (lt. Erlass) informiert werden, die Umstände erläutert werden. Wenn dich also dein Schulleiter ausführlich begründen lässt, dann setzt er den Erlass um. Tust du das auch? Informierst du die gewählten Elternvertreter? Falls ja, dann kannst du denen gegenüber die selbe Begründung verwenden, die du auch beim SL eingereicht hast - ist also keine doppelte Arbeit...


    Ja, die Kenntnis der Rahmenbedingungen hilft dir einerseits dabei, "sanften Druck" auf deine Kollegen auszuüben. Andererseits hilft dir die Kenntnis aber auch dabei, das Handeln des einen oder anderen zu verstehen (und nicht als Schikane anzusehen).

  • Leider fallen mir diese Punkte in meiner täglichen Arbeit immer schwerer, da zahlreiche Kollegen (aber auch die Schulleitung) die Schüler zu wenig fordern, immer nett sein wollen, Sympathie bei den Schülern gewinnen wollen oder einfach nur glauben: "Schüler von heute können immer weniger, also fordere ich auch immer weniger!"

    Das ist an unserem Gymnasium auch so. Teilweise ist es Gutmenschentum, teilweise aber auch einfach Resignation, weil leider wirklich immer schwächere Schüler auch aufs Gymnasium geschickt werden und die Kollegen sich dann keinen zu großen Streß machen wollen. Ich gehöre, wie Du, zu denen, die anspruchsvolle Tests und Klausuren konzipieren und ein hohes fachliches Niveau von den Schülern einfordern. Ich war selber allerdings auch eine 1er Schülerin und habe eben diese Perspektive. Ich fand es damals an der Schule schon erstaunlich leicht. Allerdings kann ich Klausuren vom Kaliber von damals meinen Schülern nicht mehr vorsetzen, da das Niveau noch weiter gesunken ist. Aber nicht nur in meinen Fächern: Ich erinnere mich noch an einem Mathelehrer, der uns in JEDER Klassenarbeit mindestens (!) eine Aufgabe gab, wo man etwas herleiten und beweisen sollte. Das waren richtige Knobelaufgaben, die mir Spaß gemacht haben. Als ich da mit Mathekollegen darüber sprach haben die gelacht:"Nein nein, solche Aufgaben kann man im Profilkurs vielleicht mal bringen. Und das auch nur mit viel Übung vorher."





    - Ich lasse eine Werte und Normen - Arbeit schreiben und das Ergebnis fällt folgendermaßen aus: 50 % 5 und 6, zwei 1en und eine zwei. Bei der Rechtfertigung bei der Schulleitung hieß es, dass nochmal solch eine Arbeit nicht genehmigt werde. Ich habe allerdings mit den Schülern zahlreich geübt, genauestens erklärt, alle wussten, was drankommt und die Fragen waren wirklich einfach (sagte auch die Fachbereichsleitung). In Wirklichkeit haben wahrscheinlich wenige gelernt, viele fehlen dauernd (Di und Mi ist Werte und Normen), Hausaufgaben werden oft nicht gemacht, viele schwache Schüler (einige mit HS-Empfehlung, einer wurde in die 6. Klasse versetzt, damit es nicht zu viele Sitzenbleiber gibt), viele haben große Schwierigkeiten zu denken oder glsauben, Werte und Normen ist eine Laberstunde, in der man nichts tun muss.

    Den Spaß habe ich mit der SL auch schon durch. Ganz schwacher Kurs bis auf drei echt gute Schüler. Diese haben dann auch im 1er und 2er Bereich geschrieben. Möglich war es absolut, aber eben anspruchsvoll. Eben echter Gymnasialstoff.
    Als die Schulleitung mich nachschreiben ließ habe ich eine absolute Dödelklausur geschrieben mit schlechtester Note 3. Komisch, hat ihm irgendwie auch nicht gepasst.
    Seitdem bekomme ich alles genehmigt. Ich muss aber auch sagen, dass ich so einen schlechten Kurs auch nicht noch einmal hatte so, dass es zwar oftmals schlecht ausfiel, aber eben nicht so, dass es genehmigt werden musste.
    In dem Kurs aber eben regelmäßig.
    Ganz ehrlich, wenn die Schulleitung sagt die Klausur war zu schwer, dann freu dich und mach korrekturfreundlichen Dödelkram.
    Entweder man vertraut meiner Kompetenz das Leistungsvermögen adäquat abzuprüfen, oder eben nicht. Es gibt nun einmal schwache Kurse und es gibt heutzutage sehr viele Kinder, die einfach auf der falschen Schule sind.
    Anstatt das Niveau abzusenken sollte man schleunigst dafür sorgen, dass die Schüler anderen Schulformen zugeführt werden. Damals war das Gymnasium noch eine Schule für wissbegierige und leistungsstarke Schüler, die Realschule hatte einen soliden Ruf und auch gute Noten an der Hauptschule waren in Ausbildungsberufen etwas wert.
    Dadurch, dass man das Niveau so verkommen lässt und das Gymnasium die neue Realschule, bzw. die Realschule die neue Hauptschule ist, entwerten sich natürlich auch die Abschlüsse.

  • Endlich mal jemand, der mich versteht.
    Ich hasse diese Gefühl, vorne zu stehen, zu unterrichten und meine Schüler nehmen den Unterricht und das Thema nicht ernst. Das passiert mir immer seltener und in immer weniger Klassen (ja, ich reflektiere mich und kann auf 1,5 Jahre Tätigkleit zurückblicken, die von Erfolgen aber auch Misserfolgen gekrönt ist).
    Ich bereite mich recht gut vor (aber manchmal muss es eben auch Dienst nach Vorschrift sein), überlege mir etwas Lebensweltbezogenes und erkläre so gut wie immer, wofür meine Schüler den Stoff gebrauchen können. Wenn man aber hört: "Eine Fünf oder Sechs ist doch egal, brauche ich do soweiso nicht für meinen Beruf!" und meine Pappenheimer miserable Leistungen erbringen ist das schon unbefriedigend, wenn aber Leistungsunwille auch noch von den lieben Kollegen gebilligt wird ist das arg und verantwortungslos. Man kriegt sehr wohl mit, dass bestimmte Klassen bei bestimmten Lehrern mehr oder weniger gut sind und bei anderen wiederum schwach. Wenn man aber hinhört und genau hinschaut, bekommt man mit, wie Arbeiten mit Absicht so leicht gestaltet werden, dass sie den Vorgaben um Längen nicht entsprechen, Noten getürkt werden usw. Aber soetwas darf nicht laut, und schon gar nicht auf einer Konferenz, gesagt werden. Was rauskommt sind Schüler, die Glauben recht intelligent zu sein, da sie eine Realschule besuchen. Die Lehrer in den letzten Jahren können sich nicht geirrt haben. Und wenn dann ein engagierter Lehrer ankommt, der es auch noch wagt, Leistung zu erwarten, ja dann gibt es Ärger.


    Es ist ja auch nicht so, dass ich von den Schülern gehasst werde. Ganz im Gegenteil schauen viele Schüler zu mir herauf und meine 5. Klasse respektiert mich und sieht mich als denjenigen an, der die Spielregeln macht. Vieles von dem, was nicht gut funktionierte, lag überwiegend daran, dass das Ref und die Uni mich schlecht auf den beruf vorbereitet haben. Im nächsten Durchgang bin ich schon fitter, selbstbewusster und auf viele Situationen besser vorbereitet. Ich werde jedoch nicht kapitulieren, wie einige andere Lehrkräfte an der Schule. Vielmehr werde ich für meine Ideen kämpfen und Kollegen ins Boot, damit wir unserem Leitspruch gerecht werden, der explizit die Leistung in den Vordergrund stellt.

  • für mich klingt das vor allem danach, dass du dich ganz dringend entspannen solltest. du bist erst sehr kurze zeit lehrer, noch keine fünf jahre. vielleicht musst du dich selber und deinen stil erst noch ein bisschen finden? nimm dich, die schule, überhaupt alles nicht so wichtig. mach das, so gut du und die kinder es zusammen (!) eben hinbekommen. konflikte muss man manchmal eingehen, aber du scheinst eine große menge davon am laufen zu haben (mit klassen, mit kollegen, mit dem chef...). such dir einen davon aus, den du für den wichtigsten hältst, und zieh den durch, wenn es denn deiner meinung nach unbedingt sein muss ("chose your battle"). aber auch hier: entspann dich. so lebensentscheidend ist das alles auch wieder nicht.


    es könnte auch sein, dass es einfach bei dir mit der schule nicht passt, die chemie nicht stimmt. das kommt vor und sagt weder wirklich was schlechtes über dich, noch über die schule. such dir eine andere, die besser passt, und werd' da glücklich.

  • Ich würde kecks hier zustimmen. Und noch ergänzen:
    Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, dass Jungelehrer denken, sie seien die einzigen, die hier noch Ansprüche stellen und das Niveau hochhalten. Viele definieren sich geradezu über schlechte Noten bzw. schlechte Notenschnitte und denken, die (meist älteren) Kollegen, bei denen bessere Schnitte herauskommen seien zu weich, hätten ihre Ansprüche gesenkt etc.
    Oftmals steckt dahinter aber tatsächlich der Effekt, dass man mit wachsender Erfahrung auch versteckte Schwierigkeiten in Themen/Aufgabenstellungen etc. bemerkt, die die Aufgaben und Klausuren nochmal ungewollt schwerer machen. Oder man hat für sich bessere, effektivere Methoden entwickelt, um den Stoff so zu vermitteln, dass die Schüler es auch kapieren. Oder man setzt tatsächlich seine Schwerpunkte anders oder passt seine Erwartungshaltungen etwas an, was allerdings nicht gleichbedeutend mit "Niveau senken" sein muss.


    Diese "Hoppla, hier komm ich"-Haltung von vielen neuen Kollegen kann man dann nur müde belächeln.

  • Klar, das sind berechtigte Ideen und Betrachtungsweisen und in einigen finde ich mich auch wieder. Zu richtigen Konflikten kam es noch nicht (außer den mit der einen Klasse). Nun mache ich mir aber doch Gedanken, dass meine Klassenarbeiten wirklich schlecht ausfallen und ich mich ständig rechtfertigen muss.

  • Dadurch, dass man das Niveau so verkommen lässt und das Gymnasium die neue Realschule, bzw. die Realschule die neue Hauptschule ist, entwerten sich natürlich auch die Abschlüsse.

    Sei mir nicht böse Firelilly, aber mit Kenntnis deiner anderen Beiträge hier im Forum kann ich deine Aussagen nicht ganz ernst nehmen.

  • Ich kann Dich gut verstehen, Krystian. Ich weiß von anderen Schulen, dass das so ist, und auch ich selbst sehe manchmal in sehr offensichtlichen Situationen, dass Schüler nicht zum Fleiß bereit sind. Z.B., wenn ein Vokabeltest angesagt wurde: Was liegt da näher, als sich die paar Vokabeln anzugucken und dann eben einen guten Test zu schreiben?


    Allerdings bringt es nichts, sich darüber aufzuregen. Es ist so, wie es ist, und man sollte dort kleine Dinge bewirken, wo man Gestaltungsmöglichkeit hat. Arrangier Dich mit der Situation und back kleine Brötchen. Und wenn das nicht klappt, backst Du eben noch kleinere. Sich aufzuregen ist ungesund, verdirbt oft die Stimmng in der Klasse und/oder mit Kollegen und bringt ohnehin nichts.


    Der eigentliche Skandal ist in meinen Augen aber nicht die eigene Situation; sondern dass das Schulsystem für das viele Geld, das da reingepumpt wird, erstaunlich wenig leistet. Viele Lehrkräfte stellen fest, dass das Niveau sinkt, viele Arbeitgeber beklagen, dass nicht wenige Schulabgänger die einfachsten Sachen nicht beherrschen, an den Unis werden Nachholkurse für die Abiturienten eingerichtet usw usw. .


    Und der Gipfel ist, dass das alles so von der Bildungspolitik gewollt zu sein scheint. Man möchte eben, dass immer mehr Kinder das Abitur machen; Man möchte nicht, dass die Kinder -egal auf welcher Schulform- zu einer korrekten Rechtschreibung angehalten werden, usw.] Ich möchte nicht parteipolitisch werden, aber es ist klar, in welche Richtung die 'Erlasse von oben' weisen. Die sind teilweise dermaßen idiotisch, dass die Schüler zu oberflächlicher Arbeitsweise verführt -wenn nicht gar gezwungen- werden. Wie kann man den Schülern ihr nicht erwünschtes Verhalten dann noch verübeln?


    Also, immer locker bleiben, kleine Ziele stecken und die Momente mit den Schülern genießen. Denn persönlich sind sie zum allergrößten Teil doch ganz nett. Immerhin!

  • Ich bereite mich recht gut vor (aber manchmal muss es eben auch Dienst nach Vorschrift sein), überlege mir etwas Lebensweltbezogenes und erkläre so gut wie immer, wofür meine Schüler den Stoff gebrauchen können.

    Wozu können Sie den Stoff denn gebrauchen? Ich sage meinen SuS in der 1. Stunde Chemieunterricht am Gymnasium sinngemäss ... "Wissen Sie was Sie wirklich können müssen? Lesen, Schreiben und Dreisatzrechnen. Der Rest ist Luxus." Es geht heutzutage nur noch sekundär um Inhalte, primär geht es um Kompetenzen. Ich weiss, bei den meisten Kollegen hier wird das Wort "Kompetenzen" instantan Ausschlag verursachen, ich nehme es aber wirklich ernst. Wissen hat heutzutage dank Tante Google & Co. kaum noch Bestand, die Welt dreht sich sozusagen schneller als noch vor 10 oder 20 Jahren. Ich vermittle meinen SuS am Beispiel Chemie gewisse Problemlösestrategien, die sie am Ende auf möglichst beliebige Fragestellungen anwenden können sollten. Es wäre gelogen zu behaupten, dass auch nur ein einziger von denen ernsthaft wissen muss, wie ein Atom aufgebaut ist bzw. wie man sich vorstellt, dass es aufgebaut ist. Was Du für "lebensweltbezogen" hältst, finden Deine SuS möglicherweise totsterbenslangweilig und schon hast Du ein Problem mit der Motivation. Finde raus was die hören wollen, was sie interessiert. Du hast im Rahmen Deines Lehrplans durchaus Gestaltungsfreiraum.



    Ich war selber allerdings auch eine 1er Schülerin und habe eben diese Perspektive. Ich fand es damals an der Schule schon erstaunlich leicht. Allerdings kann ich Klausuren vom Kaliber von damals meinen Schülern nicht mehr vorsetzen, da das Niveau noch weiter gesunken ist.

    Wann ist denn "damals"? Ich hab mein Abi vor 16 Jahren gemacht, das waren völlig andere Zeiten. Es spielt keine Rolle, wie man selbst als Schüler drauf war, wir unterrichten die SuS, die im Hier und Jetzt leben - mit Tante Google und Youtube, die häufig ebenso informativ wie Schule und für die Jugendlichen meistens viel "attraktiver" sind als wir Lehrer. Ich hab selbst das "heilige" bayrische Zentralabitur gemacht und kann mir dank Stark Abitrainer einfach anschauen, wie meine eigenen Aibklausuren ausgesehen haben. Jawohl, wir haben brav gelernt, was man uns vorgesetzt hat und es dann bei der Prüfung ebenso brav wieder ausgespuckt. Mit o. g. Problemlösestrategien hatte das aber wenig zu tun, kritisches Hinterfragen war im System nämlich nicht vorgesehen. Unsere SuS heute fragen zu Recht wozu das alles gut sein soll und dann muss man sich eben ernsthaft was einfallen lassen.



    Man möchte eben, dass immer mehr Kinder das Abitur machen;

    Ja ... das scheint mir in der Tat ein Problem zu sein. Insofern kann ich es schon verstehen, wenn einer sich in diesem System sich nicht recht wohl fühlt.



    für mich klingt das vor allem danach, dass du dich ganz dringend entspannen solltest. du bist erst sehr kurze zeit lehrer, noch keine fünf jahre. vielleicht musst du dich selber und deinen stil erst noch ein bisschen finden? nimm dich, die schule, überhaupt alles nicht so wichtig.

    Unbedingt. :) Du schreibst doch selber, Du willst was bewirken. Das schaffst Du aber nicht indem Du Dir selbst und Deinen SuS schlechte Laune machst. Du musst da irgendwie einen weniger verkniffenen Weg finden.

  • >> Wozu können Sie den Stoff denn gebrauchen? Ich sage meinen SuS in der 1. Stunde Chemieunterricht am Gymnasium sinngemäss ... "Wissen Sie was Sie wirklich können müssen? Lesen, Schreiben und Dreisatzrechnen. Der Rest ist Luxus." Es geht heutzutage nur noch sekundär um Inhalte, primär geht es um Kompetenzen.


    Off-topic, aber diese Haltung finde ich so furchtbar, dass ich meine Meinung loswerden muss. Lesen, Schreiben und Dreisatz reicht, um auf der Couch zu sitzen und an Kartoffelchips und Privatfernsehen ihr Vergnügen zu finden. Beruflich reichen die von der Wirtschaft gewünschten Kompetenzen, mehr braucht man nicht für ein zufriedenes Leben. Das stimmt. Ich möchte in Zukunft aber mit anderen Mitbürgern zusammenleben, die die Gesellschaft mitgestalten. Die sinnvoll eine Meinung vertreten können zu Vorratsdatenspeicherung, EU-Mitgliedschaft, Störerhaftung, Verschlüsselungsverboten, Flüchtlingen. Und da reichen diese Kompetenzen nicht.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

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