Ich schreibe nicht als Primarstufenlehrerin, denn ich unterrichte am BK, ich schreibe als Mutter einer 6-jährigen Erstklässlerin.
Ich habe mich sehr auf die Grundschulzeit meiner Großen gefreut, denn sie ist schon seit Jahren wissbegierig und wenn wir es drauf angelegt hätten, könnte sie jetzt sicher schon lesen. Wir haben das aber bewusst vermieden, denn dazu ist die Schule da.
Die Klassenlehrerin ist zwar nicht "frisch" im Beruf, hat aber das erste Mal eine Klassenleitung einer 1. Klasse.
Nach ein paar Wochen ging es los - Gegrübel, was die Kinder aufhaben, roter Punkt für rote Mappe im Aufgabenheft, laut der Kinder hatte die Lehrerin die Hefter aber eingesammelt. Laut eines anderen Kindes sollten nur einige Kinder in der roten Mappe arbeiten, allerdings immer noch das Problem, dass die rote Mappe eingesammelt worden war.
Die Lehrerin gibt zu wenig Zeit, die Hausaufgabenstellung von der Tafel abzuschreiben, manche Kinder haben sie gar nicht im Heft, andere auf einem Zettel, weil sie in der Eile nicht ihr Hausaufgabenheft finden. Auf kopierten Arbeitsblättern steht keinerlei Aufgabenstellung, die Kinder sind ratlos, die Eltern auch. Oft haben die Kinder gar nicht die Materialien mit, in denen sie Hausaufgaben machen müssen. Daher werden dann in der whatsappgruppe der Eltern die Blätter fotografiert (von den Kindern, die sie dabei haben oder im offenen Ganztag gemacht haben) und ausgdruckt und dann die Lösungen mit Tippex weiß gemacht. Das ist meiner Ansicht nach nicht Sinn und Zweck der Sache!
Dann wird eine enorme Selbstständigkeit erwartet - die arbeiten in Deutsch mit den Tobi-Heften von Cornelsen und so, wie ich die Kinder verstehe, wird den größten Teil des Tages selbstständig gearbeitet. Da sind Stempelblätter zu den einzelnen Buchstaben, dazu müssen die Kinder dann was im Heft schreiben, ein Arbeitsblatt im Buch machen, eine Seite in einem anderen Buch lesen, etwas in einer Lernkartei machen, Lese-Mal-Blätter ausfüllen etc. Haben sie eine dieser Aufgaben fertig, machen sie ein Häkchen dahinter und irgendwann wird das von der Lehrerin abgezeichnet, wenn sie die Sachen mal einsammelt.
So wie ich das verstanden habe, müssen sich die Kinder weitestgehend selbst organisieren. Das führt dazu, dass nicht immer alles im Unterricht gemacht/ geschafft wird und wir Eltern zuhause keine Ahnung haben, was zu machen ist. Im Mathebuch wird nämlich nicht alles gemacht, aber in Deutsch muss alles nachgearbeitet werden, wie ich am Elternsprechtag letzte Woche erfahren habe.
Am Elternsprechtag bekamen viele Eltern ausschließlich negative Aussagen zu hören, Ihr Kind arbeitet nicht, Ihr Kind stört, Ihr Kind träumt, Ihr Kind ist unselbstständig. Ulkigerweise waren die Leistungen in den beiden Tests, die sie geschrieben hat (nur für sich, haben die Kinder nicht wiederbekommen), bei vielen dieser Kinder gut bis sehr gut.
Die betroffenen Eltern waren ziemlich platt und seitdem ist das Rätselraten noch größer. Insgesamt kommen die Kinder, die im offenen Ganztag sind (über 20 Kinder von 28), viel besser klar, denn die Betreuung der Hausaufgaben findet im Klassenraum statt und da kann dann ja "nichts schiefgehen", die Kinder haben ja alle Materialien in der Klasse und die Aufgabenstellung steht an der Tafel. Zudem sind die Kinder betreut.
Ich dachte immer, meine Tochter würde im offenen Ganztag untergehen, aber mittlerweile geht sie wohl unter, weil sie nicht im offenen Ganztag ist.
Ich bin total schockiert und traurig, denn als das hinterlässt Spuren. Meine Tochter geht nicht gerne zur Schule und auch Hausaufgaben macht sie nicht gerne, vor allem, wenn wir wieder mal nicht wissen, was genau zu machen ist. Spaß am Lesen und Rechnen hat sie dennoch, aber ich habe Angst, dass auch das abhanden kommt.
Ich habe der Lehrerin ins Aufgabenheft geschrieben, dass ich einen Termin brauche und um mehr Transparenz bitte - ich und einige andere Eltern sind wirklich am Limit.
Die Elternbeiratsvorsitzende schreibt ihr eine Mail, in der sie das Thema auch ansprechen wird.
Was sagt ihr als Primastufenlehrer dazu? Wie soll ich mich verhalten?