Ein herzliches Hallo an alle!
Dies ist mein erster Post, da ich mich in letzter Zeit an meiner Schule kaum verstanden fühle.
Es geht um Folgendes:
Ich unterrichte an einer kleinen Realschule in einer kleineren Gemeinde und mag meinen Beruf und glaube (immernoch) etwas bewirken zu können und Schüler nachhaltig zu prägen oder vielleicht erziehen zu können. Leider fallen mir diese Punkte in meiner täglichen Arbeit immer schwerer, da zahlreiche Kollegen (aber auch die Schulleitung) die Schüler zu wenig fordern, immer nett sein wollen, Sympathie bei den Schülern gewinnen wollen oder einfach nur glauben: "Schüler von heute können immer weniger, also fordere ich auch immer weniger!"
An einigen Beispielen kann ich gut erläutern, mit welchen Problemen ich zu tun habe oder was mich enttäuscht.
- Ich lasse eine Werte und Normen - Arbeit schreiben und das Ergebnis fällt folgendermaßen aus: 50 % 5 und 6, zwei 1en und eine zwei. Bei der Rechtfertigung bei der Schulleitung hieß es, dass nochmal solch eine Arbeit nicht genehmigt werde. Ich habe allerdings mit den Schülern zahlreich geübt, genauestens erklärt, alle wussten, was drankommt und die Fragen waren wirklich einfach (sagte auch die Fachbereichsleitung). In Wirklichkeit haben wahrscheinlich wenige gelernt, viele fehlen dauernd (Di und Mi ist Werte und Normen), Hausaufgaben werden oft nicht gemacht, viele schwache Schüler (einige mit HS-Empfehlung, einer wurde in die 6. Klasse versetzt, damit es nicht zu viele Sitzenbleiber gibt), viele haben große Schwierigkeiten zu denken oder glsauben, Werte und Normen ist eine Laberstunde, in der man nichts tun muss. Ich habe nun den Schülern reinen Wein eingeschenkt und warte den nächsten Test ab - Widerstand gab es keinen.
- Ich habe zwei 10. Klassen in Deutsch. Eine läuft super, die andere lief lange Zeit nicht. Die, die nicht gut lief, hat sich mindestens 8 Monate nahezu täglich bei der Schulleitung und der Sozialpädagogin beschwert: Immer, wenn es schlechte Zensuren gab (die Klasse ist wirklisch sehr schwach) gab es Beschwerden. Wenn ich in der 5 Minuten Pause mit der Klassenarbeit beginnen wollte, hieß es, dass ich den Schülern die Pause wegnehme. Es kursierten auch böse Gerüchte über mich und eines Tages verstanden sie, dass ich der Lehrer bin und die Regeln mache und ihnen nichts Böses will.
In dieser Klasse befinden sich zahlreiche Schüler, die in psychotherapeutischer Therapie waren oder sind. In der 9. Klasse hatte ich einen Achtzehnjährigen, der nur seinen HS-Abschluss bekam, weil ich ihm noch gerade so eine 4- statt einer 5 gab (die Mutter wollte uns bzw. mich bei der Landesschulbehörde melden).
Grundsätzlich herrscht in dieser Klasse mehr oder weniger ein Unwille, Leistung zu zeigen, aber gute Noten wollen alle. Hier noch ein Beispiel aus der 9. Klasse: Zwei Schüler sollen vorne präsentieren, wissen rein gar nichts (okay die Überschrift konnten sie noch ablesen) und erhalten eine 6, weil sie nichts sagen konnten und auch nicht präsentieren wollten, obwohl ich darum bat, das vorzustellen, was sie wüssten. Hinterher: Massive Anschuldigungen, Beschwerden. Danch musste ich der ganzen Klasse erklären, wie wenig Leistung man zeigen muss, um eine 6 zu erhalten.
Ein Schülerin, 17 Jahre liest ein Jugendbuch. Von den Eltern kommen Anschuldigungen, dass ich den Schülern vieles nicht beibringe, was absolut gelogen ist (ich habe mich bei den Eltern an diesem Tag durchgesetzt und es herrschte Ruhe). Diese Schülerin behauptete dann auch noch, dass 350 Seiten sie überfordern würden, wobei sie mindestens 6 Wochen Zeit hatte, das Buch zu lesen.
Ich fragte mich immer wieder, warum diese Klasse so schräg ist. Die Antwort:
Die Klassenlehrerin (habe zu ihr einen guten Draht) übt mit ihrer Klasse immer für eine Klassenarbeit, indem sie eine Probeklausur mit ihnen durchpaukt und eine Woche später landet eine nahezu identische Klassenarbeit auf dem Platz der Schüler, wobei einige Wörter und Kleinigkeiten ausgetauscht wurden (so sagte sie es einem Kollegen).
Weitere Beispiele:
- In einer 10. Klasse macht eine Kollegin regelmäßig eine Abfrage, wobei jeder Schüler dabei in seine Mappe schauen darf.
- Ich lasse eine Arbeit in der 6. Klasse Geschichte schreiben (alle Fragen stammen aus dem Schülerbuch oder der Mappe oder aus Hausaufgaben, die so gut wie keiner machte). Einwand von einer Kollegin: "Oh die ist aber schwer!" Dabei konzipierte ich die Fragen genau nach Lehrplan, Buch, Operatoren, Kerncurriculum usw.
- In der gleichen Klasse lasse ich jede Woche einen Kurztest über die letzte Stunde schreiben (einfache Fragen, alles in der Mappe). Ergebnis: Fast ausschließlich 5 und 6 und dies immer.
- Die Matheabschlussarbeiten fallen jedes Jahr weit unter dem Landesdurchschnitt aus.
- In der letzten Zeugniskonferenz wurden etliche in die 6. Klasse versetzt (obwohl sie nicht hätten versetzt werden dürfen), damit wir zwei statt drei 5. Klassen führen können.
- Ein Schüler bekam schon die vierte Konferenz. Ergebnis: Er erhält nun Smileys, sobald er sich gut benommen hat, dem er nicht nachkommt. Er wird ständig gemobbt und drohte schon, alle, die ihn ärgern würden, abzustechen.
- Die schlechteste Einschätzung im Sozial- und Arbeitsverhalten erhalten nur die absoluten Kracher. Respektlose und faule Schüler kommen meistens mit einem blauen Augen davon.
- Trotz miserabler Leistungen halten sich viele Schüler in der Realschule (Dunkelziffer: 30%). Sie entsprechen absolut nicht dem Leistungsstand eines Realschülers. Wir haben sogar einige 18jährige in den 10. Klassen (bei mir war in der neunten auch schon ein 18jähriger).
Mein Einschätzung dieser ständig wiederkehrenden Vorfälle ist Folgende: Die Schüler werden verhätschelt und die Lehrer haben Angst vor Stress mit Eltern und der Schulleitung.
Aus sicherer Quelle weiß ich, dass Ergebnisse in den Klassenarbeiten ins Positive grückt werden, damit diese nicht genehmigt werden müssen. Ein Hardliner an unserer Schule ließ sich in einem halbjahr 8 Arbeiten genehmigen. Nur wenige haben den Mut, ihr "Programm" durchzuziehen. Ich zähle mich zu denen, die sich absichern und nicht lumpen lassen. Ich halte es für verantwortungslos, den Schülern gut Noten zu geben und später stellen sie fest, dass sie massive Rückstände haben. Unsere Schule hat auch den Ruf, dass bei uns jeder seinen Realschulabschluss schafft. Im Prinzip wird also jeder mitgezogen.
Habt ihr Tipps, wie man in diesem Wahnsinn halbwegs gut durchkommt, ohne sich Feinde zu machen? Ich möchte nun nach meiner 1,5 jährigen Tätigkeit nicht das Verhältnis zur Schulleitung zerstören.