Was wurde eigentlich aus der Mengelehre?

  • Da ist mir doch gerade ein Elternratgeber zum Thema Mengelehre von 1970 in die Hände gefallen. Ein Abgesang auf die "alte und langweilige Form des Rechnens". Was ist denn eigentlich aus der Mengelehre geworden?


    - Martin


    P.S.: Muttern sagte, sie war heilfroh, dass ich dazu keine Hilfe von ihr brauchte.

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

  • Die Mengenlehre hat sich verlagert.


    Sie steht in Berlin, Bremen, Bayern, Hessen, NRW und im Saarland im Lehrplan der Sonder-/Förderschule.


    Im Grundschullehrplan nur noch in Berlin. In Rheinland-Pfalz auf dem der SEK I.


    Grüße Enja

  • Ich nicht.


    Mein Vater machte damals Fortbildungsseminare für Lehrer, die Mengenlehre unterrichten mussten. Das war wohl recht schwierig. Die Grundschullehrer unterrichteten Mathe oft fachfremd und hatten dann die größten Schwierigkeiten, damit zurechtzukommen.


    Die Eltern, daran gewöhnt, Hilfslehrer zu sein, störten sich ebenfalls massiv an der Mengenlehre. Sie konnten das nicht. Und daran waren sie bei ihren Grundschulkindern nicht gewöhnt. Es gab deshalb jede Menge VHS-Kurse, um die Eltern auf den richtigen Stand zu bringen. Es kriselte rundum und von Anfang an. Dann halten sich solche Neuerungen häufig nicht. Die Kultusminister sind wohl eher auch keine Mathematiker. Und anderen Leuten erschloss sich der Sinn der Übung wohl oft nicht.


    Wir hatten Mengenlehre, kombiniert mit Boolescher Algebra und Aussagenlogik in der 7. Klasse Gymnasium. Das war eine gute Sache, die ich auch entsprechend in netter Erinnerung habe. Kommt halt immer drauf an, wie es geboten wird.


    Grüße Enja

  • Viele der damals erarbeiteten Methoden sind heute in der Grundschule alltäglich und werden kaum noch wahrgenommen. Mengenschaubilder, Cuisenaire-Stäbe, Mengenplättchen etcpp sind aus der Grundschulmathematik nicht wegzudenken.


    Auch in den höheren Klassen sind Zuordnungstabellen, Venn-Diagramme usw. Mittel der veranschaulichung und Problemlösung. Mengenlehre wird eben nur nicht mehr singulär und allseligmachend angepriesen. Sie ist ein Zugang zur Lösung und Veranschaulichung mathematischer Fragestellungen unter vielen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Bei der strengen Mengenlehre, wie ich sie um 1970 in Hamburg in der ersten Klasse unterichten musste, brauchte es ein Jahr, um Kindern Dinge vrständlich zu machen, die sie im vierten Schuljahr innert 6 Wochen begreifen. Einige Inhalte der Mengenlehre werden heute im Rahmen der logischen Schulung unterrichtet.


    bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • In dem "Elternlehrbuch" hier steht aber:
    "der Siegeszug der neuen Mathematik ist trotz aller Unkenrufe nicht mehr aufzuhalten". ;)
    Und: "Das neue Mathematiklernen bereitet ungleich mehr Freude als das alte."


    Na da hatte ich aber Glück, dass ich in diesem schmalen Fenster mathematischer Experimentierfreude meine Grundschulzeit verbringen durfte. War doch ganz einfach, die farbigen Plättchen zur Freude der Lehrerin zu gruppieren.


    - Martin

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von oh-ein-papa ()

  • Auf der Uni hatte uns der Prof das ebenfalls so - verkürzt - dargestellt, aufgrund des sogenannten "Sputnik-Schocks" musste/ wollte man alles/vieles heute/jetzt/ gleich/ sofort ändern um wieder, bzw. weiterhin konkurrenzfähig zu sein.


    Grüße, Sabi

  • Zitat

    aufgrund des sogenannten "Sputnik-Schocks" musste/ wollte man alles/vieles heute/jetzt/ gleich/ sofort ändern um wieder, bzw. weiterhin konkurrenzfähig zu sein




    Man könnte fast denken, die Italiener hätten den schiefen Turm in einen Erdorbit geschossen...


    Gruß,
    Remus

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • Ach, Du kennst nicht den Geheimzirkel von ehemaligen Grundschülern die sich zu Mengenlehre-Partys mit ihren alten Kästchen trifft? Na wenn Du mal nach Süddeutschland kommst bist Du herzlich eingeladen.


    Mir ist die Mengenlehre mit 4 Jahren begegnet, als mein älterer Bruder heulend meine Mutter beschwor, daß die Dinge zu schwer für ihn als Erstklässler wären. Meine Mutter erklärte es mir in wenigen Minuten (sie hatte auch den VHS Kurs für Eltern gemacht) und ich löste seine Schulaufgaben.
    Mein anderer Bruder (damals 16) hat sich dann, als ich in die Schule kam, in seinem jugendlichen Leichtsinn bereit erklärt, meiner Lehrerin das mal zu erklären (die blickte das nicht und ich war unglücklich) und die Schule war not amused.


    Ja schade eigentlich, daß die Kinder das nicht mehr haben. Aber es erspart viele Diskussionen. Meine ehemaligen Nachhilfeschülerinnen fürs Mathe-Lehramt an Realschule, Hauptschule und GS hatten damit auch Probleme und wahrscheinlich ist es dann besser, man orientiert sich da vom Niveau her an dem was machbar ist.


    Gruss
    Lissi

  • Hi Lissi,


    Offensichtlich haben meine Eltern keinen VHS-Kurs besucht. Aber ich habe ihr Buch "Eltern entdecken die neue Mathematik" (Drömersche Verlagsanstalt, 1970) gleich wieder aus dem Altpapier gezogen.
    Töchterchen fand das alles schön bunt. Kann sie mitnehmen und der Mathelehrerin in die Hand drücken. Vielleicht kann die ihr das mal zu erläutern, es ist doch schon arg lange her..


    - Martin

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

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