Flüchtlingsdiskussion - auf Bitte ausgelagert

  • Man muss hier schon unterscheiden zwischen Menschen die auf der Flucht und mit legitimem Asylgrund nach Deutschland kommen (und allen anderen, dazu unten). Diese sollen und müssen aufgenommen werden, da sollte Deutschland sich, insbesondere in Erinnerung an die eigene Geschichte und den Umgang mit jüdischen Flüchtlingen in anderen Staaten als Vorbild aufführen.


    Auf der anderen Seite gibt es aber Menschen, die einen solchen Asylgrund nicht haben und aus anderen Gründen nach Deutschland einwandern möchten und da muss der Staat ganz klar sagen: Wir nehmen nur die auf, die für das Staatswesen ein Gewinn sind (wie man das dann definiert ist eine andere Sache, Deutschland ist da bisher sehr locker gewesen). Dazu kann man dann Sprachkenntnisse, Vermögen, Bildung oder gesicherte Einkommensverhältnisse verlangen, was einem als demokratischer Staat halt so gefällt. Und wenn über 50% der Menschen in einem Land sagen: "Wir nehmen quasi alle auf", dann wird das in einer Demokratie gemacht und wenn sie sagen "Wir nehmen sonst keinen auf", dann kommt halt keiner rein.


    Das Wort Illegale wird in Bezug auf Einwanderung schlicht falsch benutzt. Illegal also ungesetzlich kann nur eine Tat sein, keine Person, weshalb es auch nicht illegaler Einwanderer, sondern bestenfalls illegal Eingewanderter heißen dürfte. Ob da jetzt zuerst die Rechten oder die Linken geschlampt haben, kann ich nicht sagen. :)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Man muss hier schon unterscheiden zwischen Menschen die auf der Flucht und mit legitimem Asylgrund nach Deutschland kommen (und allen anderen, dazu unten).


    Ein Syrer, der bis nach Deutschland kommt, hat in der Regel vorher bereits die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Ungarn und Österreich durchquert.


    Das sind alles sichere Staaten, die meisten davon EU-Staaten. In jedem dieser Staaten war dieser Syrer bereits sicher vor Krieg und Verfolgung gewesen. Er hätte schon in der Türkei oder in Griechenland seinen Asylantrag stellen können.


    Aber diesen Leuten reicht es ganz offensichtlich nicht in einem sicheren Land Asyl zu bekommen. Nein, man hat schon Ansprüche und möchte sich das Wunschland aussuchen, in das man einandert. Und da werden offensichtlich die Länder mit den höchsten Sozialleistungen und dem grössten Wohlstand bevorzugt, wie eben Deutschland oder Schweden.


    Die Leute an der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni haben dort nicht randaliert und versucht die Grenzanlagen gewaltsam niederzureissen, weil sie auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung waren. Denn in Griechenland werden sie nicht verfolgt und es herrscht auch kein Krieg. In der Türkei zuvor ebenfalls nicht.


    Und diese Leute wollen auch ganz sicher nicht nach Mazedonien rein, weil sie gerne in Mazedonien bleiben möchten, sondern die wollen dann durch Mazedonien durch Richtung Serbien, um sich am Ende in einem der reichen, wohlhabenden Länder in Mittel- oder Nordeuropa mit grosszügigen Sozialleistungen und dem komfortabelsten Lebensstandard niederzulassen.

  • Gut, in dem Fall geht es dann eher darum: Sind Griechenland, Italien und Spanien in der Lage die gesammelten Flüchtlinge der EU aufzunehmen oder braucht es einen gerechten Verteilungsschlüssel oder finanziellen Ausgleich. Eine vorgegebene Verteilung der Flüchtlinge mit Residenzpflicht wäre dabei meiner Meinung nach das sinnvollste, mit verpflichtenden Sprach- und Integrationskursen, etc.
    Dabei kann man dann auch direkt schauen, wen man nach Ende des Asylgrundes gerne im Land halten möchte (es kann nämlich volkswirtschaftlich nicht sein, dass wir Flüchtlinge aufnehmen, hier zur Schule schicken und ausbilden um sie dann auszuweisen...)

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  • fro: Und noch einmal: Wir haben ca. 42 Millionen Steuerzahler. Du möchtest, dass diese Personen aus Gründen der Moral und der Gleichstellung der Menschen ca. 3,5 Milliarden Menschen durchfüttern. Das sind alle die, die unter Ungleichheit und Armut zu leiden haben. Interessant. Du unterrichtest nicht Mathematik, oder? Und hoffentlich auch nicht Wirtschaft!


    Ich darf mal ganz sanft daran erinnern:


    - dass in den jeweiligen Ländern eine enorm reiche Oberschicht lebt, die sich auf Kosten der Armen bereichert. Ganz konkret durch direkte Ausbeutung, Sklavenhandel, Waffen- und Rohstoffhandel etc. Wie wäre es, ganz im marxschen Sinne, hier Gleichheit herzustellen? Ich habe meinem afrikanischen Kindersklaven heute frei gegeben, wie sieht es denn bei dir aus? Darum bin ich auch mit Schuld an der Misere...


    - Viele Entwicklungsländer verfügen über Rohstoffe, die heiß begehrt sind. Wenn man das Geld im Lande sinnvoll verwenden würde, wäre eine Flucht der Menschen gar nicht nötig. Übernehmen jetzt wir deutschen Brüder die gerechte Verteilung? Warum können die Menschen das nicht selbst steuern? Findest du sie zu dumm, zu ungebildet, ohne deutsche Hilfe ihre eigenen Interessen wahrzunehmen?


    - mehrere gehen hier davon aus, dass die Flüchtlinge die Armen und Gebeutelten sind. Seid ihr da so sicher? Glaubt ihr denn ernsthaft, auf einer Flucht durchzukommen bedeutet, ganz sanft und liebevoll mit dem Nächsten umzugehen? Ohne Geld zu reisen? Es hat schon seinen Grund, warum zu 70% starke junge Männer hier ankommen und die Schwachen nicht. Sie werden ihre Ellbogen schon benutzt haben, sonst wären sie nicht hier. Wir reden also nicht von den Ärmsten und Schwächsten, die sind nämlich nicht weit gekommen.


    - Ich halte sehr wenig davon, unsere Ideen von Politik, Religion oder Philosophie zu exportieren. Sie müssen sich selbst und ihr Land und ihr politisches System entwickeln. Einmischung von außen tut nicht gut.Und auch nicht, wenn alle halbwegs Fähigen nach Deutschland gehen und niemand mehr da ist, der das Land aufbauen kann. Es hilft der Menschheit auch gar nichts, wenn die Bundesrepublik untergeht, weil sie bisher der letzte einsame Rufer in der Wüste ist.


    - Mir geht dieses urchristliche Getue auf den Sack - wir sind alle gleich, wir sind alle Brüder, lasst uns ein Brot teilen. Ich halte es mit Paulus: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen."


    - Deine persönliche Caritas solltest du vielleicht in einem Konvent ausleben. Ich nehme auch nicht an, dass du Kinder hast, denn sonst hättest du einen Hauch von Verantwortungsgefühl. Oder möchtest du, dass deine Tochter (so vorhandne) in 20 Jahren ein Tageseinkommen von 2 Dollar hat? Deine Mutter keine Rente mehr? Frag doch mal nach, es ist ja im Namen der Gerechtigkeit, scheiß auf das schnöde Geld.


    Und ganz zum Schluss. du hast einen Fehler in deiner Denke: Bei deiner Gleichheit beziehst du dich ausschließlich auf wirtschaftliche Teilhabe der armen Kontinente. Die Amis haben es nach 45 erkannt und vielleicht hat es sich schon herumgesprochen: Ein wirschaftlich saturiertes Volk neigt weniger zu Extremen in der Politik. Wer etwas zu verlieren hat, hat Angst, es zu verlieren. es steht jeder bevölkerung dieser Erde frei, sich ein solches System zu schaffen. Solange aber Menschen Menschen kaufen, ausbeuten, Frauen nicht am öffentlcihen Leben teilnehmen lassen oder die Männer ein Drohnendasein führen, die Bevölkerung massiv wächst usw - solange wird es in den Ländern, über die wir reden, auch nicht besser.


    Aber das ist jetzt alles meine Schuld? Oder deine?

  • Redest du jetzt von deinen Schülern oder von dir? Was bereitet dir Bauchschmerzen, die Verfassung oder die Demokatrie oder beides? Oder dass deine Schüler sich einen starken Mann wünschen? oder wer wünscht sich was, wenn du "man" sagst? dass eigentlich du gerne eine Partei hättest, die allein das Sagen hat? huiuiui, jetzt wirds erdogan.


    Warum deine Schüler das Grundgesetz nicht kennen, weiß ich nicht. Aber welche Schlüsse ziehst du daraus? vielleicht läuft was in Gesellschaftskunde bei euch falsch. Oder schon viel früher, die Grundrechte sind eigentlich schon im Kindergarten Thema, selbst wenn 4-Jährige dafür andere Namen kennen.


    Wie auch immer, ich sehe in der Unterinformiertheit einzelner Menschen keinen Grund des Zweifels an Menschenrechten und Gewaltenteilung.

  • fro: Und noch einmal: Wir haben ca. 42 Millionen Steuerzahler. Du möchtest, dass diese Personen aus Gründen der Moral und der Gleichstellung der Menschen ca. 3,5 Milliarden Menschen durchfüttern.


    Sorry, ich möchte nicht unhöflich sein, aber das ist schon nicht mehr ironisch sondern schlicht und ergreifend gequirlte Kacke. Die meisten Flüchtlinge kamen 1992 aus Jugoslawien. Später aus Afghanistan und jetzt Syrien. Alles Kriegsgebiete. Die meisten Anträge wurden nach 1992 übrigens abgelehnt, weil man meinte, soviele Flüchtlinge nicht verkraften zu können.


    Was hat das nun mit der Problematik der Überbevölkerung zu tun? nichts, rein gar nichts. Die Idee, dass viele Leute es lustig finden, ihre Heimat und Familien zu verlassen, weils hier so leckere Würste gibt, muss von einem völlig übersteigerten Selbstbild herrühren. Ich glaube nicht, dass dir jemand etwas über das Leiden der Jugoslawienkriege erzählen muss.

  • Hallo Schantalle,


    schade, das sdu mit dem Konjunktiv noch Probleme hast.


    In der Diskussion ging es um um Dinge, die die Gesellschaft zusammenhalten.
    Du nanntest das GG und die Demokratie als gemeinsamen Konsens aller in Deutschland lebenden Menschen.


    Ich habe meine Zweifel geäußert, inwiefern der Inhalt des GG überhaupt bekannt geschweige denn Konsens ist, ebenso wie ich Zweifel daran äußerte, ob alle in Deutschland lebenden Personen einer Demokratie etwas abgewinnen können und an ihr teilnehmen.


    Übrigens: Zahlen. Offenbar hast du meine Ausführungen nicht verstanden. fro möchte Solidarität mit allen Menschen und ich habe nachgefragt, wie er sich das beim Zahlenverhältnis von 42 Mio Zahlern zu 3,5 Mrd (Angabe der UNO) Hilfebedürftigen vorstellt. Es ging hier nicht nur um Flüchtlinge (woher sie auch immer kommen mögen), sondern um mathematische Machbarkeit.


    Apropos Zahlen:


    http://www.welt.de/politik/aus…meisten-Fluechtlinge.html


    Ich finde es unschön, dass du dich dermaßen im Ton vergreifst, insbesondere, wenn du der Diskussion nicht folgen kannst.

  • Zunächst einmal zur Schilderung von Stille Mitleserin zum Demokratieverständnis: Ich denke es kommt aus ihrer Aussage klar rüber, dass die Auffassungen über Demokratie- und Verfassungsablehnung sowie dem Wunsch autoritärer Führung aus dem Munde ihrer Schüler stammen.


    Diese Weltuntergangsszenarien einer in sich zusammenbrechenden deutschen Wirtschaft aufgrund einer plötzlichen Migration von Milliarden ist doch nur eine Legitimationsgrundlage, aus Angst um jeden Preis eben jene Migration zu drosseln. Schaut man sich die Migration- und Fluchtzahlen an, stellt man - trotz Anstieg - jedoch mitnichten solch eine Entwicklung fest. Hysterie ist des Konservativen Freund. Zumal eine Abschwächung des demographischen Wandels durch Migration doch eigentlich ein feuchter Traum für Marktradikale sein müsste ;) Abgesehen davon legitimiert diese vielerorts geteilte Abstiegsangst nur eine Reproduktion der Alternativlosigkeit derzeitiger neoliberaler Praktiken. Schließlich ist es nicht in Stein gemeißelt, dass es hierzulande beispielsweise keine Vermögenssteuer geben darf.


    Aber auch diese Diskussion knüpft unmittelbar wieder an der vor mehreren Seite aufgeworfenen Ausgangsfrage an: Wer darf wo leben und wieso? Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, es sei sozial gerecht, dass man selber hier den Wohlstand genießen darf, dies anderen Menschen einfach auf Grundlage ihres Geburtsortes prinzipiell verweigert.

    • Offizieller Beitrag

    Die letzten zwei Zeilen von fros Beitrag fassen die Grundproblematik eigentlich sehr schön zusammen.


    Hier greifen dann, zugegebenermaßen zugespitzt und vereinfacht dargestellt, folgende Mechanismen:


    - der Mensch ist von Natur aus geld- und machthungrig und lässt sich im Großen wie im Kleinen oft von der Aussicht auf eine oder beide Größen sozial korrumpieren
    - fair ist immer, was einem selbst am meisten nützt.


    Fro spricht von Verweigern des Anrechts auf Wohlstand für Menschen auf der Grundlage ihres Geburtsorts.
    Ich denke nicht, dass irgendjemand hier Menschen aus der Dritten Welt oder aus Krisengebieten per se ihr Anrecht auf Wohlstand verweigern. Da schließt sich dann der Kreis zu einer Teildiskussion weiter oben auf den jetzt 17 Seiten. Können ca. 250 Mio. in überwiegendem Wohlstand lebende Europäer Millionen Afrikaner und Asiaten durchfüttern, die eben das "Pech" hatten, am falschen Ort in die falsche Familie geboren worden zu sein?


    Und dann sind wir auch wieder bei der Frage, ob Umverteilung von oben nach unten zu einer insgesamt größeren Zufriedenheit der Beteiligten führt. Ich persönlich bezweifle das.

  • Ich denke nicht, dass irgendjemand hier Menschen aus der Dritten Welt oder aus Krisengebieten per se ihr Anrecht auf Wohlstand verweigern. Da schließt sich dann der Kreis zu einer Teildiskussion weiter oben auf den jetzt 17 Seiten. Können ca. 250 Mio. in überwiegendem Wohlstand lebende Europäer Millionen Afrikaner und Asiaten durchfüttern, die eben das "Pech" hatten, am falschen Ort in die falsche Familie geboren worden zu sein?

    "Durchfüttern" war schon seit jeher der falsche Ansatz in der Entwicklungshilfe.
    Es muss sich um 'Hilfe zur Selbsthilfe' handeln. Damit die Selbsthilfe funktioniert, ist zunächst "Know-How" notwendig - und damit erhält der Aufbau eines funktionierenden Schulsystems - und besonders das Berufschulsystem zentrale und primäre Bedeutung.


    Man muss keine fertigen Trinkwasser- und Pumpensysteme aus Europa exportieren und mit unseren Fachleuten aufbauen - es genügt ein Fachmann, der den Menschen vor Ort zeigt, wie man ein derartiges System baut.
    BTW: Geniales Wasserpumpensystem für Entwicklungsländer, das ohne Fremdenergie funktioniert und durch Laufwasserenergie angetrieben wird: "Der hydraulische Widder"
    Man muss keine Milchpulver-Carepakete mit Überschussproduktion aus Europa in den Hungergebieten abwerfen - wenn man den Menschen vor Ort zeigt, wie mit Ziegenhaltung die Grundbedürfnisse selbst befriedigen kann.
    Man muss....


    Es gibt zahlreiche weitere "Best-Practice-Beispiele" für funktionierende Entwicklungshilfe.
    Diese können natürlich niemals gegen Machtspiele einzelner Gruppierungen und Kriegstreiber wirksam sein - wobei auch in diesem Zusammenhang gilt: "Bildung wirkt!".


    Wobei wir wieder bei meiner oben stehenden Forderung ankommen: "Helft den Menschen, Schulen zu bauen!"


    Nachtrag: ... und stoppt Waffenexporte weltweit. Sofort.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Ich habe ein anderes Menschenbild als fro - vielleicht ist das das Problem.
    Meiner Meinung nach existiert die Variante "am falschen Ort im falschen Land geboren" nicht.
    Jeder Mensch ist fähig, sich und sein Schicksal zu verändern.
    Unsere Eltern sind noch in ein politisch und wirtschaftlich zerstörtes Land hineingeboren worden. Die Generation unserer Großeltern hat hart daran gearbeitet, die Bedingungen zu verbessern. Wenn sie es nicht getan hätten, würden wir heute nicht im Wohlstand leben.


    Wie alias sagt gibt es sehr positive Beispiele in der Entwicklungshilfe. So betreibt die Regierung des Senegal eine großangelegte Kampagne für Verhütung, die langsam Erfolge zeitigt. http://www.zeit.de/wirtschaft/armut/texte/senegal


    Aber auch allein, ohne westliche Hilfe, können die Menschen in Entwicklungs- oder Schwellenländern Verbesserungen durchführen - siehe Ruanda mit seinem rigorosen Plastiktütenverbot. Hätte ich auch gern, ein echtes Vorbild für uns.


    Aber es gibt auch kulturelle Grenzen - so baut das reiche China bis heute sehr ungern Kläranlagen, obwohl es die mittlerweile billig und patentfrei gibt. Kacke hat keinen schönen Nimbus, da macht ein Transrapid mehr her. Auch in Afrika sind Fernseher beliebter als Kläranlagen. Das muss man erst einmal akzeptieren, niemand will den Menschen diktieren, worauf sie Wert zu legen haben.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe ein anderes Menschenbild als fro - vielleicht ist das das Problem.
    Meiner Meinung nach existiert die Variante "am falschen Ort im falschen Land geboren" nicht.
    Jeder Mensch ist fähig, sich und sein Schicksal zu verändern.
    Unsere Eltern sind noch in ein politisch und wirtschaftlich zerstörtes Land hineingeboren worden. Die Generation unserer Großeltern hat hart daran gearbeitet, die Bedingungen zu verbessern. Wenn sie es nicht getan hätten, würden wir heute nicht im Wohlstand leben.

    Das ist doch fast schon geschichtsverfälschend vereinfacht dargestellt. Ohne die Hilfe und mehr noch die Milde der Westalliierten wären wir so schnell nicht wieder auf die Beine gekommen. Gut, dahinter steckte auch die schon nach Versailles 1919 immer noch vorhandene Absicht, die Deutschen als "Bollwerk gegen den Kommunismus" zu machen, aber letztlich haben unsere Eltern und Großeltern diesen Wohlstand nicht gänzlich alleine erarbeitet. Und vergessen wir nicht, dass es auch die Generation unserer Großeltern war, die ihren Teil dazu beigetragen hat, dass Deutschland nach dem Krieg politisch und wirtschaftlich zerstört war.


    Natürlich ist jeder Mensch dazu fähig, sich und sein Schicksal zu verändern. Als Teil der westlichen Welt, die erst in den 60er Jahren den Großteil Afrikas in die Unabhängigkeit entlassen hat, finde ich es aber äußerst zynisch, dieses den Menschen, die als Nachfahren der Generationen, die unter der ausbeuterischen Kolonialpolitik zu leiden hatten, vor die Füße zu werfen. Dass der Reichtum Afrikas in den Händen weniger korrupter Machthabender liegt, ist nichts anderes als die Perfektion dessen, was man unter europäischer Kolonialpolitik gelernt hat. "Mach Dir die Taschen voll, sonst tut es jemand anderes."


    Letztlich ist es doch ganz einfach:
    Wir wollen unseren Wohlstand behalten und nehmen in Kauf, dass wir durch unser Konsumverhalten andere Menschen ausbeuten. Ob es der Fabrikarbeiter oder seine Kinder in der Mitte des 19. Jh. war oder heute die Sweatshop-Arbeiterin in Bangladesch. Jede Veränderung dieses Systems würde unseren Wohlstand und unser Selbstverständnis davon, dass dies unser Geburtsrecht sei, zutiefst erschüttern. Effektiv haben daran nur ganz wenig Menschen Interesse. So ehrlich sollte jeder zu sich sein.

  • Meiner Meinung nach existiert die Variante "am falschen Ort im falschen Land geboren" nicht.
    Jeder Mensch ist fähig, sich und sein Schicksal zu verändern.

    Lass mal überlegen. Welche Chance hättest du wohl als Mädchen oder als Rikscha-Fahrer in Bangladesch? Zudem, das ist nicht neu: Jeder einzelne Mensch in Industrienationen profitiert von der Armut anderer Länder und zwar schon ein ganzes Weilchen (ich spare mir mal all die Zitate).


    Unseren aberwitzigen Ressourcenverbrauch zu rechtfertigen, weil "wir machen sowieso alles richtig und benutzen ja Kondome" ist mir zu einfach. Dies tippe ich im Bewusstsein dessen, dass ich einer Arbeit nachgehe, die mir Zeit lässt, sowas zu tippen auf einem PC, von dem ich nicht mal weiß, wo er wie hergestellt wurde. Ich bin verdammt privilegiert und zwar mit mäßig eigenem Zutun. Selbst die Uni, auf die ich ging, war für mich kostenlos.


    Unser Wohlstand fußt, neben unserem ausgeklügelten System in dem wir leben, auf der Arbeit unserer Eltern UND der Ausbeutung anderer Bevölkerungsgruppen. Ich kann da auch nur das Glück beim Ziehen des Geburtslotterieloses erkennen.



    ( Bolzbold, unsere Einträge haben sich überschnitten. Dass ich ebenfalls Bangladesch gewählt habe, ist Zufall, bzw. Gedankenübertragung :) )

  • Ich kann meinen beiden Vorrednern in vielen Punkten nur zustimmen. Um auf aktuelle, von unseren heutigen gewählten Regierungen initiierte Ausbeutungsmechanismen aufmerksam zu machen (auch wenn das medialer Präsens sei Dank eigentlich als Basiswissen für aufgeklärte Wohlständler angesehen werden könnte), möchte ich auf den Export von auf dem europäischen Markt nicht zu verwertendem Hühnchenfleisch hinweisen, das die dortige Nahrungsmittelproduktion und dementsprechend die wirtschaftliche Leistung schwächt. Oder der Verkauf von Fischfangrechten an Küsten afrikanischer Staaten, dem die EU nur allzu gerne zugestimmt hat. Das alles hat sehr wenig mit der zwar schön klingenden, de facto aber Abschottung auf der einen Seite und Wohlstandserhalt um jeden Preis auf der anderen Seite als Resultat hervorbringenden Aussage der "Hilfe zur Selbsthilfe" zu tun.

  • Ich möchte eure Vorwürfe hier etwas aufdröseln - ihr mischt nämlich zwei Themenbereiche.
    Auf der einen Seite steht die wirtschaftliche Ausbeutung, die durch die Globalisierung zugenommen hat. Hier schöpfen Firmen und damit auch Verbraucher ab, was die Menschen in Entwicklungsländern zu Hungerlöhnen und unter schwierigsten bedingungen leisten.


    Auf der anderen Seite steht die Umsetzung der Menschenrechte im jeweiligen Land.


    Bangladesch - ein gut gewähltes Beispiel.


    Per Verfassung gilt die Gleichberechtigung der Geschlechter und deren Gleichstellung vor dem Gesetz. Frauen haben auch das Wahlrecht. (...) Seit 1960 existiert ein Gesetz zum Schutz der Frau vor Gewalt, das 1983 erneuert wurde.



    Soviel zur Theorie - es hält sich halt keiner daran. "In Bangladesh leiden immer noch viele Mädchen und Frauen unter Kinder-Zwangsehen (oft mit Ausgangs- und Kontaktsperre zu Eltern und Geschwistern) - kein Schulbesuch - keine medizinische Versorgung - keine Rechte wegen fehlender Eheverträge - Brautgeld (dowry) - häuslicher Gewalt - Säureatten-taten - Mitgiftmorden - Shallish (dörfliche Scheidungs-gerichtsbarkeit bis hin zur Steinigung) - Kidnapping ins Ausland (zur Zwangsprostitution und zu Organdiebstahl) und Vergewaltigung."


    Das sind kulturell bedingte Dinge, die aus einem stark patriarchalischen System stammen. Auf diese Auswüchse im familiären Zusammenleben habe ich wenig Einfluss. Bei den wirtschaftlichen Punkten kann ich wenigstens noch Kaufentscheidungen treffen, die, in der Masse, vielleicht etwas bewegen.


    Hier bleibt nur den Menschen im Land auf Dauer festzustellen, dass Frauen wichtig sind. Spätestens, wenn es nur noch wenige Frauen gibt, werden die Brautpreise entfallen und sich mehrere Bewerber um eine Braut rangeln. Dann wird vielleicht in den Augen der Väter der Wert der Mädchen steigen - folglich würden sie besser behandelt werden.
    Oder die Frauen gehen auf die Barrikaden oder verbünden sich untereinander - mit den Schwiegermüttern gegen die Männer, so dass die Knaben zu Respekt vor Frauen erzogen werden.
    So weit sind wir noch nicht, im Gegenteil, im Moment sind Vergewaltigungen das Mittel der Wahl für Männer, die keine Frau abbekommen.


    Aber seid mal ehrlich - wollt ihr die Knaben alle hier haben?

  • Aber seid mal ehrlich - wollt ihr die Knaben alle hier haben?

    Prima Beispiel, deine Flüchtlingsknaben aus Bangladesh!
    Zahlen von 2015:

    Nach Deutschland flohen insgesamt 808 Menschen aus Bangladesch. Mit 19 positiven Entscheiden wurden 8,05 Prozent aller Neuanträge angenommen.

    Jetzt hab' ich aber Angst!


    Ernsthaft: Mein Statement von oben gilt hier besonders. BILDUNG wirkt!

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • @alias, mir ging es nicht um die Zahlen, sondern um die Einstellung der Männer, die ich nur grässlich nennen kann.
    Ich finde (Bangladesch war euer Beispiel) es schwierig, mir die Lebenseinstellung der Bangladeschi hier in Europa vorzustellen.
    Glaubst du, ein Mensch, der bisher so gelebt hat, kann seine komplette Lebensweise und Kultur einfach abstreifen?


    Natürlich hilft Bildung, aber was machst du, wenn die Mädchen nicht zur Schule geschickt werden?


    Gehen wir doch bitte mal zurück in den arabisch-afrikanischen Raum, den ich hier auch zahlenmäßig wichtiger finde 8und den ich besser kenne).
    Ich habe Kontakt zu einer Studienkollegin von mir, die in Deutschland studiert hat und mittlerweile mit Mann und Tochter in Ägypten lebt und als
    Reiseleiterin arbeitet. In einer vertrauten Minute unter Frauen hat sie mir auf typisch deutsches Nachhaken erklärt, dass ihre kleine Tochter natürlich auch beschitten werden wird, da sie gebildet ist, lässt sie dies in einer Klinik unter hygienischen Bedingungen durchführen. Ich war recht geschockt und habe argumentiert, schließlich ist sei ja eine westlich gebildete Frau, die ein Universitätsstudium vorweisen kann, sie meinte aber, dass ihr Kind später nicht heiraten könne, wenn sie nicht beschnitten sei. Wir reden hier von pharaonischer Beschneidung an Mädchen.


    Das war im Jahr 2010.

  • und deshalb - weil diese westlich gebildete ägypterin ihre tochter in einem kranknehaus beschneiden lassen will - sollten keine ägytpter zu uns flüchten dürfen? natürlich kann man die eigene kultur niemals einfach abstreifen, man lese bourdieu oder wenigstens wikipedia zu "habitus". kultur ist inkooperiert, gar keine frage. dein ägypten-beispiel illustriert das sehr schön, quasi literal: die kultur wird - hier auf extrem grausame weise - in den körper des kindes 'eingeschrieben', sie wird das für immer mit sich tragen. das passiert mit uns allen, freilich meist weniger krass: wir haben eine bestimmte art uns zu kleiden, zu sprechen, zu argumentieren, bestimmte interessensgebiete, themen, essweisen, häuser, bildungsabschlüse, arten zu gehen, zu stehen, jemanden zu begrüßen, zu beten etc., die alle für uns völlig selbstverständlich sind, weil wir sie sehr früh erlernt haben. sie sind teil unseres persönlichen 'habitus', der uns für uns selbst einer bestimmten schicht/klasse/kultur (oder andere soziale ordnungsbegriffe, sucht euch was aus) zuordnet und auch anderen dazu dient, uns sehr schnell zuzuordnen, oft nach wenigen sekunden des ersten kontakts. man trägt seine kultur als habitus sozusagen immer mit sich, man kann das in der tat nicht wie ein hemd einfach ausziehen, da hast du zu tausendprozent recht.



    wir können uns jetzt - in guter kolonialer tradition - hinstellen und sagen "das ist barbarisch! die frau ist sooo gebildet, aber sie will unsere westliche pille nicht schlucken und fügt sich weiterhin den sozioökonomischen traditionen - vulgo: der lebensweltlichen praxis - ihrer umgebung, um den status ihrer tochter nicht aufs spiel zu setzen. was für eine schlechte mutter!" damit ist man sich sicher, dass wir recht haben, die unrecht, und jetzt baut endlich eine mauer.


    man kann aber auch sagen: "ein beispiel, das wieder mal zeigt, dass kulturen und das mit ihnen einhergehende kapital (soziales, ökonomisches, kulturelles kapital) früh erlernt und internalisiert werden. aber auch ein beispiel dafür, wie wandelbar und formbar die wahrnehmung und weltdeutung und damit das verhalten der menschen ist: habitus/kultur/werthaltung - all das sind keine dinge, die irgendwo unveränderlich im raum stehen, sondern *praktiken*, die sich ständig, wirklich ständig ändern, weil wir zwar bewährtes (die beschneidung ist für die betreffenden gesellschaften bewährt, wenn auch extrem barbarisch, gar keine frage) immer und immer wieder wiederholen (generationen von frauen werden grausam beschnitten, no way out, sonst keine heirat und damit sozialer und ökonomischer tod), es aber durch diese praxis, während des tuns, ständig und immer auch ein bisschen, ein kleines bisschen ändern. hier zum beispiel wird ein krankenhaus aufgesucht, weil hygiene als wichtiger als ein traditioneller ablauf der beschneidung betrachtet wird. das ist ein riesenschritt! immerhin dürften die chancen, dass das mädchen an einer folgeinfektion verstirbt (was oft passiert in afrika) dadurch sehr deutlich reduziert sein, und ein betäubungsmittel kommt vermutlich auch zum einsatz. immer noch völlig danben, keine frage, aber *kultur* ist *praxis* und damit durch *bildung* und *vorleben* und *ausproberen lassen* ständig und immer in veränderung. kulturen sind keine gewänder, die man einfach ausziehen kann, aber man kann jeden tag ein bisschen was anderes anziehen, bis man nach ein paar generationen plötzlich ganz anders aussieht und sich v.a. auch anders verhält und anders denkt.


    dass diese veränderung in richtung menschenrechten und pluralismus und offene gesellschaft und demokratie geht und nicht in richtung autoritäre diktatur und geschlossene gesellschaft, das sollte unser aller ziel sein. verbote, vorschriften, kontrollen erreichen fast nichts (bestenfalls compliance nach außen), vorleben, bilden, und nochmal bilden erreichen immerhin ein bisschen was. es gibt leider keine schneller wirksamen demokratischen möglichkeiten (demokartie hat als sine qua non *immer* die offene gesellschaft dabei, siehe grundgesetz!), da was zu ändern.



    im übrigen: *genau das* bekommen moderne, ausdifferenzierte gsellschaften eben seit spätestens dem 19. jahrhundert vergleichsweise super hin: das friedliche zusammenleben von menschen mit unterschiedlichen kulturen, werten, verhaltensweisen. schau dir unsere deutschen großstädte doch an.


    wer meint, dass verschiedene kulturen grundsätzlich nicht zusammenleben können - außer mal kurz im urlaub oder so, oder mit klarer trennung durch segregation usw. - und das deshalb auch nicht tun sollten, weil kulturen eben keine kleider sind, die man eben mal so ausziehen kann (letzteres stimmt, aber die erste aussage folgt nicht daraus!), der vertritt einen "ethnopluralismus", und das ist ein rechtsradikales konzept. vgl. identitäre bewegung.

    4 Mal editiert, zuletzt von kecks ()


  • dass diese veränderung in richtung menschenrechten und pluralismus und offene gesellschaft und demokratie geht und nicht in richtung autoritäre diktatur und geschlossene gesellschaft, das sollte unser aller ziel sein.

    Danke kecks, das ist der Widerspruch, nach dem ich hier die ganze Zeit gesucht habe!

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