Alles anzeigenMeike, ich finde das doof.
Mich wundert die aktuelle Anti-Ausländer-Welle gar nicht, ich halte sie aber für (zum großen Teil) etwas ganz anderes:
Sehr lange haben wir Deutschen die Köpfe eingezogen, wenn man uns gegenüber die Nazi-Keule gezogen hat. Ich erinnere an einen prominenten Politiker, der in den 90er Jahren in China Menschenrechte anmahnte, dem aber gesagt wurde, er solle die Klappe halten, er sei doch selbst Nazi oder zumindest sein Vater.
Niemand durfte Unmut äußern, wenn es Ausländer anging, es war verpönt, von Parallelgesellschaften zu sprechen, von Missentwicklungen - wer das getan hat, war automatisch ein Nazi, die Missstände wurden so nie wirklich diskutiert.
So ist es für viele Schüler mit Migrationshintergrund ganz normal, zu sagen, der Lehrer möge keine Ausländer, wenn sie eine schlechte Note bekommen haben und auch auf der Basis in eine Notenverhandlung zu gehen.
Wir haben Angst, das man uns für diskriminierend und ausländerfeindlich hält.
Ich kann gut verstehen, dass ein Teil der Gesellschaft keine Lust mehr darauf hat, einen Maulkorb zu tragen.
Ich finde es auch bescheuert, von verängstigten oder besorgten Bürgern zu sprechen und das möglichst abfällig. Viele möchten sich
lediglich kritisch äußern dürfen, ohne Ansehen, ob es sich bei der kritisierten Person um Migranten oder Biodeutsche handelt. Und sie möchten nicht extrem wählen.
Es ist normal, dass das Pendel zu Gegenbewegungen ausschwingt, das prägt die Geschichte.
Nach einer Phase des Bemäntelns sind wir nun auf den Weg in eine Phase des Aufdeckens - und ich hoffe, die Medien schließen sich an.
Vielleicht kommen wir so irgendwann in einer Normalität an.
Die Deutschen haben nach 1945 aus den von Dir geschilderten Gründen in der Tat die Köpfe eingezogen - allerdings nicht ganz so wie Du denkst. Anstatt Rassenhass und die angebliche Überlegenheit der arischen Rasse öffentlich zu zelebrieren, hat man das lediglich ins Private verlagert. (Man hat ja gesehen, wozu das führt und hat - in Ausblendung des Leides, das man damit über die Welt gebracht hat - vor allem das eigene Leid kultiviert...)
Ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung war nach wie vor fremdenfeindlich und ablehnend gegenüber Ausländern - die Gastarbeiter können davon sicherlich ganze Alben mit Liedern vollsingen.
Das mag man auf die damalige Politik schieben, da Integration damals nicht auf der Agenda stand. Was aber gerne übersehen wird - und das finde ich ekelhaft selbstgerecht - ist, dass Integration nur dann gelingen kann, wenn beide Seiten, also Deutsche und Migranten, aktiv daran mitarbeiten.
Wenn Deutsche den Migranten mangelnde Integrationsbereitschaft vorwerfen und Parallelgesellschaften und weiter Missstände anprangern, sollten sie auch einmal darüber nachdenken, welchen Anteil die Deutschen daran hatten und immer noch haben. Wie kann ich mich als Migrant integrieren, wenn man mir das Gefühl gibt, man möchte mich mit dem, was ich mitbringe, gar nicht haben?
Wenn wir mal ehrlich sind, war und ist unsere Willkommenskultur reine Heuchelei nach dem Motto "nimby" ("not in my backyard"). Was die Deutschen im Grunde immer erwartet haben, war nicht Integration sondern Assimilation. Und selbst wenn die Migranten das getan hätten, wären sie spätestens an dem Umstand verzweifelt und gescheitert, den ich im Thread zum Thema Hautfarbe und Deutschsein ausführlich dargelegt habe.
Die Deutschen (ich weigere mich, als Deutscher mit Migratoinshintergrund von "wir" zu sprechen, weil ich selbst unter dem beschriebenen Phänomen "gelitten" habe) haben bei der Integration seit Jahrzehnten kollossal versagt, nicht die Bundesregierungen seit Adenauer, nicht Frau Merkel. Integration ist weniger eine politische als eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wenn man als Deutscher schon keine Migranten integrieren wollte, dann war die Nazikeule der 50er bis 90er Jahre vielleicht treffender als gedacht - selbst wenn sie gerne als politsches Totschlagargument missbraucht wurde.